Medienspiegel 1. April 2021

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++ZÜRICH
Asylbereich: Kanton Zürich muss Verträge offenlegen
Das Bundesgericht hat eine Beschwerde des Sozialamts des Kantons Zürich abgewiesen. Die Behörde wollte einem Journalisten der «Republik» die Einsicht in die Verträge mit der ORS Service AG im Asylbereich gestützt auf das Öffentlichkeitsprinzip verwehren.
https://www.watson.ch/schweiz/migration/880824048-asylbereich-kanton-zuerich-muss-vertraege-offenlegen
-> https://www.republik.ch/2021/03/31/republik-gewinnt-vor-bundesgericht
-> https://www.toponline.ch/news/zuerich/detail/news/asylbereich-kanton-zuerich-muss-vertraege-offenlegen-00155660/


+++SCHWEIZ
40 Jahre revolutionäre Mitenand-Initiative – RaBe-Info 01.04.2021
Am 5. April 1981 stimmte das Schweizer Stimmvolk über die Mitenand-Initiative ab. Mit weitgehend gleichen Rechten für Schweizer*innen und Ausländer*innen forderte sie nichts weniger als eine radikale Kehrtwende in der Migrationspolitik. Die Initiative war eine Gegenreaktion auf die rechtsextreme Schwarzenbach-Initiative, welche den Ausländer*innenanteil bei 10% deckeln wollte. Rund 300 000 Migrant*innen hätten die Schweiz auf einen Schlag verlassen müssen. Die Schwarzenbach-Initiative wurde zwar abgelehnt, aber der Schock sass tief und brachte im April 1981 die Mitenand-Initiative an die Urne.
https://rabe.ch/2021/04/01/20-jahre-ehe-fuer-alle-dort-nicht-hier/


+++MITTELMEER
Rettungsschiff Open Arms wurde Hafen auf Sizilien zugewiesen
Unter den geretteten Menschen sind laut Helfern auch Kinder. Open Arms nahm in den vergangenen Tagen 209 Menschen auf
https://www.derstandard.at/story/2000125521620/flucht-rettungsschiffopen-arms-wurde-hafen-auf-sizilien-zugewiesen


Studie zeigt: EU-Kommission darf Seenotrettung finanzieren
https://erik-marquardt.eu/2021/04/01/studie-zeigt-eu-kommission-darf-seenotrettung-finanzieren/


+++FREIRÄUME
Neue Besetzergruppe – Berns Problem mit den besetzten Plätzen
In der Stadt Bern besetzt eine neue Gruppe Leute mit Wohnwagen ein Areal. Nun gehen der Bundesstadt die Plätze aus.
https://www.srf.ch/news/schweiz/neue-besetzergruppe-berns-problem-mit-den-besetzten-plaetzen


Das Kulturzentrum LaKuz in Langenthal wird 20 Jahre alt
Vor genau 20 Jahren hat das autonome Kultur- und Begegnungszentrum in Langenthal LaKuZ von der Stadt die Schlüssel für die Farbgasse 27 erhalten. Seit dann gibt es dort Konzerte, Filmverantsaltungen, Workshops und mehr.
https://www.neo1.ch/news/news/newsansicht/datum/2021/04/01/das-kulturzentrum-lakuz-in-langenthal-wird-20-jahre-alt.html



landbote.ch 01.04.2021

Immobilien in Winterthur: Hausbesetzer-Szene zeigt Stefanini-Stiftung die Faust

Die Bewohnerinnen und Bewohner von sieben besetzten Stefanini-Häusern wehren sich in einem offenen Brief gegen den drohenden «Rauswurf». Sie wollen beim Status quo bleiben, die Stiftung will sanieren oder abreissen.

Till Hirsekorn

«Aufwertung heisst Vertreibung! Wir bleiben alle!» oder «Wohnraum verteidigen!»: Mit kämpferischen Parolen hat sich ein Kollektiv von Hausbesetzerinnen und -besetzern öffentlich in Stellung gebracht. In einem offenen Brief, der an die Medien ging, wehrt sich die «Häuservernetzung Winterthur» gegen den drohenden «Rauswurf» von 50 Bewohnerinnen und Bewohnern, die in sieben besetzten, selbstverwalteten Häusern in Stadt und Umgebung wohnen.

Adressatin ist die Terresta Immobilien und Verwaltungs AG. Sie verwaltet das stolze Immobilienportfolio der Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte, besser bekannt als Stefanini-Stiftung. Allein in Winterthur besitzt diese knapp 1300 Wohnungen, verteilt auf 200 Liegenschaften. 50 davon in der Altstadt. In einer grossen Bau- und Sanierungsoffensive sollen die ältlichen bis lottrigen Mehrfamilienhäuser wieder in Schuss gebracht werden. Investitionsvolumen: 500 Millionen Franken. Neubauten inklusive: eine Milliarde.

