Medienspiegel 1. März 2021

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++SCHWEIZ
Gesundheitsversorgung in Asylzentren laut Ständerat gewährleistet
Der Zugang zur Gesundheitsversorgung ist für Asylsuchende in Bundesasylzentren ausreichend gewährleistet. Dieser Auffassung ist der Ständerat. Er hat am Montag eine Motion abgelehnt, die Verbesserungen für von Gewalt betroffene Asylsuchende verlangt.
https://www.parlament.ch/de/services/news/Seiten/2021/20210301183409045194158159038_bsd192.aspx


Ausschaffungen nach Algerien: Ständerat erhöht Druck auf Bundesrat
Die Schweiz soll abgewiesene Asylsuchende aus Algerien konsequent zwangsweise ausschaffen. Das fordert der Ständerat. Er schlägt dabei Rückführungen auf dem Seeweg vor.
https://www.tagblatt.ch/news-service/inland-schweiz/asylwesen-ausschaffungen-nach-algerien-staenderat-erhoeht-druck-auf-bundesrat-ld.2107834
-> https://www.parlament.ch/de/services/news/Seiten/2021/20210301181739885194158159038_bsd189.aspx


Lehrabbruch bei negativem Asylentscheid: Ständerat lehnt Praxisänderung ab
Es bleibt dabei: Junge Asylsuchende dürfen bei einem negativen Entscheid ihres Gesuches ihre Lehre weiterhin nicht in jedem Fall beenden. Der Ständerat stellt sich gegen das Anliegen.
https://www.tagblatt.ch/news-service/inland-schweiz/arbeitsmarkt-lehrabbruch-bei-negativem-asylentscheid-staenderat-lehnt-laengere-ausreisefrist-ab-ld.2107838
-> https://www.parlament.ch/de/services/news/Seiten/2021/20210301192451868194158159038_bsd210.aspx
-> https://www.aargauerzeitung.ch/schweiz/lehrabbruch-lehrlinge-mit-abgewiesenem-asylgesuch-wir-brauchen-sie-fuer-unsere-betriebe-ld.2107884


+++GRIECHENLAND
»Wir versuchen, sie am Leben zu halten«
Die Psychologin Katrin Glatz-Brubakk kümmert sich um traumatisierte Kinder und Jugendliche, die in Flüchtlingslagern auf der griechischen Insel Lesbos gestrandet sind
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1148916.lesbos-wir-versuchen-sie-am-leben-zu-halten.html


+++MITTELMEER
Sea-Watch rettet weitere 90 Menschen vor Lampedusa
Unter den zuletzt geretteten Geflüchteten sind auch 14 Kinder. Die Organisation warnt vor der Gefahr eines weiteren Schiffsbruchs
https://www.derstandard.at/story/2000124549442/sea-watch-rettet-weitere-90-menschen-vor-lampedusa?ref=rss


+++GASSE
Oltner Verein nimmt neuen Anlauf für Notschlafstelle — Angebot würde auch im oberen Kantonsteil begrüsst werden
Der Bedarf für eine Notschlafstelle ist da, davon ist man beim Oltner Verein Schlafguet nach wie vor überzeugt. Man hofft, im nächsten Winter endlich ein Pilotprojekt starten zu können.
https://www.solothurnerzeitung.ch/solothurn/kanton-solothurn/hilfe-fuer-obdachlose-oltner-verein-nimmt-neuen-anlauf-fuer-notschlafstelle-angebot-wuerde-auch-im-oberen-kantonsteil-begruesst-werden-ld.2107427


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Magnusstrasse 27 in Zürich besetzt
Heute wurde die Liegenschaft an der Magnusstrasse 27 besetzt. Wir werden nicht weiterhin tatenlos zuschauen, wie die Gentrifizierung im Kreis 4 voranschreitet und sich die dadurch entstandenen Probleme in der Covid-19-Pandemie multiplizieren. In solch unmittelbarer Nähe zur Langstrasse ist es umso wichtiger, den profitorientierten Projekten ein autonomes, von unten entstehendes Projekt entgegenzusetzen.
https://barrikade.info/article/4241


