Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel
+++BERN
Corona-Isolation in der kalten Isolation des Nothilferegimes
Bericht von dem Aktivisten: „Also heute 14.01.21 wurde mein kleine Bruder auf Corona positiv getestet und musste in den Isolation-Raum gehen. Ich und meine Familie können im unserem Zimmer bleiben, aber in Quarantäne für 10 Tage. Als ein ORS-Leiter, der für unser Rückkehrzentrum zuständig ist, zu uns kam und paar Sachen brachte, fragte er mich, ob ich Leute kenne, die für uns Essen bringen würden, weil wir ja nicht raus und in die Küche dürfen und ich fragte mich, ob nicht die Betreuer für uns sorgen sollten also die ORS Mitarbeiter. Zweitens fragte ich ihn, wie wir das mit dem Duschen machen, weil ja zwei Duschen etwa 20 Leute benutzen. Er sagte mir ganz einfach, dass wir 10 Tage das Duschen weglassen sollen und mit dem Wasserhahn, der nur eiskaltes Wasser gibt, uns mit einem Tuch waschen sollen. Das Wasser ist so kalt, dass wir nicht mal die Hände waschen können und das für 10 Tage. Ich war schockiert und sagte ihm, dass es nicht geht und wir eine Lösung finden sollten, denn 10 Tage ohne zu duschen, das geht gar nicht. Es wird wahrscheinlich uns mehr schaden als schützen mit 6 Personen in einem Zimmer. Nach einer langen Diskussion haben wir abgemacht, dass wir ab 10 Uhr nachts duschen dürfen.
Ich bin traurig, das niemand von den ORS-Leuten uns unterstützt, obwohl die ja unsere Betreuer sind.
Nahrungsmittelspenden und Solidarität bitte an folgende Adresse:
Saeed und Familie, RZB Aarwangen, Eyhalde 11A, 4912 Aarwangen
https://migrant-solidarity-network.ch/2021/01/17/migrantchannel-corona-isoaltion-in-der-kalten-isolation-des-nothilferegimes/
Trotz guten Leistungen: Afghanischer Koch-Lehrling soll abgeschoben werden
Ein afghanischer Koch-Lehrling, der im letzten Sommer im «Le Beizli» seine Lehre angefangen hat, soll trotz guten Noten abgeschoben werden. Der Lehrling und seine Vorgesetzten finden den Entscheid unmenschlich.
https://www.telebaern.tv/telebaern-news/trotz-guten-leistungen-afghanischer-koch-lehrling-soll-abgeschoben-werden-140616728
+++UNGARN
Ungarn schiebt trotz EuGH-Urteil weiter Asylsuchende ab
Der Menschenrechtler Lederer sieht in dem pauschalen Vorgehen der rechtsnationalen Regierung einen „Rechtsbruch“
https://www.derstandard.at/story/2000123367015/ungarn-schiebt-trotz-eugh-urteil-weiter-asylsuchende-ab?ref=rss
-> https://www.watson.ch/international/migration/732379279-ungarn-schiebt-asylsuchende-trotz-eu-urteils-immer-noch-pauschal-ab
-> https://www.nau.ch/news/europa/ungarn-schiebt-asylsuchende-trotz-urteil-immer-noch-ab-65853875
+++EUROPA
Europäische Union: Wie Flüchtlinge zum Sicherheitsrisiko gemacht werden
Die Flüchtlingspolitik der Europäischen Union setzt in erster Linie auf Abschreckung und schnelle Abschiebung. Der Umgang mit Asylsuchenden ist über Jahre von einer humanitären Aufgabe zu einer Frage der inneren Sicherheit gemacht geworden – mit schwerwiegenden Konsequenzen.
https://www.deutschlandfunk.de/europaeische-union-wie-fluechtlinge-zum-sicherheitsrisiko.724.de.html?dram:article_id=490980
Künstliche Intelligenz: Frontex baut Systeme zur Meeresüberwachung aus
Mit einer neuen Plattform will die EU-Grenzagentur „Risiken“ auf den Meeren der Europäischen Union automatisiert erkennen und bewerten. Vermutete irreguläre Aktivitäten sollen mithilfe einer selbstlernenden Software in einer stets aktualisierten „Bedrohungskarte“ dargestellt werden.
https://netzpolitik.org/2021/kuenstliche-intelligenz-frontex-baut-systeme-zur-meeresueberwachung-aus/
+++SYRIEN
Elend in Syrien – Flüchtlinge: „Wir leben am Abgrund“
Kälte, Hunger und Krankheiten setzen den Menschen in Flüchtlingslagern im Nordwesten Syriens zu. ZDFheute hat mit Geflüchteten über ihren täglichen Überlebenskampf gesprochen.
https://www.zdf.de/nachrichten/politik/fluechtlinge-not-syrien-100.html
Flüchtlinge in Syrien – „Menschen suchen verdorbenes Essen im Müll“
Eine Million syrische Flüchtlinge leben an der Grenze zur Türkei in Elendscamps. Konstantin Witschel von der Welthungerhilfe versucht, das Leiden zu lindern.
