Medienspiegel 13. März 2021

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+++BERN
bernerzeitung.ch 13.03.2021

Als Frau im Rückkehrzentrum: Der gefährliche Weg auf die Toilette

In vielen Rückkehrzentren ist die Sicherheit von Frauen nicht gewährleistet, kritisiert Terre des Femmes. Eine Bewohnerin aus Aarwangen erzählt.

Lea Stuber

Die Männer, die im Korridor herumhängen und sie abfangen, wenn sie in der Nacht auf die Toilette will, sie hängen jetzt nicht mehr im Korridor herum. Doch die Angst, sie sei noch immer da. Das sagt Makeda B., 33 Jahre alt.

Vor bald neun Jahren flüchtete Makeda B., die eigentlich anders heisst, ihre Familie in Äthiopien aber nicht gefährden will, aus der äthiopischen Provinz Tigray in die Schweiz, seit bald neun Jahren lebt sie in unterschiedlichen Asylunterkünften. Das Rückkehrzentrum Aarwangen ist die fünfte. Hier leben knapp 100 Menschen – Familien, aber auch viele alleinstehende Frauen und Männer, die meisten in Mehrbettzimmern.

Musste sie mitten in der Nacht auf die Toilette, habe sie sich schon öfter gefragt: Warum habe ich keinen Nachthafen bei mir im Zimmer? Sie schmunzelt, ganz kurz nur, denn die Frage meint sie ernst.

Kein Licht im Korridor

Sie muss ihr Zimmer verlassen, den Korridor entlanggehen bis zu den WCs. Manchmal schalteten die jungen Männer das Licht aus, versuchten Makeda B. zu «betatschen», wie die Übersetzerin das Tigrinya von Makeda B. übersetzt. Sie habe sich gewehrt, gesagt: Was soll das? Sie habe mit der Zentrumsleitung der Betreiberin ORS gesprochen, inzwischen seien die Männer nicht mehr dort.

Auch mit Laurence Gygi, die neben ihr und der Übersetzerin sitzt, hat Makeda B. gesprochen. Sie ist Migrationsbeauftragte der Reformierten Kirchgemeinde Wohlen und für sie mal «wie eine Schwester», mal «wie eine Mutter». Bevor Makeda B. nach Aarwangen kam, lebte sie in der Kollektivunterkunft Hinterkappelen. Aus dieser Zeit kennen sie sich. Ohne Menschen wie Laurence Gygi, die zuhören und für sie da sind, sagt Makeda B., wüsste sie nicht, was sie machen würde.

Makeda B. geht es nicht gut, das wird schnell klar. Das liegt nicht nur an ihrer Wohnsituation in Aarwangen. Sie möchte doch nur leben wie alle anderen, sagt sie. Einen Job haben – in der Reinigung etwa oder als Köchin – und eigenes Geld verdienen, sich integrieren.

Doch das darf sie nicht. Ihr Asylantrag wurde abgelehnt, sie müsste die Schweiz verlassen, sie lebt von acht Franken Nothilfe am Tag. Sie und ihr Freund möchten heiraten, seit sechs Jahren. Das Zivilstandsamt hat das Gesuch aber noch immer nicht bewilligt, unter anderem deswegen, weil die Namen nicht auf allen Dokumenten gleich ins Deutsche übersetzt worden waren.

Dass es Makeda B. nicht gut geht, liegt auch daran, dass in Tigray, der Region im Norden Äthiopiens, ein neuer Bürgerkrieg ausgebrochen ist. Ihr jüngerer Bruder sei umgekommen; zwei Schwestern, beide schwanger, bitten sie um Hilfe, um Medikamente und Kleider. Doch Makeda B. fragt sich: Wie soll sie ihre Familie unterstützen, wenn sie – mit den acht Franken am Tag – für sich selber kaum genug hat?

Sexuell belästigt in der Dusche

Makeda B. versucht die Männer, die sie belästigen, zu verstehen: Die meisten seien schon viele Jahre im Zentrum, ohne Zukunft, ohne Perspektiven. Viele tränken Alkohol. «Vielleicht machen sie darum solche Sachen. Und am Morgen denken sie sich: Was habe ich nur gemacht?», sagt Makeda B.

Der Alltag im Rückkehrzentrum Aarwangen sei stressig, streng auch. Sie möchte mit den anderen zusammen lachen können, über verschiedene Themen diskutieren, versuchen zu vergessen. Mit zwei Leuten, ebenfalls aus Äthiopien geflüchtet, esse sie manchmal gemeinsam. Und mit einem jungen Mann, mit dem sie seit Jahren befreundet sei, lerne sie Velofahren. Die anderen Bewohnerinnen und Bewohner grüsse sie, mehr nicht.

Abwechselnd sind die Bewohnenden zuständig für das Reinigen der Duschen und WCs, die Putzmittel dafür sind in einem abgeschlossenen Schrank. Mit dem Geld der Nothilfe hat sich Makeda B. eigenes Putzmittel gekauft – so kann sie die Dusche, falls sie dreckig ist, reinigen, bevor sie sie benutzt. «Wenn es bei den Männern dreckig ist», sagt Makeda B., «benutzen sie oft unsere Frauen-Toiletten und -Duschen.»