Neben ganzen Wohnsiedlungen sind auch einzelne Liegenschaften wie die besetzten Häuser nicht ausgenommen. Gemäss Kollektiv sollen auch diese saniert oder abgerissen werden. Ein Wiedereinzug durch die selbstverwalteten WGs sei jedenfalls nicht vorgesehen.

Die Terresta, heisst es im offenen Brief, biete diesen einzig einen «sehr kurzen Gebrauchsleihvertrag» an. Danach würden die Bewohnerinnen und Bewohner «auf die Strasse gestellt». Wie lange die Frist wäre, bleibt offen.

Bei der Gebrauchsleihe leiht die Eigentümerin den Bewohnern eine Liegenschaft gratis zur Nutzung, befristet oder unbefristet. Diese kommen nach dem Do-it-yourself-Prinzip für den Unterhalt auf. Die vertraglichen Modalitäten fallen laut Walter Angst, dem Sprecher des kantonalen Mieterverbandes, sehr unterschiedlich aus. Es gäbe zig Varianten, wie man sich finden könne. «Aber wenn eine Eigentümerin es will, dann wird geräumt.»

Seilziehen beginnt

Bei Terresta hält man auf Anfrage fest, sie wolle «rechtlich klare Verhältnisse schaffen, zum Beispiel durch Abschluss von Gebrauchsleihevereinbarungen mit klar geregelten Rechten und Pflichten». Dabei schaue man jeden Fall einzeln an. Teils habe man sich so bereits einvernehmlich einigen können. Bei den restlichen Fällen liefen die Gespräche oder stünden bevor.

Die Option Gebrauchsleihe schlägt die «Häuservernetzung» aber aus. Man will bleiben, und zwar so lange wie möglich. Sie schlägt der Terresta vor, ihr die jeweiligen Grundstücke für 30 Jahre im Baurecht zu übergeben. Die Häuser sollen dem jeweiligen Kollektiv geschenkt oder für einen symbolischen Preis verkauft werden. So bliebe «günstiger Wohnraum langfristig erhalten und würde der Spekulation entzogen», heisst es im Brief.

Darauf angesprochen, erinnert die Terresta daran, dass sie im Auftrag der SKKG handle. Deren Stiftungszweck ist es bekanntlich, Kulturerbe zu sammeln und zu fördern. Die Mittel dafür fliessen über die Mieteinnahmen der Immobilien: rund 40 Millionen Franken pro Jahr.

Eine Schenkung oder Abgabe im Baurecht der besetzten Häuser, so die Terresta, sei «nicht beabsichtigt».

Banner an der Fassade

Mit wem hat es die Terresta hier zu tun? Das wüsste man auch gerne, heisst es dort. Egal, wer den Kopf durchs Fenster streckt – bei einem Kontaktversuch vor Ort heisst es zweimal freundlich, aber bestimmt: «Wir kommunizieren nur übers Kollektiv.» Was nicht heisst, dass dieses sich versteckt. Die Briefkästen sind angeschrieben, und an den Häuserfassaden hängen «Wohnraum verteidigen»-Banner mit einer emporgestreckten Faust, umkränzt von Wohnhäusern. Es ist das klassenkämpferische Logo der Häuservernetzung. Deren Tonalität im Brief hingegen ist direkt, aber mitnichten militant.

Das älteste und bekannteste dieser selbstverwalteten Liegenschaften ist die «Gisi», eingeklemmt im Altstadtring zwischen General-Guisan-Strasse und Neustadtgasse. Seit bald 20 Jahren ist das Haus ein Ort für subversive und links-alternative Kultur. Im Keller finden jährlich gegen 30 Non-Profit- oder Solikonzerte statt. Am Donnerstagabend war vor der Pandemie jeweils die Bar geöffnet. Die Gisi sei «ein Treffpunkt, an dem über radikale linke Politik diskutiert, Gesellschaftskritik geübt sowie die herrschenden und unterdrückenden Verhältnisse des Staatsapparates infrage gestellt werden können», formulierte es das Kulturmagazin «Coucou» kürzlich in einem Artikel.

Ein weiteres exponiertes besetztes Haus im Besitz der Stefanini-Stiftung liegt an der Schaffhauserstrasse, ein anderes, schwarz gestrichen, an der Zürcherstrasse, und ein vermutlich viertes an der Bürglistrasse in Veltheim.
(https://www.landbote.ch/hausbesetzer-szene-zeigt-stefanini-stiftung-die-faust-723117973708)



Winterthur: Housing Action Day 2021
Warum ein offener Brief an die Terresta AG, Tochterfirma der Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte SKKG in Winterthur?
Die Immobilienfirma Terresta hat vor kurzem angekündigt, im Auftrag der von Bruno Stefanini gegründeten SKKG eine Milliarde Franken auszugeben.
Dieser riesige Betrag soll in Sanierungen, in Überbauungen (Abriss) und in Neuüberbauungen fliessen. Allein in Winterthur sind über 200 Häuser mit über 1700 Wohnungen davon betroffen.
Der unten dokumentierte offene Brief von BewohnerInnen von Stefanini-Häusern richtet sich an leitende Angestellte der Terresta, die für das Portfoliomanagement zuständig sind.
https://barrikade.info/article/4341