https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/syrien-fluechtlinge-tuerkei-welthungerhilfe-100.html
+++ATLANTIK
Spanien: Gestrandet auf Gran Canaria
Etwa 20.000 Menschen haben in den letzten Monaten von der Westküste Afrikas aus die Kanarischen Inseln erreicht – gut zehnmal so viele wie im Vorjahr.Mitten in der Corona-Krise ist das zu Spanien gehörende Archipel zur neuen Etappe auf dem Weg nach Europa geworden. Werden die Kanaren zu einem zweiten Lampedusa, einem neuen Lesbos? Der Tourismus, durch die Corona-Pandemie ohnehin schwer angeschlagen, fürchtet, dass nun niemand mehr kommt. Bei einigen Insulanern endet die Geduld. Immer wieder kommt es zu Protesten. Spaniens Behörden und die Inselbevölkerung sind überfordert…
https://www.arte.tv/de/videos/101185-000-A/spanien-gestrandet-auf-gran-canaria/
+++FREIRÄUME
Alte Soldatenstube in Luzern – 200 Kulturschaffende stellen sich hinter das Eichwäldli
In einem offenen Brief wenden sich rund 200 Personen aus dem Kulturbereich an den Stadtrat von Luzern. Sie hoffen damit, das Haus vor dem Abriss und somit kulturellen Freiraum zu bewahren.
https://www.zentralplus.ch/200-kulturschaffende-stellen-sich-hinter-das-eichwaeldli-1987549/
-> https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/luzern/soldatenstube-200-luzerner-kulturschaffende-setzen-sich-in-einem-offenen-brief-an-den-stadtrat-fuer-die-familie-eichwaeldli-ein-ld.2086821
+++GASSE
Eine Stadtkarte für Obdachlose: Basel bietet viel für wenig Geld
Die FHNW hat eine Stadtkarte entwickelt, die obdachlose Menschen ins kulturelle Leben einbinden soll.
https://www.bzbasel.ch/basel/basel-stadt/eine-stadtkarte-fuer-obdachlose-basel-bietet-viel-fuer-wenig-geld-140536549
+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Zwei Rede-Beiträge zum baselnazifrei-Prozess-Tag 14.1.21
Beitrag zweier angeklagten TINF Personen der baselnazifrei Prozessen
https://barrikade.info/article/4148
+++ANTITERRORSTAAT
zeit.de 14.01.2021
Nils Melzer: „Es braucht nur einen Polizeichef, der mal richtig aufräumen will“
Der Schweizer Nils Melzer berichtet für die UN über weltweite Folter. Nun kämpft er gegen das neue Anti-Terror-Gesetz in seiner Heimat.
Matthias Daum
DIE ZEIT: Herr Melzer, wieso befasst sich ein UN-Sonderberichterstatter über Folter mit einem Schweizerischen Bundesgesetz über polizeiliche Maßnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus, das selbst in der Schweiz kaum jemanden interessiert?
Nils Melzer: Die Anti-Terror-Gesetzgebung eines Landes ist für mich immer relevant, weil sie Folter entweder verhindern oder begünstigen kann.
ZEIT: Das neue Gesetz sieht nun aber weder Folter vor, noch spricht es sie direkt an.
Melzer: In der Schweiz ist man sich zu wenig bewusst, wie der weltweite Kampf gegen den Terror geführt wird. Das gilt auch für das Parlament und den Bundesrat. Wenn die Bundespolizei aufgrund einer unprofessionellen Terrorismusdefinition einen religiös politisierenden Ägypter als Gefährder auf ihre Liste setzt und diese Liste, wie das üblich ist, mit anderen Geheimdiensten teilt, kann das übel enden. Dann wird womöglich dieser Ägypter, der in der Schweiz lebt und in Kairo Verwandte besuchen will, dort am Flughafen verhaftet, landet im Gefängnis, wo er gefoltert wird und im schlimmsten Fall umkommt – das ist keine Paranoia, solche Fälle habe ich täglich auf meinem Schreibtisch.
ZEIT: Wieso ist die Terrorismus-Definition der Schweiz problematisch?
Melzer:Terrorismus meint eigentlich immer die Androhung, Vorbereitung oder Ausübung eines Gewaltverbrechens, verbunden mit einer politischen Motivation. In der Schweiz braucht es künftig aber gar keine drohende Straftat mehr, um als Terrorist zu gelten. Es reicht, wenn man die staatliche Ordnung beeinflussen oder verändern will und dabei Furcht und Schrecken verbreitet. Dazu kommt: Die Schweiz ist für andere Staaten noch immer ein Vorbild. Wenn nun ein weniger stabiles Land diese Terrorismus-Definition übernimmt, dann wird das dort ganz anders angewandt als hier.
ZEIT: Sie erwarten ernsthaft, dass die Bundespolizei nun Linksextreme oder militante Klimaaktivisten als Terroristen verfolgt?
Melzer: Nein, die Bundespolizei wird nicht morgen alle Extinction-Rebellion-Anhänger auf die Terrorliste setzen. Aber stellen wir uns mal vor, ein paar terroristische Angriffe erschüttern die Schweiz. Dann braucht es nur einen Polizeichef, der mal richtig aufräumen will, und wir haben ein Problem. Sobald Behörden in Eigenregie unliebsame Menschen auf schwarze Listen setzen können, dann hängen wir völlig vom gesunden Menschenverstand dieser Leute ab. Der ist aber leider nicht naturgegeben.
