Medienspiegel 5. April 2021

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++FREIRÄUME
Pandemische Kultur: Der Ohnmacht trotzen
Seit Monaten leidet die Kulturbranche unter den behördlichen Einschränkungen. Das Tojo Theater in der Reitschule versucht, trotz Verschiebungen, Proben ohne Auftritte und bürokratischen Zusatzaufwänden weiterhin Kultur zu ermöglichen.
https://www.megafon.ch/der-ohnmacht-trotzen/?artikel=Der+Ohnmacht+trotzen


Stadt Bern: Illegales Camp – Besetzer stellen ihre Wohnwagen im Schutzgebiet auf
Rund 15 Personen haben sich unterhalb des Felsenau-Viadukts niedergelassen. Das Gebiet liegt in einer Schutzzone, das Camp ist darum illegal.
https://www.bernerzeitung.ch/besetzer-stellen-ihre-wohnwagen-im-schutzgebiet-auf-781393015835


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Polizeigewalt bagatellisieren, Protest kriminalisieren
Seit zweieinhalb Jahren überrollt eine Repressionswelle der Basler Justiz Antifaschist*innen. Als Anlass dient die Demonstration «Basel Nazifrei!» vom 24. November 2018. Gegen die Repression wehren sich Direktbetroffene und Kampagnen wie «Basel Nazifrei» und 500k.ch. Gespräch mit zwei Aktivisten.
https://www.megafon.ch/der-ohnmacht-trotzen/?artikel=Polizeigewalt+bagatellisieren%2C+Protest+kriminalisieren


+++ANTITERRORSTAAT
Vor einem halben Jahr stimmte er noch für die Vorlage: SVP-Reimann kritisiert plötzlich Antiterror-Gesetz
Im Parlament stimmte Lukas Reimann für die Verschärfung. Bei der Abstimmung im Juni wird er aber Nein einlegen. Er warnt vor einem Blankoscheck für die Behörden.
https://www.blick.ch/politik/vor-einem-halben-jahr-stimmte-er-noch-fuer-die-vorlage-svp-reimann-kritisiert-ploetzlich-antiterror-gesetz-id16438224.html


+++BIG BROTHER
Der Nachrichtendienst des Bundes geizt mit Informationen zu Überwachungen – Echo der Zeit
Der Schweizer Nachrichtendienst NDB soll bestimmte Gefahren wie Terrorismus oder Spionage früh erkennen. Wer wissen will, ob auch er oder sie im Fokus des Nachrichtendienstes steht, hat das Recht, beim NDB Auskunft darüber zu verlangen. Aus dem Jahresbericht der Aufsichtsbehörde wird nun aber klar: Ein Grossteil der Gesuche wird aufgeschoben.
https://www.srf.ch/play/radio/echo-der-zeit/audio/der-nachrichtendienst-des-bundes-geizt-mit-informationen-zu-ueberwachungen?id=0c90891c-24c8-423e-ab0a-37f231f5b561


+++POLICE VD
Justice pour Hervé : le combat n’est pas terminé
Plus de 4 ans après le meurtre d’Hervé Bondembe Mandundu, suite à 1 jour et demi de procès puis 7 jours d’attente, ce mercredi 31 mars la cour criminelle du Tribunal d’arrondissement de l’Est vaudois rendait son verdict. L’assassin d’Hervé a été acquitté et indemnisé de 35’000 CHF par l’État. Ce procès est le premier de trois affaires de meurtre raciste par la police romande. Nous avons encore une fois la preuve que les non-blancs doivent se battre deux fois plus pour leur justice et pour leur dignité. Nous sommes prêt-e-s.
https://renverse.co/infos-locales/article/justice-pour-herve-le-combat-n-est-pas-termine-3007


+++RASSISMUS
Übersetzerin Nechyba: “Bei ‚farbig‘ stellt es mir die Haare auf”
Die Wiener Übersetzerin Daphne Nechyba darüber, wie man mit politisch, kulturell und historisch aufgeladenen Begriffen wie Race oder People of Color umgeht
https://www.derstandard.at/story/2000125582884/daphne-nechybabei-farbig-stellt-es-mir-die-haare-auf


