Medienspiegel 19. Februar 2021

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++APPENZELL AUSSERRHODEN
Am Montag ziehen die ersten Flüchtlinge ins neue Asylzentrum Sonneblick ein – Sozialdirektor Balmer ist zufrieden: «Wir haben eine gute Anschlusslösung gefunden»
Die Vorbereitungsarbeiten im «Sonneblick» in Walzenhausen sind abgeschlossen. Das Asylzentrum wird am kommenden Montag eröffnet. Das bisherige Zentrum Landegg wird planmässig durch den Kanton St. Gallen per Ende März geschlossen.
https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/appenzellerland/walzenhausen-umbauarbeiten-abgeschlossen-am-montag-ziehen-die-ersten-fluechtlinge-im-asylzentrum-sonneblick-ein-ld.2104240
-> https://www.dieostschweiz.ch/artikel/asylzentrum-sonneblick-oeffnet-3ndQBPm


+++SCHWEIZ
Privatfirmen ade: Gemeinden nehmen das Asylwesen selber in die Hand – und sparen so Geld
Immer mehr Kommunen übernehmen die Asylbetreuung selbst, weil ihnen das Gebaren der privaten Firmen ein Dorn im Auge ist.
https://www.watson.ch/!803015155
-> https://www.aargauerzeitung.ch/meinung/kommentar-die-beutreuung-von-gefluechteten-ist-ein-asylpolitischer-missstand-ld.2104162



Staatspolitischen Kommission des Nationalrates:

Keine Wohnsitzpflicht für Kinder von Flüchtlingen, die eine AHV- oder IV-Rente beziehen

Mit 17 zu 7 Stimmen lehnt die Kommission die von der Schwesterkommission eingereichte parlamentarische Initiative ab, mit der die Frage der Wohnsitzpflicht für Flüchtlinge, die eine AHV- oder IV-Rente beziehen, geklärt werden soll (20.458 «Wohnsitzerfordernis von Flüchtlingen bei AHV und IV»). Die Initiative fordert, dass alle Rentenempfänger – auch die Kinder – in der Schweiz wohnhaft sein müssen, damit Zusatzbeiträge für Kinder beansprucht werden können.
Aufgrund eines Bundesgerichtsentscheids vom Januar 2020 können Renten für Kinder von AHV- oder IV-Bezügern ausbezahlt werden, selbst wenn diese im Ausland wohnen. Die Kommission sieht keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf und ist der Ansicht, dass eine Abweichung eines wichtigen Internationalen Abkommens wie hier der Flüchtlingskonvention nicht begründet werden kann, zumal die Einsparungen aufgrund der wenigen Fälle sehr gering wären.

Schutzbedürftigenstatus bleibt unverändert

Die SPK-N hält an ihrem Entscheid fest und beantragt ihrem Rat mit 12 zu 11 Stimmen, nicht auf den Entwurf des Ständerates einzutreten, wonach bei schutzbedürftigen Personen (S-Status) für den Familiennachzug die gleichen Voraussetzungen gelten sollen wie bei vorläufig Aufgenommenen (16.403 «Familiennachzug. Gleiche Regelung für Schutzbedürftige wie für vorläufig Aufgenommene»). Die Kommission sieht in dieser Änderung keinen Mehrwert, da der S-Status von den Bundesbehörden nie vergeben wurde. Anstatt eine Ungleichbehandlung zu beseitigen, würde diese Anpassung vielmehr die Lage der betreffenden Personen verschlechtern. Falls der Nationalrat dem Antrag seiner Kommission folgen sollte, wäre diese Vorlage somit vom Tisch.
Eine Minderheit beantragt, auf den Entwurf einzutreten, da mit der geplanten Änderung die Vergabe des Schutzbedürftigenstatus erleichtert werden dürfte und so schutzbedürftigen Personen ein vorläufiger Schutz gewährt werden könnte, ohne das Schweizer Asylsystem zu überlasten.

(…)

Überprüfung von Mobiltelefonen von Asylsuchenden zur Feststellung ihrer Identität

Mobiltelefone und andere Datenträger von Asylsuchenden sollen überprüft werden können, wenn wegen fehlender Dokumente die Identität der Asylsuchenden nicht ermittelt werden kann. Die Kommission hat die zustimmende Stellungnahme des Bundesrates zur Kenntnis genommen. Die Vorlage 17.423 «Mitwirkungspflicht im Asylverfahren. Überprüfungsmöglichkeit bei Mobiltelefonen» geht nun an den Rat.
(https://www.parlament.ch/press-releases/Pages/mm-spk-n-2021-02-19.aspx)
-> https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/fluchtlinge-mit-gleichem-anspruch-auf-kinderrenten-wie-schweizer-65874320


+++GRIECHENLAND
 (Mission-Lifeline.de – @SEENOTRETTUNG)
Es brennt im Lager #Moria2. Lt. Augenzeugen soll eine defekter Verteilerkasten die Ursache sein. Noch immer werden tausende Menschen unter schrecklichen Bedingungen gefangen gehalten – in der EU, zur Abschreckung von Flüchtlingen. #Karatepe
https://twitter.com/i/status/1362756501551648769
-> https://twitter.com/i/status/1362753662448066565


“Sexuelle Belästigung nimmt zu”
Heimliche Aufnahmen zeigen Europas Schandfleck
Das Elend, das in Kara Tepe auf Lesbos schwelt, soll offiziell niemand sehen. Zutritt ist verboten. Diese Bilder aber zeigen, wie massiv sich die Lage durch Winterstürme verschlimmert hat.
https://www.t-online.de/nachrichten/panorama/id_89485272/heimliche-aufnahmen-zeigen-europas-schandfleck-auf-lesbos.html


