Medienspiegel 10. März 2021

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++BASEL
120’000 Franken für die Anlaufstelle für Sans-Papiers
Die Basler Regierung unterstützt den Nothilfe-Fonds für Sans-Papiers. Es wurden 120’000 Franken für die Anlaufstelle in Basel gesprochen.
https://telebasel.ch/2021/03/10/120000-franken-fuer-die-anlaufstelle-fuer-sans-papiers/?channel=105100


+++GENF
Que s’est-il passé au foyer Rigot le 2 mars 2021 ?
Il y a tout juste une semaine, un jeune afghan s’est jeté du quatrième étage du foyer d’hébergement de la Place des Nations. À ce jour, il nous est impossible de savoir s’il a survécu, et l’Hospice général s’en tient à sa pratique habituelle, ne rien communiquer.
https://renverse.co/infos-locales/article/que-s-est-il-passe-au-foyer-rigot-le-2-mars-2021-2967


+++SCHWEIZ
Minderjährige werden weiterhin in Ausschaffungshaft gesetzt
Der Ständerat bleibt dabei: Auch Minderjährige abgewiesene Asylsuchende sollen in Ausschaffungshaft gesetzt werden können. Er hat zum zweiten Mal einen Vorstoss abgelehnt, der dies schweizweit verbieten wollte.
https://www.parlament.ch/de/services/news/Seiten/2021/20210310130923123194158159038_bsd128.aspx
-> https://telebasel.ch/2021/03/10/minderjaehrige-kommen-weiterhin-in-ausschaffungshaft/?channel=105105
-> https://www.watson.ch/schweiz/migration/150432555-minderjaehrige-werden-weiterhin-in-ausschaffungshaft-gesetzt


Pragmatismus vor Recht? – Abgewiesene Asylsuchende: Lehrstelle weg – was nun?
Sie sind in der Lehre in Gastro, Industrie, Handwerk oder Pflege: junge Asylsuchende. Bei negativem Asylentscheid verlieren sie die Lehrstelle und müssen die Schweiz verlassen. Theoretisch. Sie landen in Rückkehrzentren und in der Nothilfe. Was tun?
https://www.srf.ch/radio-srf-1/forum/pragmatismus-vor-recht-abgewiesene-asylsuchende-lehrstelle-weg-was-nun


+++UNGARN
Sorge über Ungarns Entscheidung, Zugang zu Asyl weiterhin einzuschränken
UNHCR bedauert die Entscheidung der ungarischen Regierung, eine Verordnung zu verlängern, die die Polizei ermächtigt, alle Personen, die wegen irregulärer Einreise und irregulärem Aufenthalt aufgegriffen werden, automatisch abzuschieben.
https://www.unhcr.org/dach/de/61117-sorge-ueber-ungarns-entscheidung-zugang-zu-asyl-weiterhin-einzuschraenken.html


+++GRIECHENLAND
Die Hölle von Lesbos: Inside-Bericht aus dem Flüchtlingslager – Rundschau
Das grösste Flüchtlingslager Europas galt als Hölle – im September brannte Moria mitten in der Pandemie nieder. Die internationale Betroffenheit war gross, auch die Schweiz schickte Geld und Helfer. Aber fünf Monate nach dem Inferno ist die Lage auf Lesbos hoffnungsloser denn je. Für die «Rundschau» berichten Flüchtlinge selbst aus dem neuen Lager, das nach dem Brand aufgebaut wurde.
https://www.srf.ch/play/tv/rundschau/video/die-hoelle-von-lesbos-inside-bericht-aus-dem-fluechtlingslager?urn=urn:srf:video:ffb43388-6af8-4dac-9064-46b5edef20d1


Griechenland: Gericht verurteilt zwei Migranten wegen Brandstiftung in Moria
Nach dem Großbrand auf der Insel Lesbos hatte die griechische Justiz sechs Minderjährige festgenommen, zwei wurden nun verurteilt. Ihre Anwältin legte Berufung ein.
https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2021-03/griechenland-moria-fluechtlingslager-brandstiftung-urteil-gefaengnis


+++MALTA
Malta: EU-Komitee rügt gefängnisartige Unterbringung von Geflüchteten
Die Zustände für Migranten auf Malta stehen in der Kritik. Das Anti-Folter-Komitee des Europarats spricht von „institutioneller Massenverwahrlosung“ und fordert Abhilfe.
https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2021-03/malta-migranten-unterbringung-eu-menschenrechte-folter


+++MITTELMEER
Seenotrettung: Solidarität auf der Anklagebank
Der Crew des Rettungsschiffs Iuventa und weiteren HelferInnen droht in Italien eine Anklage. Die Beweislage der Staatsanwaltschaft ist dabei ausgesprochen dünn.
https://www.woz.ch/2110/seenotrettung/solidaritaet-auf-der-anklagebank


Bootsunglück vor Tunesiens Küste: Dutzende ertrinken in Fischerbooten
Trotz schlechter Wetterlage versuchen Flüchtende über das Mittelmeer zu gelangen. Die Coronakrise hat die Situation in Tunesien verschlechtert.
https://taz.de/Bootsunglueck-vor-Tunesiens-Kueste/!5752706/


+++EUROPA
Fünf Jahre EU-Türkei-Abkommen: Milliarden statt Migranten
2016 kam es nach langen Verhandlungen zum EU-Türkei-Abkommen: Europa versprach Milliardenhilfen, im Gegenzug verpflichtete sich die Türkei, Fluchtrouten abzuriegeln und nach Griechenland Geflüchtete zurückzunehmen. Inzwischen bedroht ein politischer Streit den Prozess – ist das Abkommen noch zu retten?
https://www.deutschlandfunk.de/fuenf-jahre-eu-tuerkei-abkommen-milliarden-statt-migranten.2897.de.html?dram:article_id=493788


+++SYRIEN
Debatte über Humanität und SicherheitEuropas IS-Familien in syrischen Lagern
Die Lage im syrischen Lager Al-Hol wird immer dramatischer. Vor Kurzem starben drei Kinder bei einem Feuer, fünfzehn weitere wurden verletzt. Die Rückholung ehemaliger IS-Kämpfer und ihrer Kinder aus dem Lager nach Europa scheitert unter anderem an Sicherheitsbedenken.
https://www.deutschlandfunk.de/debatte-ueber-humanitaet-und-sicherheit-europas-is-familien.795.de.html?dram:article_id=493827


+++ATLANTIK
Spanien: Afrikanische Flüchtlinge auf den Kanaren
Die Kanarischen Inseln haben sich zu einem Migrations-Hotspot entwickelt. Seit Ende letzten Jahres sind tausende Flüchtlinge per Boot auf die Inselgruppe vor der afrikanischen Küste gekommen. | mehr
https://www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/europamagazin/sendung/spanien-fluechtlinge-kanaren-102.html


+++JENISCHE/SINTI/ROMA
Basler Zeitung 10.03.2021

Unrat, Zerstörung, Polizeieinsätze: Ärger um den Fahrenden-Platz in Kaiseraugst

 Die Hinterlassenschaften der Fahrenden sorgen regelmässig für grössere Putzeinsätze rund um den Durchgangsplatz in der Fricktaler Gemeinde.

Alexander Müller

Bettler aus Rumänien sind in Basel seit Monaten ein Dauerthema. Auch in Kaiseraugst haben die Behörden alle Hände voll zu tun mit überwiegend aus Frankreich und Deutschland stammenden Gästen. In die Fricktaler Gemeinde zieht es jeweils Fahrende, die in der Region ihre Handwerksarbeiten anbieten. Sie campieren auf dem Durchgangsplatz beim Augsterstich, dem einzigen Platz für ausländische Fahrende im Kanton Aargau. Der Durchgangsplatz ist für 20 Wohnwagen zugelassen, regelmässig sind es aber einige mehr.

Verantwortlich für die Einhaltung der Regeln ist ein von der Gemeinde angestellter Platzwart. Er hat grösste Mühe, wenn es darum geht, die Fahrenden davon zu überzeugen, dass die Kapazitätsgrenze des Platzes erreicht ist und dass die überzähligen Fahrenden Kaiseraugst verlassen müssen. Wenn dem Platzwart die Argumente ausgehen, muss die Polizei aushelfen. Vier Einsätze in den letzten paar Wochen hatte die Regionalpolizei Unteres Fricktal in Kaiseraugst beim Durchgangsplatz – sowie einige weitere, weil die Fahrenden an Orten wild campierten, an denen sie nicht erwünscht waren.

Wenig Respekt vor der Polizei

Bei der Polizei ist der Unmut gross – zumindest hinter vorgehaltener Hand, wie die BaZ weiss. Die Polizisten sind frustriert, weil sie zwar viel Zeit einsetzen, aber wenig ausrichten. Kaum ist die Polizei abgezogen, kehren die weggewiesenen Fahrenden mitunter wieder zurück. Wirklich ernst nehmen würden die Fahrenden die Kontrollen nur, wenn die Grenzwache ebenfalls vor Ort sei, heisst es aus Polizeikreisen. Vor den Zollkontrollen hätten die Fahrenden Respekt, weil sie Probleme an der Grenze vermeiden wollten.

Die Überbelegung des Platzes ist längst nicht das einzige Problem. Die festinstallierten sanitären Anlagen werden beschädigt und mit Unrat verschmutzt. Die Gemeinde liess wegen der Corona-Pandemie weitere Toitoi-WCs auf dem Platz aufstellen. Dennoch ist der Grüngürtel rund um den Kiesplatz «zugeschissen» und mit Abfall übersät, wie es ein Polizist gegenüber der BaZ wenig schmeichelhaft formulierte. Das Problem bleibt dabei nicht auf den Platz selbst beschränkt. Ein Augenschein der BaZ zeigt: Der auf der anderen Strassenseite liegende Rheinuferweg ist übersät mit Kot, und in den Büschen liegt WC-Papier.

Gemeinderat Markus Zumbach kennt diese Problematik zur Genüge. Der Sozialdemokrat ist in Kaiseraugst als Vorsteher der Ressorts Infrastruktur, Tiefbau und Sicherheit für den Fahrenden-Platz zuständig. Regelmässig muss er den Platz für einige Tage oder gleich eine ganz Woche schliessen, um ihn wieder instand stellen zu lassen. Die Gemeinde betreibt den Durchgangsplatz im Auftrag des Kantons und übernimmt die Verwaltungskosten. Darunter fällt auch das regelmässige Putzen des Grüngürtels rund um den Platz sowie des Rheinuferwegs. Nur der steile Abhang zum Rhein können die Mitarbeiter der Gemeinde nicht vom WC-Papier befreien. «Dort lassen wir die Natur ihres Amtes walten», sagt Zumbach. Wie viel der Unterhalt des Platzes die Steuerzahler der Gemeinde kostet, kann der Gemeinderat jedoch nicht sagen.

Abmachungen werden ignoriert

Im Gespräch mit der BaZ überlegt sich Zumbach jede Formulierung ganz genau. Zu heikel ist das Thema, insbesondere für einen Sozialdemokraten. Jedes falsche Wort kann einen Shitstorm auslösen. Dennoch kann Zumbach nicht verbergen, dass er über die aktuelle Situation alles andere als glücklich ist. Auch ihn ärgert, dass die Fahrenden sich nicht an die Regeln halten, dass sie Abmachungen ignorieren, dass sie ignorieren, wenn der Platzwart einen Teil von ihnen wegschickt, weil das Areal aus allen Nähten platzt. Sofort würde sich jeweils eine Traube um den Abwart bilden, einen «imposanten Mann», wie ihn Zumbach beschreibt. Er sorgt sich um seinen Angestellten, der einen «tollen Job» mache. Würde der Abwart den Bettel hinschmeissen, müsste Zumbach den Durchgangsplatz schliessen, bis er wieder jemanden findet, der den undankbaren Job macht.

Ein generelles Problem habe man aber mit dem Durchgangsplatz nicht, betont Zumbach. Die Situation habe sich erst zugespitzt, als die Corona-Pandemie den Kontinent erfasst habe. «Vor Corona haben die Spielregeln funktioniert.» Wegen der Corona-Massnahmen ist der Aufenthalt für viele Fahrende in Frankreich derzeit weniger attraktiv.

Keine Probleme mit Schweizer Fahrenden

Wie sich die Situation verbessern lässt, weiss der SP-Gemeinderat nicht. Werden die sanitären Anlagen zu selten geputzt? Ist der Standard zu niedrig? Liesse sich der Ärger mit hochwertigerer Infrastruktur vermeiden? Zumbach verneint. «Wir betreiben hier keinen Campingplatz.»

Man sei sich bewusst, dass der Platz «niederschwellig» betrieben werde und dass die sanitären Anlagen nicht mit einem Hotel zu vergleichen seien. Er verweist aber darauf, dass die Fahrenden in ihren Wohnwagen alle eigene Toiletten und teilweise auch Duschen hätten. Allerdings hat der Durchgangsplatz keinen Ort, um die Schwarzwassertanks der Wohnwagen zu entleeren. Würde das Niveau der Infrastruktur angehoben, müsste die Gemeinde wesentlich höherer Preise verlangen. Derzeit müssen die Fahrenden pro Tag und Wohneinheit lediglich 12 Franken bezahlen.