++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Sachliche Fassade, dünn aufgetragen
Die selbsternannte Jugendbewegung «Mass-Voll» will den Coronademos einen Anschein von Sachlichkeit verpassen. Doch mehrere Kernmitglieder verbreiten Falschinformationen über die Pandemie oder werben in Verschwörungs-Chats um Mitstreiter*innen. Das ‹megafon› hat die öffentlichen Kanäle von «Mass-Voll» und seinem Kernteam unter die Lupe genommen. Und lauter Widersprüche gefunden.
https://www.megafon.ch/aktuelles/sachliche-fassade-duenn-aufgetragen/


«Über Social Media tragen Rechtsextreme ihre Ideologien in die Mitte der Gesellschaft»
Andre Wolf ist Faktenchecker bei der österreichischen Rechercheplattform Mimikama. In seinem Buch «Angriff auf die Demokratie» schreibt er über die Gefahren rechtsextremer Netzwerke, die das Internet unterwandern.
https://www.tagblatt.ch/leben/interview-ueber-social-media-tragen-rechtsextreme-ihre-ideologien-in-die-mitte-der-gesellschaft-ld.2121720


+++CORONA-JUGEND
«Eine fragwürdige Art der Gewaltprävention»: St. Galler Jungpolitiker kritisieren die Wegweisungspolitik der Polizei
Die Wegweisung von über 500 jungen Erwachsenen am Ostersonntag für 30 Tage sei unverhältnismässig, finden Jungpolitiker von links bis rechts. Sie fordern mehr Dialog mit Jugendlichen oder offene Beizen.
https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/umfrage-eine-fragwuerdige-art-der-gewaltpraevention-st-galler-jungpolitiker-kritisieren-die-wegweisungspolitik-der-polizei-ld.2121866


Krawall in St. Gallen: Sind die 500 Wegweisungen rechtlich vertretbar?
Hunderte Personen kassierten am Sonntagabend eine 30-tägige Wegweisung von der Stadtpolizei St. Gallen. Ist dies rechtlich in Ordnung? Und wie können Betroffene dagegen vorgehen? Eine Rechtsanwältin gibt Auskunft.
https://www.20min.ch/story/sind-die-500-wegweisungen-rechtlich-vertretbar-648047763652
-> https://www.tvo-online.ch/aktuell/wegweisung-und-verhaftung-polizei-verhindert-neue-krawalle-141431067
-> https://www.tvo-online.ch/aktuell/innenstadt-tabu-jurist-zu-den-500-wegweisungen-141431081
-> https://www.tvo-online.ch/aktuell/es-ist-gerechtfertigt-stadtpraesidentin-zum-polizeieinsatz-141431096
-> https://www.toponline.ch/news/stgallen/detail/news/massive-polizeipraesenz-und-kontrollen-in-st-gallen-lage-ruhig-00155831/
-> https://www.telezueri.ch/zuerinews/st-galler-polizei-verhindert-weitere-krawallnacht-141431295
-> https://www.telem1.ch/aktuell/zu-recht-die-stadtpolizei-st-gallen-griff-letzte-nacht-rigoros-durch-141431197



nzz.ch 05.04.2021

St. Galler Polizei spricht scharfe Wegweisungen aus – Rechtsprofessor stellt Verhältnismässigkeit infrage

Zahlreiche Jugendliche dürfen die Stadt St. Gallen einen ganzen Monat nicht mehr betreten. Der Jurist Daniel Moeckli ist gespannt, ob die Massnahmen einer rechtlichen Prüfung standhalten werden.

Erich Aschwanden

Eine dritte Krawallnacht in Folge wollten die St. Galler Stadtregierung und die lokale Polizei unter keinen Umständen dulden. Die Stadtpolizei griff daher in der Nacht von Ostersonntag auf Ostermontag hart durch. Rund 500 Personen wurden aus der Stadt weggewiesen, wie sie in einem Communiqué mitteilten. Das Abwehrdispositiv war weitgehend von Erfolg gekrönt, blieb es doch auf den Strassen der Innenstadt verhältnismässig ruhig und kam nicht zu weiteren tätlichen Angriffen und Sachbeschädigungen.