+++MITTELMEER
Rettungsschiff Sea-Watch 3 nach acht Monaten wieder im Mittelmeer
Der Einsatz startet vom spanischen Hafen Burriana aus. Währenddessen sucht das spanische NGO-Schiff Aita Mari einen sicheren Hafen
https://www.derstandard.at/story/2000124322611/rettungsschiff-sea-watch-3-nach-sieben-monaten-wieder-im-mittelmeer?ref=rss


+++GASSE
Basel: Notschlafstellen für Bettler – Schweiz Aktuell
In Basel sollen die Notschlafstellen in den kalten Monaten auch den osteuropäischen Bettelnden zur Verfügung stehen. Der Kanton bezahlt dafür. Doch das Angebot hat einen Haken.
https://www.srf.ch/play/tv/schweiz-aktuell/video/basel-notschlafstellen-fuer-bettler?urn=urn:srf:video:eff3df31-4deb-41d5-8925-4acc5d781ba4


Verdrängung marginalisierter Gruppen bringt neue Herausforderungen für Sozialarbeit
Arme, alkohol- und drogenkranke Menschen werden zunehmend aus dem öffentlichen Raum der Städte verbannt
https://www.derstandard.at/story/2000124006178/verdraengung-marginalisierter-gruppen-bringt-neue-herausforderungen-fuer-sozialarbeit?ref=rss


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Gedenkveranstaltung in Basel: Hanau ist überall
Auf dem Marktplatz fand heute eine Kundgebung zum Jahrestag des rassistischen Anschlags in Hanau statt. Der Bericht in Text und Ton.
https://bajour.ch/a/wxZQ9gAT3GpwDSzI/gedenkveranstaltung-in-basel-hanau-ist-uberall



Basler Zeitung 19.02.2021

Kundgebung in Basel: Hunderte wollen ein Zeichen gegen Rechtsterror setzen

Vor genau einem Jahr ermordete ein Rechtsextremist in der hessischen Stadt Hanau zehn Menschen. Zum Jahrestag gedachten in Basel zahlreiche Personen der Opfer – und beklagten «systemischen Rassismus».

Simon Bordier

Am Freitagabend haben sich schätzungsweise 500 Personen auf dem Basler Marktplatz versammelt, um der Opfer des Anschlags vor genau einem Jahr in Hanau zu gedenken. In der hessischen Stadt hatte ein Rechtsextremer am 19. Februar 2020 insgesamt zehn Menschen ermordet. Er schoss auf Menschen mit Migrationshintergrund in Shisha-Bars, einem Kiosk und in einer herkömmlichen Bar. Danach brachte er seine Mutter und sich selbst um. (Hier eine Rekonstruktion der Tatnacht).

Wie vielerorts in Deutschland riefen nun auch Personen in Basel zu einer Gedenkveranstaltung auf. Unter dem Motto «Hanau – Kein Vergeben, kein Vergessen» war in den sozialen Medien und auf Internetplattformen von Linksautonomen für die Kundgebung mobilisiert worden. Hunderte sind dem Aufruf gefolgt und trafen sich gegen 18 Uhr auf dem Marktplatz. Darunter fanden sich zahlreiche Träger von Fahnen mit kommunistischen Symbolen und Emblemen von Migranten-Organisationen. Von den grob geschätzten 500 Demonstranten war aber nur ein Teil einer politischen Gruppierung zuordenbar; es strömten auch viele einfache Junge herbei. Die Versammelten hielten sich grossmehrheitlich an die Maskenpflicht.

In einer Eröffnungsrede, die über Boxen verstärkt wurde, beklagte eine Sprecherin, dass Hanau kein Einzelfall, sondern ein Beispiel für ein «strukturelles Problem» sei. So hätten in Deutschland Hunderte von Rechtsextremen und sogenannten Reichsbürgern Zugang zu Waffen. Hinweise auf mögliche rechtsextreme Attacken würden von den Behörden immer wieder ignoriert.

Notausgang versperrt

In der Tatnacht selbst habe es tödliche Pannen gegeben, gab die Rednerin zu bedenken. So seien mehrere Notrufe bei der Polizei eingegangen, doch diese seien oft unbeantwortet geblieben. Zudem sei der Notausgang in einer der Sisha-Bars, die sich der Attentäter zum Ziel genommen habe, blockiert gewesen. «Der Notausgang wurde auf polizeiliche Anordnung geschlossen, damit bei rassistischen Polizeirazzien, die dort regelmässig stattfanden, niemand flüchten konnte», so die Rednerin in Basel. «Dies ist der systemische Rassismus, der uns tötet.»

Die deutschen Behörden haben im Nachgang des Attentats tatsächlich Pannen zugegeben. «Es ist richtig, dass die Polizeistation nur eine begrenzte Anzahl von Anrufen in dieser Nacht entgegennehmen konnte», erklärte unlängst der hessische Innenminister. Es habe schon länger ein Kapazitätsproblem beim Notruf gegeben.

Fakt ist auch, dass der Notausgang einer Shisha-Bar versperrt war – und somit auch ein potenzieller Fluchtweg. Die Polizei Südosthessen, in deren Zuständigkeit Hanau liegt, beteuert aber, dass die Blockierung nicht auf polizeiliche Weisung hin erfolgt sei. «Grundsätzlich ergeht durch die Polizei niemals eine Weisung oder Aufforderung, Notausgänge zu verschliessen oder auf andere Weise zu versperren», lässt sich die Polizei in einem FAZ-Bericht zitieren.

Demonstration ja, Fasnachtsumzug nein

Die Kundgebung auf dem Marktplatz ist die letzte in einer Reihe von Demonstrationen, die in Basel fast schon regelmässig – wenn auch aus jeweils unterschiedlichem Anlass – stattfinden. So zogen am letzten Samstag rund 250 prokurdische Aktivisten durch die Innenstadt, um «gegen den andauernden Besatzungskrieg der Türkei» zu protestieren. Auch an diesem Samstag wollten wieder prokurdischen Aktivisten auf die Strasse gehen, doch die Erlaubnis dafür wurde den Organisatoren gemäss Prime News wieder entzogen.

