Medienspiegel 29. Januar 2021

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++BERN
Partizipationsanlass: Stadt für alle mit Fokus Migration
Rund 80 Personen haben an einer Online-Veranstaltung vom 27. Januar gemeinsam die Grundlagen und Ziele für die Integrationspolitik 2022-2025 der Stadt Bern diskutiert und skizziert. Teilgenommen haben Fach- und Schlüsselpersonen aus dem Bereich Migration und Rassismusbekämpfung, Migrantinnen und Migranten sowie Mitarbeitende aus den Direktionen der Stadtverwaltung.
https://www.bern.ch/mediencenter/medienmitteilungen/aktuell_ptk/partizipationsanlass-stadt-fuer-alle-mit-fokus-migration


+++ZUG
Konflikte in Asylzentren: So sieht es im Kanton Zug aus
Wo Menschen unterschiedlicher Herkunft zusammenleben, kann es zu Auseinandersetzungen kommen. Ausschreitungen, die in Gewalt gipfeln, gibt es auch im Kanton Zug, aber selten.
https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/zug/fluechtlinge-konflikte-in-asylzentren-so-sieht-es-im-kanton-zug-aus-ld.2091673


Ein dauerhafter Massiv-Bau als erster Aufenthaltsort für Flüchtlinge in Zug
Ein einheimisches Arbeitskollektiv holt sich den Sieg im Projektwettbewerb für die neue Durchgangsstation Steinhausen. Die neuen Gebäude sollen in vier Jahren bezugsbereit sein.
https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/zug/steinhausen-ein-dauerhafter-massiv-bau-als-erster-aufenthaltsort-fuer-fluechtlinge-in-zug-ld.2092469


+++SCHWEIZ
Bleiben dürfen sie nicht, gehen können sie nicht
Abgewiesene Asylbewerber leben oft lange in einem System, das nicht auf Dauer angelegt ist. Besonders hart trifft es die Kinder. Der Zustand sei zumutbar, sagen die Behörden.
https://reformiert.info/de/recherche/kinder-von-abgewiesenen-asylbewerbern-leiden-besuch-bei-familie-choten-aus-tibet–19489.html


«Speziell die Situation der Kinder ist unhaltbar»
Für Kinder in Langzeitnothilfe brauche es dringend neue Lösungen, meint der Migrationsexperte.
https://reformiert.info/de/recherche/der-migrationsexperte-walter-leimgruber-warnt-kinder-in-nothilfe-leben-in-einer-prekaeren-situation–19491.html


Nothilfe taugt nicht als dauerhafte Lösung
Im Kanton Zürich leben 300 Personen in Rückkehrzentren. In zwei Zentren sind 31 Kinder untergebracht.
https://reformiert.info/de/recherche/nothilfe-taugt-nicht-als-dauerhafte-loesung-19486.html


Chancen und Risiken der Migrationspartnerschaften
Die Eidgenössische Migrationskommission EKM veröffentlicht einen Bericht und Empfehlungen zu den Chancen und Risiken der Migrationspartnerschaften. Dieses migrationsaussenpolitische Instrument ist partizipativ ausgerichtet und inhaltlich sehr flexibel. Es kann auf übergeordneter Ebene dazu beitragen, Migration aus einer Optik der Gesamtschau zu verstehen, um die Interessen der Herkunfts-, Transit- und Zielländer aufeinander abzustimmen. Der Bericht weist aber auch auf Schwächen hin: Zum einen ist der Handlungsspielraum der Schweizer Behörden im für die Partnerstaaten wichtigen Policy-Bereich der legalen Migrationswege sehr beschränkt, zum anderen könnte die gemeinsame Zielsetzung der verschiedenen Schweizer Akteure im Sinne einer kohärenten Migrationspolitik weiter verbessert werden.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-82162.html
-> Bericht «Die Migrationspartnerschaft Schweiz-Nigeria. Chancen und Risiken»: https://www.ekm.admin.ch/ekm/de/home/dokumentation/studien.html


Tahir expulsé : les autorités genevoises exécutent un renvoi inqualifiable !
Une mobilisation large d’ami·e·s de Tahir a organisé une présence jour et nuit du 25 au 27 janvier devant le Centre de détention administrative de Frambois pour dénoncer le renvoi de Tahir et de 2 autres personnes vers l’Ethiopie, un renvoi organisé par vol spécial Frontex.
https://renverse.co/infos-locales/article/tahir-expulse-les-autorites-genevoises-executent-un-renvoi-inqualifiable-2903


Stimmen geflüchteter Frauen
Verschiedene Gruppen und Organisationen engagieren sich für das Thema Migranten und vor allem Flüchtlinge. Normalerweise wird in vielen Projekten und Veranstalltungen über die Flüchtlinge und ihre Probleme gesprochen. Aber die Flüchtlinge und noch schlimmer die Flüchtlingsfrauen selbst kommen in der Schweiz kaum zu Wort. Wer weiss mehr über die Flüchtlinge, ihre Bedürfnissse, ihre Situation und ihre Probleme als sie selbst? Wer hat ihre Schmerzen ertragen? Wer kann genauer als sie über Gewalt und Entbehrungen erzählen?
https://www.lucify.ch/2021/01/28/stimmen-gefluchteter-frauen-terre-des-femmes-frauen-gewalt-an-frauen/


+++ÖSTERREICH
Abgeschobene Schülerin meldet sich aus Georgien
Die Abschiebung von drei Schülerinnen und deren Familien sorgt für eine heftige politische Debatte. Eines der drei Mädchen ist die zwölfjährige Tina – in Österreich geboren und aufgewachsen muss sie sich nach ihrer Abschiebung nun in Georgien zurechtfinden. Am Telefon erzählt sie, wie schwer ihr das fällt.
https://tvthek.orf.at/profile/ZIB-2/1211/ZIB-2/14080089/Abgeschobene-Schuelerin-meldet-sich-aus-Georgien/14847488