Makeda B. erzählt schon über eine Stunde. Dann erst kommt sie auf die Situation in der Dusche zu sprechen, auf die sexuelle Belästigung. Sie stand unter der Dusche, als jemand an die Tür klopfte. Sie öffnete die Tür, ein älterer Mann stand vor ihr. Er masturbierte.

Die Zentrumsleitung habe reagiert, der Mann sei inzwischen weg. Doch es gebe auch andere Männer, die klopften, wenn sie dusche, die Witze machten. Immerhin, sagt Makeda B., könne man die Tür der Dusche von innen abschliessen.

Fehlende Schulung des Personals

Was Makeda B. erzählt, hat die Nichtregierungsorganisation Terre des Femmes Schweiz (TDF) seit dem Herbst auch von anderen Bewohnerinnen gehört. Nicht nur aus Rückkehrzentren und nicht nur aus dem Kanton Bern. Aus dem Rückkehrzentrum Aarwangen waren es neben Makeda B. zwei weitere Frauen. Es sind Berichte sexualisierter Gewalt.

Georgiana Ursprung, Verantwortliche politische Arbeit bei TDF, sagt: «Gerade in den Rückkehrzentren werden geschlechtsspezifische Bedürfnisse zu wenig berücksichtigt – das zeigt sich in der Infrastruktur, aber auch in der Betreuung.»

Wenn die Duschen und Toiletten zu nahe an denen der Männer seien und die Frauen gestört oder sogar belästigt würden, trauten sie sich nicht mehr, duschen zu gehen oder die Toilette zu benutzen. «Oder nur in Begleitung anderer», sagt Ursprung.

Bei der Betreuung stellt Ursprung oftmals fehlende Schulung und Ressourcen seitens des Personals fest, entsprechend wenig werde auf die Bedürfnisse der Frauen eingegangen. «Viele erzählen, dass nichts ändere, wenn sie sich an die Betreuungspersonen wenden.»

2017 hat die Schweiz die Istanbul-Konvention ratifiziert, ein internationales Menschenrechtsabkommen, das zum Ziel hat, Gewalt gegen Frauen zu bekämpfen. «In den Asylstrukturen gibt es diesbezüglich aber noch grosse Lücken», sagt Ursprung, «der Schutz der Frauen ist nicht gewährleistet.»

Verantwortlich dafür ist aus ihrer Sicht der Kanton Bern, der mit der Neustrukturierung des Asyl- und Flüchtlingsbereichs (Nabe) die politischen Grundlagen erarbeitet hat, dies aber ohne geschlechtsspezifische Perspektive, wie Ursprung sagt.

Kanton verurteilt Belästigungen

Beim zuständigen Amt für Bevölkerungsschutz (Abev) heisst es: «Der Schutz insbesondere von Frauen und Kindern geniesst in den kantonalen Rückkehrzentren oberste Priorität, das Betreuungs- und Sicherheitspersonal ist dahingehend sensibilisiert.»

Jegliche Form von Belästigung werde verurteilt und bei Bekanntwerden konsequent verfolgt. «Wird eine Frau belästigt, hat sie sich umgehend an die Zentrumsleitung zu wenden», schreibt Hannes Schade vom Abev.

In Bezug auf das Rückkehrzentrum Aarwangen, «eine Liegenschaft mit Sanierungspotenzial», schreibt Schade, dass die sanitären Anlagen in einem «nicht optimalen Zustand» seien. In einzelnen Wohntrakten müssten sie von Männern wie Frauen benutzt werden. Bauliche Massnahmen würden aktuell aber geprüft und danach umgesetzt.

Terre des Femmes fordert, dass die Rückkehrzentren in ihren Leitlinien und Konzepten die geschlechtsspezifische Perspektive gemäss der Istanbul-Konvention berücksichtigen. «Im Moment besteht die Gefahr», sagt Georgiana Ursprung, «dass Frauen, die in ihrem Herkunftsland oder auf der Flucht traumatisiert wurden, eine Retraumatisierung erleben.»

Diese Forderung hat Terre des Femmes an den kantonalen Migrationsdienst, der dem Abev unterstellt ist, sowie an die Zentrumsbetreiberin ORS herangetragen. Gern würde Terre des Femmes das Rückkehrzentrum Aarwangen besuchen. Vom Kanton heisst es: Ein Austausch vor Ort sei geplant, sobald die Corona-Situation es zulasse.

Mit einer am Montag, im Rahmen der Frühlingssession des Grossen Rates, eingereichten Interpellation wird das Thema jetzt auch auf politischer Ebene aufgegriffen. Die SP-Grossrätinnen Belinda Nazan Walpoth und Maurane Riesen sowie SP-Grossrat Peter Gasser wollen vom Regierungsrat wissen, ob sexuelle Übergriffe in Berner Asylheimen statistisch erfasst werden und wie Frauen nach einem solchen betreut werden.

Nur fürs Unterschreiben ins Zentrum

Im Rückkehrzentrum Aarwangen hat Makeda B. ihre eigenen Strategien entwickelt. Muss sie nachts auf die Toilette, ruft sie eine der anderen Bewohnerinnen an. Diese hat ein Kind, deswegen hat ihr Zimmer eine eigene Toilette. Sie darf dann diese benutzen.

Wie andere Bewohnerinnen des Rückkehrzentrums auch versucht Makeda B., viel Zeit bei ihrem Freund zu verbringen. Er wohnt in einer Stadt in einem anderen Kanton, die Zugreise zu ihm finanzieren ihr Privatpersonen.