Die Basler Polizei verfolgt eine Deeskalationsstrategie und lässt Demonstranten in der Regel ziehen, sofern sie friedlich bleiben. Am Freitag bei der Gedenkveranstaltung auf dem Marktplatz hielten sich die Sicherheitshüter diskret im Hintergrund. Die Kundgebung, bei der sich verschiedene Redner zum Thema Rassismus äusserten, wirkte friedlich. Toprak Yerguz, Sprecher der Kantonspolizei Basel-Stadt, sagt auf Anfrage: «Die Kundgebung war bewilligt und verlief ruhig.»

Solche Veranstaltungen bleiben gleichwohl umstritten, da andere öffentliche Aktivitäten – insbesondere Fasnachtsveranstaltungen – von den Behörden wegen der Pandemielage nicht toleriert werden.
(https://www.bazonline.ch/der-marktplatz-fuellt-sich-mit-hunderten-demonstranten-500766134561)



primenews 19.02.2021

Polizei bewilligt erst Demo – und macht dann Rück¬zieher

Die Behörden entzogen einer Kurden-Kund¬gebung die Erlaubnis. Begründung: «Unmut in der Bevölkerung in Corona-Zeiten».

von Oliver Sterchi

Unter dem Motto «Afrin Befreien. Frauenrevolution verteidigen!» ist für morgen Samstag eine Kundgebung der kurdischen Community und ihrer Unterstützer aus dem linken Spektrum angekündigt.

Der Demo-Aufruf wurde auf den einschlägigen Portalen geteilt. Besammlung: 13:30 Uhr beim De-Wette-Park. Die Demonstration wurde von den Behörden bewilligt. Zumindest ursprünglich.

Inzwischen hat die Basler Polizei die Bewilligung wieder zurückgezogen. Dies bestätigt der Sprecher des Justiz- und Sicherheitsdepartements, Toprak Yerguz, gegenüber Prime News.

«Es trifft zu, dass die Kantonspolizei eine Kundgebungsbewilligung für den Samstag entzogen hat», schreibt der JSD-Sprecher.

Aufgrund «aktueller Entwicklungen» sei die Polizei in einer Güterabwägung zum Schluss gekommen, dass die «sicherheitsrelevante Lagebeurteilung» diesen Schritt rechtfertigen würde.

Zur Begründung nennt Yerguz folgende Punkte: Der «Unmut der Bevölkerung in Coronazeiten», die «Basler Nicht-Fasnacht» sowie Parallelveranstaltungen, die zur selben Zeit stattfänden.

Demo vom letzten Samstag sorge für Unmut

Der Verweis auf den «Unmut» in der Bevölkerung lässt aufhorchen: Bereits vergangenen Samstag zog eine Kurden-Demo durch die Innenstadt.

In den Kommentarspalten der sozialen Medien echauffierten sich die Leute daraufhin: Die Fasnacht darf nicht stattfinden, aber Kundgebungen schon – das sorgte für Kopfschütteln.

Allerdings erlaubt die Verordnung des Bundesrates politische Kundgebungen – im Gegensatz zu kulturellen und gesellschaftlichen Grossveranstaltungen wie die Fasnacht. Dennoch: So manch einer konnte das nur schwer nachvollziehen.

Im Spiegelhof hat man dies offenbar registriert. Zwei Tage vor der Nicht-Fasnacht eine Demo mit hunderten Leuten durch die Stadt marschieren zu lassen hätte die öffentliche Stimmung wohl zusätzlich aufgeheizt.

Hanau-Kundgebung auf Marktplatz bleibt erlaubt

JSD-Sprecher Yerguz betont denn auch, dass die Polizei in den letzten Wochen bereits drei andere Kundgebungen derselben Gesuchsteller bewilligt hatte, darunter auch die vom letzten Wochenende.

Der Entzug der vierten Bewilligung für morgen Samstag erachte man deshalb als «verhältnismässig».

Zu den bewilligten Kundgebungen gehört schliesslich auch eine Versammlung von heute Abend auf dem Marktplatz. Dort wollen die Organisatoren den Opfern des Anschlags von Hanau gedenken.

Vor einem Jahr hatte ein rechtsextremer Angreifer in der hessischen Stadt zehn Menschen ermordet, die meisten davon mit Migrationshintergrund.

Die Bewilligung für diese Kundgebung sei nach wie vor gültig, sagt Yerguz.
(https://primenews.ch/articles/2021/02/polizei-bewilligt-erst-demo-und-macht-dann-rueckzieher)


+++REPRESSION DE
„Rigaer 94“: 717 Polizeieinsätze in einem Jahr
Berlin. In der direkten Umgebung des teilweise von Linksradikalen besetzten Hauses in der Rigaer Straße in Berlin-Friedrichshain hat die Polizei im vergangenen Jahr 717 Einsätze erfasst. Einige hundert Ermittlungsverfahren für verschiedene Delikte in der Rigaer Straße wurden eingeleitet, wie aus der Antwort der Senatsinnenverwaltung auf eine Anfrage des FDP-Abgeordneten Paul Fresdorf hervorgeht.
https://www.morgenpost.de/berlin/article231605649/Rigaer-94-717-Polizeieinsaetze-in-einem-Jahr.html
-> https://taz.de/Linksradikales-Projekt-Rigaer-Strasse-94/!5747513/?x


Wagenplatz ist Risikokapital
In Berlin soll ein Teil der »Köpi« geräumt werden. Das Ultimatum des Besitzers sorgt für Widerstand.
Das autonome Wohn- und Kulturprojekt Köpi ist seit über 30 Jahren fester Bestandteil der linken Szene Berlins und auch international bekannt. Dass ihr Wagenplatz nun geräumt werden soll, wollen die Bewohner*innen nicht hinnehmen.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1148551.koepi-wagenplatz-ist-risikokapital.html