+++REPRESSION DE
Autonomes Hausprojekt: Rigaer 94 spaltet Bezirk und Senat
Xhains Baustadtrat Florian Schmidt ist gegen eine Begehung des Hauses durch Eigentümer und Polizei. Der Bezirk solle den Brandschutz selbst prüfen.
https://taz.de/Autonomes-Hausprojekt/!5749510/
-> https://www.morgenpost.de/berlin/article231685559/Rigaer-94-Senator-will-Brandschutz-durchsetzen.html
-> https://www.tagesspiegel.de/berlin/brandschutzaffaere-in-berlin-friedrichshain-baustadtrat-schmidt-will-polizei-grosseinsatz-in-rigaer-94-verhindern/26960596.html


+++ANTITERRORSTAAT
Ständerat berät umstrittene Präventivhaft für Dschihad-Reisende
Zum Auftakt der Frühjahrssession am Montag entscheidet der Ständerat über die Präventivhaft für Gefährder. Der Nationalrat vollzog eine Kehrtwende und sprach sich anders als vier Monate zuvor für eine Einführung einer Präventivhaft aus.
https://www.parlament.ch/de/services/news/Seiten/2021/20210301105228111194158159038_bsd082.aspx
-> https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/standerat-berat-umstrittene-praventivhaft-fur-dschihad-reisende-65879663


+++KNAST
Streit um Standort fürs Untersuchungsgefängnis
36 Solothurner Kantonsräte möchten die Planung für das neue Solothurner Untersuchungsgefängnis im Schachen in Flumenthal per sofort einstellen. Das Untersuchungsgefängnis sei im Schachen am falschen Ort, finden sie. Dem widerspricht die Solothurner Regierung jetzt aber vehement.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-aargau-solothurn/streit-um-standort-fuers-untersuchungsgefaengnis?id=11941489


Im Ungewissen: Untersuchungshaft
Stellen Sie sich vor, Sie werden festgenommen, auf den Polizeiposten gebracht und Ihnen wird eröffnet, Sie werden in Untersuchungshaft gesetzt. Gegen 2000 Personen sitzen zur Zeit in der Schweiz in U-Haft.
https://www.srf.ch/audio/kontext/im-ungewissen-untersuchungshaft?id=11934349


+++BIG BROTHER
Leere Versprechen, ein vergrätzter Partner – und ein riskanter Kurs
Sollte die elektronische ID bei der Abstimmung am Sonntag durchkommen, dann dürfte Swiss Sign die Anbieterin werden. Doch die jüngere Geschichte der Firma wirft Fragen auf.
https://www.republik.ch/2021/03/01/leere-versprechen-ein-vergraetzter-partner-und-ein-riskanter-kurs
-> https://www.watson.ch/!413676096


Schweiz macht bei Vernetzung von Schengen-Datenbanken mit
Die europäischen Behörden sollen künftig mit einem Mausklick alle Schengen- und Dublin-Datenbanken gleichzeitig abfragen können – auch in der Schweiz. Nach dem Nationalrat hat auch der Ständerat die Vorlage des Bundesrats zur Interoperabilität zwischen EU-Informationssystemen angenommen.
https://www.parlament.ch/de/services/news/Seiten/2021/20210301171408073194158159038_bsd168.aspx


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Kundgebung nach Bewilligungsentzug:  Stadt Luzern: Rund 300 Personen solidarisieren sich mit Ebikoner Arzt
Nachdem bekannt wurde, dass dem Arzt aus Ebikon seine Bewilligung entzogen wurde, riefen Corona-Skeptiker zur Kundgebung für den «Held» ihrer Bewegung auf. Dem Aufruf folgten zahlreiche Personen.
https://www.zentralplus.ch/rund-300-personen-solidarisieren-sich-mit-ebikoner-arzt-2023989/
-> https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/luzern/corona-kanton-luzern-entzieht-ebikoner-arzt-die-bewilligung-350-personen-demonstrieren-am-montagabend-ld.2108083
-> https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/luzern/bewilligungsentzug-fuer-luzerner-arzt-die-quittung-fuer-regelverstoesse-ld.2108388
-> https://www.blick.ch/schweiz/zentralschweiz/arzt-wurde-zulassung-entzogen-demo-fuer-corona-skeptiker-andreas-heisler-in-luzern-id16375726.html