ZEIT: Das Gesetz sieht wie bisher vor, dass solche Listen von den Gerichten kontrolliert werden.
Melzer: Theoretisch funktioniert das vielleicht. Aber ich arbeitete ja selbst an einem Bezirksgericht: Wenn der Richter überprüfen soll, ob jemand vom Nachrichtendienst zu Recht als terroristischer Gefährder eingestuft wird, kann er das gar nicht objektiv beurteilen, da er sich auf unüberprüfbare Geheimdienstinformationen stützen muss. Zudem will er natürlich nicht das Risiko eingehen, jemanden aus der polizeilichen Überwachung zu entlassen, der daraufhin ein Einkaufzentrum in die Luft sprengt.
„Das Justizministerium stellte sich taub“
ZEIT: Was würden Sie denn vorschlagen?
Melzer: Wir müssen uns die Frage stellen, welche Leute wollen wir überhaupt solchen Maßnahmen aussetzen? Wenn einer ein extremistischer Islamist ist, aber vorläufig keine Gefahr eines Gewaltverbrechens besteht, dann kann ich ihn möglicherweise präventiv überwachen, darf ihn aber nicht auf eine Terroristenliste setzen.
ZEIT: Soll der Staat überhaupt gegen Gefährder vorgehen? Also Menschen, die noch nicht straffällig geworden sind – aber von denen man annehmen muss, dass sie es werden?
Melzer: Ich bin da sehr realistisch. Ich habe für das Internationale Komitee vom Roten Kreuz in Afghanistan, Pakistan und in den von Israel besetzten Gebieten gearbeitet. Die Terrorgefahr war dort sehr real. Die Polizei braucht eine gesetzliche Grundlage für präventive Maßnahmen, aber die muss etwas taugen. Das heißt: Im Extremfall muss man jemanden bereits für Vorbereitungshandlungen verhaften können.
ZEIT: Sie wären also dafür, eine Sicherheitshaft einzuführen, wie sie das Parlament in der Schweiz ablehnte, aber in Österreich im Regierungsprogramm der türkis-grünen Koalition steht?
Melzer: Eine eigentliche Präventivhaft braucht es gar nicht, denn in der Schweiz sind ja Vorbereitungshandlungen zu schweren Gewaltverbrechen bereits als solche strafbar. So steht es im Strafgesetzbuch.
ZEIT: Sie bezeichneten die Terrorismus-Definition als unprofessionell. Wie kam es zu dieser Wurstelei?
Melzer: Zeitdruck war es nicht. Wir haben seitens der UN zweimal und frühzeitig interveniert. Auch der Europarat hat sich eingeschaltet. Selbst das Schweizerische Außendepartement hat bereits im März gegen die neue Terrorismus-Definition protestiert. Aber das Justizministerium stellte sich taub. Die öffentliche Diskussion wurde reduziert auf die allzu simple Frage: Sicherheit oder Freiheit? Aber es geht gar nicht darum. Sondern, dass man genau wissen muss, was man bekämpfen will, damit ein Gesetz tatsächlich wirkt. Ich habe teils direkt bei Parlamentariern interveniert, da hörte ich dann: „Ist jetzt halt dumm, aber wir haben uns in der Kommission darauf geeinigt.“
ZEIT: Das Gesetz sieht ja noch andere umstrittene Maßnahmen vor. Zum Beispiel Hausarrest für 15-Jährige oder Kontakt- und Betretungsverbote für Zwölfjährige.
Melzer: Auch hier muss man realistisch sein. Kinder können in extremen Umständen sogar gefährlicher sein als Erwachsene, weil sie gewisse Hemmungen nicht haben. Ich habe selbst Kindersoldaten erlebt, die bedeutend jünger als zwölf waren. Hingegen braucht es bei Kindern immer parallele Schutzmaßnahmen. Man kann sie nicht einfach unter Hausarrest setzen, sondern muss sie begleiten und schützen.
ZEIT: Als im vergangenen November in Wien ein islamistischer Terrorist um sich schoss, vier Menschen ermordete und 22 verletzte, sagte der Bundeskanzler Sebastian Kurz: „Wenn ein geistig abnormer Rechtsbrecher lebenslang weggesperrt werden kann, wenn er eine Gefahr darstellt, kann auch ein Terrorist lebenslang weggesperrt werden.“ Neigen Kleinstaaten häufiger dazu, mit ihren Anti-Terror-Gesetzen zu übertreiben?
Melzer: Die Schweiz und Österreich sind beides Staaten, die mit größeren Geheimdiensten zusammenarbeiten müssen, damit sie den Terrorismus überhaupt bekämpfen können. Ihre Geheimdienste sind nicht selbst in Nordpakistan oder Ägypten aktiv. Dort ist der lokale Geheimdienst, der seine Informationen mit der CIA und dem BND teilt, die sich wiederum mit den Schweizern und Österreichern austauschen. Ich kann aber nicht sagen, ob es dabei Druck auf die Schweiz und Österreich gab.
„Grundrechte sind wie Luft“
ZEIT: Die österreichische Regierung wollte im Nachgang zum Anschlag in Wien einen neuen Straftatbestand „politischer Islam“ einführen. Was bringt das?