+++MENSCHENRECHTE
Häftlinge dürfen auf Website des Menschenrechtsgerichtshofs zugreifen
Die Türkei verweigerte einem Insassen den Zugriff auf die Website des EGMR. Dieser entschied nun, dass sie damit das Grundrecht auf Informationsfreiheit verletzte
https://www.derstandard.at/story/2000124289166/haeftlinge-duerfen-auf-website-des-menschenrechtsgerichtshofs-zugreifen?ref=rss


+++POLIZEI BS
Verbreitet ein Basler Polizist rechtsextreme Inhalte?
Recherchen von das Lamm deuten darauf hin, dass ein Basler Polizist rechtsextreme Inhalte auf sozialen Medien teilt. Welche Konsequenzen das für ihn hat, will die Kantonspolizei nicht sagen. Es ist nicht der erste Fall.
https://daslamm.ch/basler-polizist-postet-rechtsextreme-inhalte/


+++POLIZEI TG
tagblatt.ch 19.02.2021

«Gewisse Leute nehmen die Polizei nicht mehr ernst»: Der Präsident des Thurgauer Polizeiverbandes verteidigt den sogenannten Kaugummi-Paragraphen

Gaffer riskieren eine Busse, wenn sie sich nicht wegschicken lassen. Pascal Schmid, Präsident des Personalverbands der Kantonspolizei, erklärt, weshalb das für die Polizei wichtig ist.

Thomas Wunderlin

«Wer Anordnungen der Kantonspolizei missachtet, die sie im Rahmen ihrer Befugnisse erlässt, wird mit Busse bestraft.» Der Grosse Rat hat am Mittwoch in erster Lesung beschlossen, diesen Satz ins kantonale Einführungsgesetz zum Schweizerischen Strafgesetz einzufügen. Ähnliche Bestimmungen gelten unter anderem in den Städten Zürich und Winterthur und im Kanton Schaffhausen.

In der Debatte erhielt er die Bezeichnung Kaugummiparagraf, da ein Gegner argumentiert hatte, nun könne man für das Kauen eines Kaugummis bestraft werden. Dies werde möglich, wenn in einer Kontrolle ein Polizist erkläre, er verstehe den Kontrollierten nicht, er solle den Kaugummi aus dem Mund nehmen und sich dieser weigere.

Zu den Befürwortern der neuen Bestimmung zählt Pascal Schmid (SVP, Weinfelden), Präsident des Verbands Kantonspolizei Thurgau und Präsident des Weinfelder Bezirksgerichts.

Kann die Polizei in Zukunft jemanden büssen, weil er sich weigert, einen Kaugummi aus dem Mund zu nehmen?

Pascal Schmid: Nein, ganz sicher nicht.

Das sei eine mögliche Folge der neuen Bestimmung, hiess es in der Grossratsdebatte. Im Thurgau riskiert man neu eine Busse, wenn man sich einer Anordnung eines Polizisten widersetzt.

Das Beispiel ist an den Haaren herbeigezogen. Wer das behauptet, spricht den Polizisten jeglichen gesunden Menschenverstand ab. Selbst wenn ein Polizist deswegen jemanden verzeigen würde, gäbe es keine Busse. Ein Staatsanwalt müsste sie verhängen und einen Strafbefehl erlassen, den man ausserdem vor Gericht anfechten könnte.

Es ist mühsam, eine Busse anzufechten.

Im Strassenverkehr kann die Polizei direkt Ordnungsbussen verteilen. Wir kennen ihn alle, den unangenehmen Einzahlungsschein hinter der Windschutzscheibe. Hier geht das nicht. Der Polizist muss den Fehlbaren bei der Staatsanwaltschaft verzeigen. Also nach der Schicht noch einen Rapport schreiben, statt nach Hause zu gehen. Das wird er nur mit Grund tun.

Aber Gaffer riskieren eine Busse?

Ja, wenn sie die Arbeit der Polizei behindern oder deren Anweisungen nicht befolgen. Das ist der Unterschied zum Kaugummi. Wenn die Polizei jemanden im Rahmen ihrer Befugnisse wegweist und er sich weigert, kann er gebüsst werden.

Ein Kantonsrat glaubt, er könne in Zukunft nur schon gebüsst werden, wenn er blöd schaue. Kommen wir in die Nähe eines Polizeistaats?

Ganz bestimmt nicht. Gegen jede Busse gibt es Einsprachemöglichkeiten. Sie kommt nicht einmal ins Strafregister. Es geht um die passive Hinderung einer Amtshandlung, das ist nur eine Übertretung. Bereits jetzt macht sich strafbar, wer aktiv eine Behörde oder einen Beamten an einer Handlung hindert, die innerhalb ihrer Amtsbefugnisse liegt. Das ist gemäss Strafgesetzbuch ein Vergehen, das im Strafregister eingetragen wird. Mit der kantonalen Bestimmung schliessen wir eine Lücke.

Ist die Missachtung polizeilicher Anordnungen nicht vor allem ein Problem der Städte?

Tendenziell ja. Am Bahnhof Weinfelden haben wir grade sehr urbane Probleme. Auf dem Land gibt es solche natürlich weniger, das ist klar. Die neue Bestimmung wird nicht oft zur Anwendung kommen. Für die Polizei ist es gut, wenn sie eine Busse androhen kann. Das hat eine abschreckende Wirkung.

Ist sie nötig?

Leider ja, die Sitten verrohen. Es geht darum, der Polizei den Rücken zu stärken. Sie steht heute viel mehr unter Beschuss als vor 20 Jahren. Gewisse Leute nehmen die Polizei schlichtweg nicht mehr ernst. Übergriffe nehmen zu. Regelmässig sind auch Sanitäter betroffen. Die Polizei soll Gaffer wegschicken, damit die Sanitäter helfen können.