Demo gegen Abschiebung: “Wie soll man noch vertrauen?”
SchülerInnen, sowie jugendliche AktivistInnen protestierten in der Nacht auf Donnerstag gegen die Abschiebung ihrer Mitschülerinnen und deren Familien. Was ist passiert?
Max Leschanz hat mit Lena Schilling, Gründerin des Jugendrates, Jakob Hundsbichler, politischer Geschäftsführer der Jungen Linken und Theo Haas, Schulsprecher des Gymnasiums Stubenbastei gesprochen.
https://www.derstandard.at/story/2000123712801/demo-gegen-abschiebung-wie-soll-man-noch-vertrauen?ref=rss
-> https://www.zeit.de/zett/politik/2021-01/abschiebung-schuelerin-oesterreich-mitschueler-asylsystem-wien/komplettansicht
-> https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/eine-nacht-zum-fuerchten


Zu Fuß über die Alpen: »Die Hoffnung ist verschwunden«
Videoaufnahmen der Hilfsorganisation »Ärzte ohne Grenzen« zeigen, wie sich Migranten von Norditalien zu Fuß über die verschneiten Alpen aufmachen. Für sie ist es die letzte Etappe einer langen Reise.
https://www.spiegel.de/panorama/migranten-wollen-zu-fuss-ueber-die-alpen-die-hoffnung-ist-verschwunden-a-c4e5d8fb-5266-4fdd-bcc2-439b8ca9ddbd


+++EUROPA
Skandal um europäische Grenzschutzagentur: Europaparlament untersucht Frontex-Verwicklung in Pushbacks
Deckt die europäische Grenzschutzagentur Verbrechen der griechischen Küstenwache, die Flüchtlinge auf offenem Meer aussetzt? Das Europaparlament erhöht jetzt den Druck auf Frontex-Chef Fabrice Leggeri.
https://www.spiegel.de/politik/ausland/europaparlament-untersucht-frontex-verwicklung-in-pushbacks-a-bf75ec58-b32d-4dcb-aeb1-71281fd9ddef


Untersuchungskommission fehlen Daten zu Frontex-Zwischenfällen im Mittelmeer
Ein Zwischenbericht entlastet EU-Grenzschützer zum Teil vom Vorwurf der Pushbacks, doch es bleiben Unklarheiten. Laut Experten dürfen Menschen nicht aus Gewässern gedrängt werden
https://www.derstandard.de/story/2000123628614/untersuchungskommission-fehlen-daten-zu-frontex-zwischenfaellen-im-mittelmeer


+++GASSE
bzbasel.ch 29.01.2021

Ein Bett für Bettler gibt’s in Basel nur gegen das Vorzeigen eines Ausweises

Die  Notschlafstelle soll in den kalten Monaten den osteuropäischen  Bettelnden zur Verfügung stehen. Doch dass sie dafür der Polizei ihre  Personalien angeben müssen, könnte viele abschrecken.

Nora Bader und Jonas Hoskyn

Es ist als humanitärer Akt zu sehen. Vor zwei Wochen bewilligte die Basler Regierung eine Viertelmillion Franken,  damit die osteuropäischen Bettelnden, welche seit Sommer in der Stadt  leben, nicht bei Minustemperaturen auf der Strasse übernachten müssen.  Der Plan: Mit dem Geld werden Hotelzimmer für die einheimischen  Obdachlosen gemietet – in den frei werdenden Betten in der  Notschlafstelle können dann die Bettelnden untergebracht werden, bis die  Nächte wieder wärmer werden. Zumal unklar ist, ob, wie und wann das vom  Grossen Rat beschlossene Bettelverbot wieder eingeführt wird. Dies,  nachdem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte kürzlich einer  Bettlerin recht gegeben hat, die sich gegen das Verbot im Kanton Genf  gewehrt hatte.

Gestern  begann der Umzug der Stammklientel der Notschlafstelle. Ab Montag  können an der Alemannengasse dann die Bettelnden aufgenommen werden.  Vorgängig werden sie mit Unterstützung von Mitarbeitenden des Vereins  für Gassenarbeit Schwarzer Peter und einer Übersetzerin über die  Möglichkeit, in der Notschlafstelle zu übernachten, sowie die  Rahmenbedingungen informiert. Insgesamt stehen 36 Betten zur Verfügung.  Familien haben die Möglichkeit, im selben Zimmer untergebracht zu  werden. Das Gepäck kann tagsüber in den Zimmern gelassen werden. Diese  können aber nicht abgeschlossen werden. Tagsüber gibt es keinen Zugang  zu den Zimmern.

Kanton übernimmt Kosten für Übernachtungen und stellt einen Dolmetscher

Damit  die Unterbringung der osteuropäischen Bettelnden klappt, übernimmt die  Sozialhilfe auch die Kosten von 40 Franken pro Übernachtung. Auch einen  Dolmetscher hat der Kanton organisiert, damit es am Abend, wenn sich die  Bettelnden anmelden können, möglichst nicht zu Missverständnissen oder  Problemen kommt. Zudem sollen alle detailliert über den Ablauf sowie die  Hausordnung informiert werden.

Doch  nun droht der Plan an einer Vorschrift des Bundes zu scheitern, die  eigentlich für Hotelbetriebe gedacht ist. Denn wer erstmals in der  Notschlafstelle übernachten will, muss seine Personalien angeben. Diese  werden dann ans Justiz- und Sicherheitsdepartement weitergeleitet. Die  Meldepflicht stützt sich auf das nationale Ausländer- und  Integrationsgesetz. Wer eine ausländische Person beherbergt, ist demnach  verpflichtet, deren Personalien den Behörden zu übermitteln. «Die  Ausweispflicht ist menschlich nicht nötig.»