Corona-Skeptiker – Umstrittener Arzt darf nicht mehr arbeiten
Aus für den corona-skeptischen Arzt Andreas Heisler aus Ebikon (LU). Nachdem die «Rundschau» über seine fragwürdigen Praktiken berichtet hat, entzog ihm der Luzerner Kantonsarzt die Berufserlaubnis.
https://www.srf.ch/news/schweiz/corona-skeptiker-umstrittener-arzt-darf-nicht-mehr-arbeiten
-> https://www.tele1.ch/nachrichten/umstrittener-arzt-darf-nicht-mehr-arbeiten-141007993


Nach «Tagblatt»-Berichterstattung über abgesetzten St.Galler Amtsarzt Rainer Schregel: Presserat weist Beschwerde ab
Rainer Schregel, ein mittlerweile freigestellter Amtsarzt aus Wattwil, hatte auf Facebook mit Nazi-Referenzen und pseudowissenschaftlichen Argumenten über die Coronamassnahmen gepoltert. Nach der Berichterstattung ging eine Beschwerde gegen das «Tagblatt» beim Schweizer Presserat ein. Sie wurde vollumfänglich abgewiesen.
https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/ressort-ostschweiz/medien-nach-tagblatt-berichterstattung-ueber-abgesetzten-stgaller-amtsarzt-rainer-schregel-presserat-weist-beschwerde-ab-ld.2107404


Attila Hildmann: Die gefährliche Radikalisierungdes einstigen «Vegan-Königs»
Er verkaufte seine Vegan-Kochbücher hunderttausendfach. Nun ist Kochbuch-Autor und ehemaliger TV-Liebling Attila Hildmann auf der Flucht vor der Polizei. Gesucht wegen Volksverhetzung.
https://www.tagblatt.ch/international/attila-hildmann-die-gefaehrliche-radikalisierungdes-einstigen-vegan-koenigs-ld.2108054


+++HISTORY
Vor 50 Jahren starben 28 Psychiatrie-Patienten im «Burghölzli»: Eingeschlossen in der Klinik, gefangen im Feuer
Am 6. März jährt sich eine der schlimmsten Brandkatastrophen der Schweiz. Vor 50 Jahren starben in der psychiatrischen Klinik «Burghölzli» in Zürich 28 Patienten. Augenzeugen erinnern sich an das Inferno.
https://www.blick.ch/news/vor-50-jahren-starben-28-psychiatrie-patienten-im-burghoelzli-eingeschlossen-in-der-klinik-gefangen-im-feuer-id16373934.html


+++AUSLÄNDER*INNEN-RECHT
tagesanzeiger.ch 01.03.2021

Angst vor Landesverweis: «Wir raten uns ab, aufs Sozialamt zu gehen»

Die Corona-Krise trifft Ausländer und Ausländerinnen besonders hart. Doch sie meiden das Sozialamt – aus Angst, abgeschoben zu werden.

Anielle Peterhans

José Pinto steckt in einem Teufelskreis. Der 63-jährige Spanier ist seit mehreren Jahren Reinigungsfachmann. Im Januar 2020 wechselte er seine Stelle, doch als kurz darauf die Corona-Pandemie die Schweiz erreichte, wurde ihm noch in der Probezeit gekündigt. Das Hotel in Zürich, in dem er vorwiegend putzte, war immer weniger ausgelastet.

Pinto meldete sich beim Arbeitsvermittlungsamt (RAV) an. Seither erhält er monatlich 2300 Franken. «Wegen der Pandemie konnte ich nicht viel arbeiten. Die Entschädigung ist viel tiefer als mein Lohn in den Jahren zuvor», sagt Pinto. Plötzlich habe er Schulden. 1800 Franken seien es bei der Krankenkasse. Er zahlt in Raten am Ende jedes Monats, doch das Geld vom RAV erhalte er zwischen dem Fünften und dem Zehnten des Folgemonats. Eine Mahnung löst die andere ab.

Seine Situation sei hoffnungslos, sagt Pinto. «Ich bewerbe mich, wie es das RAV vorgibt. Aber ich bin 63 Jahre alt, und es herrscht eine Pandemie. Ich erhalte nur Absagen.» Er ist seit über zehn Jahren in der Schweiz. Hier fühle er sich wohl, aber nur solange er seinen Bürgerpflichten nachgehen könne, sagt Pinto.