Da die Bewohnerinnen und Bewohner jeden Tag unterschreiben müssen, muss Makeda B. aber oft in Aarwangen sein. «Ich habe Verwarnungen bekommen, weil ich nicht unterschrieben habe», sagt Makeda B. Trotzdem fahre sie weiterhin zu ihrem Freund, das tue ihr gut.



Das sagt der Arzt in Aarwangen

Pro Woche hat Kurt Krieger in seiner Praxis in Aarwangen bis zu 15 Konsultationen von Menschen aus dem Rückkehrzentrum. Der Arzt ist, zusammen mit der anderen Dorfpraxis, seit Jahren zuständig für die medizinische Betreuung. Was ihm auffällt: Psychische Probleme hätten in den letzten Jahren «inflationär» zugenommen. Viele machten eine posttraumatische Belastungsstörung geltend.

«Es ist nachvollziehbar: Um den Negativentscheid abzuwenden, werden alle Register gezogen», sagt Krieger. Immer wieder stelle er auch widersprüchliche Angaben fest, manchmal sogar offensichtliche Falschangaben. Für das Betreuungsteam im Rückkehrzentrum hat Krieger anerkennende Worte: «Diese Betreuungsarbeit verlangt starke Nerven.»
(https://www.bernerzeitung.ch/der-gefaehrliche-weg-auf-die-toilette-569070750189)


+++AARGAU
aargauerzeitung.ch 13.03.2021

Brugg: Drei Monate nach dem Start: So läuft es im Bundesasylzentrum in den Militärhallen

Über 700’000 Franken hat das Staatssekretariat für Migration in die militärischen Hallen an der Ländistrasse investiert. Die Unterkunft die für bis 230 Männer vorbereitet wurde, steht aktuell fast leer und muss doch unterhalten sowie begleitet werden.

Claudia Meier

Ende November letzten Jahres wurden die ersten 40 Asylbewerber von einer Unterkunft in der Region Zürich ins neu eröffnete Bundesasylzentrum (BAZ) an der Ländistrasse in Brugg verlegt. Ansteigende Asylgesuchszahlen und die geltenden Empfehlungen des Bundes zum Schutz vor einer Covid-19-Ansteckung machten zusätzliche temporäre Unterbringungskapazitäten notwendig.

Das BAZ in Brugg ist maximal drei Jahre in Betrieb und kann bis 230 Männer aufnehmen. «Aktuell sind 18 Personen im BAZ Brugg untergebracht», sagt Sprecher Reto Kormann vom Staatssekretariat für Migration (SEM). Da derzeit alle diese Männer weder mit dem Coronavirus infiziert sind noch in Quarantäne sein müssen, dürfen sie sich auch ausserhalb der Anlage frei bewegen. Der SEM-Sprecher fährt fort: «Der Betrieb läuft ordnungsgemäss und gut.»

Reklamationen hat es seit einigen Wochen keine mehr gegeben. Im Februar war eine Sitzung mit der von der Stadt Brugg und der Bevölkerung geforderten Begleitgruppe vorgesehen. Doch diese fand nicht statt. «Sie wurde aufgrund der aktuellen Situation verschoben», erklärt Kormann. Die Sitzung werde durchgeführt, sobald Treffen von Gruppen dieser Grössenordnung wieder erlaubt und angezeigt seien.

Die Polizei konnte keine Delikte feststellen

Auch die Kantonspolizei Aargau zieht eine positive Bilanz zum BAZ-Betrieb. Sprecher Bernhard Graser sagt: «Seit Mitte Januar wurde die Polizei drei Mal ins Bundesasylzentrum aufgeboten, um Überprüfungen vorzunehmen. In allen Fällen konnten keine Delikte festgestellt werden.»

Nachdem in der Anfangsphase vereinzelt Interventionen erfolgten, seien seit Mitte Dezember 2020 keine solche Einsätze mehr notwendig gewesen. Die Zusammenarbeit mit dem Sicherheitsdienst und dem Betreuungsdienst vor Ort funktioniert laut der Kantonspolizei sehr gut. Zur Erinnerung: Mitte Dezember mussten elf Männer, die sich nach einem positiven Coronafall nicht an die Quarantänebestimmungen hielten, sofort in die Asylregion Zürich zurückgeführt werden.

Seit der Inbetriebnahme des BAZ in den militärischen Hallen gab es einige Anpassungen: So wurde der von Anwohnern verlangte Sichtschutz an den Fenstern angebracht, die IT-Infrastruktur verbessert sowie kleinere bauliche Arbeiten erledigt. Dazu gehören laut dem SEM-Sprecher die Befestigung des Fusswegs und des Zauns sowie die Isolation der Radiatoren zur Reduktion von Lärmemissionen.

Die Mahlzeiten werden im Campus Brugg-Windisch zubereitet

Nach wie vor geplant ist, die Sektoren in den Hallen in kleinere Raumabschnitte zu unterteilen. Die Schlaf- und Duschbereiche befinden sich im Erdgeschoss und die Aufenthaltsräume im Obergeschoss.