Den Behörden ist bewusst, dass die vielen Wegweisungen auch viele Fragen aufwerfen. «Nachdem nun schon zum dritten Mal in den sozialen Netzwerken sowie in Chats zu Gewalt aufgerufen wurde und es bereits zwei Mal trotz Dialogbereitschaft und anfangs zurückhaltendem Polizeieinsatz zu massiven Ausschreitungen kam, wurden die Wegweisungen in dieser ausserordentlichen Situation als verhältnismässig erachtet», hält die Stadtpolizei in ihrer Mitteilung fest.

Überrascht über lange Frist

Für den Staatsrechtsprofessor Daniel Moeckli sind Wegweisungen beziehungsweise Rayonverbote in einer Situation, wie sie sich in St. Gallen abspielte, ein rechtlich geeignetes Mittel, um die öffentliche Sicherheit und Ordnung sicherzustellen. Allerdings ist der Rechtsexperte überrascht über die lange Frist, für welche die Wegweisungen ausgesprochen wurden.

In den sozialen Netzwerken kursiert eine Art Standard-Rayonverbot, das für 30 Tage gilt. «Das ist die maximale Dauer, die gemäss geltendem Recht in St. Gallen überhaupt möglich ist. Das scheint mir sehr lange zu sein», sagt Moeckli, der sich im Rahmen seiner Forschungstätigkeit an der Universität Zürich ausführlich mit dieser Thematik befasst hat. In den meisten Fällen würden Wegweisungen für 24 Stunden ausgesprochen. Eine mögliche Erklärung wäre gemäss Moeckli, dass es sich um Personen gehandelt habe, die schon früher von der St. Galler Stadtpolizei aufgegriffen worden seien, doch das gelte kaum für die fast 500 Fälle.

Der Staatsrechtler wundert sich auch über die Grösse des verhängten Rayons. Betroffene Personen, die nicht in der Stadt St. Gallen leben, dürfen in den nächsten 30 Tagen die ganze Stadt nicht mehr betreten. «Ich frage mich, warum dieses Verbot auch für die Aussenquartiere gilt und nicht nur für die Innenstadt, wo die Gefahr von Ausschreitungen am grössten ist», erklärt Moeckli. Typisch seien Rayonverbote, wie sie etwa die Stadt Zürich zur Verhinderung von Krawallen im Umfeld von Fussballspielen verhänge. Dort dürften die Betroffenen das Gebiet des Bahnhofs und das Umfeld des Letzigrundstadions nicht betreten.

Immerhin können sich Weggewiesene «zwecks Arbeit, Schule oder Ähnlichem in der Stadt St. Gallen bewegen, sofern für diesen Zeitraum nicht ein Aufruf zu Gewalt vorliegt», hält die Polizei fest.

Grundrechte betroffen

Die Betroffenen können beim Sicherheits- und Justizdepartement des Kantons gegen die erlassenen Verfügungen Rekurs erheben. Sollte jemand mit dem Entscheid der politischen Behörde nicht einverstanden sein, kann dieser an das Verwaltungsgericht weitergezogen werden. «Dauer und räumlicher Umfang einer Wegweisung sind häufig Streitpunkte. Immer wieder fällen Gerichte dabei Urteile zugunsten der Betroffenen», betont Moeckli. Da die Betroffenen in ihren Grundrechten berührt seien, müssten die Wegweisungen im Einzelfall geeignet und erforderlich sein, um das anvisierte Ziel zu erreichen. «Das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr muss das private Interesse der Weggewiesenen an der Benützung des öffentlichen Raums überwiegen», erklärt Moeckli.