Auch eine bessere Aufsicht über den Durchgangsplatz scheitert an finanziellen Gründen. Um einen Platzwart rund um die Uhr vor Ort zu haben, müsste Zumbach seinen Personalbestand mindestens vervierfachen. Zumbach stört sich ein wenig an der Anspruchshaltung der Fahrenden. Der Gemeinderat vergleicht den Durchgangsplatz mit den anderen Plätzen im Kanton Aargau, die nur Schweizer Fahrenden zur Verfügung stehen. Diese hätten vergleichbare Infrastrukturen. Und trotzdem sei dort etwas Entscheidendes ganz anders, sagt Zumbach: «Sie sind nicht verschmutzt.»
(https://www.bazonline.ch/aerger-um-den-fahrenden-platz-in-kaiseraugst-239151652010)


+++FREIRÄUME
Chessu und Corona – der Anbau kommt
Diese Woche werden nördlich und östlich der Gaskuppel auf der Esplanade die letzten alten Bäume gefällt. Dies geschieht im Hinblick auf den vorgesehenen Abbruch der Anbauten des Bieler Gaskessels und der Vergrösserung des Autonomen Jugendzentrums.
https://www.bielertagblatt.ch/nachrichten/biel/chessu-und-corona-der-anbau-kommt


Das Eichwäldli in Luzern: Tief in der Sackgasse
In Luzern spitzt sich die Situation rund um die Eichwäldli-Belebung zu: Die Baudirektion will das Haus abreissen lassen, die BewohnerInnen fühlen sich übergangen. Einmal mehr macht die Stadtregierung in der Freiraumdebatte einen unbeholfenen Eindruck.
https://www.woz.ch/2110/das-eichwaeldli-in-luzern/tief-in-der-sackgasse


+++GASSE
tagesanzeiger.ch 10.03.2021

Karin Rykart zu Vorfällen beim See: «Die Leute kommen aus der ganzen Schweiz»

Sicherheitsvorsteherin Karin Rykart (Grüne) sagt, dass sich bis zu 8000 Personen am Wochenende rund um den Sechsläutenplatz treffen. Sie stammten nicht nur aus Zürich.

Thomas Zemp

Es sei ein fataler Fehler gewesen, dass die Stadt die Videoüberwachungskameras Ende August 2019 im Gebiet Stadelhofen, Sechseläutenplatz und Seepromenade wieder entfernt habe, meinen die beiden SVP-Gemeinderäte Martin Götzl und Stephan lten. Sie verlangen in einem parlamentarischen Vorstoss, dass diese wieder installiert werden. Der Gemeinderat hat ihm am Mittwochabend die Dringlichkeit zugesprochen. Als Reaktion auf die teils gewalttätigen Vorkommnisse in den letzten Wochen in dieser Region hat die Stadtpolizei diese allerdings bereits wieder eingerichtet – vorerst für einen Monat.
«Druck noch grösser»

Die grüne Stadträtin Karin Rykart erklärte, dass sich an Wochenenden nachts bis zu 8000 Personen in der Region Stadelhofen, Sechseläutenplatz und Seepromenade treffen. «Sie kommen nicht nur aus dem ganzen Kanton, sondern aus der ganzen Schweiz», sagte sie. «In der Zeit von Corona ist der Druck noch grösser geworden.» Bei den gewalttätigen Auseinandersetzungen, die in diesem Winter wieder vorgekommen seien, liessen sich keine spezifischen Gruppierungen erkennen.

Die Ausführungen machte Rykart im Zusammenhang mit einer Interpellation, die Pascal Lamprecht und Sarah Breitenstein von der SP im Mai 2019 eingereicht hatten, nachdem es vor allem an der Seeanlage im Bereich Utoquai im Herbst 2018 und Frühling/Sommer 2019 zu aggressiven Auseinandersetzungen gekommen war. Die Debatte rund um den Vorstoss am Mittwochabend war kurz und erstaunlich emotionslos. Die SVP äusserte sich gar nicht zu den Vorkommnissen, FDP und EVP äusserten sich nur kurz.
Mehr Freiräume ohne Konsumationszwang

Lamprecht sagte, für die Jugendlichen sei das «Seebecken ein cooler Club unter freiem Himmel». Die Polizeieinsätze betrachtete er als Versagen der Allgemeinheit. «Wir alle müssten den Jugendlichen Vorbilder sein.» Ausschreitungen seien nicht an Orte gebunden und würden immer wieder vorkommen – er erwähnte die Jugendbewegungen von 1968 und der 80er-Jahre. Er wünsche sich, dass die Stadt die Prävention weiterführe und verstärke. Breitenstein sagte, dass die Jugendlichen heute zu wenig selbstverwaltete Freiräume ohne Konsumationszwang hätten.

Auf die Auseinandersetzungen in den Jahren 2018 und 2019 hatte die Stadt nicht nur mit der temporären Videoüberwachung reagiert, sie hatte auch die Polizeipräsenz erhöht sowie Wegweisungen und Verzeigungen ausgesprochen. Das schreibt der Stadtrat in der Interpellationsantwort. Bei Übergriffen auf Rettungskräfte habe es sich «eher um massive Aggressionen von zum Teil berauschten Jugendlichen» gehandelt. Beim blossen Erscheinen von Sicherheitskräften hätten sie sich bereits provoziert gefühlt.
(https://www.tagesanzeiger.ch/die-leute-kommen-aus-der-ganzen-schweiz-452232983442)


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Demonstrierende ziehen durch Kreis 4
In Zürich haben sich am Mittwochabend mehrere Dutzend Demonstrierende zusammengefunden. Auf Videos eines News-Scouts ist zu sehen, wie die Gruppe Parolen skandiert und Pyros anzündet.
https://www.20min.ch/story/demonstrierende-ziehen-durch-kreis-4-439265790434



bernerzeitung.ch 10.03.2021

Gerichtsprozess in Bern – Kurde kommt mit einer Geldstrafe davon

Die Anklage forderte ein Jahr Gefängnis. Doch der Kurde, der an einer Demo auf einen Türken einprügelte, erhält lediglich eine bedingte Geldstrafe.

Michael Bucher

Die Erleichterung muss gross gewesen sein für den 28-jährigen Kurden aus Süddeutschland, als er am Mittwochnachmittag sein Urteil zu hören bekam. An zwei Tagen sass er diese Woche vor dem Regionalgericht in Bern, um sich für eine Attacke auf einen Türken am Rande einer Kundgebung zu verantworten. Er bereue die Tat zutiefst, beteuerte er mehrmals. Er schäme sich, hier vor Gericht zu sitzen. Insbesondere gegenüber seiner Frau, mit der er seit kurzem verheiratet ist und die den Prozess als Zuschauerin verfolgte.

Der Gang ins Gefängnis drohte, so forderte doch die Staatsanwaltschaft eine teilbedingte Freiheitsstrafe von 36 Monaten. Ein Jahr davon sollte der Kurde hinter Gittern verbringen. Doch der Mann kommt glimpflich davon: Das Dreiergremium um Gerichtspräsident Urs Herren folgte am Mittwoch mit seinem Urteil vollumfänglich der Verteidigung und verhängte lediglich eine bedingte Geldstrafe. Bei einer Probezeit von zwei Jahren beträgt sie 240 Tagessätze à 100 Franken, also 24’000 Franken insgesamt. So oder so berappen muss er hingegen die Verfahrenskosten im Umfang von rund 14’000 Franken.

Mit Fahnenstock zugeschlagen

Der Beschuldigte hatte am 12. September 2015 in Bern an einer unbewilligten Gegenkundgebung von gegen 300 Kurden und Sympathisanten teilgenommen. Diese wollten eine bewilligte Demonstration von türkischen Nationalisten auf dem Helvetiaplatz stören. Als die Polizei eingriff, kam es zu wilden Scharmützeln. Auch Kurden und Türken gingen aufeinander los.

Am heftigsten gerieten die beiden verfeindeten Lager auf der Schwellenmattstrasse aneinander. Ein wütender Mob von Kurden attackierte zwei Autos und deren türkische Insassen mit Fäusten und Stöcken, woraufhin der eine Fahrer in eine Gruppe von Kurden fuhr. Handyvideos davon waren daraufhin im Internet zu sehen und sorgten schweizweit für Bestürzung.

Auch an dieser Gewaltorgie beteiligte sich der Angeklagte. Auf einem Video ist der damals 23-jährige Kurde zu sehen, wie er zusammen mit rund acht anderen Personen auf den türkischen Fahrer des einen Autos einprügelt, selbst dann, als dieser am Boden lag. Der ehemalige Kampfsportler ist geständig, den Fahrer mit einem Fahnenstock zwei- bis dreimal geschlagen zu haben. Dass er auch gegen den Kopf schlug, bestreitet er jedoch. Vorgeworfen wird ihm dies vom Prügelopfer, der als Privatkläger vor Gericht aussagte. Der 45-jährige, in der Schweiz wohnhafte Türke war es auch, der nach der Attacke mit dem Auto in die Menschenmenge gefahren war und dabei auch den Angeklagten erwischt hatte.

Nicht der Schlimmste

Hat der Beschuldigte gegen den Kopf des Opfers geschlagen? Dies war die zentrale Frage. Auf den Videoaufnahmen ist es jedenfalls nicht klar ersichtlich, wie das Gericht festhielt. Die Gewaltattacke auf der Schwellenmattstrasse sei «komplett sinnlos und absolut verwerflich» gewesen, meinte Gerichtspräsident Herren, «der Beschuldigte fiel im Gegensatz zu anderen nicht durch besonders heftige Gewalt auf». So prügelte etwa ein anderer Demoteilnehmer rund zehnmal mit einem Stock gegen Kopf und Rücken des Opfers. Das Gericht vermutet, dass die später im Spital nachgewiesene Rissquetschwunde am Kopf des Opfers dadurch verursacht wurde.

Anders als von der Staatsanwaltschaft gefordert, verurteilte das Gericht den Kurden nicht wegen versuchter schwerer Körperverletzung, sondern lediglich wegen Angriffs. Hinzu kommen Landfriedensbruch, weil er an der gewalttätigen Demonstration teilnahm, und Sachbeschädigung, weil er bei einem der zwei Autos auf der Schwellenmattstrasse die Heckscheibe zertrümmerte.

Wäre das gewaltsame Aufeinandertreffen später passiert, hätte ihn eine strengere Strafe erwartet, wie Gerichtspräsident Herren darlegte. Denn seit dem ab 2018 geltenden revidierten Strafrecht ist für das ausgesprochene Strafmass eine Freiheitsstrafe zwingend.
(https://www.bernerzeitung.ch/bedingte-geldstrafe-fuer-angriff-auf-tuerken-460801856048)
-> https://www.derbund.ch/urteil-im-tuerkisch-kurdischen-strassenkrieg-131900277219
-> https://www.telebaern.tv/telebaern-news/nach-ausschreitungen-an-demo-angeklagter-beteiligter-muss-nicht-ins-gefaengnis-141111174


Protestnote zur Polizeigewalt und Repression am 6. März 2021 gegen die feministische Bewegung
https://feministischerstreikzuerich.ch/2021/03/10/protestnote-zur-polizeigewalt-und-repression-am-6-maerz-2021-gegen-die-feministische-bewegung/


Wegen Neonazi-Schlägerei vor Gericht – Freispruch für ETH-Doktorand (29)
Am Mittwoch musste sich ein 29-Jähriger vor dem Bezirksgericht Zürich verantworten. Es ging unter anderem um die Neonazi-Schlägerei vor rund zwei Jahren im Niederdorf.
https://www.20min.ch/story/eth-doktorand-steht-heute-wegen-neonazi-schlaegerei-vor-gericht-230746065831
-> https://www.toponline.ch/news/zuerich/detail/news/bezirksgericht-zuerich-spricht-antifa-demonstranten-frei-00154148/
-> https://www.20min.ch/story/antifa-protest-vor-zuercher-gericht-polizei-nimmt-eine-person-fest-293260058248
-> https://www.watson.ch/schweiz/justiz/331808167-bezirksgericht-zuerich-spricht-antifa-demonstranten-frei
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/bezirksgericht-zurich-spricht-einen-antifa-demonstranten-frei-65885471
-> https://www.telezueri.ch/zuerinews/keine-beweise-bezirksgericht-zuerich-spricht-antifa-demonstrant-frei-141111480
-> https://twitter.com/AntifaZH161/status/1369595777832673281
-> https://twitter.com/basel_nazifrei/status/1369626882795274242



tagesanzeiger.ch 10.03.2021

Freispruch für Autonomen: «Angriff war das einzig Richtige», sagt der Genosse und wird freigesprochen

Vermummte verprügelten 2019 eine Gruppe Rechtsextremer im Zürcher Niederdorf. Die Behörden stiessen auf einen Verdächtigen: Mario, 29, ETH-Doktorand und Antifaschist.

Kevin Brühlmann

September 2019. Ein Dutzend Männer feiert einen Polterabend in Zürich. Der Bräutigam verkleidet sich als Einhorn. Vom Hauptbahnhof aus ziehen sie los. Manche der Männer bewegen sich in der rechtsextremen Szene. Einer wird sich später eine grosse Sonne aus Hakenkreuzen auf seinen Rücken tätowieren lassen, darunter ein etwas verkümmerter alter Mann, der vermutlich den nordischen Gott Odin darstellen soll.

An diesem Tag ziehen die Männer durchs Niederdorf. Laut Augenzeuge heben sie ihre Arme immer wieder zum Hitlergruss. Plötzlich tauchen ungefähr 20 Vermummte auf, rufen «Antifa!» und stürmen auf die Gruppe zu; in den Händen Fahrradketten, Flaschen, Pfefferspray und Metallstangen.