Krise trifft Ausländerinnen und Ausländer hart

Pinto könnte Hilfe beim Sozialamt suchen. Doch er winkt ab. «In meinem Umfeld raten wir uns ab, aufs Sozialamt zu gehen. Wir Ausländerinnen und Ausländer könnten auf einer schwarzen Liste landen, den Aufenthaltsstatus verlieren oder gar ausgewiesen werden», sagt Pinto. Er habe eine Niederlassungsbewilligung und könne nur mit einem Job in der Schweiz bleiben.

José Pinto gehört zu jenen zwei Millionen Menschen in der Schweiz, die zwar Steuern bezahlen, aber keinen roten Pass besitzen. Geraten diese Menschen in wirtschaftliche Not, haben sie ein Problem. Zwar hätten sie Anrecht auf Sozialhilfe. Aber seit der Revision des Ausländergesetzes 2019 drohen ihnen Konsequenzen, wenn sie dieses Recht geltend machen. Die Sozialämter sind verpflichtet, den Migrationsämtern Sozialhilfebezug zu melden. Und je nach individueller Situation können die Behörden dann eine Niederlassungsbewilligung C in eine Aufenthaltsbewilligung B zurückstufen, die Bewilligung nicht mehr verlängern oder die Betroffenen ausweisen.

Es gibt keine konkreten Zahlen, wie viele Ausländerinnen und Ausländer auf Sozialhilfe verzichten, obwohl sie einen Anspruch darauf hätten. Aber das Problem ist bei verschiedenen Stellen bekannt.

«In Beratungsgesprächen stellen wir besorgt fest, dass Personen ohne Schweizer Pass grosse Angst haben, ihren Aufenthaltsstatus zu verlieren, wenn sie Sozialhilfe beziehen würden», sagt Isabelle Lüthi von der Unia Zürich-Schaffhausen. Viele der Ausländer arbeiten im Tieflohnsektor – in der Gastronomie oder in der Reinigung. Diese seien von der Corona-Pandemie besonders stark betroffen.

Stadt spendet 500’000 Franken für Hilfsorganisationen

Auch das Sozialdepartement der Stadt Zürich bestätigt das Problem. Diese Vermischung von Sozial- und Migrationspolitik zeige in der aktuellen Krise ihre explosive gesellschaftliche Wirkung, sagt Sozialvorsteher Raphael Golta: «Wir müssen sicherstellen, dass Menschen in Not weiterhin auf unsere Unterstützung zählen können. Bei Beratungen ist es darum auch wichtig, zu erklären, dass sie bei einem Sozialhilfebezug nicht automatisch migrationsrechtliche Konsequenzen zu befürchten haben.» Kurzfristige Überbrückungen oder ergänzende Unterstützungen seien möglich, ohne dass dies dem Migrationsamt gemeldet werden müsse. Die Meldepflicht gilt beim B-Ausweis ab einem gesamthaften Bezug von 25’000 Franken und beim C-Ausweis ab einem Bezug von 40’000 Franken.

Weil sich aber trotzdem viele Betroffene scheuen, Sozialhilfe zu beziehen, unterstütze das Sozialdepartement seit Beginn der Krise verschiedene Zürcher Hilfsorganisationen – etwa solche, die gratis Lebensmittel abgeben – mit Beiträgen aus Fonds: Bisher mit insgesamt rund 500’000 Franken, sagt der Sozialvorsteher.

Bereits im Mai 2020 hatte Bundesrätin Karin Keller-Sutter, der das Staatssekretariat für Migration unterstellt ist, eine einheitliche Regelung vorgeschlagen. Sie wies die Kantone in einer Direktive an, es dürfe «keine Benachteiligung bei der Beurteilung des Aufenthaltsstatus von Ausländerinnen und Ausländern aufgrund der Corona-Krise» geben (lesen Sie hier mehr dazu).