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Besetzung des ehemaligen Chinarestaurants Witikon
Wir befinden uns im chinesischen Jahr des Büffels. Der Büffel steht bekanntlich für Widerstand und Neuanfang, am 26.03.21 wurde die Witikonerstrasse 400 besetzt.
https://barrikade.info/article/4344


Nach Ende der Mormont-Besetzung: Zadisten-Protest – Videos zeigen heftige Auseinandersetzung mit Polizei
Die Polizei schliesst ihren Einsatz bei der Räumung auf dem Mormont-Hügel ab – einen Tag nach einer Auseinandersetzung zwischen Demonstrierenden und der Polizei, die auf Video festgehalten wurde.
https://www.20min.ch/story/zadisten-protest-videos-zeigen-heftige-auseinandersetzung-mit-polizei-913746810313
-> https://twitter.com/ErwanLeBec/status/1377361942608629760
-> https://twitter.com/jorimphotos/status/1377369821885595649
-> https://twitter.com/klimastreik/status/1377561494448173059


Nach dem Abzug der Klimaaktivisten vom Mormont beginnt das grosse Aufräumen: «Wer so viel Müll hinterlässt, ist kein Naturfreund»
Mehrere Monate lang besetzten Klimaaktivisten den Hügel Mormont oberhalb von La Sarraz VD. Am Dienstag wurde das Camp von der Polizei geräumt. Was übrig bleibt: haufenweise Müll. BLICK ist am Tag danach vor Ort und begleitet die aufwändigen Aufräumarbeiten.
https://www.blick.ch/schweiz/westschweiz/nach-dem-abzug-der-klimaaktivisten-vom-mormont-beginnt-das-grosse-aufraeumen-wer-so-viel-muell-hinterlaesst-ist-kein-naturfreund-id16432893.html


Klima-Camp bei Eclépens VD: Zwei Aktivisten sitzen seit bald 60 Stunden auf dem Baum
Mehrere Monate lang besetzten Klimaaktivisten den Hügel Mormont oberhalb bei Eclépens VD. Am Dienstag wurde das Camp von der Polizei geräumt. Zwei Demonstranten leisten noch immer Widerstand – sie sitzen seither auf einem Baum.
https://www.blick.ch/schweiz/bern/klima-camp-bei-eclepens-vd-zwei-aktivisten-sitzen-seit-bald-60-stunden-auf-dem-baum-id16433751.html


+++GRUNDRECHTE
Keine Verurteilung wegen Hausfriedensbruchs – Fall Gundula: zentralplus-Journalistin Jana Avanzini siegt vor Bundesgericht
Der Fall Bodum ist Geschichte: Das Bundesgericht hat entschieden, das Strafverfahren gegen die Journalistin Jana Avanzini endgültig einzustellen. Grund: Sie ist keine Hausbesetzerin und sie hat den Hausfriedensbruch auch nicht unterstützt.
https://www.zentralplus.ch/fall-gundula-zentralplus-journalistin-jana-avanzini-siegt-vor-bundesgericht-2049233/
-> https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/luzern/bodum-villa-hausbesetzung-gundula-luzerner-journalistin-siegt-vor-bundesgericht-ld.2121382


+++KNAST
Siebter periodischer Besuch des Anti-Folter-Ausschusses in der Schweiz abgeschlossen
Die Delegation des „Europäischen Ausschusses zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe“ (CPT) hat am Donnerstag ihren siebten Besuch in der Schweiz abgeschlossen. Während des elftägigen Aufenthalts besuchte die Delegation verschiedene Einrichtungen des Freiheitsentzugs in den Kantonen, Genf, Waadt, Aargau, Solothurn, Bern und Zürich.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-82948.html


+++POLICE VD
Acquittement du policier jugé pour meurtre lors d’une intervention à Bex
La justice a acquitté mercredi le policier ayant abattu Hervé, un jeune Congolais armé d’un couteau, lors d’une intervention à Bex (VD) en 2016. L’agent a agi en état de légitime défense, selon le Tribunal. Près de 500 personnes ont manifesté leur colère à Lausanne
https://www.rts.ch/info/regions/vaud/12090252-acquittement-du-policier-juge-pour-meurtre-lors-dune-intervention-a-bex.html
-> https://renverse.co/infos-locales/article/permis-de-tuer-pour-la-police-vaudoise-3001


+++POLIZEI ZG
Zuger Polizei verstärkt Bekämpfung von Cyberdelikten und Terror
Nach einer Überprüfung der bisherigen, seit 17 Jahren geltenden, Organisation passt die Zuger Polizei die Strukturen an. Neu gibt es sechs anstatt vier Abteilungen. Dazu werden auch neue Dienste geschaffen wie ein Cyberdienst oder der Dienst präventive Massnahmen, auch für die Terrorbekämpfung.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zentralschweiz/zuger-polizei-verstaerkt-bekaempfung-von-cyberdelikten-und-terror?id=11959808


+++POLIZEI ZH
tagesanzeiger.ch 01.04.2021

Vorstösse im Zürcher Gemeinderat: Linke wollen umstrittene Einheit der Stadtpolizei abschaffen

Die Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit BFE fällt an Demonstrationen durch rabiates Auftreten auf. Selbst in der Polizei wird die Einheit kritisch betrachtet.