Melzer: Nichts. „Politischer Islam“ ist extrem gefährlich als Straftatbestand. Stellen sie sich vor, wir würden das „politische Christentum“ oder den „politischen Buddhismus“ unter Strafe stellen. Politische Gewaltverbrechen, okay, damit kann ich als Straftatbestand leben, aber die sind sowieso schon verboten.
ZEIT: Österreich ist auch federführend, wenn es darum geht, in der EU das Verschlüsseln von Messengerdiensten wie WhatsApp zu verbieten.
Melzer: Die Kommunikation zu überwachen kann wichtig sein, ist aber gleichzeitig sehr gefährlich. Es muss daher immer klar sein, wer was in welchem Fall auf welcher Grundlage entschieden hat. Und man muss solche Sachen bei den Behörden erfragen und überprüfen lassen können. Ein Rechtsstaat muss also gerade die Überwacher ganz besonders überwachen. Denn wenn wir zum Schutz des Rechtsstaates den Rechtsstaat abschaffen, dann ist das ein Schuss ins eigene Knie.
ZEIT: Trotzdem kamen in der Schweiz die erforderlichen Unterschriften, damit es zu einer Volksabstimmung über das Gesetz kommt, nur zustande, weil sich neben linken, grünen und liberalen Jungparteien auch esoterisch angehauchte Corona-Skeptiker dafür engagierten. Wieso ist es so schwierig, für die Grundrechte einzustehen?
Melzer: Grundrechte sind wie Luft: Erst wenn Ihnen jemand Mund und Nase zuhält, merken Sie, dass Sie ohne Luft nicht leben können. Doch wenn Sie dann einmal im Würgegriff sind, ist es leider meist schon zu spät.
ZEIT: Herr Melzer, bekannt wurden Sie durch Ihr Engagement für den WikiLeaks-Gründer Julian Assange. Dabei sagten Sie mal den Satz: „Wenn es ums Eingemachte geht, funktioniert der Rechtsstaat auch bei uns in Europa nicht mehr.“ Wie kommt es, dass dieser Firnis derart dünn ist?
Melzer: Das war schon immer so. Ich habe relativ spät in meiner Karriere gemerkt, welch großen Illusionen ich über den westlichen Rechtsstaat erlegen bin. Er funktioniert im Normalfall sehr gut, aber sobald wichtige wirtschaftliche und politische Interessen betroffen sind, dann versagt er.
ZEIT: Auch in der Schweiz oder Österreich?
Melzer: Ja. Nehmen sie den Fall der Baskin Nekane Txapartegi, die in der Schweiz lebt. Die wurde in Spanien gefoltert und sollte 2017 nach Madrid ausgeliefert werden. Ich intervenierte. Da sagte man mir von oberster Stelle in Bern: „Wir können den Spaniern nicht öffentlich Folter vorwerfen – dafür ist Madrid für uns ein allzu wichtiger Partner in Verhandlungen mit der EU.“
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Nils Melzer
1970 in der Schweiz geboren, studierte Nils Melzer Rechtswissenschaften an der Uni Zürich. Bevor er 2016 zum Sonderberichterstatter der UN über Folter ernannt wurde, arbeitete er zwölf Jahre für das Internationale Komitee vom Roten Kreuz. Melzer lehrt Humanitäres Völkerrecht an den Universitäten Glasgow und Genf.
(https://www.zeit.de/2021/03/nils-melzer-un-folter-anti-terror-gesetz-schweiz/komplettansicht)
+++RECHTSPOPULISMUS
Das weltweit älteste Satiremagazin startet neu: Über dem «Nebelspalter» geht ein Sünneli auf!
Er war die satirische Speerspitze der Schweiz im Kampf gegen die Nazis: Der «Nebelspalter». Nun richten die neuen rechtsbürgerlichen Besitzer unter der Führung des Schweizer Journalisten und Historikers Markus Somm das Visier nach links. Wird das lustig?
https://www.blick.ch/life/das-weltweit-aelteste-satiremagazin-startet-neu-ueber-dem-nebelspalter-geht-ein-suenneli-auf-id16295447.html
Finanzierung von Busse: JSVP lanciert Spendenaktion für Oberländer Wirtin
Daniela Liebi droht eine Busse, weil sie ihr Restaurant in Schwanden-Sigriswil – trotz Verbot – öffnete. Um die Wirtin zu unterstützen, sammelt die Junge SVP nun Geld.
https://www.bernerzeitung.ch/jsvp-lanciert-spendenaktion-fuer-oberlaender-wirtin-652757781247
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Sonntagszeitung 17.01.2021
Katniss Everdeen und die Stürmung des Capitols
Der Überfall auf das Parlament in Washington hat auch gezeigt, wie die «liberale Mitte» in der Schweiz den Faschismus verharmlost.
Kolumne von Tamara Funiciello
Am 6. Januar fallen weisse Suprematisten ins Capitol in Washington D.C. ein und unterbrechen die Parlamentssitzung. Sie wollen die Bestätigung Joe Bidens als nächsten Präsidenten durch das Parlament verhindern. Es gibt Tote, und die Demokratie in den USA ist an einem Punkt angelangt, an dem plötzlich auch ihr Ende möglich scheint. Als ich die Bilder sah, habe ich im ersten Moment an etwas ganz anderes gedacht: In den weltbekannten «The Hunger Games»-Büchern von Suzanne Collins und den gleichnamigen Verfilmungen gab es das schon mal den Sturm aufs Capitol. Dort ist er ein Moment der Befreiung, der unbändigen Freude: Nach fast 100 Jahren Diktatur durch einen kleine, gnadenlose und selbstherrliche Elite gelingt Katniss Everdeen und ihren Verbündeten die Revolution.