Ist es nicht legitim, wenn ein Passant beispielsweise bei einem Unfall den Einsatz der Retter beobachten möchte?

Ja, so lange er nicht stört. Es kommt auf den Einzelfall an. Die Polizei muss die Kompetenz haben, einen Ort abzusperren. Zuschauer können die Rettung behindern. Es ist schon vorgekommen, dass die Rega ihretwegen kaum landen konnte. Rettungsfahrzeuge können nicht hinfahren. Es geht auch darum, die Opfer zu schützen. Auf Social Media sieht man geschmacklose Aufnahmen von Opfern, die nicht gefragt worden sind, ob sie gefilmt werden wollen. Wenn ein Verletzter am Boden liegt, muss die Polizei die Möglichkeit haben, Leute wegzuschicken, die filmen. Da hat man im Moment keine Handhabe. Hingegen werden Beschimpfungen, Drohungen und Tätlichkeiten vom Bundesrecht erfasst.

Im Grossen Rat wurden auch Autoposer erwähnt, gegen die man mit der neuen Bestimmung vorgehen könne. Wie soll das gehen?

Das Beispiel stammt nicht von mir. Dort greift eigentlich das Strassenverkehrsrecht. Fortgesetztes unnötiges Herumfahren in Ortschaften und unnötiges Verursachen von Lärm ist strafbar. Autoposer haben zudem oft Autos, die nicht ganz regelkonform sind.
(https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/frauenfeld/thurgau-gewisse-leute-nehmen-die-polizei-nicht-mehr-ernst-der-praesident-des-thurgauer-polizeiverbandes-verteidigt-den-sogenannten-kaugummi-paragraphen-ld.2103771)


+++POLIZEI CH
Informationen aus der Vorstandssitzung KKJPD vom 5. Februar 2021
https://www.kkjpd.ch/newsreader/informationen-aus-der-vorstandssitzung-kkjpd-vom-5-februar-2021.html?file=files/Dokumente/News/2021/210205%20%20Info%20%C3%BCber%20Vorstandssitzung%20Webseite%20d.pdf


+++POLIZEI DE
Die Ermittlungen gegen einen Polizei¬beamten im Todesfall Amad A. wurden eingestellt
Fahrlässig im Dienst
Im Jahr 2018 starb der damals 26jährige Syrer Amad A. an den Folgen eines Brandes in der Justizvollzugsanstalt Kleve. In der Zelle saß er wegen einer Verwechslung. Nun wurden auch die letzten noch laufenden Ermittlungen gegen einen Polizeibeamten eingestellt.
https://jungle.world/artikel/2021/07/fahrlaessig-im-dienst


+++RASSISMUS
Brian Havarie über Corona-Rassismus: «Ich sei als Asiate schuld, dass die Fasnacht gestrichen wird»
Rund ein Jahr nach Ausbruch der Corona-Pandemie erklärt Beauty-Guru Brian Havarie gegenüber 20 Minuten, wie sich der Rassismus in der Schweiz verändert hat.
https://www.20min.ch/story/ich-sei-als-asiate-schuld-dass-die-fasnacht-gestrichen-wird-662554459079


Vanessa Eileen Thompson: “Zu viele betrachten diesen Anschlag als einen Einzelfall”
Was ist besser seit Hanau? Der Widerstand gegen Rassismus wächst, sagt die Soziologin Vanessa E. Thompson. Doch gleichzeitig kämen weiße Überlegenheitsfantasien wieder.
https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2021-02/rassismus-deutschland-vanessa-eileen-thompson-anschlag-hanau-rechtsterrorismus-white-supremacy/komplettansicht


Jahrestag des Anschlags in Hanau: „Nie wieder“? Von wegen – in Deutschland hört es nie auf
Der rassistische Terroraschlag in Hanau hätte eine Zäsur sein können. Stattdessen wird im Land Diskriminierung weiter lustvoll zelebriert. Ein Kommentar.
https://www.tagesspiegel.de/kultur/jahrestag-des-anschlags-in-hanau-nie-wieder-von-wegen-in-deutschland-hoert-es-nie-auf/26930038.html
-> https://www.sueddeutsche.de/politik/hanau-attentat-taeter-vater-mitschuld-1.5208458
-> https://www.zeit.de/campus/2021-02/anschlag-hanau-rechtsextremismus-vertrauensverlust-polizei-politiker-institutionen/komplettansicht
-> https://www.srf.ch/play/radio/rendez-vous/audio/jahrestag-zum-anschlag-in-hanau?id=08978116-9b7c-48de-8695-a3150887226a
-> Film: https://www.hr-fernsehen.de/sendungen-a-z/hanau–eine-nacht-und-ihre-folgen,video-143868.html
-> https://www.srf.ch/news/panorama/attentat-von-hanau-die-versaeumnisse-der-behoerden-muessen-aufgeklaert-werden
-> https://www.srf.ch/audio/kontext/und-der-boden-weint-ein-jahr-nach-dem-attentat-in-hanau?id=11934142


+++RECHTSPOPULISMUS
Unverhüllte Absichten
Stellen wir uns einmal vor: Eine Gruppe von Menschen kündigt einen «Stop-Juden-Preis» an. Sie will in drei Sprachregionen 2000 Franken ausschütten an Personen, die sich im vergangenen Jahr besonders engagiert wider die «Verjudung» der Schweiz engagiert hätten. Die Reaktionen lassen sich leicht ausmalen: Die Redaktionen schalten auf Sturm. Sie veröffentlichen skandalisierende Berichte, vernichtende Kommentare, sie holen Stellungnahmen von Politikerinnen und Politikern ein, dann folgen Medienmitteilungen von Parteien und Engagierten der Zivilgesellschaft, allenfalls sogar parlamentarische Vorstösse im Bund und einigen Kantonen. So sollte es sein, wenn Diskriminierungswillige Angehörige einer Religion diskreditieren wollen.
https://www.tachles.ch/artikel/standpunkte/unverhuellte-absichten