«Sie haben die Männer richtig auseinandergenommen. Einem Mann haben sie die Stahlkette ins Gesicht geschlagen. Überall war Blut», sagt ein Augenzeuge.

Nach wenigen Minuten fliehen die Vermummten. Drei Männer der Poltergruppe werden ins Spital gebracht, mit Rissquetschwunden am Kopf, Blutergüssen und Prellungen. Die Spurensicherung der Polizei findet neben dem vielen Blut bloss zwei Dinge vor: eine Sonnenbrille und eine Schirmmütze.

Ein DNA-Test führt die Polizei zu einem 29-jährigen Mann, Doktorand an der ETH Zürich; nennen wir ihn Mario. Mitte Oktober 2019 wird Mario verhaftet, sein Computer und sein Handy beschlagnahmt. Er verbringt 13 Tage in Untersuchungshaft. Andere Verdächtige können die Behörden nicht ausfindig machen.

10. März 2021. Um halb acht Uhr früh haben sich ungefähr 70 Menschen auf einem Kiesplatz vor dem Bezirksgericht Zürich versammelt. Auf einem grossen Transparent ist «Überall Antifa» zu lesen. In der Mitte des Platzes steht ein Wägelchen mit zwei Lautsprechern, und daraus erklingt die Rede eines jungen Mannes. Es gehe um Solidarität mit dem angeklagten Genossen, sagt er. Dann ruft er: «Natürlich muss man militant gegen Neonazis vorgehen, mit Neonazis trinkt man keinen Tee!»

Rund um den Platz stehen sieben Kastenwagen der Polizei. Ungefähr 20 Polizisten und Polizistinnen und ein Schäferhund beobachten die Versammlung (in ihren Augen verstösst der Protest gegen die Corona-Schutzregeln). Um 7.56 Uhr marschieren einige von ihnen auf den Kiesplatz. Der Schäferhund bellt. Ein Polizist zückt eine riesige Dose Pfefferspray aus dem Gürtel. Die Menschenmenge weicht einige Meter zurück. Der Schäferhund bellt lauter. Eine Handvoll Polizisten beschlagnahmt das Wägelchen mit den Lautsprechern.

«Use mit de Gfangene, ine mit de Schmier!», ruft die Menschenmenge.

7.59 Uhr: Ein achter Kastenwagen fährt heran. Ein paar Polizisten versuchen, das konfiszierte Wägelchen ins Auto zu laden. Geht nicht. Zu gross. Ein zweiter Schäferhund kommt herbei und stimmt in das Gebell ein, und die Menschenmenge macht der Polizei weitere unfreundliche Komplimente.

Als die Tür des Gerichtssaals um 8.20 Uhr schliesst, weil die Verhandlung beginnt, erstickt das Gebell. Der angeklagte Mario erhebt sich. Richter Roland Heimann stellt ihm einige Fragen: «Wo sind Sie zur Schule gegangen? Was tun Ihre Eltern? Keine Vorstrafen, stimmt das? Was machen Sie an der ETH? Waren Sie im Niederdorf am besagten Tag?» Auf jede Frage erwidert Mario dasselbe: «Ich verweigere die Aussage.» Nachdem es eine Weile so hin- und hergegangen ist, fragt Richter Heimann: «Warum verweigern Sie eigentlich die Aussage?» – «Ich verweigere die Aussage.» – «Ich danke Ihnen für diese aufschlussreichen Antworten.»

Staatsanwalt: «Für die Holzhackermethode entschieden»

Staatsanwalt Edwin Lüscher, Leiter der «Krawallgruppe», stellt die Anklage vor. 18 Monate Gefängnis fordert er für Mario, bedingt. In erster Linie wegen versuchter schwerer Körperverletzung. Er sagt, Mario sei beim Angriff auf die Polterfeier im Niederdorf dabei gewesen. Das zeigten die DNA-Spuren auf der Schirmmütze und der Sonnenbrille.

Ausserdem wirft er Mario eine zweite Tat vor: Im Juli 2017 war Mario zu den Protesten gegen den G-20-Gipfel nach Hamburg gefahren. Damals hatten sich Zehntausende versammelt, um gegen die Ausbeutung der Welt durch die grossen Industriestaaten zu demonstrieren. Es kam auch zu heftigen Ausschreitungen und zahlreichen verletzten Demonstranten, Polizisten und Journalisten.

Mario, sagt nun Staatsanwalt Lüscher, sei Teil einer «öffentlichen Zusammenrottung» gewesen. Über eine längere Zeit habe er sich freiwillig innerhalb dieser gewaltbereiten Gruppierung aufgehalten und habe sie unterstützt – «mit seiner physischen Anwesenheit» und «mit Gesten oder verbal». Landfriedensbruch (Störung der öffentlichen Ordnung) sowie Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte lautet der Vorwurf.

Als Beweis legt der Staatsanwalt eine 1:45 Minuten lange Videosequenz vor. Als Mario nämlich mit dem Zug aus Hamburg nach Hause reisen wollte, wurde er von der Polizei kontrolliert, und seine Personalien wurden aufgenommen. Dank einer Gesichtserkennungssoftware stiessen die deutschen Behörden auf Mario in jener Videosequenz. Der Fall wurde dann an die Schweizer Behörden übergeben und landete auf Edwin Lüschers Bürotisch in Zürich.

Der Staatsanwalt fasst zusammen: «Das Verschulden wiegt schwer. Obwohl der Beschuldigte Student ist und seine Ansichten eloquent ausdrücken könnte, hat er sich für die Holzhackermethode entschieden.»

Nun erhebt sich Marios Anwältin. Sie listet zahlreiche Paragrafen auf, und nach einer Stunde kommt sie zum Schluss, dass ihr Mandant von allen Punkten freizusprechen sei, weil überhaupt nichts bewiesen werden könne.

Schliesslich kramt Mario einen Stapel Papiere hervor und steht auf, um doch noch etwas zu sagen. Er beginnt damit, dass sich der Antifaschismus sowieso nicht auf den bürgerlichen Staat verlassen dürfe, auf die Bourgeoisie schon gar nicht, weil sie sich, historisch gesehen, immer Hilfe bei den Faschisten geholt habe.

Nach einer Viertelstunde räuspert sich Richter Roland Heimann und fragt, was das mit diesem Fall zu tun habe.

«Ich komme noch darauf», sagt Mario. Und nach einer weiteren Viertelstunde endet er damit, dass sich das kapitalistische System in einer Krise befinde, wodurch neofaschistische Strömungen erstarkten, und deshalb müsse jede faschistische Präsenz, und sei sie noch so klein, bekämpft werden. Und dass im September 2019 im Niederdorf eine Gruppe Neonazis von Antifaschisten angegriffen worden sei, könne er nur gutheissen, sagt er. «Es war das einzig Richtige.»

12.07 Uhr. Nachdem sich das Gericht kurz zur Beratung zurückgezogen hat, wird das Urteil verkündet. Die Beweislage genüge einfach nicht, meint Richter Roland Heimann. Im Niederdorf, nach der Schlägerei, habe man zwar Marios Schirmmütze und seine Sonnenbrille gefunden, was aber nicht belege, dass er auch jemanden angegriffen habe. Selbst einer der attackierten Rechtsextremen konnte ihn nicht identifizieren. Und dasselbe bei der Videoaufnahme in Hamburg: Man könne nicht feststellen, ob er Gewalt angewendet oder «den Mob psychologisch unterstützt» habe. Im Gegenteil: Die Bilder zeigten ihn bloss, wie er, in Begleitung zweier junger Frauen, in einer Menschenmenge stehe und helle Kleidung trage. «Das ist nicht das Erscheinungsbild eines Chaoten.»

«Der so verhasste Staat beachtet hier die Rechtsstaatlichkeit», sagt der Richter weiter. «Es gibt keine Anhaltspunkte, dass Sie ein gewaltbereiter Mensch sind – Sie sind einfach immer dort, wo irgendwas passiert.»

Dann gibt er das Urteil bekannt: Freispruch in allen Punkten. Als Mario nach draussen tritt, jubelt ihm eine Handvoll Menschen zu.
(https://www.tagesanzeiger.ch/angriff-war-das-einzig-richtige-sagt-der-genosse-und-wird-freigesprochen-289049965905)



nzz.ch 10.03.2021

Ein ETH-Doktorand steht wegen einer Attacke auf eine angeblich rechtsextreme Polterabend-Gruppe vor Gericht

Vor dem Bezirksgericht Zürich protestieren vor dem Prozess linksextreme Sympathisanten. Der Beschuldigte wird freigesprochen.

Claudia Rey

Ein Polterabend endete im September 2019 für drei Partygäste im Spital, mit Rissquetschwunden am Kopf, Blutergüssen und Prellungen.

Die drei Partygäste hatten zusammen mit vier Freunden im Zürcher Niederdorf gefeiert. Um 16 Uhr 30 wurden sie in der Nähe des Häringplatzes von einer Gruppe von zwanzig Vermummten angegriffen. Die mutmasslichen Täter riefen «Antifa» und schlugen mit Fahrradketten, Flaschen und Steinen auf die Partygäste ein. Dann rannten sie davon. Liegen blieben eine Baseballmütze und eine Sonnenbrille.

Die an Sonnenbrille und Mütze gefundenen DNA-Spuren führten die Polizei zu einem 29-jährigen ETH-Doktoranden. Er musste sich am Mittwoch vor dem Bezirksgericht Zürich verantworten. Vor dem Gebäude versammelten sich am Mittwochmorgen rund sechzig Sympathisanten. Sie breiteten Banner aus. «Überall Antifa», war zu lesen. Oder: «Abattre le Capitalisme, construire la Solidarité». Als der Beschuldigte schliesslich vor dem Gerichtsgebäude erschien, applaudierten die Demonstranten. Die Polizei beschlagnahmte die Lautsprecheranlage, kontrollierte die Demonstranten und löste die Kundgebung schliesslich auf.

    pic.twitter.com/mFqXsSnnf3
    — Antifa Zürich (@AntifaZH161) March 10, 2021

Im Gegensatz zu den lauten Sympathisanten vor dem Gerichtsgebäude blieb der Beschuldigte in der Befragung wortkarg. Er verweigerte die Aussage. Bereits die Einstiegsfragen des Richters zum Werdegang und zur Arbeit als Physikdoktorand an der ETH beantwortete der Beschuldigte nicht.

Auch als der Richter ihn fragte, wie es dazu gekommen sei, dass Dächlikappe und Sonnenbrille mit seiner DNA am Tatort gefunden worden seien, verweigerte der Beschuldigte die Aussage. Er änderte seine Strategie auch nicht, als ihn der Richter darauf hinwies, dass ein Schweigen den Schluss nahelege, dass es keine andere plausible Erklärung gebe, als dass er die beiden Gegenstände beim Kämpfen verloren habe.

Zu dem Angriff auf den Polterabend im Zürcher Niederdorf hatten sich Linksradikale auf einer Internetplattform bekannt. In ihrem Schreiben begründeten die Linksradikalen, Faschisten hätten in Zürich einen Junggesellenabschied gefeiert und dabei gepöbelt, den Hitlergruss gezeigt und Nazi-Symbole zur Schau getragen. Die Antifaschisten hätten dem Treiben mit ihrem Angriff ein Ende gesetzt.

Kurz vor der Gerichtsverhandlung nun beklagten sich die Linksradikalen auf derselben Plattform, dass ein Genosse wegen des Vorfalls im Niederdorf allein vor Gericht gezerrt werde. Für den Richter war damit klar: «Das heisst doch, dass die wissen, dass Sie damals beteiligt waren. Was sagen Sie dazu?» Der Beschuldigte verweigerte ein weiteres Mal die Aussage.

Ihm wurde am Mittwoch eine weitere Straftat zur Last gelegt. Er wurde laut Anklageschrift beschuldigt, sich am 7. Juli 2017 an den Krawallen anlässlich des G-20-Gipfels in Hamburg beteiligt zu haben, die die Stadt ins Chaos stürzten. Damals protestierten Tausende in Hamburg gewaltsam gegen den G-20-Gipfel, sie zogen plündernd durch die Strassen, legten Feuer, verwüsteten Geschäfts- und Wohnhäuser und griffen Polizisten an. Mehrere hundert Polizisten sollen verletzt worden sein. Es entstand ein Sachschaden von 12 Millionen Euro.

Weil der Beschuldigte Schweizer ist und somit nicht an Deutschland ausgeliefert werden kann, hat Zürich den Hamburger Fall übernommen. Die Zürcher Staatsanwaltschaft beschuldigte den ETH-Studenten, vor knapp vier Jahren Teil des gewalttätigen Pulks gewesen zu sein und warf ihm Landfriedensbruch vor.

Der Staatsanwalt forderte am Mittwoch eine bedingte Freiheitsstrafe von 18 Monaten. Er merkte allerdings an, dass es schwer sei, zu beurteilen, ob es tatsächlich der Beschuldigte gewesen sei, der die Geschädigten im Niederdorf verletzt habe. Die Anwältin des Beschuldigten machte prozessuale Mängel geltend und forderte einen Freispruch.