Im Fall der Stadt St. Gallen wird sich in den kommenden Wochen zeigen, ob alle Wegweisungen zu Recht ausgesprochen wurden und ob Dauer und räumlicher Umfang verhältnismässig sind. Aufschiebende Wirkung kommt allfälligen Einsprachen allerdings nicht zu.
(https://www.nzz.ch/schweiz/krawalle-st-gallen-offene-fragen-zu-wegweisungen-der-polizei-ld.1610045)



Pappa rechtfertigt Polizeieinsätze – Politische Aufarbeitung nötig
Die St. Galler Stadtpräsidentin Maria Pappa (SP) hat die Polizeieinsätze rund um die Ausschreitungen am Osterwochenende als verhältnismässig bezeichnet. Damit seien die Probleme aber nicht gelöst. Es brauche eine politische Aufarbeitung.
https://www.swissinfo.ch/ger/pappa-rechtfertigt-polizeieinsaetze—politische-aufarbeitung-noetig/46505494
-> https://www.watson.ch/schweiz/st%20gallen/994078525-krawalle-in-st-gallen-stadtpraesidentin-appelliert-an-politik
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/stgallen-drohen-erneut-krawalle-am-ostersonntag-65900113
-> https://www.blick.ch/schweiz/ostschweiz/teenies-kuendigen-krawall-an-wird-es-in-st-gallen-eskalieren-id16435853.html
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/nach-polizei-grosseinsatz-st-gallen-alle-festgenommenen-wieder-auf-freiem-fuss
-> https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/stgallen/angst-vor-krawallen-polizei-zieht-positive-bilanz-nach-grosseinsatz-am-stgaller-hauptbahnhof-500-personen-weggewiesen-alle-60-festgenommenen-wieder-auf-freiem-fuss-ld.2121559
-> https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/kommentar-gut-hat-die-polizei-durchgegriffen-doch-jetzt-brauchen-die-jungen-eine-perspektive-ld.2121765
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-ostschweiz/kontrollen-und-wegweisungen-gegen-gewalt-in-st-gallen?id=11961257
-> https://www.blick.ch/schweiz/ostschweiz/junge-nerven-sich-ueber-rayonverbote-in-st-gallen-ich-wollte-nur-grillieren-gehen-id16439153.html
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-ostschweiz/kontrollen-und-wegweisungen-gegen-gewalt-in-st-gallen?id=11961257
-> https://www.toponline.ch/news/stgallen/detail/news/pappa-rechtfertigt-polizeieinsaetze-politische-aufarbeitung-noetig-00155850/



tagblatt.ch 05.04.2021

«Wir wollten die Gewaltspirale durchbrechen»: Der St.Galler Stadtpolizei-Sprecher erklärt die rigorosen Wegweisungen vom Ostersonntag

Nach den Ausschreitungen vom Karfreitag hat die St.Galler Stadtpolizei am Ostersonntag ihre Strategie geändert. Sie führte grossflächig Personenkontrollen durch und wies rund 500 Personen aus der Stadt weg. Repression auf Generalverdacht? Nein, sagt Stadtpolizei Sprecher Roman Kohler.

Luca Ghiselli

An einem Osterwochenende, das manche unerfreuliche Zäsur für die Stadt St.Gallen bereithielt, lässt diese Zahl aufhorchen: Rund 500 Wegweisungen hat die St.Galler Stadtpolizei am Ostersonntag zwischen 18 Uhr abends und 1 Uhr morgens ausgesprochen. Das sind mehr, als die Stadtpolizei im ganzen Jahr 2019 ausgesprochen hat. Damals wurden laut Geschäftsbericht der Stadt 143 Personen für 24 Stunden aus der Stadt oder einem bestimmten Rayon weggewiesen, 194 Personen für längere Zeit. Die maximale Dauer einer Wegweisung beträgt 30 Tage – und genauso lange wurden die hauptsächlich Jugendlichen und jungen Erwachsenen gestern Abend weggewiesen.

Die Stadtpolizei hat also mit aller Härte und Repression gegen eine dritte Krawallnacht agiert: Wer jung aussah und am Bahnhof ankam, musste zur Kontrolle antraben. Und wer nicht glaubhaft versichern konnte, dass er oder sie nicht des Gewaltaufrufs wegen in die Stadt gekommen war, musste gehen. Und darf einen Monat lang nicht wieder kommen – zumindest nicht, um sich im öffentlichen Raum zu versammeln. War das verhältnismässig nach den Ausschreitungen am Abend des 26. März und vom Karfreitag? Oder handelte es sich bei den Rekord-Wegweisungen um behördliche Willkür? In den sozialen Medien wurde diese Frage noch in der Nacht kontrovers diskutiert.