«Ich finde die Vorschrift menschlich nicht nötig.»

Die  Vorschrift kommt nicht überall gut an. «Die pauschale Übermittlung der  Daten stellt für viele Personen eine grosse Hürde dar, die  Notschlafstelle aufzusuchen», sagt etwa Olivia Jost, Co-Leiterin der  Anlaufstelle für Sans-Papiers. Auch wisse man nicht, was mit den Daten  passiert. Die Befürchtung: Das Wissen, dass ihre Personalien aufgenommen  und an die Sicherheitsbehörden weitergegeben werden, könnte die  Bettelnden abschrecken.

Auch  SP-Grossrätin Danielle Kaufmann sagt: «Ich finde es menschlich nicht  nötig, dass die Bettler die Personalien abgeben müssen. Es kann durchaus  sein, dass sich davon einige von einem Aufenthalt abhalten lassen. Und  dafür habe ich auch volles Verständnis.» Allerdings kann Kaufmann als  Präsidentin der Justizkommission des Basler Parlaments auch das Vorgehen  der Behörden verstehen: «Ich bin der Meinung, dass, gestützt auf das  Ausländergesetz des Bundes, die gesetzliche Grundlage für die Erhebung  der Personalien durch öffentliche Institutionen gegeben ist.» Letztlich  bekämen die Bettelnden Nothilfe, wenn auch nicht in Form von Geld,  sondern in Naturalien, wenn sie gratis in der Notschlafstelle  übernachten könnten.
(https://www.bzbasel.ch/basel/notschlafstelle-ein-bett-fuer-bettler-gibts-in-basel-nur-gegen-das-vorzeigen-eines-ausweises-ld.2092047)


+++DROGENPOLITIK
Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerates
(…)
Die Kommission hat die Änderung des Betäubungsmittelgesetzes bezüglich Cannabisarzneimittel (n 20.060) mit 10 Stimmen bei 1 Enthaltung in der Gesamtabstimmung angenommen. Sie schliesst sich vollständig dem Beschluss des Nationalrates an: Neu sollen Ärztinnen und Ärzte Cannabisarzneimittel verschreiben können; heute braucht es für die Behandlung zumeist eine Ausnahmebewilligung.
https://www.parlament.ch/press-releases/Pages/mm-sgk-s-2021-01-29-a.aspx


+++SEXWORK
Sexarbeit und Corona – So prekär ist die Lage der Sexarbeiterinnen in der Schweiz
Während einige Kantone Sexarbeit verbieten, erleben andere einen Ansturm. Das bringt die Frauen in schwierige Situationen.
https://www.srf.ch/news/schweiz/sexarbeit-und-corona-so-prekaer-ist-die-lage-der-sexarbeiterinnen-in-der-schweiz
-> https://www.neo1.ch/news/news/newsansicht/datum/2021/01/29/sexarbeiterinnen-unter-druck.html


+++POLIZEI ZH
Ethnic Profiling / Fall Wa Baile: Amnesty interveniert beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte
Amnesty International interveniert als Drittpartei vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte im hängigen Verfahren von Mohamed Wa Baile gegen die Schweiz. In diesem Fall geht es um die Frage, ob die Personenkontrolle durch die Polizei, der sich Mohamed Wa Baile 2015 in Zürich hätte unterziehen sollen, als verbotene rassistische Diskriminierung zu betrachten ist. Die Menschenrechtsorganisation weist in ihrer Eingabe auf gravierende Versäumnisse der Schweiz bei der Verhinderung und wirksamen Untersuchung von Ethnic Profiling hin.
https://www.amnesty.ch/de/laender/europa-zentralasien/schweiz/dok/2021/amnesty-international-interveniert-beim-europaeischen-gerichtshof-fuer-menschenrechte/


+++RASSISMUS
bernerzeitung.ch 29.01.2021

«Schockiert» und «demütigend»: Möbel Pfister nennt Teppich «Afghan Refugee»

Geflüchtete Menschen wehren sich gegen den Teppichnamen von Möbel Pfister in Bern. Nun hat das Möbelgeschäft den Namen geändert.

Lea Stuber

«Afghan Refugee». Afghanischer Flüchtling, so heisst, auf Deutsch übersetzt, ein Teppich, den Möbel Pfister in seiner Filiale in Bern bis vor wenigen Tagen im Schaufenster zum Verkauf anpries. Der Preis: noch 1749 Franken statt  ursprünglich 2490. Das Migrant Solidarity Network postete ein Bild  davon in den sozialen Medien und fragte: «Geflüchtete sind keine Teppiche. Wer stoppt den Rassismus bei Möbel Pfister?»

Die  Aktivistin Maria Khoshy (22), vor neun Jahren selber aus Afghanistan in  die Schweiz geflüchtet, war im ersten Moment schockiert, als sie den  Namen des Teppichs sah, enttäuscht auch. «Man kann eine Ware wie einen Teppich», sagt Khoshy, «nicht nach Menschen benennen, das ist demütigend und beleidigend.»

Alfredo  Schilirò von der Pfister-Pressestelle möchte klarstellen, dass die  Bezeichnung «Afghan Refugee» eine «äusserst positive Sache» sei, wie er  auf Anfrage schreibt. Denn es seien Teppiche, die von afghanischen Geflüchteten in Pakistan geknüpft werden. «Der  Name ‹Afghan Refugee› ist nicht negativ behaftet, sondern wird in  Anerkennung des traditionellen kunsthandwerklichen Könnens der  afghanischen Knüpferinnen und Knüpfer und der hohen Qualität ihrer  Teppiche verwendet.»