Was sich am 6. Januar in Washington ereignete, war das Gegenteil von Katniss’ Revolution. Es war ein Signal zum gewalttätigen Rückfall in längst überwunden geglaubte Zeiten. Trump und seine Anhänger*innen respektierten nicht nur das Wahlergebnis, das Joe Biden und Kamala Harris deutlich zu den Sieger*innen der Wahl machte, nicht. Sie respektierten auch die Dutzenden Gerichtsentscheide zugunsten der beiden nicht. Sie nahmen in ihrem Putschversuch Tote und Verletzte auf allen Seiten in Kauf und hinderten das Parlament, seinen Auftrag zu erfüllen. Trump verachtet jede Institution der Demokratie. Könnte er aussuchen, wäre er per sofort Präsident der USA auf Lebenszeit. Weiss wäre ab sofort wieder die «Herrenrasse» – man sah unter den Capitol-Stürmern Hitlergrüsse und landesweit bekannte Neonazis. Und seine Gegner*innen würden weggesperrt, wenn sie nicht von seinen Paramilitärs vorher gelyncht worden wären.
Als wäre das alles nicht schlimm genug, haben es «liberale» Schweizer Politiker*innen tatsächlich geschafft, einen Vergleich zwischen der friedlichen Platzbesetzung des Bundesplatzes in Bern durch Klimaaktivist*innen und dem Gewaltexzess am 6. Januar in Washington zu ziehen.
In ihrem verzweifelten Versuch, die Hufeisentheorie (aka alle Extremismen sind schlimm) zu vertreten und sich als die «vernünftige Mitte» zu inszenieren, verharmlosten sie dabei den Faschismus. Historisch gesehen leider nichts Neues: Wieder wurde damit Gewalt durch Parteien und Politiker*innen, die sich selbst der politischen Mitte zuordnen, verharmlost. Wieder zeigt sich hier exemplarisch, was es braucht, um Faschismus salonfähig zu machen.
Erstens: eine etikettenschwindlerische, selbstherrliche «Mitte», die angeblich die Vernunft gepachtet hat, selber aber mit allen Mitteln soziale Ungleichheit aufrechterhält, auf der ebendieser Faschismus wachsen kann. Zweitens: ein gezieltes Wegschauen oder sogar Befeuern faschistoider Aktivitäten durch dieselben Politiker*innen, die den Feind immer nur links vermuten. Dabei lehrt uns die Geschichte eindringlich, dass neben Linken auch Liberale, Christen und viele, viele andere vom Faschismus tödlich ins Visier genommen werden.
Der absehbare Überfall aufs Capitol hat die US-Demokratie in ihren Grundfesten erschüttert. Er soll uns eine Warnung sein: Hoffen und kämpfen wir in den USA, in der Schweiz und weltweit für die Demokratie, für den Wandel und dafür, dass es in Zukunft keine Katniss Everdeen braucht, die sich das Capitol wieder zurückholen muss. Kein Fussbreit dem Faschismus!
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Tamara Funiciello ist Nationalrätin und Co-Präsidentin der SP Frauen* Schweiz.
(https://www.derbund.ch/katniss-everdeen-und-die-stuermung-des-kapitols-135472917706)
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Sonntagszeitung 17.01.2021
Kommentar zu Corona-Nothilfen: Die Schweiz – ein Opfer rechtsbürgerlicher Ideologie
Tausende Firmen erhalten trotz erneuter Zwangsschliessung keine Hilfe vom Staat. Ausgerechnet die reiche Schweiz, die sich mehr Hilfe problemlos leisten könnte, nimmt damit Konkurse und eine Entlassungswelle in Kauf.
Peter Burkhardt
Vor der Corona-Krise hat Finanzminister Ueli Maurer vieles richtig gemacht. Er hat mithilfe der vor 18 Jahren eingeführten Schuldenbremse die Staatsfinanzen in Ordnung gehalten und die Schuldenquote gesenkt – ganz nach dem Motto: Spare in der Zeit, dann hast du in der Not.
Jetzt, in der Not, macht Maurer vieles falsch. Er wehrt sich mit Händen und Füssen gegen eine grosszügigere Hilfe für die betroffenen Unternehmen. Diese Woche behauptete er, die finanziellen Folgen würden die Schweiz noch zwanzig Jahre beschäftigen. Es fehle der Blick fürs grosse Ganze.
Dabei ist es gerade andersrum: Maurer fehlt der Blick fürs grosse Ganze. Dazu gehört: Um die Pandemie zu bekämpfen, sind scharfe Massnahmen nötig. Im Gegenzug braucht es grosszügige, rasche Geldspritzen für die unverschuldet in Not geratenen Unternehmen.
Das aber ignoriert Maurer – wie auch die Ratschläge der wissenschaftlichen Corona-Taskforce, der einige der besten Ökonominnen und Ökonomen angehören, die dieses Land hervorgebracht hat. Sie hat schon lange festgehalten, dass es zwingend grosszügige Entschädigungszahlungen braucht, um betroffene Firmen am Leben zu erhalten und Arbeitsplätze zu retten.