Verpflegt werden die 18 Männer weiterhin mit Mahlzeiten aus der Küche im Campus Brugg-Windisch. Denn nach der Durchführung des ordentlichen Verfahrens im Rahmen der öffentlichen Ausschreibung hat laut Kormann die SV (Schweiz) AG den Zuschlag bis Ende Februar 2022 erhalten.
(https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/brugg/brugg-drei-monate-nach-dem-start-so-laeuft-es-im-bundesasylzentrum-in-den-militaerhallen-ld.2113865)


+++SCHWEIZ
Zahl der Asylgesuche sinkt stark – Tagesschau
Die Zahl der Asylgesuche in der Schweiz ist stark rückläufig. Dies ermöglicht es dem Bund, den Pendenzenberg an hängigen Asylgesuchen der letzten Jahre abzuarbeiten.
https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/zahl-der-asylgesuche-sinkt-stark?urn=urn:srf:video:6510b2c0-76ca-4edf-8188-316b10848efd


+++GRIECHENLAND
Flüchtlingslager Kara Tepe: Ermittlungen nach Suizidversuch
Eine hochschwangere Frau versucht, sich im Flüchtlingslager auf Lesbos in Brand zu stecken: Dieser Suizidversuch sorgte vor Wochen für Schlagzeilen. Die 26-Jährige überlebte, doch nun wird gegen sie ermittelt.
https://www.tagesschau.de/ausland/europa/griechenland-fluechtlinge-lesbos-101.html


+++MITTELMEER
Seenotrettung in Italien: Retter vor Gericht
Die italienische Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen Mitglieder von NGOs, die Flüchtlingen in Seenot geholfen haben. Was genau wirft sie ihnen vor? Einblicke in die Ermittlungsakten
https://www.zeit.de/2021/11/seenotrettung-italien-ngos-fluechtlingshilfe-gericht-ermittlung/komplettansicht


+++LIBANON
Syrische Flüchtlinge im Libanon: “Nur Gott kann uns helfen”
Im libanesischen Winter kämpfen viele syrische Flüchtlinge gegen Kälte und Hunger. Der Staat möchte sie loswerden und der Hass der Bevölkerung wächst. Eine Reportage aus der Stadt Arsal im Nordlibanon von Andrea Backhaus
https://de.qantara.de/inhalt/syrische-fluechtlinge-im-libanon-nur-gott-kann-uns-helfen?nopaging=1


+++GASSE
Einsatz wegen Menschenansammlung: Flaschenwürfe auf Polizei vor der Berner Reitschule
Die Kapo Bern bemerkte in der Nacht auf Samstag auf dem Vorplatz der Reitschule eine grössere Menschenansammlung. Als die Polizisten vor Ort das Gespräch suchten, wurden sie von einer Person mit Flaschen beworfen. Verletzt wurde niemand.
https://www.20min.ch/story/flaschenwuerfe-auf-polizei-vor-der-berner-reitschule-113484036207


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
!Alle auf zur ZAD!
Ab dem 26.3. ist die ZAD (Zone à defendre – zu verteidigende Zone) akut von der Räumung bedroht.
Seit Oktober 2020 besetzen Aktivist*innen den Hügel von Mormont bei Eclépens im Kanton Waadt. Ziele der Besetzung sind den Ausbau des Steinbruchs von Holcim zu stoppen und alternative Formen der gemeinschaftlichen Organisation zu leben.
https://barrikade.info/article/4283


ZH: Siemens entglast – viel Kraft Dimitris!
Gestern, am 11. März 2021 haben wir den Eingangsbereich von Siemens in Zürich Altstetten entglast. Wir beteiligen uns damit an der weltweiten Solidaritätswelle mit dem Hunger- und Durststreik des griechischen politischen Gefangenen Dimitris Koufontinas.
https://barrikade.info/article/4284


+++RASSISMUS
Talken mit der neuen Schweiz
Die Schweiz braucht mehr migrantische Perspektiven. Bei «We Talk. Schweiz ungefiltert» diskutieren Menschen mit Migrationsgeschichte und Rassismuserfahrungen über Themen, die beschäftigen. Am 10. März startete die erste Folge mit der Frage, wie Politik emanzipiert und damit gerechtere Verhältnisse für alle geschaffen werden können.
https://www.saiten.ch/talken-mit-der-neuen-schweiz/


Aktionstag: Kanton St.Gallen setzt Zeichen gegen Rassismus
https://www.tvo-online.ch/aktuell/aktionstag-kanton-st-gallen-setzt-zeichen-gegen-rassismus-141146301


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Belästigung der KantonsärztinStefan Theiler kommt ungeschoren davon
Der chronische Aussenseiterkandidat und Corona-Leugner Stefan Theiler hatte letzten Herbst die Kantonsärztin bedrängt. Diese verzichtete nun auf eine Anzeige.
https://www.derbund.ch/stefan-theiler-kommt-ungeschoren-davon-333659986564
-> https://www.telebaern.tv/telebaern-news/-samstag-13-maerz-2021-ganze-sendung-141147029 (ab 06:45)


Maskengegner gehen ohne Masken einkaufen – Polizei interveniert
In Martigny VS traf sich am Freitagabend eine Gruppe von Maskengegnern, um ohne Schutzmasken einkaufen zu gehen. Als die Polizei kam, wurden die Masken schnell aufgesetzt. Die Kapo Wallis stellte dennoch Bussen aus.
https://www.20min.ch/story/maskengegner-gehen-ohne-masken-einkaufen-polizei-interveniert-407286370222
-> https://www.polizeiwallis.ch/medienmitteilungen/martinach-demonstration-gegen-die-covid-sanitaermassnahmen/



luzernerzeitung.ch 13.03.2021

Chirurg vergleicht Impfzentrum mit KZ – das Kantonsspital Uri ist entsetzt

Belegarzt Lars Flöter vergreift sich auf sozialen Medien im Ton. Er vergleicht das neue Corona-Impfzentrum in Zürich mit dem Konzentrationslager Theresienstadt. Auch sonst spart er nicht mit Beleidigungen. Das Kantonsspital Uri distanziert sich. Zweifelt aber nicht an seinen medizinischen Fähigkeiten.