Roman Kohler, Leiter Kommunikation der Stadtpolizei, verteidigt das Vorgehen am Ostersonntag.

Müssen die Weggewiesenen jetzt 30 Tage lang dem öffentlichen Raum in der Stadt fernbleiben?

Die Formulierung auf der Wegweisung ist in der Tat eng gefasst. Es geht aber nicht darum, dass man morgen nicht in der Stadt zur Schule oder zur Arbeit kann. Wir werden das morgen am Bahnhof auch nicht kontrollieren. Sollten sich Personen aufgrund einer Wegweisung daran gehindert sehen, beispielsweise in die Schule zu gehen, dann können sie sich bei uns melden.

Das heisst konkret: Sie dürfen zur Schule, einkaufen, den ÖV benutzen. Aber sie dürfen sich beispielsweise nicht auf öffentlichen Plätzen versammeln?

Genau. Die Wegweisungen beziehen sich in diesem Fall auf die Gewaltaufrufe und damit verbundene Aktivitäten, auch wenn sie aufgrund ihrer Formulierung eng gefasst sind.

Das Polizeigesetz sieht vor, dass bei der ersten Verfehlung eine Wegweisung nur für 24 Stunden verfügt wird. 30 Tage sind das Maximum. Warum hat die Stadtpolizei gleich die Höchststrafe verhängt?

Die 24 Stunden sind nicht zwingend. Wir weisen in der Praxis auch sonst Personen schriftlich für 30 Tage weg. Das Ziel ist, mit der einmonatigen Wegweisung zu verhindern, dass die weggewiesenen Personen kommendes Wochenende bereits wieder allfälligen Gewaltaufrufen folgen und in die Stadt kommen.

Warum hat es die Stadtpolizei am Sonntag als verhältnismässig erachtet, die Beweislast sozusagen umzukehren? Wer jung aussah, musste «plausibel begründen», dass er oder sie nicht dem Gewaltaufruf nach St.Gallen gefolgt war. Normalerweise läuft es ja anders herum – und es gilt die Unschuldsvermutung.

Wir wollten die Gewaltspirale durchbrechen nach den Ereignissen vom Karfreitag und in der Vorwoche. Wir haben es zweimal mit zurückhaltender Repression und Dialog versucht, und beide Male gab es Verletzte und hohen Sachschaden. Das Verhältnismässigkeitsprinzip gebietet es, das mildestmögliche Mittel zu wählen. Und das haben wir getan. Die Wegweisungen schränken die damit sanktionierten Personen nicht gross ein, sie können wie gesagt ihren Erledigungen trotzdem nachkommen. Und wir stellen sicher, dass wir sie kommendes Wochenende nicht wieder in der Stadt haben, um Krawall zu machen.

Trotzdem: Unter den 500 weggewiesenen Personen dürften sich auch solche befinden, die weder schaulustig noch gewaltbereit waren. Wie rechtfertigen sie diesen Generalverdacht?

Noch mal: Ich rechtfertige heute lieber Wegweisungen als eine dritte Krawallnacht. Die Vorgehensweise war aus polizeilicher Sicht erfolgreich. Ausserdem haben wir die Spielregeln im Vorfeld klar kommuniziert und angekündigt, dass wir grossflächig Kontrollen durchführen und alle wegweisen würden, die im Verdacht stehen, den Gewaltaufrufen im Netz nach St.Gallen gefolgt zu sein. Bei der grossen Anzahl Personen, die gestern von unseren Mitarbeitenden kontrolliert wurden, hatten wir aber keine Zeit für ausführliche Gespräche und Abklärungen. Es kann also tatsächlich sein, dass jemand weggewiesen wurde, ohne dass er dem Aufruf gefolgt ist. Dafür bitten wir um Verständnis. Bei Fragen kann man sich bei uns melden. Und es gibt die Möglichkeit, Rechtsmittel zu ergreifen und sich gegen die Wegweisung zu wehren.

Sie haben gestern auch Personen angehalten, die bereits am Freitag oder wenige Stunden zuvor angehalten worden waren. Was droht in einem solchen Fall?