Das Teppichknüpfen, so Schilirò weiter, habe für viele Afghaninnen und Afghanen eine grosse Bedeutung, um ihre Existenz in Pakistan zu sichern und ihre Lebensbedingungen zu verbessern. Pfister, so Schilirò, setze sich dafür ein, dass Geflüchtete wie auch die einheimische Bevölkerung von den Vorteilen des fairen Handels profitierten.

Preisschild ohne Erklärung

Für Maria Khoshy rechtfertigt dieser Hintergrund nicht den Namen des Teppichs. Sie sagt: «Dass  diese Teppiche in Pakistan von afghanischen Geflüchteten geknüpft  werden, erfährt man nicht, wenn man das Preisschild sieht. Diese  Einordnung fehlt. Von einer so grossen und bekannten Firma wie Pfister  würde ich etwas anderes erwarten.» Khoshy fordert, dass Möbel Pfister den Namen ändert.

Inzwischen ist das passiert. Möbel Pfister nennt den Teppich neu «Afghan Kazak». Denn die alte Bezeichnung sei erklärungsbedürftig und führe zu Missverständnissen, anerkennt Schilirò von Pfister.

Khoshy fordert von Möbel Pfister auch eine Entschuldigung. «In der Schweiz leben so viele Menschen, die geflüchtet sind, nicht nur aus Afghanistan», sagt sie. «Durch Vorkommnisse wie dieses ist es schwierig, sich hier zu Hause fühlen zu können.»
(https://www.bernerzeitung.ch/moebel-pfister-nennt-teppich-afghan-refugee-100965870702)



Manifest von Anders Behring Breivik muss raus aus dem ExLibris-Sortiment
Mit einem offenen Brief wenden wir uns an die Migros, deren Tochterfirma Ex Libris AG es für legitim hält, das Manifest von Anders Behring Breivik im Sortiment zu haben.
https://antira.org/2021/01/28/manifest-von-anders-behring-breivik-muss-raus-aus-dem-exlibris-sortiment/


+++RECHTSEXTREMISMUS
Same Shit, Different Age
Von vergifteten Brunnen über Kinderblut trinkende Eliten bis zum Finanzkapital an der US-Ostküste: Antisemitismus bildete schon immer den Kern von Verschwörungstheorien – bis heute und auch bei Corona. Serie «Eyes Wide Shut», Folge 8.
https://www.republik.ch/2021/01/29/same-shit-different-age



tagesanzeiger.ch 28.01.2021

Strafanzeige gegen rechtsextreme Partei: Die Pnos hetzt gegen Juden

Die  Partei National Orientierter Schweizer veröffentlicht die «Protokolle  der Weisen von Zion», ein antisemitisches Pamphlet. Der Schweizerische  Israelitische Gemeindebund reagiert.

Kurt Pelda

Gleich  zweimal werden in kurzer Abfolge in der Schweiz antisemitische Vorfälle  bekannt. Zuerst hatten Täter aus dem Umfeld der Neonazi-Jugendbewegung  Junge Tat mutmasslich eine jüdische Online-Kulturveranstaltung in Zürich  mit Hakenkreuzen, Hitlerbildern und Obszönitäten eingedeckt.  Nun hat die rechtsextreme Partei National Orientierter Schweizer (Pnos)  damit begonnen, die «Protokolle der Weisen von Zion», eine  antisemitische Hetzschrift, in ihrem Parteimagazin «Harus» abzudrucken.  Sie will nach eigenen Angaben sämtliche 24 Protokolle in künftigen  Ausgaben veröffentlichen.

Der  Schweizerische Israelitische Gemeindebund (SIG) hat nun Strafanzeige  eingereicht wegen Aufrufs zu Hass und Verbreitung antisemitischer  Ideologien. Gezielt wird damit auf die Parteileitung der Pnos, das  heisst auf Parteipräsident Florian Gerber und seinen Stellvertreter  Yannic Nuoffer, die letztlich für das Parteimagazin verantwortlich sind,  wie der SIG schreibt. Verschwörungstheorien hätten seit Beginn der Corona-Pandemie grossen Zulauf gefunden, darunter auch  immer wieder solche mit antisemitischem Hintergrund. Die Verbreitung der  «Protokolle der Weisen von Zion» in der heutigen Zeit trage dazu bei,  den Hass auf Juden weiter zu verstärken. Es gilt die Unschuldsvermutung.

«Jüdische Weltverschwörung»

Laut  der Zürcher Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus (GRA) sind die  Protokolle, die Anfang des 20. Jahrhunderts in Russland erstmals  veröffentlicht wurden, der inzwischen «am weitesten verbreitete Text des  Antisemitismus». Die darin enthaltene Verschwörungstheorie vom  jüdischen Streben nach der Weltherrschaft diente den Nationalsozialisten  zur Rechtfertigung ihrer mörderischen Vernichtungspolitik.

Dabei  ist das Pamphlet eine simple Fälschung. Die Pnos spricht das in ihrem  Magazin auch an, schreibt dann aber, dass diese Frage unerheblich sei,  denn es gehe hauptsächlich um den Inhalt der Protokolle. Damit  suggeriere die Partei, dass es diese «jüdische Weltverschwörung»  tatsächlich gebe, heisst es in der Strafanzeige.

Das  Machwerk täuscht vor, dass es aus Sitzungsprotokollen einer Weltallianz  aus Juden und Freimaurern bestehe. Diese Allianz wolle den Nicht-Juden –  und dabei vor allem den Christen – den Garaus machen. Mit Geld, Gewalt  und Täuschung würden die Juden nach der Macht greifen und die  Nicht-Juden unterjochen. Parteipräsident Florian Gerber wollte sich zu  den Vorwürfen auf Anfrage nicht äussern.