Anian Heierli

Er hat den Ruf eines fähigen Neuro- und Wirbelsäulenchirurgen. Der 53-jährige Lars Flöter operiert unter anderem als Belegarzt im Kantonsspital Uri (KSU). Die Einheimischen kennen ihn aber auch als Person, die sich als Podiumsgast und in Leserbriefen öffentlich zu gesellschaftlichen und politischen Themen äussert – teils sehr bissig und zynisch.

Daran ist nichts auszusetzen. Doch in den letzten Tagen hat der Mediziner in diversen Online-Kommentaren auf der Business-Plattform Linkedin die Grenzen des guten Geschmacks und des angebrachten Zynismus deutlich überschritten. Am Dienstag veröffentlichte das Branchenportal Medinside die ersten Bilder des Corona-Impfzentrums in der Messehalle Zürich Oerlikon. Flöter vergleicht die Fotos mit einem Konzentrationslager aus dem 2. Weltkrieg.

Kommentar: «So ähnlich sieht es in Theresienstadt auch aus!»

Mit seinem Klarnamen und der Berufsbezeichnung Doktor der Medizin kommentiert er: «Schlichte Eleganz und funktionaler Purismus. So ähnlich sieht es in Theresienstadt auch aus!» Zur Erklärung: Das KZ Theresienstadt steht noch immer als Mahnmal in der tschechischen Stadt Terezín. Im Zweiten Weltkrieg wurde es von den Nazis als Transitlager betrieben. Die Gefangenen wurden von hier in grosse Vernichtungslager wie Auschwitz deportiert. Im KZ Theresienstadt selbst starben rund 2500 Menschen an Exekution, Folter und Krankheit.

In weiteren Kommentaren liefert er sich einen Schlagabtausch mit anderen Nutzern der Business-Plattform. Es schreibt Sätze wie: «Es lief für euch Ratten vor 40 Jahren definitiv besser, aber für meinen Geschmack auch heute noch zu gut.» Oder: «Und meine Seite weiss längst, dass die friedliche Revolution ein Fehler war, weil nur dadurch Leute ihrer Sorte hier das Maul aufreissen dürfen.» Seine Aussagen sind Anspielungen auf das DDR-Regime in Ostdeutschland und dessen Zusammenbruch 1989. Es scheint, als hätte sich der Chirurg eine nicht-friedliche Revolution gewünscht.

Die Fotos hätten ihn wirklich ans Konzentrationslager erinnert

Unsere Zeitung hat den Arzt mit seinen derben Aussagen konfrontiert. Er werde in Zukunft vorsichtiger sein, sei aber nicht der Meinung, dass er etwas löschen müsse. Den Vergleich des Impfzentrums mit dem KZ Theresienstadt rechtfertigt der Chirurg so: Als er die Bilder zum ersten Mal gesehen habe, hätten ihn diese wirklich stark an das Konzentrationslager erinnert. Er habe dieses schon zweimal besucht. Auch Fotos des Impfzentrums in der Messehalle empfinde er als menschenverachtend. Seine Aussage sei aber überspitzt formuliert.

Auch die Anspielungen zum DDR-Regime streitet er nicht ab. Im Gegenteil: Da habe er sich mit einer Person aus Deutschland gestritten, bei der er eine DDR-Vergangenheit vermutet. Um das zu verstehen, müsse man seine Vorgeschichte kennen. So war Flöter, der deutsche Wurzeln hat, nach eigenen Angaben Verfolgter in Ostdeutschland. Er sass im Gefängnis und flüchtete 1988 als junger Mann unter Todesangst über die geschlossene Grenze. Sein Abitur und Medizinstudium folgten erst später. Deshalb habe er sehr emotional reagiert. Die Bezeichnung «Ratten» würde er nachträglich weglassen. Auch in anderen Kommentaren hat er nicht auf Beleidigungen verzichtet. Er nutzte Wörter wie «Bärenscheisse», «vertrottelte Zeitgenossen», «Gewerkschaftsfuzzis» und er bezeichnete den bayrischen Ministerpräsidenten Markus Söder als «sprechende Klobürste».

Kantonsspital distanziert sich deutlich von den Äusserungen

Das Kantonsspital Uri reagiert im ersten Moment entsetzt. Schriftlich hält hält man zu den verbalen Entgleisungen fest: «Wir distanzieren uns im KSU allgemein und immer in aller Form von irgendwelchen Posts und anderen schriftlichen und mündlichen Äusserungen, die auch nur im Ansatz fremdenfeindlich, sexistisch oder sonst wie verletzend sind.» Man stehe für eine wertschätzende, empathische Kommunikation. Die Mitarbeitenden hätten dies gemeinsam festgehalten.