Der Beschuldigte selbst holte beim Schlusswort weit aus. Von einem Stapel Papier las er einen Vortrag über Faschismus, entmenschlichende Grenzpolitik und die «Burka-Initiative» vor. Nach rund dreissig Minuten kam er zum Schluss: «Es darf nicht auf bessere Tage gewartet werden. Jede faschistische Gruppe muss auf der Strasse bekämpft werden.» Im September 2019 seien Neonazis von der Antifa gestoppt worden. Politisch gesehen könne er das nur gutheissen. «Egal, wer, wie, was getan hat. Es war das einzig Richtige.» Zwei Angehörige im Gerichtssaal applaudierten.

Der Beschuldigte wurde in beiden Fällen aus Mangel an Beweisen freigesprochen – obwohl er sich aus Sicht des Richters mit seinem Verhalten vor Gericht verdächtig gemacht hatte. Der Richter hielt fest, es sei einzig klar, dass der Beschuldigte vor Ort gewesen sei, was er da getan habe, sei unklar.

Urteil DG200200 vom 10. 3. 2021, noch nicht rechtskräftig.
(https://www.nzz.ch/zuerich/prozess-gegen-eth-doktorand-wegen-angriffs-auf-polterabend-ld.1605946)



«Dekadenz kennt keine Grenzen»: Unbekannte fälschen Werbeplakate von Kreuzfahrt-Anbieter MSC
In der Stadt Bern tauchten über Nacht gefälschte Werbeplakate der Reederei MSC auf. Die Initianten haben Werbeflächen aufgeknackt und mit eigenen Plakaten versehen. Das Unternehmen hat Anzeige eingereicht.
https://www.20min.ch/story/unbekannte-faelschen-werbeplakate-von-kreuzfahrt-anbieter-msc-108956681911
-> http://www.journal-b.ch/de/082013/alltag/3837/Grenzenlose-Dekadenz—auf-Kreuzfahrten.htm


Gewalt im Lager geht weiter – Verantwortliche aus der Deckung holen!
17. März 2021 – Aufruf zum Mail- und Telefonaktionstag bei Verantwortlichen von SEM, ORS und Securitas!
Seit Mai 2020 gelangen immer neue schockierende Geschichten von Bewohner*innen des Bundesasyllagers Basel an die Öffentlichkeit – das letzte Mal Ende Februar.
https://barrikade.info/article/4261


Frauentag-Demo in Basel: 14-Jährige in Handschellen abgeführt – das sagt die Polizei
Die Demonstration zum Internationalen Frauentag am Montag verlief in Basel friedlich. Im Nachgang kam es zu Personenkontrollen, bei denen das Mädchen angehalten und auf den Polizeiposten gebracht worden ist.
https://www.20min.ch/story/polizei-fuehrte-14-jaehrige-in-handschellen-ab-684391131948


Aktivisten überkleben St.Galler Strassenschilder mit Frauennamen
Am Mittwochabend haben ein Dutzend Frauenrechtsaktivistinnen in St.Gallen das Strassenbild verändert: Sie tauften Strassen und Plätze kurzerhand um, um Frauen im Stadtbild sichtbarer zu machen.
https://www.toponline.ch/news/stgallen/detail/news/aktivisten-ueberkleben-stgaller-strassenschilder-mit-frauennamen-00154209/


+++REPRESSION DE
Brandschutz in der Rigaer Straße 94: Bezirk beugt sich dem Druck
Der Bezirk ebnet den rechtlichen Weg für eine weitere Brandschutzprüfung, diesmal mit den Eigentümern. Gleichwohl hält er diese für überflüssig.
https://taz.de/Brandschutz-in-der-Rigaer-Strasse-94/!5757464/
-> https://www.jungewelt.de/artikel/398194.politur-des-hufeisens.html


+++AUSLÄNDER*INNEN-RECHT
Sozialhilfe als Instrument der Migrationskontrolle
Neues Bulletin «Fokus» der SBAA: Was hat es für Konsequenzen, wenn Personen ohne Schweizer Pass unverschuldet Sozialhilfe beziehen?
https://beobachtungsstelle.ch/news/sozialhilfe-als-instrument-der-migrationskontrolle/


+++JUSTIZ
«Wir sind der Sand im gut geschmierten Getriebe der Strafjustiz»
Verteidiger geniessen keine grossen Sympathien, denn sie vertreten die Bösen. Oder die vermeintlich Bösen. Doch ohne sie ist eine faire Strafjustiz undenkbar. Der ehemalige Straf¬verteidiger von Brian alias «Carlos» über seine undankbare Rolle.
https://www.republik.ch/2021/03/10/wir-sind-der-sand-im-gut-geschmierten-getriebe-der-strafjustiz


+++KNAST
Corona-Schutzmassnahmen in den Berner Gefängnissen
Die Berner Gefängnisse sind zwar ziemlich ausbruchsicher. Das Coronavirus lässt sich von diesen Massnahmen jedoch nicht abhalten. Auch Gefängnisse brauchen deshalb Schutzmassnahmen, damit sich das Virus innerhalb des Gefängnisses nicht ausbreitet.
https://www.neo1.ch/news/news/newsansicht/datum/2021/03/10/corona-schutzmassnahmen-in-den-berner-gefaengnissen.html


+++BIG BROTHER
Bund soll betroffene Familien unterstützen: Was tun mit einem Verschwörungstheoretiker?
Gerade in Krisen kommt es immer öfter zu Verschwörungstheorien. Angehörige sind meist völlig überfordert. Bis heute aber nehme der Staat das Problem nicht ernst. Nun wird aus dem Parlament der Ruf nach Beratungsstellen laut.
https://www.blick.ch/politik/bund-soll-betroffene-familien-unterstuetzen-was-tun-mit-einem-verschwoerungstheoretiker-id16392413.html



bernerzeitung.ch 10.03.2021

Schnelleres Contact-Tracing: Kanton Bern prüft zentrale Datenbank für Bewegungsdaten

Damit das Contact-Tracing noch effektiver wird, könnten Registrierungsdaten von Berner Restaurants und Clubs künftig zentral gespeichert werden. Das ist umstritten.

Marius Aschwanden

Seit rund einem Jahr hangeln wir uns von Datum zu Datum, von Schliessung zu Schliessung, von Öffnungsschritt zu Öffnungsschritt. Der 22. März ist wieder ein solcher Tag. Ab dann könnten die Restaurantterrassen und die Fitnessstudios wieder geöffnet und Kultur- oder Sportveranstaltungen mit begrenztem Publikum wieder möglich sein.

Bereits jetzt ist aber klar: Von einer Normalität, wie wir sie vor der Corona-Pandemie hatten, werden wir auch danach weit entfernt sein.

Denn mit jeder Öffnung wird auch die Kontaktrückverfolgung von positiv Getesteten wieder wichtiger. In Restaurants oder Kinos, an Konzerten oder in Fitnesscentern werden wir wieder unsere Kontaktangaben hinterlegen müssen. Für den Fall der Fälle. So wie letzten Sommer.

Trotz dieser Registrierungspflicht hat sich während der zweiten Welle gezeigt: Das sogenannte Contact-Tracing funktionierte alles andere als einwandfrei. Die von den Betrieben gelieferten Daten waren teils mangelhaft, bis potenzielle Kontaktpersonen von den Virusdetektiven in Quarantäne geschickt wurden, dauerte es manchmal viel zu lange.

Deshalb sind nun Bestrebungen im Gang, das Contact-Tracing weiter zu verbessern. Im Kanton Bern spielt dabei die Idee einer zentralen Datenbank eine wichtige Rolle. Dank einer solchen wäre an einem Ort gespeichert, wer wann mit wem welches Café oder welche Veranstaltung besucht hat. Die Tracer hätten diese Daten bei Bedarf per Knopfdruck zur Verfügung. Innert Sekunden.

Gespräche im Kanton Bern

Nur: Das Vorhaben ist nicht unproblematisch. Zwar könnten Ansteckungsketten effizienter und viel schneller unterbrochen werden. Beim Datenschutz gibt es aber grosse Fragezeichen.

Das weiss man auch bei der zuständigen Gesundheitsdirektion von SVP-Regierungsrat Pierre Alain Schnegg. Dort gibt man sich momentan noch zurückhaltend bei Fragen zu diesem Projekt. Es stimme aber, eine zentrale Datenbank sei in Prüfung, sagt Kommunikationschef Gundekar Giebel.

Einer, der mehr dazu sagen kann, ist Jean-Paul Saija. Mit seinem Unternehmen Mindnow steht bereits eine Firma aus Zürich in den Startlöchern, die eine solche Plattform anbieten will. Gemäss Geschäftsleiter Saija haben schon mehrere Gespräche mit dem Kanton Bern stattgefunden.

Mindnow machte sich nach der ersten Welle einen Namen als Anbieter der Registrierungsapp Mindful. Mittels QR-Code können sich so Gäste in Clubs oder für Theatervorstellungen einloggen. Auf dem Markt gibt es diverse weitere Apps, manche Betreiber registrieren ihre Gäste auch manuell auf Papier. Gemeinsam ist all diesen Bemühungen: Zugriff auf die jeweiligen Daten haben lediglich die Restaurants oder Clubs selbst.

Verpflichtung für Restaurants und Co.

«Kommt es zu einem positiven Fall, muss der Contact-Tracer in stundenlangen Gesprächen herausfinden, wo sich die Person in den letzten Tagen aufgehalten hat», sagt Jean-Paul Saija. Anschliessend muss der Kanton bei jedem Restaurant, jedem Club, jedem Theater die Daten einfordern und die potenziellen Kontaktpersonen in Quarantäne schicken. «Das alles dauert viel zu lange», so Saija. Die Lösung: eine zentrale Datenbank.

Um das Projekt zu realisieren, hat er gemäss eigenen Angaben die zwölf grössten Anbieter von Registrierungsapps in der Schweiz an einen Tisch geholt und ihnen die Idee vorgestellt. «Sie alle sind bereit, ihre Daten künftig in eine gemeinsame Datenbank einzuspeisen», sagt der Geschäftsführer. Dort würden die Daten wie heute 14 Tage gespeichert und anschliessend gelöscht. Nur die kantonalen Contact-Tracer würden Zugriff auf diese Plattform erhalten.

Damit das Vorhaben funktioniert, müsste der Kanton allerdings die Restaurant-, Club- oder Theaterbetreiber verpflichten, Apps einzusetzen, die an die Datenbank angeschlossen sind. Und Betriebe, die ihre Gäste manuell registrieren, müssten die Daten innert nützlicher Frist digitalisieren und ebenfalls einspeisen.

Skeptische Datenschützerin

So logisch das alles tönt: Mit einer zentralen Datenbank würde ein privates Unternehmen über detaillierte Bewegungsprofile der Bürgerinnen und Bürger verfügen. Im schlimmsten Fall könnte ein Hacker oder ein unzufriedener Mindnow-Mitarbeiter die Daten weiterverkaufen. Oder ein eifersüchtiger Contact-Tracer könnte den Namen seiner Freundin eintippen und kontrollieren, wo sie sich in den letzten 14 Tagen aufgehalten hat.

Dass solche Bedenken nicht einfach vom Tisch zu wischen sind, zeigte sich vergangenes Wochenende bei der nationalen Abstimmung über die E-Identität. Als Grund für das deutliche Nein beim Stimmvolk wird die Aufgabe von Privaten bei der vorgeschlagenen Lösung genannt.

Auch Silvia Böhlen von der Kommunikationsstelle des eidgenössischen Datenschutzbeauftragten ist gegenüber einer zentralen Datenbank skeptisch. «Wenn so viele sensible Daten an einem Ort gespeichert werden, ist das immer ein grosses Risiko. Zudem müsste zuerst eine gesetzliche Grundlage geschaffen werden», sagt sie.

Für Böhlen käme das Vorhaben einer Systemumkehr gleich: Während die Kantone heute nur im Bedarfsfall – wenn es nachweislich zu einer Infektion gekommen ist – Zugriff auf die dezentral bei den Restaurantbetreibern gespeicherten Daten haben, hätten sie dies künftig permanent. «Damit stellt sich die Frage der Verhältnismässigkeit, und es steigt auch die Gefahr vor unerlaubten Zugriffen.»

Ob eine solche Datenbank von einer Verwaltung oder einem privaten Unternehmen zur Verfügung gestellt werde, spiele allerdings grundsätzlich keine Rolle. «Beide müssen das Datenschutzgesetz einhalten», sagt Böhlen.

Für Saija überwiegen die Vorteile

Die offenen Fragen rund um den Datenschutz dürften auch der Grund sein, weshalb bis jetzt noch kein Kanton auf die zentrale Lösung von Mindnow setzt. Die Verhandlungen seien extrem zäh, bestätigt Saija. Dabei seien die Bedenken angesichts des Nutzens völlig übertrieben, findet der Geschäftsführer.

«Heute hantieren Gastronomen oder Clubbetreiber mit heiklen Personendaten. Sie sind dafür aber nicht ausgebildet. Das ist viel problematischer als eine Datenbank, die von Profis bewirtschaftet wird», sagt Saija. Für ihn ist klar, dass die Vorteile überwiegen. «Wir haben jetzt ein Jahr lang Datenschutz vor alles andere gestellt. Und wo sind wir gelandet? Im zweiten Lockdown mit enormen sozialen Folgen», sagt Saija.

Er ist überzeugt: «Dank dem Zeitgewinn könnten wir mit der Datenbank einen dritten Lockdown verhindern, sollten die Ansteckungszahlen jetzt wieder zunehmen.»