Gewiss, es wäre viel zu einfach, Maurer zum Sündenbock zu machen. Schliesslich ist er nur einer von sieben Bundesräten. Es ist die bürgerliche Mehrheit in Bundesrat und Parlament, unterstützt vom Unternehmensdachverband Economiesuisse, die sich seit Monaten gegen die Forderung der politischen Linken und der Gewerkschaften wehrt, den Geldbeutel stärker zu öffnen.
Dabei könnte sich das unser reiches Land wie kaum ein zweites leisten: Wir haben eine weltweit rekordtiefe Staatsverschuldung. Dank der Negativzinsen sind neue Schulden nicht nur gratis, sondern der Staat erhält dafür sogar noch Geld. Und wenn wegen unterlassener Hilfeleistung eine Pleite- und Entlassungswelle übers Land rollt, wird das letztlich den Staatshaushalt und die Sozialwerke mehr und länger belasten.
Man kommt nicht um die bittere Feststellung herum: Die Schweiz ist in Geiselhaft rechtsbürgerlicher Ideologen, die inmitten der grössten Krise der vergangenen Jahrzehnte nicht bereit sind, von ihren Dogmen abzuweichen. Ausgerechnet die angeblichen Wirtschaftsparteien SVP und FDP gefährden damit die Wirtschaft.
Aber nicht nur diese: Schon die Taskforce hat darauf hingewiesen, dass ohne grosszügige Entschädigungszahlungen für die betroffenen Unternehmen scharfe Massnahmen im Kampf gegen das Virus nicht durchzusetzen seien. Sie drückte das natürlich diplomatisch aus. Undiplomatisch gesagt: Wer behauptet, unser Land könne sich konsequente Massnahmen nicht leisten, setzt nicht nur den Wohlstand aufs Spiel – sondern nimmt letztlich Tote in Kauf.
(https://www.derbund.ch/die-schweiz-ein-opfer-rechtsbuergerlicher-ideologie-566101093401)
+++RECHTSEXTREMISMUS
Rückzugsorte für Rechtsextremisten
Die extreme Rechte nutzt kleinere Social-Media-Plattformen verstärkt für ihre politischen Zwecke. Eine neue Studie untersucht das Phänomen
https://www.heise.de/tp/features/Rueckzugsorte-fuer-Rechtsextremisten-4664334.html
+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Faktencheck: Experten gegen Impfgegner
Die Frage, ob man sich gegen Corona impfen lassen sollte, polarisiert nach wie vor. Im Internet kursieren verschiedene Schreckensmeldungen über den Impfstoff. Ob bei diesen Meldungen etwas dran ist, hat «TeleM1» im Faktencheck geprüft.
https://www.telem1.ch/aktuell/faktencheck-experten-gegen-impfgegner-140616215
Angeführt von Ex-Pfizer-Mann Patrick Jetzer: Pflegepersonal gründet Anti-Impf-Verband
Gesundheitsangestellte machen gegen die Covid-Impfung mobil. Die Fäden zieht ein Pharma-Spezialist, der bis vor kurzem noch für den Impfstoffhersteller Pfizer tätig war.
https://www.blick.ch/schweiz/angefuehrt-von-ex-pfizer-mann-patrick-jetzer-pflegepersonal-gruendet-anti-impf-verband-id16297070.html
Schweizer Chefärztin verbreitet Hirngespinste zu Corona
Für eine Chefärztin einer Schweizer Privatklinik ist die Corona-Pandemie nur ein Ablenkungsmanöver für eine Verschwörung.
https://www.infosperber.ch/gesundheit/schweizer-chefaerztin-verbreitet-hirngespinste-zu-corona/
-> https://www.medinside.ch/de/post/schweizer-chefaerztin-auf-abwegen
True Lies
Woher kommt der Begriff «Lügenpresse»? Warum nimmt die Gewalt gegen Journalistinnen gerade massiv zu? Antworten von einem Kommunikationswissenschaftler, der sich einst selbst mit dem sogenannten «Medien-Mainstream» angelegt hat. Serie «Eyes Wide Shut», Folge 4.
https://www.republik.ch/2021/01/15/true-lies-4
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NZZ am Sonntag 17.01.2021
WEF-Gründer Klaus Schwab wird zum finsteren Weltverschwörer
Corona-Leugner, Trump-Anhänger und der TV-Sender Fox News betrachten sein neustes Buch als Leitfaden für die Weltverschwörung der Elite. Dabei hat er es doch nur gut gemeint.
Bettina Schulz, London
Die junge Engländerin Kylie folgt in London mit wehendem Haar dem Zug der Demonstranten. «Freiheit!», schreit die Menge im Lärm eines Polizeihelikopters. «Es geht alles um den Great Reset», ruft Kylie atemlos. «Die wollen eine neue Weltordnung einführen, in der wir alle versklavt werden sollen. Deshalb werden wir jetzt eingesperrt – wie in Nordkorea. Nur, damit die alle Profit machen können, die Pharmaindustrie und die Reichen.»
Und während die Polizei erste Demonstranten festnimmt, ruft sie aufgeregt: «Das ist alles geplant. Das ist der Great Reset» – der grosse Umbruch.