Bereits im Mai hat der SIG Strafanzeige eingereicht,  weil in einem inzwischen verschwundenen Beitrag auf der Website der  Pnos zu lesen war, dass Juden die Corona-Impfkampagne unterstützten.  Damit solle die Weltbevölkerung dezimiert und sterilisiert werden. Im  Gegenzug sei es dann nur gerecht, wenn man die Juden ebenfalls  sterilisiere – mit Zwang. Wie völkisch die Pnos auch jetzt noch denkt,  lässt sich einem Ratgeber entnehmen, der ebenfalls in der jüngsten  «Harus»-Ausgabe abgedruckt wurde: «Wir trachten danach, eine grosse  Familie zu gründen. Unsere Frau oder unser Mann ist Schweizer  (germanisches Blut).»
(https://www.tagesanzeiger.ch/die-pnos-hetzt-gegen-juden-810777848272)

SIG reicht erneut Strafanzeige gegen die PNOS ein
Die Partei National Orientierter Schweizer PNOS hat in  einer Publikation eine antisemitische Hetzschrift veröffentlicht. In  diesen Zeiten, in welchen antisemitische Verschwörungstheorien Zulauf  erhalten, fördert dies zusätzlichen Judenhass. Der SIG hat darum, nicht  zum ersten Mal, Strafanzeige gegen die PNOS eingereicht.
https://www.swissjews.ch/de/news/sig-news/sig-reicht-erneut-strafanzeige-gegen-die-pnos-ein/
-> https://www.tachles.ch/artikel/news/parteimagazin-veroeffentlicht-zionistische-protokolle



Identitären in Frankreich droht Verbot
Rassistische Organisation soll zerschlagen werden. Rechte Opposition solidarisiert sich mit den Extremisten
In Frankreich machen selbst ernannte »Grenzschützer« Jagd auf Ausländer. Die Behörden starten einen neuen Anlauf, die identitäre Gruppierung zu verbieten.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1147594.rechtsextremismus-identitaeren-in-frankreich-droht-verbot.html
-> https://www.deutschlandfunk.de/frankreich-innenminister-darmanin-will-identitaere-bewegung.795.de.html?dram:article_id=491540


Ultranationalisten in der Türkei: Erdogans Pakt mit Rechtsextremen
Seit 2018 regiert der türkische Präsident Erdogan zusammen mit der ultranationalistischen Partei MHP. Sie bestimmt den politischen Kurs maßgeblich mit. Kritiker warnen, dass der Einfluss der MHP zu groß ist.
https://www.deutschlandfunk.de/ultranationalisten-in-der-tuerkei-erdogans-pakt-mit.724.de.html?dram:article_id=491553


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIENB
Sachgerechte Corona-Berichterstattung bei SRF – Echo der Zeit
Erstmals beurteilte die Unabhängige Beschwerdeinstanz UBI Berichte in den SRF-Medien, welche sich mit Corona befasst hatten. Es ging um Beiträge der «Tagesschau» und der «Rundschau» über Kundgebungen von Corona-Skeptikern und Verschwörungstheoretikern. Die UBI lehnte sämtliche Beschwerden ab.
https://www.srf.ch/play/radio/echo-der-zeit/audio/sachgerechte-corona-berichterstattung-bei-srf?id=b1cbebaa-e2a7-411d-b6d8-afdcf1556855
-> https://www.uvek.admin.ch/uvek/de/home/uvek/medien/medienmitteilungen.msg-id-82175.html


Verschwörungsgläubige haben die Initiative »The Great Reset« als Feind ausgemacht
Großer grüner Umbruch
Unter den Verschwörungsgläubigen verbreitet sich ein neuer Mythos über die Initiative »The Great Reset«. Er vereint Klimawandel- und Coronaleugner, Neurechte und Reichsbürger. Wichtigster Feind ist ihnen das Weltwirtschaftsforum.
https://jungle.world/artikel/2021/04/grosser-gruener-umbruch


Was ist «The Great Reset»?: Die angeblich düsteren Pläne von WEF-Gründer Schwab
«The Great Reset» ist ein Motto und Buchtitel von WEF-Gründer Klaus Schwab. Dahinter vermuten manche dunkle Pläne einer kleinen Elite von Mächtigen, die unter dem Vorwand der Corona-Pandemie den Menschen die Freiheit nehmen will.
https://www.20min.ch/story/die-angeblich-duesteren-plaene-von-wef-gruender-schwab-952718299719


Ex-SRF-Moderator fordert Hausverbot für Marco Rima
Rapper Knackeboul hat genug von den Corona-Verharmlosungen von Marco Rima. Er fordert für den Komiker jetzt sogar ein SRF-Hausverbot.
https://www.nau.ch/people/aus-der-schweiz/ex-srf-moderator-fordert-hausverbot-fur-marco-rima-65860767


“Querdenker”-Demonstrationen am Wochenende wurden untersagt
15 von 17 angemeldeten Versammlungen wurden untersagt, darunter befinden sich auch Gegenkundgebungen. Die FPÖ meldete eine neue Demo an
https://www.derstandard.at/story/2000123693470/querdenker-demonstrationen-am-wochenende-wurden-untersagt?ref=rss
-> https://www.derstandard.at/story/2000123736953/demo-offenbarung?ref=rss


+++HISTORY
derbund.ch 29.01.2021

Vergessenes Dokument der Zeitgeschichte: Meienbergs Nazi-Trip

«Es  ist kalt in Brandenburg (Hitler töten)» ist ein brillanter Schweizer  Dokfilm. SRF sollte ihn endlich zeigen. Auch weil es den Film in den  80ern verstümmelt hat.