Corsin Zander

Zuletzt ist die Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE) am vergangenen Samstag aufgetreten. 250 Menschen, darunter viele Linksautonome, protestierten für bessere Bedingungen in der Pflegebranche und eine gerechte Verteilung der Covid-19-Impfstoffe. Die Polizei stoppte die unbewilligte Demonstration im Kreis 4 und nahm fünf Personen fest. Ein Demonstrant wurde dabei am Kopf verletzt.

Die BFE sei in den vergangenen Monaten «immer stärker mit besonders aggressivem Verhalten bis hin zu Gewaltübergriffen» aufgefallen, schreiben Gemeinderätin Christina Schiller (AL) und der Grüne Luca Maggi in einem Postulat, das sie am Mittwoch eingereicht haben. Darin fordern sie den Stadtrat auf, zu prüfen, wie die BFE ersatzlos aufgelöst werden könne. Oder dann soll der Stadtrat klare Richtlinien festlegen, wann die Einheit eingesetzt werden soll.

Ob die BFE aufgefordert wird, entscheidet derzeit die Einsatzleitung der Stadtpolizei. Zumeist wird sie bei Demonstrationen oder rund um Fussballspiele eingesetzt, rund 20 Mal im Jahr. Die Einheit gibt es seit 2005. Erst seit 2017 ist sie aber als solche erkennbar angeschrieben, damit sie als taktische Einheit besser erkennbar sei, so die Stadtpolizei. Eine «fragwürdige» Begründung, wie es im Postulat heisst. Ihr Auftreten widerspreche der Deeskalationspraxis, von welcher der Stadtrat immer wieder spreche, schreiben Schiller und Maggi.

Verzicht auf «Skorpion»-Polizisten

Die BFE ist selbst polizeiintern umstritten (lesen Sie hier mehr dazu). Dies auch, weil Mitglieder der Interventionseinheit «Skorpion» regelmässig für BFE-Einsätze aufgeboten werden. Bei «Skorpion» handelt es sich um eine Eliteeinheit der Stadtpolizei, die rund um die Uhr im Einsatz ist. Sie wird etwa bei Geiselnahmen eingesetzt. Zu ihren Kernaufgaben gehört etwa die «Festnahme und Unschädlichmachung von Gewaltverbrechern», wie es auf der Webseite der Stadtpolizei heisst.

Maggi und Schiller fordern vom Stadtrat in einem zweiten, ebenfalls am Mittwoch eingereichten Postulat, dass «Skorpion»-Polizisten nicht mehr bei Demonstrationen oder Sportanlässen eingesetzt werden sollen.
(https://www.tagesanzeiger.ch/linke-wollen-umstrittene-einheit-der-stadtpolizei-abschaffen-272526591820)



Postulat  Aufhebung der «Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit» (BFE) der Stadtpolizei
https://www.gemeinderat-zuerich.ch/geschaefte/detailansicht-geschaeft?gId=64165f51-2e54-4520-886c-c964d493b1d0

Postulat Verzicht auf Einsätze der polizeilichen Interventionseinheit «Skorpion» bei Demonstrationen und Sportanlässen
https://www.gemeinderat-zuerich.ch/geschaefte/detailansicht-geschaeft?gId=54cc9d01-bb2e-4d16-83b9-2cb230b387fb


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Mein Freund der Coronaskeptiker
«Lasst die Schwachen doch sterben», hiess es in einer Nachricht von Brüni an Input-Autorin Beatrice Gmünder. Ihr alter Freund ist Coronaskeptiker, glaubt unter anderem nicht an die Gefährlichkeit des Virus. Beatrice ist komplett anderer Ansicht.
Nach einem Jahr Funkstille trifft sie Brüni wieder. Was macht Corona mit ihrer Freundschaft? Hält sie das aus?
https://www.srf.ch/play/radio/input/audio/mein-freund-der-coronaskeptiker?id=58884489-2d21-4307-8d34-d3d6e013ce34&expandDescription=true


(Schweizer Schwurbelpropaganda mit dem ZDF)
Europas „Generation Corona“
Verlorene Jugend
Jugendliche weltweit leiden unter den Einschränkungen ihrer Schulen und Freizeitangebote, derweil wird der Unmut gegen diese Maßnahmen immer größer.
https://www.zdf.de/politik/auslandsjournal/europas-generation-corona-100.html


Corona-Skeptiker in Elsau: Siegel bei Café Diexer nach Polizeieinsatz wieder gebrochen
Innerhalb eines Tages hat Wirt und Corona-Skeptiker Günther Diexer das bei seinem Lokal von der Polizei angebrachte Siegel zerstört. Die Polizei hat entsprechende Untersuchungen eingeleitet.
https://www.20min.ch/story/siegel-bei-cafe-diexer-nach-polizeieinsatz-wieder-gebrochen-265987937546