Aufstand gegen Corona-Lockdown: Bürgerliche wollen Beizen öffnen – selbst bei dritter Welle
Am 22. März sollen alle Restaurants, Fitnesscenter und Clubs wieder öffnen – auch im Innenbereich. Das wollen SVP-, FDP- und Mitte-Politiker per dringliche Gesetzesänderung durchdrücken.
https://www.tagesanzeiger.ch/buergerliche-wollen-lockdown-beenden-selbst-wenn-die-dritte-welle-kommt-990743441987
-> https://www.20min.ch/story/restaurants-und-fitnesscenter-sollen-am-22-maerz-oeffnen-663318472321
-> Rendez-vous: https://www.srf.ch/play/radio/rendez-vous/audio/svp-kritisiert-corona-management-von-bundesrat-berset?id=ca63ec05-4e69-440f-bc65-499270f05c61
-> Echo der Zeit: https://www.srf.ch/play/radio/echo-der-zeit/audio/buergerliche-politiker-fuer-schnellere-corona-lockerung?id=6cf7a345-7126-44de-ac57-3f230ad14c84
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/coronakrise-mitte-und-freisinn-verurteilen-diktatur-rhetorik-der-svp
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/streit-um-coronamassnahmen-wiedereroeffnung-der-restaurants-erste-kantone-wollen-ausscheren



derbund.ch 19.02.2021

«Aufstand» gegen Bundesrat: Berner FDP-Politikerin macht auf Trump

FDP-Politikerin Christine Kohli twittert, dass das Volk den Bundesrat «lynchen» könnte. Die Partei distanziert sich, verzichtet aber auf Sanktionen.

Bernhard Ott

Beim letzten Ausrutscher auf Twitter wurde sie von Erich Hess (SVP) zu einem Parteiübertritt eingeladen. Doch die 41-jährige Christine Kohli ist nach wie vor in der FDP und sitzt im Vorstand der Sektion Kiesental. In den letzten Grossratswahlen schaffte sie es gar auf den ersten Ersatzplatz im Wahlkreis Bern-Mittelland Süd. Bei der nächsten Vakanz könnte die streitbare Persönlichkeit ins Kantonsparlament nachrücken.

Kohlis neuster Fauxpas betrifft Corona – und er steht in bedenklicher Nähe zum Sturm von Anhängern des einstigen US-Präsidenten Donald Trump aufs Capitol am 6. Januar: «Ich glaube, die dritte Welle wird nicht Corona sein, sondern das Volk, das vors Bundeshaus zieht und den Bundesrat lyncht», hält die Marketing- und Kommunikationsfachfrau in einem Tweet von dieser Woche fest. Leider sei zu befürchten, «dass die ‹Pandemie› nur durch einen Aufstand unsererseits beendet werden kann». Mit dem in Anführungs- und Schlusszeichen gesetzten Begriff der Pandemie stellt Kohli die Existenz der Seuche gleich grundsätzlich infrage.

Vizepräsident relativiert

Das dürfte aber kaum der Hauptgrund dafür gewesen sein, dass der Screenshot des Tweets inner- und ausserhalb der FDP die Runde machte. War das nun ein Aufruf zur Lynchjustiz? FDP-Parteipräsident Stephan Lack nimmt die Sache ernst. «Die FDP Kanton Bern distanziert sich in aller Form von solchen Aussagen», hält er in einer schriftlichen Stellungnahme fest. Dies entspreche nicht dem Stil der Partei, und 99,9 Prozent der Mitglieder hielten sich daran, sagt Lack.

Anlass für allfällige disziplinarische Massnahmen gegen Kohli sieht man in der Parteileitung dennoch keine. «Es handelt sich ja nicht um einen Aufruf zur Gewalt», findet Vizepräsident Adrian Haas. In diesem Sinne sei der Tweet auch nicht strafrechtlich relevant. Kohli äussere nur Befürchtungen, welche die FDP als Partei nicht teile. Was mit dem im zweiten Satz erwähnten «Aufstand» gemeint sei, bleibe unklar. «Die Pandemie lässt sich ja nicht durch einen Volksaufstand beenden», sagt Haas. Im Übrigen sei ein gewisser Ärger über die zögerlichen Entscheide des Bundesrats nachvollziehbar. «Für die Gastrobetriebe zum Beispiel ist die Politik des Bundesrats fatal», sagt Haas.

Klartext vom Jungfreisinn

Kohli selbst relativiert den Tweet ganz im Sinne von Haas. Sie mache sich «grosse Sorgen um die Stimmung in der Bevölkerung». Auch die Geduldigen verstünden die Massnahmen allmählich nicht mehr. Sie hoffe wirklich, dass die Massnahmen bald gelockert würden, und wünsche allen gute Gesundheit, sagt Kohli.

Das klingt moderat. Allerdings hat Kohli ihre Partei in der Vergangenheit bereits mehr als einmal mit Tweets aufgeschreckt. So hat sie etwa nach den islamistischen Attentaten in Paris vor sechs Jahren ein nächtliches Ausgehverbot für Muslime und die Schliessung von Moscheen propagiert. Kurz zuvor hatte sie in Bezug auf Demonstrationen gefordert, dass Polizisten ihre Schusswaffen benutzen sollen, wenn sie angegriffen würden.

Damals war sie noch Präsidentin der FDP Konolfingen und wurde nach den Äusserungen im Zusammenhang mit den Pariser Attentaten von der Parteileitung zu einer Aussprache zitiert. Dabei hatte sie sich für ihre Aussagen entschuldigt, und die Sache war für die Parteileitung erledigt.