Das KSU schreibt konkret zu den Kommentaren: «Die Wortwahl von Lars Flöter ist uns fremd und wir schätzen das Kokettieren mit historischen Ereignissen als gefährlich ein. Seine Einschätzung der Coronapandemie deckt sich nicht mit der unseren.» Kritik zur Test- und Impfstrategie gäbe es von verschiedenen Seiten. Diese sei der Erfüllung des Leistungsauftrags nicht dienlich. Das Spital betont: «Vielmehr leisten wir unseren Beitrag, dass unsere Mitmenschen wieder hoffnungsvoller in die Zukunft blicken. Tests sind dabei unerlässlich und die Impfungen die aktuell einzig wirksame Therapie.»

Mit dem Belegarzt wurde schon vor einiger Zeit das Gespräch gesucht. Dabei wurden klare Grenzen gesetzt. Heisst: «Es darf keinen ersichtlichen Zusammenhang geben zwischen privaten Meinungsäusserungen und dem KSU.» Gemäss aktuellem Kenntnisstand halte sich der Mediziner daran. Über die jüngsten Beiträge auf sozialen Medien hat auch die Urner Gesundheitsdirektion Kenntnis. Diese nimmt ihre aufsichtsrechtlichen Aufgaben wahr. «Es ist keine Verletzung der ärztlichen Sorgfaltspflicht erkennbar.» So ist man seitens KSU auch mit den medizinischen Leistungen von Lars Flöter zufrieden.

Flöter ist selbstständig als Facharzt tätig

Zwischen dem Chirurgen und dem Spital besteht aber kein Arbeitsverhältnis. Der Belegarzt ist selbstständig als Facharzt tätig und nutzt die Spitalinfrastruktur eigenverantwortlich, um Patienten zu behandeln. So arbeitet er auch als Belegarzt am Spital Lindberg in Winterthur. Bis vor einem Jahr operierte er in dieser Funktion ebenfalls am Kantonsspital Aarau. Dieses löste im Frühjahr 2020 aber das Verhältnis mit ihm auf (wir berichteten). Damals ging es nicht um gehässige Online-Kommentare. Neurochirurg Lars Flöter hatte sich öffentlich für seinen Fachkollegen Javier Fandino eingesetzt, der zuvor überraschend das Kantonsspital Aarau verlassen musste.

In der Folge löste das Kantonsspital Aarau auch die Zusammenarbeit mit Lars Flöter auf. Die damalige Begründung des Spitals an den Arzt: «In den letzten Wochen haben Sie sich in den Medien mehrfach mit negativen Äusserungen über die Kantonsspital Aarau AG zitieren lassen. Wir leiten daraus ab, dass Sie die Zusammenarbeit beenden möchten.» Der Belegarzt akzeptierte dies mit den Worten: «An einer Geschäftsbeziehung mit einem Partner, der so dünnhäutig auf Kritik an obskuren Abläufen reagiert, habe ich kein Interesse.»
(https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/uri/corona-chirurg-vergleicht-impfzentrum-mit-kz-das-kantonsspital-uri-ist-entsetzt-ld.2113862)




Protest im Südwesten: Immer dagegen
Angebliche Frühsexualisierung, Anthros, Querdenker und Stuttgart 21: Warum sind die Menschen im wohlhabenden Schwaben so dickschädelig?
https://taz.de/Protest-im-Suedwesten/!5752768/



Basler Zeitung 13.03.2021

Corona-Widerstand aus Südbaden: Was Daniele Ganser mit den neuen Parteien Deutschlands zu tun hat

Zwei blutjunge Parteien wollen diesen Sonntag in den Landtag von Baden-Württemberg einziehen. Sie eint der Widerstand gegen die Covid-19-Massnahmen. Doch die Bewegung, der sie entstammen, ist älter.

Katrin Hauser

Nur wenige Kilometer von Basel entfernt, im Hebelpark von Lörrach, macht eine Partei Wahlkampf, die Menschen mit unkonventionellen Ansichten vereint. Aus der Pandemie geboren, schürt sie den Widerstand gegen die Corona-Massnahmen. Sie erinnert zu Teilen an die Schweizer Bewegung «Freunde der Verfassung», ist politisch aber – und das ist überraschend – nicht rechten, sondern vielmehr linken Ursprungs.

Einer der Gründer des südbadischen Ablegers jener blutjungen Partei ist Dietmar Ferger aus Lörrach, ein ehemaliger Grüner und nun parteiloser Kreisrat. Im Frühling 2020 wurde er von seiner Fraktion ausgeschlossen, weil sie sich von seinen Auftritten bei Corona-Demonstrationen distanzieren wollte. Er trat auch schon in Basel auf, etwa an der grossen Kundgebung bei der Messe. Am Sonntag nun tritt er für Die Basis zur Wahl in den Landtag an. Die Chancen, dass die Partei bereits im ersten Anlauf die 5-Prozent-Hürde knackt, sind gemäss Wahlumfragen zwar ziemlich gering. Doch ist das Bundesland an der Grenze zu Basel eine Hochburg von Querdenkern.

Nebst der Basisdemokratischen Partei buhlt dort auch «Wir 2020» um die Gunst der Corona-Skeptiker. Beide Parteien sind aus dem «Widerstand 2020» entstanden, jenem «diffusen Sammelbecken aus Verschwörungstheoretikern, Rechtspopulisten, linksesoterischen Impfgegnern, aber auch verunsicherten Bürgern», wie es der deutsche Soziologe Matthias Quent bezeichnete. Er stuft die Bewegung als gefährlich ein.