Linus Schöpfer

Der Dokfilm «Es ist kalt in Brandenburg (Hitler töten)» lief dieser Tage an den Solothurner Filmtagen. Vor wenigen Jahren wurde er digitalisiert.

Der Film über den Schweizer Hitler-Attentäter Maurice Bavaud wäre nun bereit für das grössere Publikum, das er verdient hätte, im TV wie im Web.

Die  Autoren – Regisseur Villi Hermann, Journalist Niklaus Meienberg,  Kameramann Hans Stürm – nehmen sich die Zeit. Lange, wortlose Szenen von  Autobahnen und Seen und Plätzen. Dazu Geschrummel auf der Gitarre. Ein  Film, der eher nicht fürs Netflix-Publikum gemacht ist.

Der Hitler-Wunsch

Erste auffällige Szene: ein Marktplatz  in München. Stürm scheint mit seiner Kamera zu streunen und beiläufig  Einheimische anzutreffen. Meienberg redet sie an.
Er stellt die einfachen Fragen: «Hat sich niemand aufgeregt bei der Kristallnacht?» – «Die Sache mit den Juden … ist das nicht aufgefallen?»

Die Männer antworten. So und so habe das ausgesehen, als die Synagoge  gebrannt habe. Ob man nicht die Polizei hätte rufen können? Gelächter.  Die Polizei sei damals doch auch …

Auch hier merkt man dem Film das Alter an, im guten Sinn: Die Zeitzeugen des NS-Regimes sind noch vif.

Auch haben sie keine Scheu gegenüber  den Schweizer Gästen, scheinen eigentlich noch ganz gern zu erzählen,  ja vielleicht noch nie richtig erzählt zu haben. Meienberg nimmt sie für  sich ein, trotz Gammellook und Zauselhaar.

Später treffen die Filmer auf eine Marktverkäuferin, die den Tod eines jüdischen Kollegen bedauert und sich dennoch den Hitler zurückwünscht. In Berchtesgaden auf einen Händler, der fidel ein Schnäuzchen montiert und zu schreien beginnt.

Und in Berlin auf einen Auslandschweizer, der 1942 an einem Fest der Schweizer Botschaft teilgenommen hatte. Braune und schwarze Uniformen hätten die Party dominiert, erinnert er sich.

Hermann, Meienberg und Stürm wiederholen die letzte Reise von Maurice Bavaud. Dem jungen Neuenburger, der beinahe die Weltgeschichte verändert hätte.  Dazwischen kamen ihm Hände, die zum Hitlergruss erhoben waren und ihm  die Sicht verdeckten. Wahrscheinlich wäre dann auch das Kaliber seiner  Pistole zu klein gewesen.

Jedenfalls wartete Bavaud an verschiedenen Orten auf Hitler. Am nächsten kam er seinem Ziel im November 1938 in München. Bei der Abreise erwischte ihn die Gestapo, am 14. Mai 1941 wurde Bavaud geköpft.

Adolf Hitler fuhr die Aktion des 25-Jährigen in die Knochen. Er liess danach Schillers «Wilhelm Tell» in den Theatern und Schulen verbieten. Dies offenbar in der Angst, die Menschen könnten in Bavaud einen neuen Tell sehen und ihm nachstreben.

Hitler  wird das geradezu bewundernde Zitat zugeschrieben, dass «gegen einen  Attentäter, der für seinen Plan rücksichtslos sein Leben aufs Spiel  setzt, kein Kraut gewachsen» sei.

Kniff mit Schauspieler

Der  Schauspieler Roger Jendly ist ein Mitreisender in «Es ist kalt in  Brandenburg», eine Art Statthalter von Bavaud. Das Werk gewinnt mit diesem Kniff eine intime Qualität. Etwa, als Jendly mit den Geschwistern des Attentäters in der Stube sitzt und fragt: «Gleiche ich ihm?»

SRF sollte den Film dieses Jahr zeigen. Dies, um an Maurice Bavaud und  seinen 80. Todestag zu erinnern. Aber auch, weil der Sender in den  1980ern Zensur geübt hatte. Im Film wird der damalige deutsche  Bundespräsident Karl Carstens erwähnt, der Mitglied der NSDAP gewesen war.

Ein früherer Leidensgenosse von Bavaud – er war mit ihm in Berlin eingekerkert – spekuliert, dass sich Carstens’ Gesinnung nach dem Krieg kaum  gewandelt haben dürfte. Das Schweizer Fernsehen schnitt seine Aussage  heraus, als es «Es ist kalt in Brandenburg» 1981 zeigte. Der Sender hat  den Film seither nie mehr, also nie in seiner korrekten Fassung, gezeigt.

Höchste Zeit, das nachzuholen.
(https://www.derbund.ch/meienbergs-nazi-trip-558667342603)
-> https://de.wikipedia.org/wiki/Es_ist_kalt_in_Brandenburg_(Hitler_t%C3%B6ten)
-> Diskussion Solothurner Filmtage: https://www.youtube.com/watch?v=6xGaGwswnMU



Umbenennung der Gardistrasse? Nein!
Der Gemeinderat der Stadt Bern will die Gardistrasse im Wankdorfquartier umbenennen. Er reagiert damit auf den Druck der Öffentlichkeit. Ein Dokfilm hat 2019 das Leben und Wirken von René Gardi aufgerollt und daran erinnert, dass der Berner Autor, Fotograf und Dokumentarfilmer wegen Unzucht mit Kindern verurteilt worden war. Auch das Bild, das Gardi in seinen Büchern und Filmen von Afrika vermittelte, wird heute von Fachleuten sehr kritisch gesehen.
http://www.journal-b.ch/de/082013/politik/3800/Umbenennung-der-Gardistrasse-Nein!.htm