«Hoffentlich zieht sie ihre Lehren daraus», sagte damals FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen gegenüber dem «Bund». Obwohl dies offensichtlich nicht der Fall ist, braucht Kohli aber keine parteiinternen Konsequenzen zu befürchten. Einzig für die Jungfreisinnigen ist Christine Kohli nicht mehr tragbar in der FDP. Der Bundesrat betreibe ein der Situation angepasstes Pandemie-Management, das durchaus kritisiert werden dürfe, sagt Loris Urwyler, Vizepräsident der kantonalen Jungpartei. «Volksaufstände gehören aber nicht zu einer Demokratie.» Wer solche auch nur in Erwägung ziehe, sei in einer demokratischen Partei am falschen Ort. «Frau Kohli sollte sich eine neue politische Heimat suchen», sagt Urwyler.
(https://www.derbund.ch/berner-fdp-politikerin-macht-auf-trump-731510751608)


+++RECHTSEXTREMISMUS
Hakenkreuz und «Heil Hitler» an Synagoge: «Corona-Frust entlädt sich bei manchen in Antisemitismus»
Die Synagoge in Biel wurde mit Hakenkreuzen und «Heil Hitler»-Parolen geschändet. Einschlägige Vereine und Stiftungen sorgen sich um zunehmenden Antisemitismus in der Corona-Pandemie.
https://www.20min.ch/story/corona-frust-entlaedt-sich-bei-manchen-in-antisemitismus-293891648802


Synagogen-Schändung: Jüdische Gemeinde ist entsetzt
Am Donnerstag wurde die Synagoge in Biel mit antisemitischen Symbolen und Parolen verschandelt. Ein Tag danach ist der Schock bei der jüdischen Gemeinde noch immer gross. Nun melden sich erstmals auch Politiker zu Wort.
https://www.telebaern.tv/telebaern-news/synagogen-schaendung-juedische-gemeinde-ist-entsetzt-140936401
-> https://www.telebielingue.ch/de/sendungen/info/2021-02-19#chapter-1e2e08d3-d99a-4148-b300-cd82ade12579



bielertagblatt.ch 19.02.2021

Entsetzen über Hakenkreuz an Synagoge

Die Jüdische Gemeinde Biel ist gestern Opfer eines antisemitischen Vorfalls geworden: Unbekannte haben ein Hakenkreuz und Parolen in die Tür der Synagoge geritzt. Das Entsetzen ist gross – aber auch die Solidarität mit der Gemeinde.

Lino Schaeren

Ralph Friedländer hängt braunes Packpapier an die Tür der Synagoge der Jüdischen Gemeinde Biel. Der Vize-Präsident des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebunds (SIG) verdeckt damit behelfsmässig, was ihn tief erschüttert hat: Gestern Morgen haben Passanten entdeckt, dass Unbekannte mit einem scharfen Gegenstand antisemitische und nationalsozialistische Botschaften auf der Eingangstür der Synagoge hinterlassen haben. Ein grosses Hakenkreuz sowie die Parolen «Sieg Heil» und «Juden Pack» wurden eingeritzt. Die Jüdische Gemeinde Biel und der SIG benennen den Angriff als «Schändung der Synagoge» und schreiben in einer gemeinsamen Medienmitteilung von einem «schweren antisemitischen Vorfall». Sie wollen eine Strafanzeige einreichen.

Tatsächlich wiegt die Tat auch im landesweiten Kontext schwer. SIG-Generalsekretär Jonathan Kreutner sagt: «Dass ein jüdisches Gotteshaus mit antisemitischen Parolen versehen wird, ist in der Schweiz aussergewöhnlich.» Auch deshalb wurde die Kommunikation im Zusammenhang mit dem Vorfall zur Sache des Dachverbands erklärt; von der Jüdischen Gemeinde Biel war gestern niemand erreichbar. Der gestrige Vorfall in Biel ist die gravierendste von mehreren Attacken auf die jüdische Gemeinde in der Schweiz in den letzten Wochen.

Ende Januar wurden vor der Synagoge in Lausanne eine Packung Speck und ein ausgestopftes Schwein platziert, nur eine halbe Woche später wurde die Synagoge in Genf mit Schweinefleisch beworfen. Die Interkommunale Koordinationsstelle gegen Antisemitismus und Diffamierung (Cicad) bezeichnete dies als Akte von höchst symbolischer Dimension: Die Verwendung von Schweinefleisch bei solchen Übergriffen habe zum Ziel, Juden zu verhöhnen und zu demütigen. Das Schwein gilt bei den Juden als unreines Tier. In Zürich wurde am 17. Januar eine Online-Veranstaltung der Jüdischen Liberalen Gemeinde gestört, als sich vermummte antisemitische Aktivisten in das Zoom-Meeting einschlichen und unter anderem Hitler-Bilder zeigten. Auch hier wurde Anzeige erstattet.

Antisemitismus nimmt zu

Einen ersichtlichen Zusammenhang zwischen all diesen Taten gibt es bisher nicht. Trotzdem ist Christina Schuhmacher über die Häufung der Vorfälle besorgt. Die Präsidentin der Sektion Bern der Gesellschaft Schweiz-Israel (GSI) sagt: «Mit Blick auf die Anschläge im umliegenden Ausland haben wir in der Schweiz gerne das Gefühl, dass es solche Probleme bei uns nicht gibt. Vorfälle wie in Biel beweisen das Gegenteil.» Auch Kreutner vom Dachverband der Jüdischen Gemeinden ist alarmiert. Die Situation im Internet, in Leserkommentaren und sozialen Medien, sei schon länger alarmierend, sagt er. «Auf Worte folgen Taten, davor haben wir immer gewarnt und es zeigt sich einmal mehr, dass die Gefahr real ist.»