Als Klaus Schwab im letzten Mai ein Buch zu Covid-19 mit ebendiesem Titel veröffentlichte, hatte der Gründer des Weltwirtschaftsforums (WEF) keine Ahnung, dass er damit den Startschuss für wilde Verschwörungstheorien geben würde.
Eigentlich hatte er es gut meint. Denn er meint es immer gut, wenn er jährlich 3000 Spitzenkräfte der Weltpolitik und globalen Unternehmen nach Davos einlädt, um die Probleme der Zukunft zu lösen. Da kommt zwar nicht immer etwas dabei heraus. Aber die Devise von Schwab ist: Versuchen kann man es ja.
Die Corona-Pandemie war für ihn Grund genug, sich Sorgen um die nächste Generation zu machen. Schliesslich hat der 82-jährige Schwab Enkelkinder. Daher träumt er wahrscheinlich nicht vom nordkoreanischen Überwachungsstaat.
Was Wirtschaftsprofessor Schwab in seinem Buch vorschlägt, wird kaum bestritten. Er mahnt mit seinem Co-Autor, dem französischen Volkswirt Thierry Malleret, dazu, dass die Wirtschaft künftig sozial verantwortlicher ausgerichtet werden müsse, die subventionierte Nutzung fossiler Brennstoffe reduziert und der technologische Fortschritt stärker an ethischen Prinzipien ausgerichtet werden müsse.
Unternehmen dürften nicht mehr nur den kurzfristigen Vorteil der Aktionäre honorieren, sondern sollten den langfristigen Erfolg aller Betroffenen im Auge halten. Regierungen und Unternehmen müssten für diese Neuordnung stärker zusammenarbeiten.
Das Buch platzte jedoch in den amerikanischen Wahlkampf. Dort wurde seine Mission schnell ins Gegenteil verkehrt. Anhänger von Präsident Donald Trump nutzen es für ihre eigene Agenda, allen voran die Fernsehmoderatorin Laura Ingraham.
Auf Fox News trichterte Ingraham ihren drei Millionen Zuschauern ein, dass die Idee nichts anderes sei als soziale Gleichmacherei, die sich die globale Elite ausgedacht habe. Die Corona-Krise sei nur vorgeschoben. «Das hört sich harmlos an, was Professor Schwab sagt», so Ingraham. «Aber da stehen antidemokratische Kontrollfreaks dahinter.»
Das Weltwirtschaftsforum, Joe Biden, Bill Gates, Prinz Charles, der Internationale Währungsfonds und die Konzerne steckten unter einer Decke. «Die sind alle für den grossen Umbruch», behauptete die erzkonservative Moderatorin. Für die Gleichmacherei sollten die Amerikaner ihre Freiheit opfern.
Schwab will das gar nicht. Selbst wenn er wollte, könnte er keine Weltverschwörung organisieren. Aber er kommt gern wie ein Übervater daher. Diese Rolle spielt er mit Bravour, seit er vor über 50 Jahren das Weltwirtschaftsforum gegründet hat, um dort die Mächtigen zusammenzuführen.
Er liebt den grossen Wurf, spricht auf einem Podcast mit tiefer Stimme, unterlegt mit mysteriöser Musik, fast wie aus dem All. Da predigt er davon, dass das System, wie es nach dem Zweiten Weltkrieg aufgestellt worden sei, nicht mehr funktioniere, dass wir am Wendepunkt der Menschheit ständen und die Welt neu ausgerichtet werden müsste.
Die Schwäche dieser Superlative ist, dass sie sich beliebig interpretieren und von Verfechtern von Verschwörungstheorien über die sozialen Netzwerke wunderbar verdrehen lässt. Plötzlich ist «The Great Reset» der Schlachtruf all jener Leute, die aus Angst Populisten hinterherrennen, weil sie mit der Corona-Pandemie das Vertrauen in den Staat und das Wirtschaftssystem verloren haben, weil sie um ihre Freiheit, um soziale Gerechtigkeit und ihre heile Umwelt fürchten.
Das WEF sagt dazu nicht viel, ausser dass man das betreffende Buch genau lesen solle. Und sein neustes, das demnächst erscheint, bitte auch gleich. Schwab fordert einmal mehr eine «globale Wirtschaft, die für den Fortschritt, die Menschen und den Planeten funktioniert». Auch solche Bücher können offenbar zur Waffe werden.
(https://nzzas.nzz.ch/hintergrund/klaus-schwab-wef-gruender-wird-zum-finsteren-weltverschwoerer-ld.1596795)
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Sonntagszeitung 17.01.2021
Erschleichung einer falschen Beurkundung: Bekanntester Impfgegner der Schweiz verurteilt
Daniel Trappitsch wurde zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt, weil er Vereinsvermögen für private Zwecke nutzte. Er spricht von einem «unbeabsichtigten Formfehler».
Cyrill Pinto
Seit der Corona-Krise ist Daniel Trappitsch mit seinem Verein Netzwerk Impfentscheid (NIE) omnipräsent. Der bekannteste Impfgegner der Schweiz schreibt auf Blogs und Social-Media-Plattformen gegen die Covid-Massnahmen des Bundes an. Während der ersten Welle sorgte er für Schlagzeilen, weil er den Bundesrat wegen seiner Massnahmen zur Eindämmung des Virus anzeigte. Die Pandemie sei nur «ein Hype» und das Virus existiere gar nicht, schrieb er in der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und verlangte die Bestrafung der Landesregierung. Doch das Gericht schmetterte die Eingabe innert Wochenfrist ab.