Das ist so. Rund 25 Personen haben eine bereits verfügte Wegweisung missachtet, die zum Teil nur wenige Stunden zurücklag. Das hat eine Strafanzeige zur Folge.

Ebenfalls hat die Stadtpolizei bei Kontrollen Bausätze für Molotowcocktails, pyrotechnisches Material und Waffen sichergestellt. Wäre es Ihrer Einschätzung nach erneut zu Krawallen gekommen, wenn die Stadtpolizei nicht so früh repressiv gehandelt hätte?

Die beschlagnahmten Gegenstände lassen auf die Absichten schliessen. Dass wir trotz allem keine Sachbeschädigungen und keine Verletzten zu verzeichnen haben, werten wir als Zeichen des Erfolgs unserer Vorgehensweise.

Ist es also denkbar, dass sie die am Ostersonntag gewählte Methode bei erneuten Gewaltaufrufen in den kommenden Wochen wieder so anwenden?

Für Aussagen in diese Richtung ist es heute noch zu früh.
(https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/stgallen/osterkrawalle-wir-wollten-die-gewaltspirale-durchbrechen-der-stadtpolizei-sprecher-erklaert-die-rigorosen-wegweisungen-vom-ostersonntag-ld.2121725)
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/ausschreitungen-in-st-gallen-polizei-wegweisungen-waren-verhaeltnismaessig-und-gerechtfertigt



Bilanz des Polizeieinsatzes in St.Gallen
Für Ostersonntagabend (04.04.2021) wurde innert weniger Tage zum dritten Mal zu Gewalt in der Stadt St.Gallen aufgerufen. Die Stadtpolizei kündigte daher im Voraus ausgedehnte Personenkontrollen und die Wegweisung von Personen an, welche den Gewaltaufrufen folgen oder als Schaulustige die Ausschreitungen miterleben wollen. Die Stadtpolizei zieht eine positive Bilanz. Es gab keine Ausschreitungen, keine verletzten Personen und Sachschaden konnte weitestgehend verhindert werden. Diverse verbotene Gegenstände wurden vorsorglich sichergestellt, um mögliche Straftaten zu verhindern.
https://www.stadt.sg.ch/news/stsg_stadtpolizei/2021/04/bilanz-des-polizeieinsatzes-in-st-gallen.html



tagblatt.ch 05.04.2021

«Das lasse ich mir nicht bieten»: Wie die St.Galler Stadtpolizei im Kampf gegen neue Krawalle am Sonntagabend vorging

Wer am Sonntagabend in die Stadt St.Gallen gelangen wollte, hatte einen schweren Stand: Die Polizei kontrollierte insbesondere junge Menschen rigoros – und verwies viele direkt für 30 Tage aus der Stadt. Ein Augenschein und Reaktionen.

Raphael Rohner

An diesem Ostersonntag ist alles anders in der Stadt St.Gallen. Am Hauptbahnhof werden ankommende Zugreisende bereits in der Unterführung von Polizisten in Vollmontur mit Schildern begrüsst. Einer der Einsatzkräfte sagt: «Bitte zur Treppe gehen und Ausweise bereithalten. »

Derweil beäugt ein Mann verwundert den Polizistentrupp. Neben ihm prescht eine Gruppe Jugendlicher vorbei, in den Händen halten sie ihre Smartphones. Sie filmen und schreiben eifrig und laufen zu den Rolltreppen. Oben angekommen, wird die Gruppe von rund einem Dutzend Polizisten empfangen und angewiesen: «Da rüber, anstehen und Ausweise bereithalten!»

Die drei Jungs fragen den Polizisten, was sie denn gemacht hätten – und bekommen keine Antwort. Sie schlendern murrend zur Schlange vor der Bahnhofshalle, wo weitere Jugendliche, von Bahnpolizisten bewacht, anstehen, um kontrolliert zu werden. Einige machen Fotos oder telefonieren. Eine junge Frau, 17-jährig, macht Selfies von sich und ihren Kolleginnen. Sie trinken harten Alkohol und warten auf die bevorstehende Kontrolle: «Schon komisch: Wir wollten eigentlich nur in die Stadt etwas essen gehen. Und jetzt werden wir hier behandelt wie Gangsterinnen.»