Mindestens 103 Rückstufungen seit 2019

Diese Zeitung wollte vom Zürcher Migrationsamt genau wissen, wie man während der Krise vorgeht. Auf einen detaillierten Fragebogen antwortete die Sicherheitsdirektion mit einer allgemein gehaltenen Stellungnahme und verwies auf eine Antwort des Regierungsrats vom September 2020. Es gebe keine Personen, die einzig aufgrund des Sozialhilfebezugs während der Corona-Krise ihre Bewilligung verlieren. «Dieser Bezug ist in der Regel nicht selbst verschuldet und damit nicht vorwerfbar», sagt Sprecher Tobias Christen.

Zwischen Anfang 2019 und August 2020 wurden im Kanton Zürich 103 Personen von einer Niederlassungs- in eine Aufenthaltsbewilligung zurückgestuft, wie es in der Antwort des Regierungsrats heisst. Da oft mehrere Gründe zur Rückstufung führen, würden diese nicht detailliert festgehalten. Aktuelle Zahlen gibt das Migrationsamt auf Anfrage nicht bekannt.

Ein Sozialhilfebezug führe gemäss den Vorgaben im eidgenössischen Ausländer- und Integrationsgesetz in der Regel erst nach zwei bis drei Jahren und ab einer Höhe von 80’000 Franken zum Widerruf, sagt Christen. Und auch nur dann, wenn er verhältnismässig sei. «Diese Bundesvorgaben setzt der Kanton Zürich mit Augenmass um.»

Die Angst der Ausländer vor der Sozialhilfe sei nicht unbegründet, sagt Marc Spescha. Der Anwalt ist Lehrbeauftragter für Schweizer Migrationsrecht an der Universität Freiburg und seit Jahren lautstarker Kritiker des Zürcher Migrationsamts. Dieses unterstelle immer wieder leichthin einen selbst verschuldeten Sozialhilfebezug. Für einen demnächst erscheinenden Aufsatz in der Onlinezeitschrift «Jusletter» trug er dazu zahlreiche Fälle zusammen. «Auch die Corona-Botschaft von Bundesrätin Keller-Sutter ist in der Zürcher Behördenpraxis nicht angekommen», sagt Spescha und verweist auf einen aktuellen Fall. Eine Frau hätte gemäss dem Migrationsanwalt Ende 2020 Anrecht auf die Umwandlung ihrer Aufenthalts- in eine Niederlassungsbewilligung gehabt. Doch diese Verbesserung sei ihr verwehrt worden, obwohl sie ihren Job rein Corona-bedingt verloren habe. «Auch das ist eine Benachteiligung», sagt Spescha.

Die Gangart der Zürcher Migrationsbehörde gegenüber Sozialhilfeziehenden habe sich in den vergangenen Jahren verschärft, kritisiert der Anwalt und spricht von einem «beschämenden Umgang mit Armutsbetroffenen» – auch während der Krise. Spescha ist SP-Mitglied. Doch auch von rechts kommt Kritik.

Kritik auch aus der SVP

SVP-Kantonsrat Valentin Landmann vermisst vor allem klare und überprüfbare Kriterien, die zu einer Rückstufung führen können. Teils werde im Migrationsverfahren kulant und teils mit Härte vorgegangen. Ein Kriterium sollte etwa sein, wie lange eine Person vor der Sozialhilfeabhängigkeit schon in der Schweiz gearbeitet habe. «Es darf nicht sein, dass ein anständiger und über Jahre rechtschaffener Ausländer jetzt das Sozialamt meidet», sagt Landmann. Während der Corona-Krise seien in vielen Fällen einzig die von den Behörden ergriffenen Massnahmen zur Pandemie schuld daran, dass Menschen ihre Arbeit nicht ausüben könnten und in Existenznot gerieten, sagt Landmann.

Auch mit diesen Vorwürfen der Migrationsanwälte hat diese Zeitung die Sicherheitsdirektion konfrontiert. Diese verwies auf das Bundesgesetz, das der Kanton Zürich «mit Augenmass» umsetze.

Aufklärungsarbeit müsse verbessert werden

Weil es keine Zahlen gibt, wie viele Personen aus welchen Gründen auf Sozialhilfe verzichten, fordern Alan Sangines und Vera Ziswiler (beide SP) vom Zürcher Stadtrat einen Bericht. «Es müssen Fakten her, um langfristige Lösungen, auch nach der Pandemie, zu finden», sagt Sangines.