Noch nichts entschieden

Zurück zum Kanton Bern und der dortigen Gesundheitsdirektion. Dass man bereits kurz vor einem Vertragsabschluss mit Mindnow stehe, verneint Kommunikationschef Gundekar Giebel. Auf Nachfrage gibt er aber immerhin bekannt: «Momentan klären wir insbesondere ab, wie wir eine solche Datenbank verwaltungsintern realisieren könnten», sagt er. Der Kanton habe für das Contact-Tracing bereits eigene Software entwickelt, «wir schauen gerade, ob ein Ausbau möglich ist».

Gleichzeitig sei das aber auch keine Absage an private Unternehmen wie Mindnow. «Sollten wir uns für eine Zusammenarbeit entschliessen, müssten wir die datenschutzrechtlichen Aspekte sicher genau anschauen», sagt Giebel. Letztlich müsste zu einer solchen Auslagerung auch der kantonale Datenschutzbeauftragte seine Zustimmung geben.

So oder so scheint für den Kanton das Vorhaben lediglich eine Optimierung der Abläufe zu sein und kein Wundermittel gegen die Pandemie. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Corona-Fälle bereits wieder leicht zunehmen. Giebel: «Das Contact-Tracing funktioniert, die Vorgaben für die Restaurants und Veranstalter sind klar und in der Verordnung festgehalten.»

Das allerdings hat der Kanton auch schon im letzten Jahr verschiedentlich gesagt. Und ist dann angesichts rasant steigender Ansteckungszahlen rasch an seine Grenzen gestossen.
(https://www.bernerzeitung.ch/kanton-bern-prueft-zentrale-datenbank-fuer-bewegungsdaten-244851469689)


+++POLIZEI ZH
tagesanzeiger.ch 10.03.2021

Demoverbot in Zürich wegen Corona: Zürichs Polizeivorsteherin greift Mario Fehr frontal an

Nach der Gewalt an der Frauendemo muss sich die grüne Sicherheitsvorsteherin Karin Rykart viel Kritik anhören. Sie zeigt Verständnis und teilt selbst aus.

Corsin Zander

Was sich am Mittwochabend im Gemeinderat abspielte, ist ungewöhnlich. Zwar war bekannt, dass die grüne Polizeivorsteherin Karin Rykart in Grundrechtsfragen Meinungsverschiedenheiten mit Mario Fehr hat, ihrem sozialdemokratischen Pendant beim Kanton. Bereits im vergangenen Frühling hatte sie die Einschränkung der Demonstrationsfreiheit aufgrund der Coronapandemie mehrfach kritisiert. Jetzt geht Rykart aber einen Schritt weiter und schaltet auf Angriff. Sie wirft Fehr öffentlich vor, «nicht nachvollziehbare Regeln» zu erlassen.

Auslöser dafür waren zwei Einsätze der Stadtpolizei vom vergangenen Samstag und Montag. Mehrere hundert Frauen, Lesben, Inter-, Trans-, nonbinäre und queere Menschen hatten am Samstag im Vorfeld des Internationalen Frauentag für ihre Anliegen demonstriert. Die Stadtpolizei stoppte den Demonstrationszug mit Tränengas und verzeigte weit über 100 Personen. Bei der Verhaftung zweier Frauen schlug ein Polizist eine Demonstrantin mehrfach gegen den Kopf. Aufgrund dieser Polizeigewalt demonstrierten am Montag über 100 Frauen mit einem Sitzstreik vor dem Hauptsitz der Stadtpolizei. Erneut löste die Polizei dem Protest mit einem Grossaufgebot auf.

Kritik aus der eigenen Partei

Rykart bezeichnete die Einsätze als «grotesk wirkend». Damit reagierte sie auf die Kritik, die sie von ihrer eigenen Partei anhören musste. Die Grünen hatten zusammen mit der AL und der SP eine Fraktionserklärung verfasst, die von Christina Schiller (AL) verlesen wurde. Sie kritisieren, dass der Kanton Zürich in Bezug auf politische und zivilgesellschaftliche Kundgebungen weiter geht als der Bund. In seiner Covid-Verordnung hat der Bundesrat die Beschränkung von Personen für Demonstrationen aufgehoben. Dies mit der Begründung, diese Kundgebungen kämen in einer grund- und staatsrechtlichen Perspektive eine hohe Bedeutung zu.

Die Kantone haben aber die Möglichkeit, diese Bestimmungen einzuschränken, wenn es die epidemiologische Lage erfordert. Und das hat der Zürcher Regierungsrat getan. Er beschränkt die Personenzahl bei Demonstrationen aktuell auf 15. An diese Regeln muss sich auch die Stadt Zürich halten, weshalb die Stadtpolizei entsprechend eingeschritten ist.

Telefon mit Fehr bleibt erfolglos

Im Gemeinderat zeigte Rykart Verständnis für die Kritik, Sie stelle sich selber die Frage: «Wie kann das sein?». Sie zitierte das Sprichwort: «Man schlägt den Sack, meint aber den Esel.» Die Stadtpolizei könne in diesem Fall nichts dafür. Sie habe deshalb am Dienstag mit Sicherheitsdirektor Mario Fehr telefoniert, der diese verschärften Regeln mitverantwortet, und ihn auf die «absurde Situation» hingewiesen: Am Samstag hatten die Läden in Zürich wieder geöffnet, Tausende strömten in die Stadt, um zu shoppen. Ihre Polizei habe aber «friedliche Demonstrantinnen» stoppen müssen.

Fehr zeigte offenbar für diese Anliegen wenig Verständnis, weshalb Rykart ihrem Frust nun freien Lauf liess.

Regierungsrat gewichtet Gesundheit höher

Auf Anfrage dieser Zeitung verweist der Regierungsrat Fehr auf den Sprecher des Gesamtregierungsrats. Die Regierung als Ganzes sei es, die solche Regeln erlassen. Der Sprecher schreibt: «Einschränkungen bedingen immer ein Abwägen von freiheitlichen Rechten und dem Schutz der Gesellschaft vor den gesundheitlichen Folgen der Pandemie.» Das heisst übersetzt, auch der Regierungsrat hat wie der Bundesrat Grundrechte gegen Massnahmen für die Gesundheit abgewogen und ist zum Schluss gekommen, die Grundrechte zugunsten der Gesundheit einzuschränken.

Während die AL, Grünen und SP ihre Kritik auch in Richtung von Mario Fehr adressierten und den Stadtrat dazu aufforderten, sich für die Grundrechte in Zürich stark zu machen, zeigten sich mehrere Sprecher der SVP empört über die Rykarts Stellungnahme.

SVP-Gemeinderätin Susanne Brunner sagte etwa: «Die Stadträtin gibt ihre Hilflosigkeit zum Ausdruck.» Es sei keine gute Geste, die Kritik an Fehr so öffentlich zu machen. Sie fordere die Menschen geradezu dazu auf, die Regeln zu brechen, wenn sie ihrem Unverständnis über Regeln, die ihre Polizei durchsetzen muss, auf diese Weise Ausdruck verleihe.

Zahlreiche kritische Fragen eingegangen

Rykart wird nun noch einige Fragen zu den umstrittenen Polizeieinsätzen beantworten müssen. So hat sich das feministische Streikkollektiv am Mittwoch mit einer Protestnote an Stadträtin Rykart gewendet und von ihr verlangt, zu diesem «Exzess der Polizeigewalt» Stellung zu nehmen. Zudem reichte Gemeinderätin Christina Schiller mit 31 Mitunterzeichnenden eine dringliche schriftliche Anfrage mit sieben kritischen Fragen zu den Einsätzen ein.

Ob dies an den geltenden Regeln im Kanton Zürich etwas ändern wird, ist fraglich. Der Zürcher Regierungsrat stellt aber in Aussicht, die Regeln anzupassen, wenn der Bundesrat auch die Regeln für andere Versammlungen anpasst: «Aus epidemiologischer Sicht spielt es keine Rolle, ob Menschenansammlungen an Kundgebungen oder sonstwie entstehen», schreibt der Sprecher des Regierungsrats.
(https://www.tagesanzeiger.ch/zuerichs-polizeivorsteherin-greift-mario-fehr-frontal-an-224042042841)
-> https://www.toponline.ch/news/zuerich/detail/news/zuercher-stadtraetin-rykart-kritisiert-kantonales-demo-verbot-00154200/



nzz.ch 10.03.2021

Nach Frauenprotesten: Die Stadtzürcher Sicherheitsvorsteherin Rykart will die Corona-Regeln für Demonstrationen sofort lockern – Regierungsrat Fehr hält dagegen

Die unbewilligten und verbotenen Demonstrationen rund um den internationalen Frauentag haben im Zürcher Stadtparlament ein Nachspiel.

Lena Schenkel, Daniel Fritzsche

Am Mittwochabend ist es im Zürcher Gemeinderat zu folgender Äusserung gekommen: «Die kantonalen Vorgaben bezüglich Demonstrationen sind in der grössten Stadt der Schweiz schlicht nicht umsetzbar, und sie sind auch aus epidemiologischer Sicht nicht nachvollziehbar.» Weiter sagte die Rednerin: «Ich finde, man müsste sie lockern – lieber heute als morgen.» Gesagt hat das nicht etwa eine einfache Parlamentarierin, sondern die Sicherheitsvorsteherin Karin Rykart (Grüne) höchstpersönlich.

Anlass waren die unbewilligten und angesichts der geltenden Covid-19-Verordnung verbotenen Veranstaltungen und Demonstrationen im Vorfeld des Internationalen Frauentags vom 8. März. Rykart selbst schilderte die Ereignisse zusammengefasst so: Ein paar hundert Frauen hätten letzten Samstag versucht, einen politischen Parcours durchzuführen, und seien von der Stadtpolizei Zürich daran gehindert worden. Zwei Tage später hätten dann 200 Frauen mit einem Sitzstreik vor dem Amtshaus gegen diesen Polizeieinsatz demonstriert. Auch dieser «an sich harmlose Protest» sei mit einem grossen Polizeiaufgebot aufgelöst worden.

Dass die Stadtpolizei und sie nun dafür kritisiert würden, liege auf der Hand, sagte die Sicherheitsvorsteherin an den Rat gewandt. Bloss: «Man schlägt den Sack und meint den Esel.» Die Stadt werde stellvertretend für den Kanton Zürich kritisiert. Denn dieser habe – im Gegensatz zum Bund, der politische und zivilgesellschaftliche Kundgebungen explizit vom Versammlungsverbot und von den Einschränkungen für Veranstaltungen ausnimmt – Demonstrationen mit mehr als 15 Personen verboten. «Die Stadtpolizei kann nichts dafür, dass sie eine Regelung umsetzen muss, die niemand versteht – die auch ich nicht verstehe, wenn ich ehrlich sein will.»

Kanton schränke Grundrechte ein

Gerade in den grossen Städten sei der «Demonstrationsdruck» enorm gross. Dass Menschen ihre Anliegen auf die Strasse tragen dürften, gehöre zu den Grundrechten. Diese dürften nur eingeschränkt werden, wenn es nicht anders gehe. Wie der Bund sei aber auch sie der Meinung, dass es anders gehe, sagte Rykart: Mit den richtigen Schutzvorkehrungen wie Maskentragen seien Kundgebungen aus epidemiologischer Sicht akzeptabel. Sie habe dies dem kantonalen Sicherheitsvorsteher Mario Fehr (sp.) am Dienstag kundgetan und um eine Anpassung gebeten.

Somit hat die Sicherheitsvorsteherin schon erfüllt, was ihre Vorrednerin, die Gemeinderätin Christina Schiller (al.), namens der Ratslinken gefordert hatte. In einer gemeinsamen Fraktionserklärung kritisierten AL, Grüne und SP das kantonale Demonstrationsverbot für mehr als 15 Personen als verfassungswidrig. Sie forderten den Stadtrat deshalb dazu auf, die «bundesrechtlich verbürgten Grundrechte» auch in Zürich zu «verteidigen» und die Rechtmässigkeit der kantonalen Covid-19-Verordnung zu hinterfragen, denn: «Auch der Zürcher Regierungsrat muss sich an Bundesrecht und die Verfassung halten.» Zudem seien alle bisher aus diesem Grund ausgeteilten Bussen zu erlassen.

Die SVP reagierte im Gemeinderat konsterniert auf das «bemerkenswerte Votum einer Exekutivpolitikerin». Dass sich die Sicherheitsvorsteherin offensichtlich unwohl fühle, ihr Amt auszuüben, bereite auch ihr Unwohlsein, meinte etwa Susanne Brunner (svp.). Sie kritisierte Rykart auch dafür, ihren Unmut derart öffentlich kundzutun. Sie frage sich gar, ob dies eine Aufforderung sein solle, die Regeln zu brechen. Ihr Parteikollege Samuel Balsiger meinte, die Sicherheitsvorsteherin habe soeben die ganze Würde ihres Amtes auf den Boden geworfen und zerscherbelt.

Die FDP verzichtete auf ein Votum. Auf Anfrage teilte Martina Zürcher namens ihrer Partei mit, dass ein Punkt in der Diskussion vergessen gegangen sei: dass eine Demonstration in der Stadt Zürich immer eine Bewilligung benötige – unabhängig von der gegenwärtigen Situation. Die Organisatorinnen rund um die Kundgebungen zum 8. März hätten indes noch nie um eine ersucht. Die jährlichen Demonstrationen seien deshalb immer schon illegal gewesen und in der Vergangenheit trotz Sachbeschädigungen toleriert worden.