Jetzt wird bekannt: Das Sprachrohr der Schweizer Corona- und Impfskeptiker ist vorbestraft. Daniel Trappitsch wurde im Dezember 2018 wegen Erschleichung einer falschen Beurkundung zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt. Zuvor hatte Trappitsch einen Strafbefehl der Staatsanwaltschaft St. Gallen angefochten. Diese hatte Trappitsch nicht nur wegen des Urkundendelikts, sondern auch wegen mehrfacher ungetreuer Geschäftsbesorgung für schuldig befunden. Doch das Bezirksgericht sprach ihn später von diesem Vorwurf frei.
Vereinsvermögen für Firmengründungen genutzt
Das Urteil gegen Trappitsch geht auf eine Anzeige von inzwischen nicht mehr im Verein aktiven Vorstandsmitgliedern und der damaligen Revisorin zurück. Sie zeigten ihn an, weil er wiederholt Vereinsgeld für private Zwecke einsetzte. Der erste Vorfall datiert vom Mai 2012: Trappitsch überweis sich ein Privatdarlehen über 20’000 Franken für eine Firmengründung. Trappitsch hatte Zugang zum Vereinskonto und transferierte das Geld auf ein Konto der Wohlfühl- und Erlebnismessen GmbH. Beim Notar beurkundete Trappitsch, dass dieses Geld als Stammkapital der GmbH zur Verfügung stehe. Doch nur ein paar Wochen später überwies er 19’800 Franken zurück auf das Konto des NIE. Weil das Gründungskapital nie zur ausschliesslichen Verfügung der GmbH stand, wurde Trappitsch rechtskräftig verurteilt.
Ein zweiter Vorfall datiert vom Frühling 2013. Damals überwies Trappitsch vom Vereinskonto Geld an eine Aktiengesellschaft. Gegenüber seinen Vereinskollegen gab Trappitsch an, dass man die so übernommene Firma nutzen wolle, um Spenden für die bevorstehende Abstimmung zum Epidemiegesetz zu sammeln. Insgesamt 13’114 Franken flossen vom Vereinskonto von NIE in die Gründung der Libertarian AG. Später wurde seine Lebenspartnerin als Verwaltungsrätin eingetragen. Doch das geliehene Geld floss nie an den Verein zurück, wie die Unterlagen der Staatsanwaltschaft zeigen. Stattdessen verrechnete Trappitsch den Betrag einfach über einen anderen Verein mit einer Lieferung des impfkritischen Films «Wir impfen nicht». «Belege für diese Verrechnung», so hielt es die Staatsanwaltschaft später fest, «existieren allerdings keine.»
Im Verein aktiv, als wäre nichts geschehen
Die Staatsanwaltschaft erliess im Juni 2018 einen Strafbefehl wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung und Erschleichen einer falschen Beurkundung und verurteilte Trappitsch zu einer bedingten Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 40 Franken und einer Busse von 800 Franken. Doch Trappitsch focht diesen vor dem KreisgerichtWerdenberg-Sarganserland an. Dieses sprach Trappitsch im Dezember 2018 vom Vorwurf der ungetreuen Geschäftsführung frei, verurteilte ihn nur noch wegen Erschleichung einer falschen Beurkundung – und reduzierte die Strafe auf 10 Tagessätze.
2014 hat Trappitsch das Präsidium von NIE überstürzt abgegeben. Inzwischen ist er als Delegierter des Vorstands wieder im Verein aktiv. In einer Stellungnahme hält er fest, dass er wegen eines «unbeabsichtigten Formfehlers» verurteilt worden sei. Und beim Strafbefehl wegen ungetreuer Geschäftsführung habe es sich «um einen Irrtum der Staatsanwaltschaft gehandelt», den das Bezirksgericht später korrigiert habe. Die Anzeigeerstatter von damals seien «interne Verräter», «die noch im gleichen Jahr aus dem Verein ausgeschlossen wurden», hält Trappitsch fest. Diese hätten in der Folge sogar eine Entschädigungszahlung an den Verein leisten müssen. Auf Anfrage wollten sich die Vorstandsmitglieder, die Trappitsch damals anzeigten, nicht mehr zu den Vorgängen äussern.
(https://www.tagesanzeiger.ch/bekanntester-impfgegner-der-schweiz-verurteilt-828250741882)
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Esoterik und Corona – ein Giftgemisch
Unser Kolumnist staunt über die egomanen Fantasiewelten, in die sich viele ehemals vernünftige Menschen aus Unsicherheit in der Pandemie flüchten.
https://www.nau.ch/news/stimmen-der-schweiz/esoterik-und-corona-ein-giftgemisch-65853691
+++HISTORY
Friede, Freimaurer, Verschwörungstheorien
Der Brite John Dickie hat eine instruktive, lebendige und alle dunklen Ecken ausleuchtende Geschichte der Freimaurer geschrieben
https://www.derstandard.at/story/2000123320244/friede-freimaurer-verschwoerungstheorien?ref=rss