Auch das eidgenössische Parlament beschäftigt sich mit der Problematik. Nationalrätin Samira Marti (SP) reichte im vergangenen Juni eine parlamentarische Initiative ein und will damit das Ausländergesetz ändern. Wegweisungen wegen Sozialhilfebezugs sollen nach zehn Jahren in der Schweiz nicht mehr möglich sein – es sei denn, die Person habe die Bedürftigkeit mutwillig herbeigeführt oder mutwillig so belassen. Unterschrieben haben die Initiative Parlamentarier von SP, Grünen, GLP, CVP und FDP.

«Das Ausländergesetz entfaltet während Corona seine volle Willkür», sagt Marti. Karin Keller-Sutter erkenne zwar die Armut, trotzdem belasse sie die Umsetzung den Kantonen. «Die Migrationsämter legen leider unterschiedlich aus, wann ein Sozialhilfebezug «erheblich», «dauerhaft» oder «selbst verschuldet» ist. Und solange die Betroffenen nichts von der Regeländerung wissen, gehen sie den Behörden lieber aus dem Weg», sagt Marti.

In José Pintos Fall wären die Hürden für eine Rückstufung allein wegen Sozialhilfebezugs hoch – als EU-Bürger gelten für ihn die Rechte aus dem Freizügigkeitsabkommen. Doch statt sich beim Sozialamt zu melden, hat Pinto die Hoffnung, dass es bald wieder Arbeit für ihn gibt. «Ich versuche es immer weiter.» Für Menschen in der Reinigung bleibe die Situation aber auch nach der Pandemie hart. «Auch wenn ich pausenlos arbeite oder mehrere Jobs habe, wird es Ende Monat knapp», sagt Pinto. Wehre er sich, drohe gleich die Kündigung.



Das sind die verschiedenen Bewilligungen

–  Niederlassungsbewilligung C: Sie wird in der Regel nach fünf oder zehn Jahren Aufenthalt erteilt (je nach Staatsangehörigkeit oder Zulassungsgrund). Sie ist grundsätzlich unbefristet, muss aber alle fünf Jahre zur Kontrolle vorgelegt werden.

– Aufenthaltsbewilligung B: Aufenthalter sind Ausländerinnen und Ausländer, die sich für einen bestimmten Zweck längerfristig mit oder ohne Erwerbstätigkeit in der Schweiz aufhalten. Die Bewilligung wird an EU-/Efta-Staatsangehörige für fünf Jahre erteilt. Für Personen aus anderen Staaten ist die Gültigkeitsdauer ein Jahr.

– Vorläufige Aufnahme F: Diese Bewilligung erhalten Asylsuchende, die nicht als Flüchtlinge anerkannt, aber vorläufig aufgenommen wurden. Die Bewilligung muss jedes Jahr erneuert werden.

– Asylsuchende N: Der Ausweis gibt einer Person von der Gesuchstellung bis zur Beendigung des Asylverfahrens ein Anwesenheitsrecht in der Schweiz. (anp)



Unterschied EU-/Efta- und Drittstaatangehörige

Ob eine Aufenthaltsbewilligung entzogen werden kann, kommt auch darauf an, ob man aus einem EU-/Efta-Staat oder aus einem Drittstaat kommt. Bei Staatsangehörigen der EU-/Efta-Länder dürfen die Rechte aus dem Freizügigkeitsabkommen nur aus Gründen der öffentlichen Sicherheit, Ordnung und Gesundheit eingeschränkt werden. Alle Massnahmen müssen «verhältnismässig» sein, das heisst, die öffentlichen Interessen müssen die privaten Interessen überwiegen. Grundsätzlich unterscheidet man, ob die Bedürftigkeit selbst verschuldet ist oder nicht. Nicht immer führt Sozialhilfebezug zum Verlust des Aufenthaltsstatus, beim C-Ausweis ist die Hürde höher als beim B-Ausweis. Der Bezug muss dann dauerhaft und erheblich sein. (anp)
(https://www.tagesanzeiger.ch/wir-raten-uns-ab-aufs-sozialamt-zu-gehen-990389926633)