Mario Fehr: «Regeln gelten für alle»

Der kantonale Sicherheitsdirektor Mario Fehr äussert auf Anfrage Verständnis für das Anliegen zu demonstrieren. Jedoch erinnert er an die labile epidemiologische Lage. Erst kürzlich warnte die Covid-19-Task-Force des Bundes vor einer möglichen dritten Welle. «Die Gefahr ist noch nicht gebannt», sagt Fehr.

Solange der Bundesrat nicht Versammlungen mit mehr als 15 Personen ermögliche, werde man in Zürich auch keine Grossdemonstrationen zulassen. «Mit unserer Massnahme wollen wir grössere Menschenansammlungen verhindern», sagt er. Sobald der Bundesrat aber lockere, werde man die kantonale Verordnung anpassen.

Wenig Verständnis äussert Fehr für den Zeitpunkt der Kritik aus der Stadt. «Die bestehende Regel gilt seit vielen Wochen, warum sollte sie ausgerechnet jetzt Probleme verursachen?» Tatsächlich äusserte Rykart in den letzten Wochen keine Kritik, als zum Beispiel Corona-Skeptiker in der Altstadt demonstrierten. Mario Fehr meint: «Die bestehenden Spielregeln gelten für alle – egal, wer demonstriert.»

Gewaltvorwürfe werden untersucht

Um die unbewilligten sowie verbotenen Veranstaltungen und Demonstrationen vom Samstag aufzulösen, setzte die Stadtpolizei Zürich auch Reizstoff ein. Eine Frau, die einen Polizisten gebissen hatte, wurde festgenommen. Als mehrere Personen diese zu befreien versuchten, nahmen die Einsatzkräfte eine weitere Frau fest. Über 100 Personen wurden laut Polizeicommuniqué kontrolliert, verzeigt und weggewiesen. Bereits im Vorfeld hatte die Stadtpolizei auf das Verbot solcher Aktionen hingewiesen und angekündigt, es entschieden durchzusetzen.

    Wir dulden keine verbotenen Menschenansammlungen und setzen das Veranstaltungsverbot durch. Wir kontrollieren, verzeigen und weisen weiterhin uneinsichtige Personen konsequent weg. ^sa
    — Stadtpolizei Zürich (@StadtpolizeiZH) March 6, 2021

Teilnehmerinnen kritisieren indes die Verhältnismässigkeit der Vorgehensweise. Für Empörung in den sozialen Netzwerken sorgte vor allem ein Video, das zeigt, wie ein Polizist offenbar einer am Boden liegenden Frau mehrmals mit der Faust auf den Kopf schlägt. Was davor oder danach passiert ist, ist nicht festgehalten. Die Stadtpolizei Zürich teilt auf Anfrage mit, dass die Bilder bei einer Verhaftungsaktion nach Drohungen und Gewalt gegen Beamte entstanden seien. Eine vertiefte Abklärung der Vorfälle sei «zweifellos notwendig». Man prüfe unter Einbezug des betreffenden Mitarbeiters, ob personalrechtliche Massnahmen angezeigt seien. Die Staatsanwaltschaft prüfe die strafrechtlichen Fragen.

Die Staatsanwaltschaft bestätigt auf Anfrage, Kenntnis von den Vorfällen und den Vorwürfen – einerseits gegen die Demonstrierenden, andererseits gegen die Polizei – zu haben. Wie immer gelte die Unschuldsvermutung für alle Beteiligten. Die Abklärungen zu den Vorkommnissen rund um die Demonstration würden noch polizeilich ermittelt. Sobald die Polizei an die Staatsanwaltschaft rapportiert habe, nehme sie sich der Sache an und entscheide über das weitere Vorgehen.

Das feministische Streikkollektiv Zürich reichte am Mittwoch einen Protestbrief beim Sicherheitsdepartement, bei der Stadtpolizei, der städtischen Ombudsstelle sowie der Fachstelle für Gleichstellung ein. Darin wird die «starke Repression» des Polizeieinsatzes kritisiert. Es habe sich nicht um eine Veranstaltung im eigentlichen Sinn, sondern um eine dezentrale Aktion gehandelt; die Schutzmassnahmen seien eingehalten worden.

Die Stadtpolizei Zürich teilt mit, man habe das Schreiben zur Kenntnis genommen. Soweit wie nötig und angezeigt, werde man den Absenderinnen eine Antwort zukommen lassen. «Wir halten aber jetzt schon klar fest, dass der Einsatz insgesamt keine massive Polizeigewalt dargestellt hat und die Regeln der Verhältnismässigkeit immer eingehalten wurden.» Ordnungsbussen würden nicht erlassen, für Verzeigungen sei das Stadtrichteramt Zürich zuständig.
(https://www.nzz.ch/zuerich/nach-frauenprotesten-zuerich-will-corona-regeln-fuer-demos-lockern-ld.1606095)


+++POLIZEI CH
Von Blau zu Schwarz: Die Aufrüstung der Polizei
Mit jedem Jahr sehen Polizist:innen in der Schweiz gefährlicher aus. In ihren mittlerweile fast-schwarzen Uniformen machen sie keinen Hehl aus ihrer zentralen Aufgabe: Einschüchterung und Gewalt.
https://sozialismus.ch/schweiz/2021/von-blau-zu-schwarz-die-aufruestung-der-polizei/


+++POLIZEI DE
Berliner Innensenator über Racial Profiling „Ich bin realistisch genug, zu sehen, dass es das gibt“
Immer wieder wehrt sich die Berliner Polizei gegen den Vorwurf von Racial Profiling. Nun räumt Innensenator Geisel ein, dass es Kontrollen aufgrund der Hautfarbe gibt. Auch unter Polizisten wächst die Ansicht, dass sich das ändern muss.
https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2021/03/berlin-geisel-polizei-racial-profiling-rassismus-goerlitzer-park.html


+++RASSISMUS
«Dem Mainstream etwas entgegensetzen»
Ein Zusammenschluss antirassistischer Initiativen bringt ein neues Talk-Format ins Netz: Bei «We Talk. Schweiz ungefiltert» sind Menschen mit Migrationsgeschichte Gäste, Ideengeber*innen und Produzent*innen.
https://neuemedienmacherinnen.ch/dem-mainstream-etwas-entgegensetzen


+++RECHTSPOPULISMUS
Frauke Petry zur AfD-Spendenaffäre
Geheime Treffen mit Milliardär
AfD-Spitzenfunktionäre haben sich nach Angaben der ehemaligen Parteichefin Frauke Petry ab 2015 mehrfach mit dem Milliardär und Unternehmer Henning Conle getroffen. Der habe der Partei anonyme Spenden angeboten, berichtet Petry.
https://www.zdf.de/politik/frontal-21/petry-zu-afd-spendenaffaere-100.html#xtor=CS5-92
-> https://correctiv.org/top-stories/2021/03/09/frauke-petry-ueber-geheime-treffen-der-afd-parteispitze-mit-immobilien-milliardaer/
-> https://www.tagesanzeiger.ch/petry-packt-aus-es-gab-geheime-treffen-mit-milliardaer-in-zuerich-263488393694



derbund.ch 10.03.2021

Corona-Massnahmen: Corona-Trickser Erich Hess kommt ohne Strafe davon

Der SVP-Nationalrat hat öffentlich dazu aufgerufen, die Corona-Schutzmassnahmen zu umgehen. Die Staatsanwaltschaft prüfte ein Strafverfahren, verzichtet jetzt aber darauf. Sie nennt dafür drei Gründe.

Markus Häfliger

Darf ein Nationalrat öffentlich zur Umgehung der bundesrätlichen Corona-Massnahmen aufrufen? Darf er sogar Musterstatuten zum Corona-Beschiss publizieren?

Ja, er darf.

Zu diesem Schluss kommt die Staatsanwaltschaft des Kantons Bern. In einer vierseitigen Verfügung begründet sie, warum sie auf ein Strafverfahren gegen SVP-Nationalrat Erich Hess verzichtet.

Mit ihrer Nichtanhandnahmeverfügung reagiert die Staatsanwaltschaft auf eine Aktion, mit der Hess vor Weihnachten Aufsehen erregte. In einem Videobeitrag auf dem Kurznachrichtendienst Twitter rief Hess die Bevölkerung öffentlich dazu auf, die Corona-Schutzmassnahmen des Bundesrats zu umgehen.

Eine fiktive Kirche gründen

Zum Zeitpunkt von Hess’ Aufruf waren öffentliche Veranstaltungen ganz verboten und private Anlässe auf zehn Personen beschränkt. Eine Ausnahme galt damals (so wie auch heute noch) für politische und religiöse Veranstaltungen mit bis zu 50 Teilnehmern.

«Lasst uns das zusammen aushebeln», sagte der 39-jährige Politiker in seinem Videoaufruf. Konkret forderte er seine Zuschauer dazu auf, fiktive religiöse Gemeinschaften zu gründen. Auf diese Weise, behauptete Hess, könnten sich bis zu 50 Personen «rechtmässig» treffen. Auf seiner Website bot Hess Musterstatuten zur Gründung einer Schein-Kirche zum Download an.

Hess ist im Bundesparlament ein Hinterbänkler mit ausgesprochen wenig Einfluss. Im Kanton Bern ist er aber sehr bekannt, weil er immer wieder öffentlich provoziert. Mit seinem Corona-Aufruf löste Hess viel Kritik aus. «Einmalige Idee, das Virus zu verbreiten», kommentierte CVP-Nationalrätin Marianne Binder auf Twitter. Auf Kritik stiess vor allem die Tatsache, dass hier ein vom Volk gewählter Parlamentarier zur Umgehung von geltendem Recht aufruft. Der Kurznachrichtendienst Twitter löschte den Tweet und sperrte vorübergehend Hess’ Account.

In den sozialen Medien warfen viele die Frage auf, ob ein solcher Aufruf strafbar sei. GLP-Nationalrat Beat Flach schrieb, der Aufruf sei «höchst unmoralisch» und «vermutlich widerrechtlich». Konkret sah Flach einen mutmasslichen Verstoss gegen Artikel 24 des Strafgesetzbuches. Dieser Paragraf stellt die Anstiftung zu einer Straftat unter Strafe.

Tatsächlich hat die Kantonspolizei Bern den Fall Hess untersucht. Wie jetzt bekannt wird, lieferte sie ihren Untersuchungsbericht am 16. Dezember bei der Staatsanwaltschaft ab. Diese sieht nun aber von einem Strafverfahren gegen Hess ab.

In seiner Verfügung, die dieser Zeitung vorliegt, nennt der leitende Staatsanwalt Hermann Wenger dafür drei Gründe.

1 Hess’ Aufruf «nur eine Empfehlung»

Nach Ansicht des Staatsanwalts handelt es sich bei Hess’ Aufruf ­nur um «eine Empfehlung, dass zur ‹Legalisierung› eines unerlaubten Zustandes kurzfristig eine religiöse Gemeinschaft (…) gebildet werde». Darum sei die Aktion «nicht als Aufforderung zu einer konkreten Straftat, sondern allenfalls als eine Empfehlung zu deren Verschleierung oder Rechtfertigung zu verstehen».

2 Kein Verbrechen, nur Übertretung

Der Tatbestand der Anstiftung nach Artikel 24 sei nur erfüllt, wenn eine bestimmte Person zu einer Tat angestiftet werde. Das sei hier «offensichtlich nicht der Fall», schreibt der Staatsanwalt.

Es gibt im Strafgesetzbuch aber auch den Artikel 259. Dort heisst es: «Wer öffentlich zu einem Verbrechen auffordert, wird mit Frei­heitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.» Öffentlich war Hess’ Aufforderung zweifellos. Laut Staatsanwalt wäre die Umgehung der Corona-Massnahmen aber nicht als Verbrechen zu werten, sondern bloss als Übertretung. Die öffentliche Aufforderung zu einer Übertretung sei aber laut Artikel 259 nicht strafbar.

3 Wer hat auf Hess gehört?

Es gebe keine Anhaltspunkte, dass überhaupt jemand Hess’ Aufruf gefolgt sei. Damit könne ein Kausalzusammenhang zwischen Aufforderung und einer konkreten Übertretung kaum hergestellt werden. Der blosse Versuch einer Anstiftung zu einer Übertretung sei laut Strafgesetzbuch aber nicht strafbar, schreibt der Staatsanwalt.
(https://www.derbund.ch/corona-trickser-erich-hess-kommt-ohne-strafe-davon-993755660568)

Erich Hess hält drei Monate und mehrere Tausend Corona-Tote nach seinem Videoaufruf immer noch nichts von Schutzmassnahmen. Zum Auftakt der Frühlingssession der eidgenössischen Räte erklärte Hess gegenüber SRF: «Von mir aus könnten wir die Maskenpflicht wieder über den Haufen werfen – genauso wie alle anderen Schutzmassnahmen.»


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Coronabusiness: Wie sich Angst vergolden lässt
Merchandiseartikel und Fantasiemünzen, Sammelklagen und Spendenkonstrukte: Im Zuge der Coronakrise haben findige Verschwörungsunternehmer lukrative Geschäftsmodelle entdeckt.
https://www.woz.ch/2110/coronabusiness/wie-sich-angst-vergolden-laesst



bernerzeitung.ch 10.03.2021

Mit Verschwörerin verwechselt – «Ich erhalte böse Briefe und Anrufe»

In Belp leben zwei Frauen mit dem Namen Sonja Künzi. Die eine verbreitet Verschwörungstheorien, die andere ist Verkäuferin – und wird verwechselt.