Auffällig ist, dass die Polizei im Bahnhof praktisch alle Jugendlichen raus nimmt und kontrolliert. Auch eine St.Galler Journalistin wird kontrolliert: Sie trägt dunkle Kleidung und erklärt sich zwar, doch der Quartierpolizist, der die Redaktorin kennt, lässt nicht mit sich reden: Er stellt der Journalistin eine Wegweisung für die Stadt St.Gallen aus. Die Frau kommt verdattert aus der Kontrolle zurück: «Sowas gibt es doch nicht!» Schliesslich wird die Wegweisung gegen die Journalistin zurückgezogen, und die Polizei entschuldigt sich für den Faux-pas.

Polizei verhaftet Männer am Bahnhof

Alle Jugendlichen, die am Samstagabend kontrolliert werden, kassieren eine Wegweisung aus der Stadt St.Gallen für die nächsten 30 Tage. Nach und nach werden auch junge Männer in Handschellen abgeführt und in einen vergitterten Kastenwagen gebracht.

Die Jugendlichen bekommen davon aber nichts mit: Man zeigt sich nach der Kontrolle die weissen Zettel mit den Wegweisungen und ist wütend. Ein 18-jähriger Lehrling aus Rotmonten glaubt es kaum: «Ich darf 30 Tage nicht in meine Stadt, so ein Mist! Das geht doch nie und nimmer!» Er raucht nervös eine Zigarette und fragt seine Kollegen, was das jetzt konkret heisse und ob er noch einkaufen gehen könne. Die Jugendlichen fühlen sich vor den Kopf gestossen. Sie sollten heimgehen, habe ihnen die Polizei gesagt, sonst gebe es eine Anzeige, und sie würden verhaftet.

Die 17-Jährige kommt derweil von der Kontrolle zurück und ist wütend: «Die können doch nicht alle Jugendlichen unter Generalverdacht stellen, die in die Stadt gekommen sind heute Abend! Das ist doch irrsinnig!»

Ein weiterer Jugendlicher will zum Zug zurück und wird von einer Polizistin davon abgehalten, wieder in die Unterführung zu gehen. Er wedelt mit seiner Wegweisung vor ihrem Gesicht herum und ist ausser sich: «So was lasse ich mir doch nicht bieten, ich werde mich rechtlich wehren gegen diesen ganzen Mist. Ich lebe in Degersheim und finde diese Wegweisung eine Frechheit», sagt der Mann und zieht schliesslich davon.

Die St.Galler Stadtpolizei steht zu den Wegweisungen: «Wir haben im Vorfeld öffentlich klargemacht, dass man heute nicht nach St.Gallen kommen soll», sagt Roman Kohler, Leiter Kommunikation der Stadtpolizei St.Gallen. Die 30 Tage seien das Maximum, das die Polizei aussprechen könne. Einen Generalverdacht wolle man nicht aussprechen, es sei einfach eine Massnahme, um auch Schaulustige davon abzuhalten, sich in der Stadt herumzutreiben.

Begründet wurden die Wegweisungen gegenüber den betroffenen Personen wie folgt: «Anlässlich der Ostern 2021 wurde zu Gewaltakten in der Stadt St.Gallen aufgerufen. Die genannte Person steht im Verdacht, sich an solchen Vorkommnissen aktiv oder passiv (Gafferei) beteiligen zu wollen beziehungsweise beteiligt zu haben.»

Polizei kontrolliert in der ganzen Innenstadt

Die Massnahmen am Bahnhof zeigen Wirkung. Die Gassen in der Stadt sind menschenleer. Zwei Polizisten stehen auf dem Gallusplatz und schauen sich um: «So leer war es hier wohl nicht einmal während des Lockdowns vor einem Jahr.»