Umbenennung der Gardistrasse? Ja!
Der Gemeinderat der Stadt Bern will die Gardistrasse im Wankdorfquartier umbenennen. Er reagiert damit auf den Druck der Öffentlichkeit. Ein Dokfilm hat 2019 das Leben und Wirken von René Gardi aufgerollt und daran erinnert, dass der Berner Autor, Fotograf und Dokumentarfilmer wegen Unzucht mit Kindern verurteilt worden war. Auch das Bild, das Gardi in seinen Büchern und Filmen von Afrika vermittelte, wird heute von Fachleuten sehr kritisch gesehen.
https://www.journal-b.ch/de/082013/politik/3801/Umbenennung-der-Gardistrasse-Ja!.htm


Antifaschistische Erstausgaben
Fundstück(e) des Monats: 2021 wird das apabiz 30 Jahre alt. Anlässlich dieses Jubiläums haben wir tief in den Archivkisten gegraben und jede Menge Aktenordner gewälzt. An dieser Stelle wollen wir in den nächsten Monaten regelmäßig besondere „Fundstücke“ aus unserem Bestand vorstellen. Den Anfang machen gleich mehrere Erstausgaben antifaschistischer Magazine.
https://www.apabiz.de/2021/antifaschistische-erstausgaben/



basellandschaftlichezeitung.ch 27.01.2021

Absurder Prozess nach verlorenem Krieg: Anarchistisches Künstlerkollektiv wütete auch in Basel

Das  russische Künstlerpaar «Voina» hat eine Spur der Verwüstung  hinterlassen. Basel ist immer noch mit dem Aufräumen beschäftigt.

Christian Mensch

Oleg  Vorotnikov und Natalya Sokol sind von der Bildfläche verschwunden. Über  Jahre sind sie mit ihren Kindern als anarchistisches Künstlerkollektiv  «Voina» (Krieg) durch halb Europa gezogen. Von künstlerischen Aktionen  war zwar schon längst nicht mehr die Rede, als sie von den Feuilletons  noch gefeiert wurden. Dafür legten sie sich mit allen an. Mit der  Staatsgewalt ebenso wie mit jenen, die sie unterstützten und  durchfütterten. Jeden ihrer Schritte haben sie dokumentiert und medial  verwertet. Doch im Frühjahr 2019 verliert sich plötzlich ihre Spur. Voina scheint Geschichte zu sein, in Basel ist deren Bewältigung aber  noch in vollem Gang.

Ihre  grosse Zeit hatte Voina nach der Gründung 2005. Mitglieder der  nachmalig berühmt gewordenen Pussy Riots gehörten zur Truppe.  Spektakuläre Performances stellten die russische Staatsgewalt bloss.  2011 ergriffen sie die Flucht aus Russland und vor dem ausgestellten  Haftbefehl. Auf ihrer Odyssee fanden Vorotnikov-Sokol im April 2015  Unterschlupf in Basel, an der Wasserstrasse, kurz nachdem Sokol ihr  drittes Kind auf die Welt gebracht hatte. Bei der alternativen  Wohngenossenschaft Gnischter trafen sie auf vermeintliche Brüder und  Schwestern im anarchistischen Geiste. Doch im März 2016 war deren Geduld  mit dem asozialen Verhalten der Voinas erschöpft. Die Voinas klauten,  egal bei wem, doch aus angeblich ideologischer Überzeugung. Der  Eisschrank in der Wassersstrasse war mit gestohlenem Mövenpick-Eis prall  gefüllt, weil dies das Lieblingsessen eines der Mädchen war. Doch dies  vermochte die Stimmung im Haus nicht zu heben. Diese war ob der  Voina-Dauerprovokation vielmehr in Hochspannung. Das Kollektiv forderte  die Voinas auf, zu gehen, vergeblich.

Die «stumpfsinnigen Konformisten» greifen zur Selbsthilfe

Vorotnikovs  Mutter hätte die Lage entspannen sollen, als sie nach Basel reiste. Sie  hätte sich um die Kinder kümmern sollen, die Eltern endlich um einen  ordentlichen Asylantrag. Denn seit ihrer fluchtartigen Ausreise aus  Russland reisten sie papierlos, ständig begleitet von einem russischen  Haftbefehl, der bei Interpol lagerte. Doch die Mutter weigerte sich, die  Situation eskalierte. Die Basler Soft-Anarchisten drohten, die Polizei  zu rufen. Doch Vorotnikov hatte sie zuvor schon zu oft als  «stumpfsinnige Konformisten» beschimpft, so griffen sie zur Selbsthilfe –  und tappten damit in die Falle.

Ein  Trupp von zehn Bewohnern marschierte auf, um die Familie auf die  Strasse zu stellen. Es lief dabei nicht gewaltfrei ab, wie ein Video  belegt, das die Voinas heimlich aufgenommen haben. Die Aufzeichnung gab  den Ausschlag, dass sieben Wasserstrassler im November 2017 vom Basler  Strafgericht zu happigen Strafen verurteilt wurden.

Wenn sich die Anarchisten vor den Gerichten zoffen

Es  klingt wie eine bittere Pointe, dass Leute, die nichts vom Staat und  von der Staatsgewalt halten, nun diesen Staat und sein Rechtssystem auf  Trab halten. Die Anwälte der Verurteilten gingen in Revision, stellten  Ausstandsgesuche. Zunächst gegen den Staatsanwalt, dem sie vorwerfen,  einseitig ermittelt zu haben und nichts gegen die Voinas unternommen zu  haben. Die Voinas haben sich einerseits als Privatkläger gegen die  Wasserstrassler formiert, die Wasserstrassler haben jedoch auch  Strafanzeige gegen die Voinas eingereicht und schwere Vorwürfe erhoben:  falsche Anschuldigung, Betrug, versuchte schwere Körperverletzung sowie  Nötigung und Raub. Das Appellationsgericht lehnte das Ausstandsgesuch  gegen den Staatsanwalt ab. Dass dieser gegen die Voinas ermittelt hat,  ist nicht erkennbar.