Johannes Reichen

Sonja Künzi aus Belp hat ein Problem. «Ich erhalte böse Briefe und Anrufe», sagt sie. Von Leuten, die sie beim Namen kennen, sei sie sogar schon auf der Strasse beschimpft worden – als Corona-Verschwörerin. «Aber das bin ich nicht», sagt sie, «damit habe ich nichts zu tun.» Sie habe früher im Gastgewerbe gearbeitet, heute sei sie Verkäuferin.

Doch Sonja Künzi hat eine Namensvetterin, die ebenfalls aus Belp kommt und ebenfalls um die 50 Jahre alt ist. Diese Sonja Künzi nennt sich Mentaltrainerin, betreibt eine Firma namens Phoenix Beratungen und verbreitet im Internet Verschwörungstheorien. Auf der Videoplattform Youtube veröffentlichte sie mehrere Hundert Videos. Kürzlich erklärte sie, ihre Videos würden gesperrt, deshalb nehme sie sie nun vom Netz.

Im November 2020 berichtete diese Zeitung erstmals über Künzi, die Verschwörerin. Im Artikel ging es hauptsächlich um Tom Kisslig aus Toffen, der im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie gegen Behörden und Institutionen hetzt. Kisslig und Künzi kennen sich; in einer Gesprächssendung auf Youtube unterhielten sie sich gemeinsam mit dem Reichsbürger Heino Fankhauser.

In der vergangenen Woche folgte ein Bericht über eine Gruppe, die Wirte und Hoteliers dazu aufruft, sich gegen die Corona-Massnahmen zur Wehr zu setzen. Die lokalen Exponenten kommen ebenfalls aus dem Gürbetal. Auch in diesem Artikel wurde Sonja Künzi, die Verschwörerin, erwähnt – weil es via Fankhauser eine Verbindung zur Gruppe gibt.

«Schon nach dem ersten Artikel erhielt ich negative Reaktionen», sagt Sonja Künzi, die Verkäuferin. Und auch jetzt sei sie wieder darauf angesprochen worden. Auch per Telefon. «Leider stehe nur ich im Telefonbuch.»
(https://www.bernerzeitung.ch/ich-erhalte-boese-briefe-und-anrufe-707584661635)



derbund.ch 10.03.2021

Mobilfunkmasten in der Region Thun Brandattacken auf 5G-Antennen häufen sich

Drei Mobilfunkanlagen in der Region Thun sind in den letzten Wochen bei Brandattacken beschädigt worden. Die Polizei untersucht einen Zusammenhang der Vorfälle – und hat einen möglichen Verdächtigen gefasst.

Jael Amina Kaufmann

Seit Ende Februar häufen sich Meldungen von Brandspuren an Mobilfunkanlagen in der Region Thun. Der letzte Fall, welcher der Polizei am Montag gemeldet wurde, betrifft eine Antenne an der Seestrasse. Es müsse «von einer Vorsatzhandlung ausgegangen werden» sagt Christoph Gnägi, Mediensprecher der Berner Kantonspolizei, auf Anfrage. Die Ermittlungen seien im Gang, im Fokus stehe dabei auch, ob es einen Zusammenhang mit zwei anderen Vorfällen aus diesem Jahr gebe.

Bereits Ende Februar hatten Unbekannte in Kiesen nahe der Gemeindegrenze zu Uttigen eine 5G-Antenne in Brand gesetzt. Und am Wochenende brach im Strättligwald bei einer Sunrise-Mobilfunkanlage ein Feuer aus. Zwischen den Vorfällen gibt es laut Gnägi Parallelen, etwa die örtliche und zeitliche Nähe. Doch daraus lasse sich «noch nicht mit Sicherheit auf einen Zusammenhang schliessen», auch sein unklar, «ob in allen Fällen dieselbe Täterschaft am Werk war».

Allgemein ähneln die Attacken gegen Mobilfunkstandorte in den vergangenen zwei Jahren laut Gnägi einer Wellenbewegung. So wurden Ende Dezember 2018 drei Anlagen in Grosshöchstetten, Langenthal und Burgdorf durch Brandstiftung beschädigt. Eine weitere Attacke auf eine 5G-Antenne folgte im Oktober 2019 an der Seestrasse in Thun. «Einen signifikanten Anstieg der Vorfälle in den vergangenen zwei Jahren stellen wir daneben aber nicht fest», so Gnägi.

Verdächtiger Mann angehalten

Sunrise-Mediensprecher Rolf Ziebold dagegen spricht von einer Verdoppelung der Attacken auf die Mobilfunkstandorte des Unternehmens in den Jahren 2019 und 2020. Dabei handle es sich um Brandanschläge, aber auch sonstige Zerstörungen wie das Durchtrennen von Versorgungskabeln oder Graffiti.

Allein beim letzten Vorfall im Strättligwald könnte sich der entstandene Schaden auf mehrere Hunderttausend Franken belaufen, so Ziebold: «Ob der Standort wieder instand gesetzt werden kann oder neu gebaut werden muss, ist noch unklar.»

Nach der Attacke im Strättligwald in der Nacht auf Sonntag wurde die Polizei nach dem Entdecken des Feuers auf einen Mann aufmerksam, der sich in der Nähe einer anderen Antenne aufhielt. Als ihn die Patrouille kontrollieren wollte, flüchtete er mit einem Elektrotrottinett Richtung Thuner Allmend. Dort verschwand der Mann im Dickicht des Gwatter Walds und konnte mit einem Diensthund aufgespürt werden.

Der Verdächtige befindet sich unterdessen wieder auf freiem Fuss. «Ob er mit dem Brand der 5G-Antenne in Verbindung steht, ist noch nicht geklärt», sagt Polizeisprecher Gnägi. Der Mann werde sich aber für Strassenverkehrsdelikte im Zusammenhang mit der Fluchtfahrt zu verantworten haben,
(https://www.derbund.ch/brandattacken-auf-5g-antennen-haeufen-sich-687182202579)
-> https://www.20min.ch/story/dritter-brandanschlag-auf-5g-antenne-in-thun-innert-tagen-136591331841



Journalist Bonvalot über die Anti-Corona Demo in Wien
Der Journalist Michael Bonvalot war am Samstag bei der Anti-Corona Demo in Wien dabei und beschreibt die Stimmung dort.
https://tvthek.orf.at/profile/ORF-III-Aktuell/13889091/ORF-III-AKTUELL/14084489/Journalist-Bonvalot-ueber-die-Anti-Corona-Demo-in-Wien/14876552


Anwälte für Aufklärung, Corona-Volksbegehren und „Querdenker“: Der organisierte Maßnahmenwiderstand
Zahlreiche Initiativen protestieren auf unterschiedliche Art gegen die Corona-Maßnahmen. Was sie verbindet – und was sie trennt
https://www.derstandard.at/story/2000124786247/das-dichte-netz-der-corona-massnahmenkritiker-und-wer-dahintersteckt
-> https://www.blick.ch/schweiz/ostschweiz/nach-illegaler-corona-party-jetzt-will-gommiswald-sg-der-wirtin-das-patent-entziehen-id16393042.html



llegaler Anlass in Gommiswald: «Polizei und Gemeinde riefen mich an, um mich davon abzubringen»
In einem Restaurant fand am Samstag ein Treffen von Corona-Kritikern statt. Vier Personen wurden angezeigt. Die Wirtin des Restaurants ist nach einer Durchsuchung verärgert.
https://www.20min.ch/story/polizei-und-gemeinde-riefen-mich-an-um-mich-davon-abzubringen-165098077254
-> https://www.tvo-online.ch/aktuell/corona-party-gommiswald-veranstalter-zeigen-keine-reue-141110432



tagblatt.ch 10.03.2021

Illegale Veranstaltung: «So illegal kann es nicht gewesen sein, sonst hätte die Polizei die Veranstaltung geräumt»: Wirtin aus Gommiswald bereut den 90-Personen-Anlass nicht

Die Geschäftsführerin des «Älpli» in Gommiswald nimmt zum Anlass vom Samstag Stellung, an dem rund 90 Personen teilgenommen haben. Vertreter der Gastronomie verstehen den Frust ihrer Mitglieder, doch mit Verstössen gegen die Coronamassnahmen würden sich Betriebe nur selbst schaden. Der Wirtin droht nun der Patententzug.

Enrico Kampmann und Miguel Lo Bartolo

Kaum eine andere Branche hat so sehr unter der Pandemie gelitten wie die Gastronomie. Kostspielige Schutzkonzepte, begrenzte Öffnungszeiten und Besucherzahlen, Zwangsschliessungen. Da ist es wenig verwunderlich, dass viele Lokalbesitzer die Nase voll haben. Dies scheint sich nun in den sich häufenden Vorfällen in Gastrobetrieben widerzuspiegeln.

Am vergangenen Samstag fanden im Kanton St.Gallen gleich zwei illegale Anlässe statt. Am Nachmittag trafen sich im Restaurant Älpli in Gommiswald etwa 90 Personen, um sich den Vortrag eines Coronaskeptikers anzuhören. Abends feierten rund 50 junge Leute eine ausgelassene Party in einem Lokal in der St.Galler Innenstadt.

Veranstaltung von Coronaskeptikern wurde nicht abgebrochen

Während die Polizei die Stadtparty problemlos auflösen konnte, sah sie sich gezwungen, vor den Coronaskeptikern in Gommiswald zu kapitulieren. Hätte die Polizei versucht, den Anlass aufzulösen, hätte es Auseinandersetzungen und womöglich Verletzte gegeben, sagt Hanspeter Krüsi, Mediensprecher der Kapo St.Gallen, der beim Geschehen dabei war. Die Veranstaltung wurde nicht abgebrochen.



Ramona Kessler, Geschäftsführerin Restaurant Älpli: «Ich wusste, dass die Polizei kommen wird»

Dass Verstösse gegen das Covid-19-Gesetz durchaus Konsequenzen haben, bekam Ramona Kessler, Geschäftsführerin des Restaurants Älpli, bereits zu spüren. Am Montagmorgen hätten sieben Polizisten ihre Wohnung und ihren Betrieb durchsucht und unter anderem ihr Handy und ihre Kasse mitgenommen, sagt sie. Kessler sagt: «Normalerweise bin ich keine Rebellin, doch im letzten Jahr habe ich viel gelernt und einiges durchmachen müssen.»

Sie sei sogar im Spital gewesen, weil sie mit der Situation nicht mehr klargekommen sei. Der Entscheid des Bundesrats, die Massnahmen nur schrittweise zu lockern, habe sie deswegen sehr verärgert. Silvio Forster, der Organisator der Veranstaltung, habe sie daher genau im richtigen Moment gefragt, ob er den Event bei ihr durchführen könne.

Es handelte sich dabei um ein «Frühlingsfest» mit Musik und einem Vortrag vom Armin Schmid, laut der «Linth-Zeitung» ein älterer Herr aus dem Kanton Zürich, gelernter Werkzeugmacher und Ingenieur. Beim Vortrag sei es um die Rechte des Bürgers gegangen, sagt Kessler. Eine juristische Ausbildung hat Schmid nie genossen. Allerdings habe er «sich selbstständig gemacht und darum am eigenen Leib gelernt, wie Gesetze funktionieren», zitiert ihn die «Linth-Zeitung».

Kessler habe am Freitag einen Anruf von der Polizei erhalten, in dem man sie darum bat, vom Anlass abzulassen. «Ich wusste, dass die Polizei kommen wird. Sie haben mir im Vorfeld gesagt, dass eine solche Veranstaltung verboten ist.» Aber ob sie tatsächlich verboten war, das werde sich noch herausstellen, sagt Kessler. «So illegal kann es nicht gewesen sein, sonst hätte die Polizei die Veranstaltung am Samstag geräumt.»

Sie bereue den Anlass jedenfalls nicht. Ob es sich nun um eine verbotene Veranstaltung handelt, wird die Staatsanwaltschaft St.Gallen entscheiden. Kessler drohen nun eine Anzeige wegen Widerhandlung gegen die Covid-19-Verordnung und eine maximale Busse von bis zu 10’000 Franken.



Wirtin könnte Patent entzogen werden

Gemäss «FM1Today» könnte Ramona Kessler der Entzug ihres Gastwirtschaftspatents drohen.

Peter Hüppi, Gemeindepräsident Gommiswald, sagt im Interview, ein Patententzug sei möglich. «Es wird sicherlich geprüft werden, ob das Gastwirtschaftspatent entzogen werden muss. Wir sind aktuell im Gespräch mit dem Kanton und prüfen, ob gegen das Gastwirtschaftsgesetz verstossen wurde.»



Organisator Silvio Forster und Geschäftsführerin des «Älpli» Ramona Kessler im Interview mit «TVO». Video: «FM1Today»
https://cdnapisec.kaltura.com/index.php/extwidget/preview/partner_id/1719221/uiconf_id/43493621/entry_id/1_r4t1k07n/embed/dynamic



Walter Tobler, Präsident Gastro St.Gallen: «Es liegt nicht an uns, über unsere Mitglieder zu richten»

Walter Tobler, Präsident des Kantonalverbands für Hotellerie und Restauration, Gastro SG, kann den Frust in der Branche sehr gut verstehen. «Der Druck wird immer grösser. Jetzt fangen die Leute an, sich den Massnahmen zu widersetzen.» Dennoch ist für ihn klar: «Das geht nicht, wir haben uns ans Gesetz zu halten.»