Wegen unbewilligter Kundgebung
Stadt Luzern wird Anzeige gegen Unbekannt einreichen
Am Montagabend ist es in der Stadt Luzern zu einer unbewilligten Kundgebung gekommen. Die Luzerner Polizei war beim Auflösungspunkt des «Abendspazierganges» am Luzernerhof im Einsatz. Es wurden Ordnungsbussen verteilt. Die Stadt Luzern reagiert und wird Anzeige gegen Unbekannt einreichen.
https://www.pilatustoday.ch/zentralschweiz/luzern/rund-170-personen-an-unbewilligter-kundgebung-141366271?fbclid=IwAR1XOLI68UgtEocsLQUGoIIRTsJE90rr9xjYlu-b7kYihLGBnKRSq6phAQw


Warum greift die Polizei bei »Querdenker«-Demos nicht durch?
Die Proteste von Coronaleugnern laufen regelmäßig aus dem Ruder: Auflagen werden missachtet, Attacken auf die Presse häufen sich. Doch die Polizei agiert zurückhaltend. Misst sie mit zweierlei Maß?
https://www.spiegel.de/politik/deutschland/querdenker-demos-gegen-corona-shutdown-warum-greift-die-polizei-nicht-durch-a-39af882b-6776-4b4a-895d-f0bc3c5d0f74


#NotOurScene: Zürcher Clubszene distanziert sich mit Hashtag von Partys auf Sansibar
Bis vor Kurzem bot der Zürcher DJ Gogo Partytrips nach Sansibar an, wo der Präsident John Magufuli Corona leugnete. Mit dem Hashtag #NotOurScene reagiert nun die Zürcher Clubszene und distanziert sich deutlich von dem Verhalten.
https://tsri.ch/zh/notourscene-zurcher-clubszene-distanziert-sich-mit-hashtag-von-plague-partys/


+++CORONA-JUGEND
Hunderte Menschen versammeln sich zum Trinken – Polizei markiert Präsenz
In vielen Schweizer Städten wird das Osterwochenende mit Sorge erwartet. Nach Aufrufen in den sozialen Medien rechnet die Polizei mit Ausschreitungen.
https://www.20min.ch/story/hunderte-menschen-versammeln-sich-zum-trinken-polizei-markiert-praesenz-218093105680


Spenden sollen Krawallnacht-Opfern helfen
Die Bilder der Zerstörung vom vergangenen Freitag haben eine Welle der Solidarität mit den betroffenen Geschäften ausgelöst. Mittlerweile wurde von einer St. Gallerin eine Spendenaktion lanciert, um Geld zu sammeln.
https://www.20min.ch/story/spenden-sollen-krawallnacht-opfern-helfen-782242359297


Aufruf zu Gewalt – St. Gallen befürchtet weitere Krawallnacht
Letzte Woche eskalierte in St. Gallen eine illegale Party mit 200 Jugendlichen. Nun wird wieder zu Gewalt aufgerufen.
https://www.srf.ch/news/schweiz/aufruf-zu-gewalt-st-gallen-befuerchtet-weitere-krawallnacht
-> Schweiz Aktuell: https://www.srf.ch/play/tv/schweiz-aktuell/video/erneute-krawalle-in-st–gallen-geplant?urn=urn:srf:video:f371e7de-90bf-40a4-b6ee-753c5119bf0c



tagesanzeiger 01.04.2021

Frust wegen Corona-Massnahmen: Wut kam hoch, als seine Freundin von Gummischrot getroffen wurde

Plötzlich eskalierte die Lage in St. Gallen. Was ist da los? Beteiligte erzählen. Und für Ostern gibts bereits neue Krawall-Aufrufe.

Tim Wirth, Christian Zürcher

Nicht schon wieder. Kaum hat die Feuerwehr die zersplitterten Scheiben in der Altstadt mit Pavatexplatten zugedeckt, kaum haben Reinigungswagen die Gummischrotprojektile eingesaugt – da folgt bereits der nächste Aufruf. «Bringed alli Lüt uf Sg», heisst es in Nachrichten, die über Snapchat verbreitet werden und auf den Karfreitag anspielen. «Es mue eskaliere. Mir müend zeige, was mir sind.»

Leon, der in Wahrheit anders heisst, hat sich vergangenen Freitag mit seinen Freunden auf dem Roten Platz in St. Gallen betrunken. «Jäger, Smirnoff, chli alles» sagt der 18-Jährige. 200 andere Jugendliche waren mit Leon auf dem Roten Platz, viele, weil sie über die sozialen Medien auf die illegale Party hingewiesen worden waren.

Plötzlich habe die Polizei sie eingeengt, erzählt Leon. Als seine Freundin von Gummischrot getroffen worden sei, sei er wütend geworden und habe Flaschen auf die Polizisten geworfen. «Es war der richtige Moment, um Papa Staat zu zeigen, dass wir Jungen da sind», sagt Leon, der wegen der Pandemie arbeitslos wurde. Er fühle sich seit einem Jahr eingesperrt, wie in einem Gefängnis.