Es  folgte ein weiteres Ausstandsgesuch, nun gegen Richter des  Appellationsgerichts. Diese hatten sich in einem Zwischenentscheid dafür  ausgesprochen, dass das Video als Beweis auch im zweitinstanzlichen  Verfahren vorgebracht werden dürfe. Die Richter verwarfen damit die  Ansicht des Basler Strafrechtsprofessors Wolfgang Wohlers. Dieser hatte  in einem Parteiengutachten im Auftrag der Verteidiger befunden, das  Video sei widerrechtlich entstanden und dürfe deshalb im Prozess keine  Rolle spielen. Indem sie das Video nicht aus dem Recht wiesen, wie die  Juristen formulieren, hätten sie sich schon übermässig festgelegt. Die  Anwälte forderten deshalb andere Richter für das Hauptverfahren. Doch  auch dieses Gesuch lehnte das Gericht ab, wie aus einem Entscheid  hervorgeht, den das Appellationsgericht kürzlich publizierte.

Von Basel zu einem Nazi und weiter zu einem Grafen

Die  Voinas zogen von Basel zunächst nach Nürnberg, wo ein Nazi bereit war,  sie zu beherbergen, was jedoch – wie zu erwarten war – eine schlechte  Kombination und von kurzer Dauer war. Danach fuhren sie nach Tschechien,  wo sie in sieben verschiedenen Städten unterkamen. Dies ist  dokumentiert, weil die Investigativjournalistin Olesya Gerasimenko für  den russischen Dienst der BBC das Paar aufsuchte und eine preisgekrönte  Reportage über «den Aufstieg und Fall der bizarrsten Kunstgruppe der  Welt» verfasste. Auch Tschechien wurde zur verbrannten Erde, weil die  Voinas darauf bestanden, ausgerechnet bei dem Metzger das beste Stück  aus der Auslage zu stehlen, der sich bereit erklärt hatte, die Truppe  günstig mit Fleisch zu versorgen. Ihr letzter Coup: Der ehemalige  tschechische Aussenminister Graf Karel Schwarzenberg nahm sie für einige  Monate in sein Schloss auf, um sie vor der Auslieferung nach Russland  zu bewahren.

In  Berlin strandeten die Voinas dann gänzlich. Ein unbewohntes Boot war  ihre Unterkunft. Ein US-Journalist, noch in ihrem Bann gefangen, drehte  einen Film – und half ihnen, in ein Haus einzubrechen. Der Journalistin  Gerasimenko sagte Vorotnikov, er habe ein ungutes Gefühl, er werde  verfolgt. Am 21. Mai 2019 verschwindet er, auch in den Berliner  Gefängnissen ist er nicht auffindbar. Sokol bleibt mit den Kindern  zurück, zieht dann nach Österreich, genauer nach Deutschlandsberg.

«Russia Today» meldet Gründung einer militanten Gruppe

Sokol  wird zusammen mit den Kindern von der Polizei festgehalten, um zu  erfahren, wo der Mann verblieben sei. Sie gibt an, in der vierten Woche  wieder schwanger zu sein. Ob sie weiss, wo er ist, oder nicht, ist  unklar. Sie agitiert, schreibt eine Beschwerde gegen ihre Festnahme zu  Handen des Büros des Hohen Kommissars für Menschenrechte, meint unter  «Folterbedingungen» gelitten zu haben.

Die  letzte Meldung stammt ausgerechnet vom russischen Propagandamedium  «Russia Today». Dieses berichtete im Mai 2019 Oleg Vorotnikov sei in  Deutschland verhaftet worden. Es liege nicht nur der Auslieferungsantrag  Russlands vor, sondern auch einer von Österreich. Demnach werde  Vorotnikov des Waffenschmuggels und der Beteiligung an einer militanten,  antifaschistischen Bewegung «Der Krieg» in der Steiermark vorgeworfen.

Nachfragen  beim Landgericht und der Staatsanwaltschaft Graz ergeben: Tatsächlich  hatten die Strafverfolger ein Verfahren wegen Widerhandlung gegen die  Staatsgewalt, wegen schwerer gemeinschaftlicher Gewalt, wegen  Körperverletzung und wegen Sachbeschädigung auch an kritischer  Infrastruktur eingeleitet. Doch dieses wurde bereits im vergangenen Jahr  eingestellt, da Vorotnikov verschwunden sei, erklärt ein Sprecher der  Staatsanwaltschaft. Von einer angeblichen militanten Bewegung in der  Steiermark ist ihm nichts bekannt.

Ein Prozess im luftleeren Raum

So  bleibt einzig die Fortsetzung des Prozesses gegen die Basler  Wasserstrassler vor dem Appellationsgericht. Zu einer Anklage gegen  Vorotnikov wird es aber wohl nicht kommen, obwohl die Strafanzeigen  weiterhin hängig seien, wie die Basler Staatsanwaltschaft auf Anfrage  bestätigt. Vorotnikov bleibt verschwunden, seine Familie ist verstummt.  Auch der Anwalt, der die Voinas als Privatkläger im Basler Prozess  vertritt, sagt auf Anfrage: Kontakt mit seiner Klientschaft habe er  schon lange keinen mehr gehabt.
(https://www.bzbasel.ch/basel/kuenstlerkollektiv-der-verlorene-krieg-ld.2090289)