Wenn auf der Tafel stehe, nicht mehr als 5 respektive 15 Personen, dann gebe es daran nichts zu rütteln, sagt Tobler.

Doch es sei nicht die Aufgabe des Gastronomieverbands, dafür zu sorgen, dass sich seine Mitgliederinnen und Mitglieder an die Massnahmen des Bundes hielten, sagt Tobler. «Jeder kennt die Vorschriften. Wir haben unsere Mitglieder mit Newslettern ausführlich darüber informiert, sie stehen in den Zeitungen und auf Schildern am Strassenrand.»

Mitglieder, die sich den Vorschriften widersetzten, aus dem Verband zu werfen, komme für ihn ebenfalls nicht in Frage. Er sagt: «Wir sind nicht die Polizei. Es liegt nicht an uns, über unsere Mitglieder zu richten.»

Aus diesem Grund sehe er auch keinen Grund, aktiv etwas dagegen zu unternehmen. Zudem geht Tobler nicht davon aus, dass dieser Trend sich weiterentwickeln werde. «Man sieht, dass hart durchgegriffen wird und die Leute bestraft werden. Ich denke, das wird für die allermeisten als Abschreckung reichen.»


Ruedi Bartel, Präsident Gastro Thurgau: «Betriebe, die widerrechtlich öffnen, schneiden sich ins eigene Fleisch»

«Natürlich schaden die Betriebe, die trotz ausdrücklicher Verbote öffnen, in erster Linie ihrem eigenen Image», sagt Ruedi Bartel, Präsident des kantonalen Gastroverbands Gastro Thurgau. Nichtsdestotrotz würden Verstösse gegen die Coronamassnahmen seitens der Mitglieder auch ein schlechtes Licht auf den Verband werfen. Sanktionen will Bartel indes nicht verhängen. Das sei Aufgabe der Gemeinden, der Kantone oder der zuständigen Rechtsorgane. Bartel sagt: «Unsere Mitglieder sind selbstständige Unternehmer. Es liegt in ihrer Verantwortung, den Nutzen und die Risiken abzuwägen.»
Er sehe keinen Grund, aktiv zu werden und die Verbandsmitglieder auf die geltenden Regeln hinzuweisen. Den Vorfall aus Gommiswald habe er in den Medien verfolgt. Er kommentiert die Geschehnisse nur wie folgt: «Reich werden sie dadurch bestimmt nicht. Sie schneiden sich ins eigene Fleisch.»
Aus dem Kanton Thurgau seien ihm kaum Betriebe bekannt, die widerrechtlich öffnen würden. Die meisten Gastronomen halten sich an die Spielregeln, ist Bartel überzeugt. Und wenn sie es nicht täten, wäre die Polizei schnell vor Ort.
Den Unmut innerhalb der Gastronomie kann der Verbandspräsident gut nachvollziehen. Die Massnahmen seien schon lange erdrückend, für gewisse Gastronomen gehe es mittlerweile ans Eingemachte. Und auch die potenzielle Kundschaft drängt auf die Öffnung der Betriebe. «Das Wetter spielt ebenfalls mit», hält Bartel fest. «Die Leute wollen endlich wieder einkehren.»
(https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/illegale-veranstaltung-so-illegal-kann-es-nicht-gewesen-sein-sonst-haette-die-polizei-die-veranstaltung-geraeumt-wirtin-aus-gommiswald-bereut-den-90-personen-anlass-nicht-ld.2113176)



tagblatt.ch 10.03.2021

«Es wäre unverhältnismässig gewesen, das Restaurant zu stürmen»: Weshalb die St.Galler Kantonspolizei das Treffen der Coronaskeptiker in Gommiswald nicht aufgelöst hat

Eine Veranstaltung von Coronaskeptikern in Gommiswald war getarnt als religiöse Feier und Geburtstagsfest. Rund 90 Menschen versammelten sich im Restaurant Älpli und horchten Vorträgen von Coronaskeptikern. Die Kantonspolizei war vor Ort, zog sich aber nach längeren Diskussionen schliesslich zurück. Weshalb griff sie nicht durch? Hanspeter Krüsi, Chef Kommunikation der Kantonspolizei, nimmt Stellung.

Miguel Lo Bartolo

Die Coronamassnahmen wurden einmal mehr missachtet. Doch in diesem Fall unterscheidet sich die Handhabe der Kantonspolizei St.Gallen massgeblich von der gewohnten Norm. Die Versammlung im «Älpli» in Gommiswald, an der vergangenes Wochenende rund 90 Personen teilgenommen haben sollen, wurde trotz Verstosses gegen die Coronamassnahmen nicht aufgelöst. Hanspeter Krüsi, Kommunikationschef der Kantonspolizei St.Gallen, liess sich am Dienstag wie folgt zitieren: «Für uns war relativ schnell klar, dass wir die Party nicht auflösen können. Es waren Kinder und Rentner im Restaurant und wir wollten nicht, dass es zu einer Eskalation kommt.»

Nach langen Diskussionen mit den Teilnehmenden und Organisatoren habe man sich zurückziehen müssen. Die Veranstaltung fand statt. Doch ohne Konsequenzen kommen die Beteiligten nicht davon, hält Krüsi fest.

Um eine allfällige Eskalation zu vermeiden, liess man die Teilnehmenden ihrer Wege gehen. Sendet man damit nicht die falschen Signale aus?

Hanspeter Krüsi: Das denke ich nicht. Es ist ja nicht so, als hätten wir einfach nichts gemacht. Wir wussten im Vorfeld um die Veranstaltung und haben mit den Organisatoren das Gespräch gesucht. Wir haben versucht, sie davon zu überzeugen, diesen Anlass nicht in dieser Form und Grössenordnung abzuhalten. Dabei haben wir sie selbstverständlich auch über allfällige Konsequenzen in Kenntnis gesetzt. Dass sie nichtsdestotrotz an der Veranstaltung festhalten wollten, hat mich zutiefst irritiert.

Warum aber haben Sie dann vor Ort nicht Recht und Ordnung durchgesetzt?

Wenn wir das hätten tun wollen, dann hätten wir das in aller Konsequenz tun müssen. Das heisst: Wir hätten die Personalien aller Anwesenden aufnehmen müssen. Als wir zum Schauplatz gelangten, waren zirka 40 bis 50 Leute dort, darunter auch Kinder. Das Eskalationspotenzial schien mir persönlich zu hoch. Man muss sich bloss vorstellen, was passiert wäre, wenn wir handgreiflich geworden wären, Leute aus dem Etablissement hätten zerren müssen. Der mediale Aufschrei wäre immens gewesen.

Also wurden die Delinquenten in gewisser Weise durch die Anwesenheit von Kindern davor geschützt, noch vor Ort zur Rechenschaft gezogen zu werden?

Die Umstände haben sicherlich unsere Arbeit erschwert. Beim polizeilichen Handeln ist die Verhältnismässigkeit immer entscheidend. In diesem Fall wäre es unverhältnismässig gewesen, das Restaurant zu «stürmen» und alle Beteiligten zu identifizieren. Und das lag nicht nur an der Anwesenheit der Kinder. Im Restaurant befanden sich Leute wie Sie und ich, nicht die übliche Bahnhofprominenz. Nur sind sie fälschlicherweise felsenfest davon überzeugt, mit ihrer Rebellion gegen die Coronamassnahmen im Recht zu sein. Tatsache ist, dass diese Leute nicht ungeschoren davonkommen werden.

Mit welchen Folgen müssen die Beteiligten konkret rechnen?

Die Teilnehmenden werden gebüsst, eventuell sogar auch wie die Organisatoren verzeigt.

Als die Kantonspolizei den Veranstaltern und Teilnehmenden vor Ort Bussen und Verzeigungen angedroht hat, zeigten sich die Betroffenen wenig beeindruckt. Ist die Kantonspolizei des Öfteren mit einer derartigen Haltung konfrontiert?

Tatsächlich meinten einige, sie würden die Bussen nach Erhalt einfach zurückschicken. Wo sind wir denn hier? Wer eine Ordnungsbusse zurückschickt, zieht automatisch die Staatsanwaltschaft mit rein. Was mit einer einfachen Rechnungsbegleichung hätte enden können, wird so zum ordentlichen Strafverfahren. Stellt die Staatsanwaltschaft dann bei der Prüfung des Tatbestandes fest, dass die Busse zurecht verteilt wurde, wird es für den Gebüssten teuer – Verfahrenskosten, administrative Gebühren, kurzum: Ihr Vorhaben wird nicht fruchten.

Würden Sie die Vorkommnisse in Gommiswald als Einzelfall einordnen?

Ganz bestimmt. Allein schon, was die Grösse des Anlasses angeht. Was mich daran am meisten zum Nachdenken gebracht hat, war die Entschlossenheit der Teilnehmenden, die Konsequenzen in Kauf zu nehmen. Immerhin haben wir nicht nur den Organisatoren nahegelegt, die Veranstaltung nicht durchzuführen. Wir haben auch vor Ort allen empfohlen, nicht am Anlass teilzunehmen. «Ihr macht euch strafbar» – deutlicher konnten wir es ihnen nicht sagen.

Wann war der Kantonspolizei klar, dass an der Veranstaltung Coronaskeptiker aufgetreten sind und nicht – wie behauptet wurde – eine religiöse oder familiäre Feier stattgefunden hat?

Der Verdacht bestand schon länger. Vor dem Restaurant waren Flyer der Glaubensgemeinschaft Gommiswald zu sehen, diverse Teilnehmer sprachen wiederum von einer Geburtstagsfeier. Unser Verdacht erhärtete sich erst, als wir auf Youtube über Videoaufnahmen des Anlasses gestossen sind. Zumindest am Anfang der Veranstaltung war von einem religiösen oder familiären Fest keine Rede. Stattdessen traten Coronaskeptiker auf.

Hätte das Wissen um die Veranstaltungsform das Vorgehen der Polizei beeinflusst?

Sie meinen, ob wir härter durchgegriffen hätten, wenn wir um die Auftritte der Coronaskeptiker gewusst hätten?

Genau.

Nein, denn es wäre selbst dann nicht mit der Verhältnismässigkeit des polizeilichen Handelns vereinbar gewesen.



Kantonspolizei St.Gallen konfrontiert Veranstalter vor dem «Älpli»

Ein mutmasslich freischaffender Journalist, der mit David angesprochen werden will, filmte das Geschehen vor dem «Älpli». Seine Aufnahmen zeigen alles: von der Ankunft der Teilnehmenden und der Polizeikräfte bis hin zur Konfrontation der Veranstalter durch die Polizei. Imunzensierten, ungeschnittenen Video auf Youtube sieht man, dass die Organisatoren nicht davor zurückschrecken, das Coronavirus oder dessen Folgenschwere im Gespräch mit der Polizei zu bestreiten. Nachfolgend ein Ausschnitt von «FM1 Today»:
(https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/interview-es-waere-unverhaeltnismaessig-gewesen-das-restaurant-zu-stuermen-weshalb-die-stgaller-kantonspolizei-das-treffen-der-coronaskeptiker-in-gommiswald-nicht-aufgeloest-hat-ld.2112957)



Gesundheitsämter als Ventil für Unzufriedene
Gehässige Mails – Beschimpfungen in Briefen und am Telefon: Die Angestellten der Dienststelle Gesundheit des Kantons Luzern brauchen derzeit eine dicke Haut. Die Corona-Pandemie macht vielen Leuten zu schaffen. Ihren Frust laden sie immer häufiger bei den Verwaltungsangestellten ab.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zentralschweiz/gesundheitsaemter-als-ventil-fuer-unzufriedene?id=11946979


Meist Anonyme phantasieren über Corona, Impfen und Bill Gates
Es sind wenige äusserst aktive Männer, die wilde Behauptungen verbreiten und verlinken. Das zeigt ein Jahr Beobachtung der NZZ.
https://www.infosperber.ch/medien/medienkritik/meist-anonyme-phantasieren-ueber-corona-impfen-und-bill-gates/


Tierversuchsverbot von Impfgegnern bekommt keine Zustimmung
Eine Volksinitiative will Tier- und Menschenversuche ganz verbieten, hatte im Nationalrat aber keine Chance. Die Absender haben zum Teil fragwürdige Ansichten.
https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/tierversuchsverbot-von-impfgegnern-bekommt-keine-zustimmung-65885277


+++WORLD OF CORONA
Masken-Debakel – Emix verkauft gefälschte FFP2-Masken an Spital
Gefährliche Masken fürs Spitalpersonal: Die Jungunternehmer der «Emix Trading» haben gefälschte FFP2-Masken verkauft.
https://www.srf.ch/news/schweiz/masken-debakel-emix-verkauft-gefaelschte-ffp2-masken-an-spital
-> Rundschau: https://www.srf.ch/play/tv/rundschau/video/masken-debakel-moria-russlands-extrem-kaempfer?urn=urn:srf:video:211cceea-8b10-4046-8909-8dc6dea51103


+++HISTORY
Welche Therapie für wen? Globale Krankheiten und ihr kolonialer Schatten
Die Coronapandemie hat die ganze Welt erfasst. Doch ihre Bekämpfung prägen die alten Ungleichheiten zwischen Globalem Norden und Globalem Süden. Ein Blick in die Geschichte frühere Pandemien zeigt, inwieweit Krankheiten wirklich „global“ sind und wie wir darauf reagieren sollten.
https://geschichtedergegenwart.ch/welche-therapie-fuer-wen-globale-krankheiten-und-ihr-kolonialer-schatten/