«Wir haben das nicht geplant», sagt Leon. Vom Roten Platz ist er in Richtung Kloster gerannt. In der Innenstadt warf er mit anderen Jugendlichen Baustellenlatten herum, leerte Vasen aus und verbarrikadierte Strassen mit Stühlen. Fazit: rund 100’000 Franken Sachschaden, über 20 Anzeigen, ein Polizeieinsatz, wie es ihn seit 2012 in der St. Galler Innenstadt nicht mehr gegeben hat. «Endlich war wieder mal was los in der Stadt», sagt Leon.

Tony, der ebenfalls anders heisst und auch auf dem Roten Platz war, verurteilt den Vandalismus. Jedoch hätten es nur 20 bis 30 Leute übertrieben. Nachdem die Polizei mit Gummischrot vorgegangen sei, seien er und seine Freunde friedlich weggegangen. Vor den Ausschreitungen sei es «ein geiles Feeling» gewesen. «Ich habe es sehr genossen, wieder einmal nicht nur meine Kollegen zu sehen, sondern endlich auch wieder Kollegen von Kollegen», sagt der 19-Jährige. Er habe es gefeiert, dass die Jugendszene lebe.

Geschockte Ladenbesitzerin

Beatrice Niedermann stand am Samstagmorgen auf und hatte viele Nachrichten auf ihrem Smartphone. «Scherben, Scherben, Scherben» – so beschreibt die sie den Moment, als sie ihren Antiquitätenladen Trudy&Vinz sah. «Und dann geht man rein. Und dann beginnt das Herz zu schlagen», sagt Niedermann. Nur eine einzige Scheibe habe überlebt.

Achtmal hat Niedermann seither Staub gesaugt, und sie findet immer noch Glassplitter. Die Hasen aus Pappmaché, die sie an Ostern verkaufen wollte, sind zerschlagen. Und auch sonst wird sie an einem der für sie wichtigsten Wochenenden dieses Jahr keine Antiquitäten verkaufen können. Die neuen Fenster werden erst später geliefert. Und mit den Holzplatten sei es drinnen dunkel wie in einer Kuh, sagt Niedermann. Die temporäre Schliessung kommentiert sie auf Instagram so: #nightofhorror, #coronafrust. «Ich würde den treffsicheren Jugendlichen gern in die Augen schauen, um zu sehen, ob da noch eine gewisse menschliche Regung kommt», sagt Niedermann. Die Vandalen hätten die Falschen getroffen: einen kleinen Laden, der auch sonst schon von der Corona-Krise durchgeschüttelt wurde.

Viele Jugendliche schämen sich

Wie konnte das geschehen? Jugendarbeiter suchten am Samstag, dem Tag danach, das Gespräch mit den Jugendlichen. «Einige fühlten sich ungerecht von der Polizei behandelt», sagt Donat Richiger, der Leiter der Offenen Jugendarbeit Zentrum in St. Gallen. Die meisten hätten sich hingegen für das entstandene Image ihrer Stadt geschämt und sich überlegt, was sie als Wiedergutmachung machen könnten. Wieso genau die Situation eskaliert sei, könne er nicht sagen, sagt Richiger. Seine Mitarbeitenden hätten sich zurückgezogen, als die Polizei gekommen sei. Oft habe er von Jugendlichen während der Pandemie gehört, dass die Politik ihre Interessen vernachlässige.

Dieses Gefühl dokumentiert auch ein Film, den die St. Galler Kulturinstitution Palace veröffentlicht hat. Der Film porträtierte Jugendliche, die im Januar in St. Galler Hauseingängen Schützengarten-Bier trinken. Auf die Frage, was diese vermissen, folgt immer das gleiche Wort: Ausgang. Neue Leute treffen, Gespräche führen.

Im ganzen Land berichten Jugendarbeiter Ähnliches. Reto Blaser ist seit 25 Jahren Geschäftsführer des Vereins Jugendwerk und betreut als solcher 36 Berner Gemeinden. Die Pandemie hat bei den Jugendlichen Spuren hinterlassen. «Da ist ordentlich Dampf im Kochtopf, die Jungen reagieren gereizter als auch schon», sagt er. Doch bisher habe man das meistens auffangen können. Er bildet mit Kolleginnen und Kollegen Kontaktteams, die auf grösseren Plätzen mit den Jungen sprechen. Das klappe in Dörfern ziemlich gut. Tatsächlich ist die Stimmung auf dem Land entspannter. Dafür nennt Blaser primär zwei Gründe. Erstens, dass es viele Jugendlichen und ihre Probleme am Abend in die Städte zieht, und zweitens, dass die Jugendarbeiter auf dem Land besseren Zugang zu ihnen finden und die soziale Kontrolle stärker wirkt.