Aber wie gefährlich ist sie tatsächlich?

Um darauf eine Antwort zu finden, haben wir eine der beiden Parteien über eine längere Zeit beobachtet und festgestellt, dass Dietmar Ferger nicht die einzige Person ist, die Die Basis mit der Region Basel verbindet.

Ein bunter Haufen Esoteriker

Auf den ersten Blick wirkt Die Basis von Baden-Württemberg wie eine bunt zusammen gewürfelte Gruppe von Naturheilkundlern, Anthroposophen und ehemaligen Ostdeutschen, die sich von den Covid-Einschränkungen an die DDR erinnert fühlen. Sie alle eint der Verdacht, dass sie in der Pandemie ohne Grund ihrer Freiheit beraubt wurden.

Alternativmediziner sind besonders einflussreich in der Partei – wie zum Beispiel Dietmar Ferger, der im Präsidium des Deutschen Naturheilbundes sitzt. Hier hat man die Corona-Massnahmen bereits früh als «unsinnig» entlarvt. Im inzwischen erschienenen Parteiprogramm von Die Basis steht nun auch, dass die Alternativmedizin der universitären Medizin gleichgestellt werden sollte. Einige Anliegen der Partei sind grün wie etwa ein weitreichender Umweltschutz, andere sind eher dem Spektrum der AfD zuzuordnen. So etwa der laute Ruf nach mehr Mitbestimmung. Viel Gewicht kommen ausserdem den vier Säulen zu, auf die man sich bei Die Basis geeinigt hat: Freiheit, Machtbegrenzung, Achtsamkeit und Schwarmintelligenz. Was zunächst inhaltsleer scheint, lässt bei einer genaueren Betrachtung Schlüsse auf das Milieu zu, aus der die Partei kommt.

So ist es kein Geringerer als der Baselbieter Friedensforscher Daniele Ganser, der die Achtsamkeit bereits seit Jahren zelebriert. Sie sei es, die einen davor bewahre, vermeintlicher Propaganda politischer Eliten aufzusitzen, sagt der Anhänger und Verbreiter verschiedener Verschwörungstheorien.

Es ist kein Zufall, dass Die Basis diesen Begriff so hoch hängt. Das zeigt sich Mitte Februar an einem ihrer Infoabende. Der Gesprächsleiter eröffnet die Sitzung mit dem Votum: «Wir leben in einer Zeit der Angstmacherei. Mir tun die Menschen leid, die so viel unbegründete Angst haben müssen. Zum Glück gibt es die Videos von Daniele Ganser, die dem entgegenwirken.»

Etwas später fallen die Gesprächsfetzen wie:

«Was uns da von den Mainstream-Medien über 9.11. erzählt wurde: Ich frage mich manchmal, wie sich Menschen fühlen müssen, die Physik studiert haben – wo ich doch schon genau weiss, dass hier etwas nicht stimmen kann.»

«Glaube mir: Ich habe Physik studiert, und es ist ganz schlimm, sich das anzuhören.»

Auf unsere Anfrage, wie Die Basis zu Daniele Ganser und dessen Thesen stehe, schreibt Dietmar Ferger zurück: «Daniele Ganser ist nicht Mitglied bei Die Basis, insofern gibt es da keinen Konsens. Ich bin Ingenieur und habe grosse Zweifel an den offiziellen Erzählungen zu 9/11, allerdings unabhängig von Daniele Ganser, sondern eher gestützt auf Fachpublikationen (…)»

Handelt es sich hierbei um eine Einzelmeinung, oder ist es die allgemeine Haltung in der Partei? Um das herauszufinden, haben wir uns die Chats von Die Basis in Baden-Württemberg und Lörrach genauer angeschaut.

Angela Merkel und der Befehl zur Mutation

Wer nicht achtsam sei, sei noch nicht «wach», sagte Ganser im März 2020 bei einem seiner Vorträge, der auf Youtube zu finden ist. Rund ein Jahr später feiert diese Rhetorik Hochkonjunktur. Sie wird in den Telegram-Chats der «Querdenker Lörrach», der Schweizer «Freunde der Verfassung», aber auch der Partei Die Basis genutzt. Man unterscheidet zwischen den «erwachten» und den «noch schlafenden» oder gar den «gläubigen» Teilen der Bevölkerung.

Am 8. Februar spricht sich ein Chat-Mitglied namens «Naturkind» dafür aus, dass der Lockdown noch etwas länger dauern soll, um noch mehr «Mainstreamer aufzuwecken». Die Hoffnung dahinter: Je grösser der Leidensdruck, desto eher würden die Menschen aus jenem narkotischen Schneewittchen-Schlaf erwachen, in den uns der Staat versetzt habe.

Wie weit der Glaube an eine Manipulation der Bevölkerung durch politische Eliten in der Partei bereits gediehen ist, zeigt der Verdacht einer offiziellen Die-Basis-Kandidatin aus Sigmaringen: Die Mutation des Coronavirus gebe es in Wirklichkeit gar nicht. Bundeskanzlerin Angela Merkel habe die Existenz einer solchen Mutation lediglich «befohlen», schreibt Moni S auf Telegram.