Die Zahl der antisemitischen Übergriffe hat in der Schweiz in den letzten Jahren allerdings nicht merklich zugenommen. Im Antisemitismusbericht 2019 für die Deutschschweiz werden 38 antisemitische Vorfälle aufgeführt, 2018 waren es 42, ein Jahr zuvor 39. Auch die Zahlen aus der Westschweiz lassen nicht auf eine klare Zunahme antisemitischer Akte in den letzten Jahren schliessen. Das Empfinden unter den jüdischen Personen ist indes ein anderes.

In einer EU-Studie aus dem Jahr 2018 gaben 89 Prozent der Befragten an, dass der Antisemitismus seit 2013 zugenommen hat. Das war also noch vor dem Attentat auf eine Synagoge in Halle im Jahr 2019. 2020 veröffentlichte Dirk Baier, Leiter des Instituts für Delinquenz und Kriminalprävention an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, die Resultate einer ähnlich angelegten Studie wie jene aus der EU mit Bezug auf die Schweiz. Die Entwicklung wurde von den befragten jüdischen Personen in der Schweiz zwar deutlich weniger dramatisch eingestuft als im EU-Raum. Dennoch waren 74 Prozent der Studienteilnehmenden der Meinung, dass Antisemitismus in der Schweiz in den letzten fünf Jahren zugenommen hat. 89 Prozent der Befragten bezeichneten zudem den Antisemitismus im Internet als grosses Problem.

Finanzielle Unterstützung

Zurück zu Ralph Friedländer vor der Synagoge in Biel. Der Vize-Präsident des SIG sagt, dass die Politik in den letzten Jahren die Gefahr erkannt habe, die von Extremisten auch in der Schweiz auf religiöse Minderheiten ausgehe. Ausdruck davon ist die halbe Million Franken, die der Bund 2020 für die bessere Sicherung von religiösen Einrichtungen gesprochen hat. Ein kleiner Betrag davon – 3750 Franken – ging auch an die Bieler Synagoge, die damit kleine bauliche Verbesserungen vornehmen wollte im Schutz gegen Terror- und Hassangriffe. Zuvor hatte bereits die Stadt Biel finanzielle Hilfe zugesichert. Friedländer lobt dieses Engagement; hadert gleichzeitig aber damit, dass sich der Kanton Bern nicht auch beteiligt.

So wird zwar der Polizeischutz vom Staat finanziert – bei Veranstaltungen in der Synagoge sind in der Regel Einsatzkräfte der Polizei in der Nähe, zu denen die gläubige Gemeinde einen direkten Kontakt hat. Friedländer verweist aber auf die laufenden Sicherheitskosten, die für die Jüdischen Gemeinden etwa durch die Eingangskontrollen bei Gottesdiensten entstünden. Einige Gemeinden hätten dafür eigens einen Sicherheitsbeauftragten mandatiert.

Grosse Solidarität

Die Bieler Gemeinde dürfte dafür allerdings zu klein sein. Die im frühen 19. Jahrhundert gegründete Gemeinschaft war einst eine grosse Kommune, heute zählt die Gemeinde aber nur noch zwischen 30 und 40 Mitglieder. Laut Ralph Friedländer zieht es immer mehr Jüdinnen und Juden in die grossen Zentren, etwa nach Zürich, wo die grösste Jüdische Gemeinde der Schweiz beheimatet ist. So kommt es, dass die Bieler Gemeinde immer kleiner wurde und heute überaltert ist; wobei die Mitgliederzahl in den letzten Jahren laut Friedländer stabilisiert werden konnte.

So klein die Gemeinde in Biel, so gross ist die Unterstützung, die sie nach Bekanntwerden der gestrigen Tat erfährt. Der Bieler Gemeinderat drückte seine Solidarität aus, «kein Platz für Antisemitismus und Rassismus in unserer Stadt!», schrieb Stadtpräsident Erich Fehr (SP) bei Twitter, «Wenn Dummheit unerträglich wird» Kulturdirektorin Glenda Gonzalez Bassi (PSR) bei Facebook. Auch der Berner Regierungsrat verurteilte die Schändung der Synagoge. Die Evangelisch-reformierte Kirche Schweiz liess verlauten, dass solche Taten gegen Gotteshäuser in der Schweiz keinen Platz hätten. Und Felix Gmür, Bischof des Bistums Basel, zu dem Biel einst gehörte, verurteilte die Tat «aufs Schärfste». «Es ist eine Schande, dass so etwas heute noch passiert!», schrieb er bei Twitter.

Die gestrige Attacke auf die Bieler Synagoge war die erste seit 15 Jahren. Die letzten beim Verband registrierten Vorfälle gehen auf die Jahre 2005 und 2006 zurück, als das Gebäude verschmiert und ein Fenster eingeworfen wurde. Die Gemeinde und der SIG hoffen, dass die Urheber der neuesten Hassbotschaften ermittelt werden. Der Eingang der Synagoge ist videoüberwacht. Die Aufnahmen wurden der Polizei übergeben.
(https://www.bielertagblatt.ch/nachrichten/biel/entsetzen-ueber-hakenkreuz-synagoge)


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Luzerner Bezirksgericht verurteilt Corona-Skeptiker Urs F. (38): Zu wenig Abstand kommt ihn teuer zu stehen
Der Corona-Skeptiker Urs F. (38) missachtete mehrmals die Aufforderung der Polizei, den Mindestabstand einzuhalten. Er zahlte die Busse nicht und wehrte sich vor dem Bezirksgericht Luzern. Ein bizarrer Auftritt.
https://www.blick.ch/schweiz/luzerner-bezirksgericht-verurteilt-corona-skeptiker-urs-f-38-zu-wenig-abstand-kommt-ihn-teuer-zu-stehen-id16358679.html
-> https://www.zentralplus.ch/corona-mahnwache-in-luzern-mann-wird-schuldig-gesprochen-2016439/
-> https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/luzern/covid-19-verordnung-coronamahnwache-in-luzern-zu-wenig-abstand-fuehrt-zu-saftiger-busse-ld.2103999