Blaser hat mitbekommen, dass bei einem kleinen Prozentsatz der Jugendlichen das Ventil oder der Kick fehle: ein Fussballspiel, eine Party – Orte, wo man seine Grenzen ausloten könne. «Die meisten Jungen halten sich aber an die Massnahmen. Ich bin positiv erstaunt über das grosse Verantwortungsgefühl.»

Die Stimmung soll nicht noch mal kippen

Da sehen polizeinahe Kreise ähnlich. «Ein Kompliment an die Jungen, viele machen mit, die allermeisten sind vernünftig. Wir sind meilenweit von Zuständen wie in Holland entfernt», sagt Mathias Ninck vom Zürcher Sicherheitsdepartement. Ausnahmen gibt es trotzdem. Darum hat die Zürcher Stadtpolizei in den vergangenen Wochen die Präsenz an berüchtigten Orten erhöht. Die Erfahrung zeigt, dass Ostern zum Partywochenende werden kann. Es braucht nicht viel, und es kippt. Das sieht man bei der Polizei in den Städten Bern und Basel ähnlich. Grundsätzlich alles im grünen Bereich, zugleich aber auch höhere Präsenz und Bereitschaft. Die Basler Polizei hilft sich mit Blick auf das Osterwochenende gar mit einer alten Polizeiweisheit: «Der beste Polizist ist Wachtmeister Regennass.» Die Polizei hofft also auf Regen an Ostern.

Die Stadtpolizei St. Gallen hat während der Krawalle die Personalien von knapp 70 Personen erfasst. «Viele stammen auch aus der Agglomeration oder sogar aus anderen Kantonen», sagt Polizeisprecher Dionys Widmer. Momentan ist die Polizei dabei, Fotos und Videos auszuwerten, um die Jugendlichen belangen zu können. «Und wir verfolgen genau, was sich am Osterwochenende anbahnt», sagt Widmer. Es soll um keinen Preis ein weiteres Mal ausarten.

Ladenbesitzerin Beatrice Niedermann kann den Frust der Jugendlichen bis zu einem gewissen Grad nachvollziehen. «Doch wir sind alle eingeschränkt.» Neben Schaden und Frust hat es für sie in den letzten Tagen auch schöne Begegnungen gegeben. So brachten die Nachbarn etwa Prosecco und ein Mittagessen vorbei. Auf Instagram hat sich zudem jemand bei Beatrice Niedermann gemeldet. Die Person hat anonym ein Video geschickt, auf dem man sieht, wie der Laden zerstört wird. Es tue ihr leid, schrieb sie.
(https://www.derbund.ch/jugendliche-rufen-zum-naechsten-krawall-auf-876012252180)



nzz.ch 01.04.2021

Krawalle in St. Gallen: «Man hat zentrale Bedürfnisse der Jugendlichen einfach gekappt, ohne die Folgen zu bedenken», sagt ein Jugendpsychologe

Der Jugendpsychologe Felix Hof kritisiert die Krawalle in St. Gallen, bringt für den Unmut der Jugendlichen in der Corona-Krise aber auch Verständnis auf.

Michele Coviello

Eine Anti-Corona-Party von Jugendlichen in St. Gallen mündete zuletzt in Gewalt. Die gleichen Akteure rufen für dieses Wochenende zu neuen Krawallen auf. Wie schätzen Sie die Lage ein?

Felix Hof: Einerseits bin ich massiv enttäuscht. Ich meine es nicht moralisierend, aber ich kann in keiner Art und Weise begrüssen, dass Jugendliche diesen Weg wählen müssen, um ihren Unmut kundzutun. Mit Sachbeschädigungen an Geschäften beeinträchtigen sie Menschen zusätzlich, die von den Corona-Massnahmen hart getroffen werden.

Andererseits?

Dieser Unmut stösst bei mir auf grosses Verständnis. Er zeigt ganz klar, woran man bei all den Massnahmen seit über einem Jahr nicht gedacht hat, dass wir Menschen auf Austausch und Kreativräume angewiesen sind. Vor allem Jugendliche müssen sich artikulieren können – sei es in Gruppen, sei es, indem sie Musik machen oder sich auf der Strasse treffen. Das alles wurde ihnen abgeschnitten – und zwar abrupt, ohne Alternativangebote. Man hat zentrale Bedürfnisse und Entwicklungsmöglichkeiten der Jugendlichen einfach gekappt, ohne die Folgen zu bedenken. Und jetzt ist genug, das Fass ist voll.

Erwarten Sie, dass solche Unmutsbekundungen unter Jugendlichen zunehmen?

Wie in allen schwierigen Lagen gibt es Trittbrettfahrer, die ohnehin so strukturiert sind und die Situation ausnutzen. Aber ich erwarte eine Zunahme, ja. Vor allem, wenn wir keine Perspektive bieten, und zwar eine verbindliche. Man kann nicht Lockerungen in Aussicht stellen, Hoffnungen schüren – und letztlich werden diese wieder enttäuscht. Nein. Es braucht wirklich verbindliche Aussagen und Termine, an denen sich Jugendliche orientieren können und mit denen sie wissen: Jetzt kann ich mich wieder mit den Kumpels treffen, jetzt habe ich meinen Jugendraum wieder.