Sie kontrollieren einen Spaziergänger, der dunkel angezogen ist und anscheinend etwas sucht. Doch Fehlalarm. Er geht schnell weiter und tippt auf seinem Smartphone etwas. Auch andernorts ist es leer. Nur vereinzelt sind Grüppchen unterwegs: Am Roten Platz läuft eine kleine Gruppe über 30-jähriger Männer in Richtung Neumarkt. Sie werden prompt von rund einem Dutzend Polizisten in Vollmontur umstellt und kontrolliert. Die Männer schütteln nur den Kopf: «Sehen wir etwa aus, als würden wir Krawall machen, mal ehrlich?» Nichtsdestotrotz muss einer nach dem anderen seine Identitätskarte zücken. Wenige Meter daneben wird eine Gruppe jüngerer Männer kontrolliert, einige Männer der Gruppe erhalten eine Wegweisung.

Am Vadianplatz beim Neumarkt verfolgt eine Gruppe ziviler Polizisten eine Gruppe dunkel angezogener Männer, die in Richtung St.Leonhardpark laufen. Die Polizisten umstellen die Männer und rufen dann laut: «Polizei: Kontrolle! Alle stehen bleiben.» Die Polizisten werden flankiert von Kollegen auf Velos und zwei Leuten im Hintergrund, welche die Kontrolle filmen. Nach und nach werden die Jugendlichen aus der Stadt verwiesen. Sie werden fotografiert, ihre Personalien werden aufgenommen. Ähnliche Szenen vor dem Neumarkt. Hier fährt gleich ein Konvoi von Polizeibussen vor und die Polizei umstellt eine Gruppe Männer. Auch diese werden kontrolliert mit unbestimmtem Ausgang.

Katz-und-Maus-Spiel zwischen Jungs und der Polizei

Die meisten der jungen Frauen und Männer haben nach der Kontrolle durch die Polizei und der Wegweisung genug von St.Gallen. Einzelne pfeifen jedoch darauf und liefern sich ein Katz-und-Mausspiel mit der Polizei durch die Stadt.

In der Gallusstrasse werden kurz vor Mitternacht zwei junge Männer verfolgt. Polizisten in zivil fahren ihnen mit Velos hinterher und erwischen sie schliesslich beim Hotel Vadian. Der Polizist fragt den jungen Mann, ob er eine Wegweisung erhalten habe. Der Mann gibt zwar an, dass er auf dem Heimweg sei, doch glaubt ihm der Polizist nicht. Er wurde einige Stunden zuvor aus der Stadt weggewiesen. «Sie haben gegen die Wegweisung der Polizei verstossen. Wir werden Sie nun einbringen – heisst: Wir werden Sie nun mitnehmen.»
(https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/jugendliche-unter-generalverdacht-polizei-geht-rigoros-vor-um-erneute-krawalle-zu-verhindern-ld.2121692)



„Es wird vor nichts halt gemacht die Polizei geht in Bars welche Take-Away anbieten und Kontrollieren alle Gäste. #StGallen #Polizeiproblem„
https://twitter.com/jorimphotos/status/1378797221882253316



Nach Krawallen: Mitte-Links-Jugend will Mitsprache bei Corona-Entscheiden
In einem offenen Brief fordern Juso, junge Grüne und die Jungparteien von Mitte, GLP und EVP nach den erneuten Krawallen in St. Gallen mehr Mitsprache in der Coronakrise.
https://www.tagblatt.ch/news-service/inland-schweiz/coronakrise-nach-krawallen-mitte-links-jugend-will-mehr-mitsprache-bei-corona-entscheiden-ld.2121779
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/brief-an-bundesrat-junge-fordern-mehr-mitsprache-in-der-krise
-> https://www.blick.ch/politik/jungparteien-appellieren-an-den-bundesrat-lassen-sie-uns-nicht-im-stich-id16438800.html
-> https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/jungparteien-fordern-mitsprache-in-der-pandemie?urn=urn:srf:video:8ca501b3-e30c-4ba8-a943-e81be13059f6


+++HISTORY
Geschichte des Söldnerwesens – Schweizer Söldner: Barbarisch, geldgierig und gefürchtet
Der erste Schweizer Exportschlager waren Krieger. Das hiesige Söldnerwesen machte einzelne stinkreich und andere tot. Ein geschichtlicher Abriss.
https://www.srf.ch/news/schweiz/geschichte-des-soeldnerwesens-schweizer-soeldner-barbarisch-geldgierig-und-gefuerchtet