Moni S befindet sich mit ihrem Misstrauen in guter Gesellschaft – nicht nur in ihrer Partei, auch in ganz Deutschland: Sie ist eine von rund 40 Millionen Personen in unserem nordischen Nachbarland, die glauben, dass die «Hintergründe zur Corona-Pandemie nie ans Licht kommen werden». Nahezu die Hälfte aller Deutschen (47,8 Prozent) stimmen dieser Aussage gemäss einer kürzlich erschienenen, repräsentativen Studie der Universität Leipzig zu.

Dragan Nesovic, der Kandidat aus dem Wahlkreis Balingen, geht noch weiter. Er äussert in einem Interview mit dem «Schwarzwälder Boten» die Vermutung, der nächsten Generation solle «eine Art Chip» eingepflanzt werden. Die These, wonach Bill Gates den Menschen Chips einpflanzen möchte, um sie besser kontrollieren zu können, ist eine der bekanntesten Verschwörungstheorien der letzten Jahre. Sie wird unter anderem von QAnon verbreitet, jener Gruppierung, die das Capitol der USA stürmte, weil sie dem Wahlergebnis nicht traute.

Nesovic wittert ebenfalls bereits den Wahlbetrug in seinem Bundesland. Am 17. Februar postete er auf Telegram ein Video, das zeigt, wie jemand eine Wahlurne manipuliert, und schrieb dazu: «Deshalb brauchen wir Wahlbeobachter in Baden-Württemberg.»

Nesovic gehört zu einer steigenden Zahl von Menschen, die das Vertrauen in die Behörden während der Pandemie verloren haben und sich stattdessen Verschwörungstheorien zuwandten. Bis 2018 haben die Anhänger von Verschwörungstheorien in Deutschland immer weiter abgenommen. Seit 2020 sind es wieder mehr als 38 Prozent. Besonders stark breiten sich die Thesen in Ostdeutschland aus. Gemäss der Studie der Universität Leipzig weisen 51,4 Prozent aller Ostdeutschen eine «manifeste Verschwörungsmentalität» auf.

Dieses immense Misstrauen weiter Teile der Bevölkerung gegenüber der Regierung ist nicht per se neu. Es ist in der Pandemie lediglich gewachsen. Die Meinungen zu 9/11 waren bereits gemacht, als Die Basis noch nicht existierte. Vielmehr ist die Partei genau aus dem Milieu hervorgegangen, das über eine lange Zeit hinweg mit Verschwörungstheorien genährt wurde. Die NZZ schrieb im kürzlich erschienenen Text «Gansers Jünger», dass es Experten wie Daniele Ganser seien, die ihr Publikum schon jahrelang gegen den Mainstream eingeschworen hätten.

Was passiert nun, wenn die Anhänger von Verschwörungstheorien ihren Weg in die Politik gehen und ihre Thesen einer breiten Öffentlichkeit schmackhaft machen?

Aus einer demokratietheoretischen Sicht sei das gar nicht unbedingt schlecht, sagt Professor Oliver Nachtwey, der die Querdenker-Bewegung an der Universität Basel erforscht. «Diese Verschwörungstheorien sind nun einmal in der Welt. Es gibt eine ernst zu nehmende Zahl von Menschen, die daran glauben. Daher ist es demokratietheoretisch wahrscheinlich sogar sinnvoll, wenn es eine Parteiform dafür gibt.»

Denn es könnte eine Entradikalisierung stattfinden: «Diesen Prozess konnte man beispielsweise bei der Arbeiterbewegung, aber auch bei den Grünen feststellen.» Es gebe jedoch auch einen anderen Pfad, den die Bewegung nehmen könnte, sagt Nachtwey: «Diesen Weg sieht man anhand der AfD: Die Partei wird zu einem Sammelbecken für rechtsnationales Gedankengut, zumal die meisten Verschwörungstheorien im Antisemitismus münden.»

Ein Problem mit rechtsnationalem Gedankengut hat Die Basis durchaus. So warb ein Mitglied des Partei-Chats unlängst für mehr Verständnis gegenüber Reichsbürgern. Seine Aussage wurde von den Administratoren unkommentiert stehen gelassen. Letztlich, so das Fazit von Oliver Nachtwey, sei eine Entradikalisierung bei der Basisdemokratischen Partei «das optimistische, aber nicht das wahrscheinliche Szenario». Das wahrscheinliche Szenario wäre eher die Transformation zu einem rechten Sammelbecken, wie bei der AfD.

Ebenfalls möglich ist es, dass sich die Partei auflöst, sobald die Pandemie unter Kontrolle gebracht ist und die Einschränkung aufgehoben werden.

Sollte Die Basis bei den Landtagswahlen am Sonntag jedoch einen Erfolg einfahren, und sei es auch nur ein Achtungserfolg, stellt sich die Frage: Wie wirkt sich das auf Anti-Corona-Bewegungen in anderen Ländern aus? Zumal die Schweizer Verfassungsfreunde bereits bewiesen haben, wie gut sie politisches Potenzial ausschöpfen können. Sie haben 90’000 Unterschriften für das Referendum gegen das Covid-19-Gesetz gesammelt. Es ist gar nicht so unwahrscheinlich, dass auch aus dieser Bewegung eine Partei hervorgeht.
(https://www.bazonline.ch/was-daniele-ganser-mit-den-neuen-parteien-deutschlands-zu-tun-hat-854954208221)