Ein Aufruf zu neuer Gewalt im Netz wurde so formuliert: «Es mues eskaliere, mer müend zeige, wer mir sind.» Ist das ein Hilferuf einer vergessenen Gruppe?

In all den Planungen wurden Jugendliche bis jetzt nicht angehört. Zentrale Entwicklungspotenziale wurden massiv beeinträchtigt, und zwar völlig unbedacht. Jugendliche wollen die Welt erkunden, wollen nicht von den Eltern bevormundet oder von Autoritätspersonen beliebig gelenkt und kontrolliert werden. Sie müssen sich mit Gleichaltrigen treffen und austauschen können. Das wurde ihnen ein Jahr lang genommen. Ich sehe keine Jugendlichen und nicht einmal eine Vertretung eines Jugendverbandes in der Task-Force. Man geht immer noch davon aus, dass sich Jugendliche beliebig verwalten lassen sollen.

Ungewisse Perspektiven, wenig Austausch, wenige Möglichkeiten, sich auszutoben, vielleicht gar, sich zu verlieben: Es fehlt Grundlegendes.

Das ist tragisch. Viele meiner Klientinnen und Klienten spielen in Fussballklubs. Die haben eine unsägliche Durststrecke hinter sich. Die Entbehrung des Teams, aller Rituale, der fehlende Kontakt zum vertrauten Trainer. Sie leiden unglaublich. Es fehlt ein Ventil.

Von welchen Sorgen hören Sie bei Ihrer täglichen Arbeit?

Es ist unglaublich, was ich an Not erfahre, auch bezüglich der Bildung: Ängste, nicht weiterzukommen, Ängste, dass der Covid-Abschluss in der Berufsmatur zum Nachteil wird. Darüber wird nicht geredet. Man mutet den Jungen einfach zu: «Das trägst du, du kannst damit umgehen.» Aber nein, Jugendliche können das nicht und wissen nicht, woran sie sich orientieren sollen.

Wie sollte man Jugendlichen helfen?

Ich habe eine ganz böse Vermutung. Wir werden gerade so sozialisiert, dass beliebig Eingriffe in unsere Eigenständigkeit gemacht werden können. Es gibt immer wieder Argumente: Mal sind es die vollen Intensivstationen, mal ist es der R-Wert, mal ist es die Virusmutation, mal die Impfbereitschaft. Ich nehme Covid todernst. Aber die Palette der Beschränkungsargumente ist gross, und es wird immer wieder neue geben. Die Jugendlichen müssen aber eine Perspektive bekommen, und zwar sofort. Wer die Massnahmen plant, muss sich ernsthaft überlegen: Wollen wir die Covid-Generation weiter stören und damit Langzeitfolgen mit solchen Auswüchsen herbeiführen, wie sie jetzt schon sichtbar sind? Oder wollen wir das Entwicklungspotenzial in eine Richtung lenken, in der die Jugendlichen ihre Erfahrungen wieder machen können?

Welche Langzeitfolgen befürchten Sie?

Jugendliche sind momentan verängstigt und können wesentliche Sozialisationsschritte nicht machen: Sie können Beziehungen, Solidarität, ganz allgemein ihre Werte nicht einüben. Das wird verzögert passieren. Sie können sich auch nicht von ihren Familien ablösen. Diese blockierten Entwicklungen müssen sie nachholen, bekommen aber möglicherweise gar keine Zeit dazu. Sobald Covid durch ist, haben wir den Status quo ante. Sie müssen dann den Anforderungen genügen, die wir 2019 angeblich alle hatten. Das macht mir Angst, denn sie sind nicht dafür gerüstet.

Die Krise ist auch eine Zeit, um für die Zukunft zu lernen. Was nehmen wir für unsere Jugendlichen mit?

Dass man nicht beliebig in Grundbedürfnisse ihrer Entwicklung eingreifen darf, ohne Alternativen zu bieten. Macht man ihnen monatelang klar, dass sie ein marginales Infektionsrisiko darstellen und das später verneint, dann macht das etwas mit den Jugendlichen.

Was kann man verbessern?

Die Kommunikation. Pseudowissen, Halbwissen und Eventualitäten sind so zu kommunizieren: «Wir wissen es nicht oder noch nicht.» Die Angstmacherei ist systematisiert. Und die ist auch bei den Jugendlichen angekommen, sie hat sie zum Teil völlig paralysiert, und sie führt zu grenzüberschreitendem Verhalten. Jetzt wollen sie auch diese Angst überwinden. Und es braucht Stringenz bei den Massnahmen. Sie können wie Sardinen in der S-Bahn sitzen, aber ein Bier im Klub trinken ist nicht erlaubt. Das kann man einem Jugendlichen nicht vermitteln.
(https://www.nzz.ch/panorama/corona-frust-jugendpsychologe-zu-krawallen-in-st-gallen-ld.1609767)