Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel
+++DEUTSCHLAND
Seehofer lenkt spät ein
Sanktionen gegen Kirchenasyl werden aufgehoben
Das Kirchenasyl war lange ein Streitpunkt zwischen den Kirchen und dem Staat. Nun hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Regeln entschärft.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1147005.kirchenasyl-seehofer-lenkt-spaet-ein.html
Deutschland nimmt weniger Bootsflüchtlinge als zugesagt auf
Bundesrepublik kommt Verpflichtungen bei der Aufnahme sogenannter Boatpeople aus dem Mittelmeer nicht nach
Bei der Aufnahme von schiffbrüchigen Flüchtlingen aus dem Mittelmeer bleibt Deutschland seit Jahren hinter den gemachten Zusagen zurück. Eine Anfrage der Linken zeigt nun, um wie viele es sich handelt.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1146972.asylpolitik-deutschland-nimmt-weniger-bootsfluechtlinge-als-zugesagt-auf.html
+++FRANKREICH
Protestaktion in Frankreich: Hungerstreik erfolgreich: Bäckerlehrling darf bleiben
Der Protest des Bäckermeisters hat gewirkt: Sein Stift bekommt nun doch eine Aufenthaltserlaubnis in Frankreich – wegen «vorbildlicher Integration».
https://www.tagesanzeiger.ch/lehrling-aus-guinea-darf-bleiben-wegen-vorbildlicher-integration-752935753606
+++GRIECHENLAND
Flüchtlingscamp auf Lesbos – «Wasser fliesst durch die Zelte der Flüchtlinge»
In den sozialen Medien kursieren schlimme Bilder. Für die Journalistin Seralidou sind die prekären Zustände gewollt.
https://www.srf.ch/news/international/fluechtlingscamp-auf-lesbos-wasser-fliesst-durch-die-zelte-der-fluechtlinge
Leid auf Lesbos: Die gewollte Katastrophe? | STRG_F
Der Winter auf Lesbos bringt vor allem viel Regen. Die Zelte der Menschen im neu errichteten Flüchtlingscamp Kara Tepe stehen im Wasser. Abdul, ein 28-Jähriger Afghane, schickt uns Aufnahmen aus dem Lager-Alltag: Es gibt keine Heizungen, kein warmes Wasser, zu wenige Toiletten. Die Bewohner:innen hier sagen, Kara Tepe sei noch schlimmer als Moria. Und Moria war schon die Hölle. Immer wieder warnten und warnen Beobachter eindrücklich vor den Zuständen im Camp. Dabei fehlt es weder an Geld, noch an Aufmerksamkeit. STRG_F-Reporter Armin fragt sich, warum sich an der Situation dennoch kaum etwas ändert: „Kann es sein, dass die Zustände gewollt sind?“ Sind sie Teil einer politischen Abschreckungsstrategie?
https://www.youtube.com/watch?v=02bgM5MmeLw&feature=youtu.be
+++EUROPA
Anhörung: „Frontex hat kein Interesse an Aufklärung“
Frontex soll an Pushbacks an den EU-Grenzen beteiligt gewesen sein. Behörden-Chef Leggeri will davon nichts gewusst haben.
https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/gruene-nach-anhoerung-im-innenausschuss-frontex-hat-keinerlei-interesse-an-aufklaerung-li.132294
—
nzz.ch 14.01.2021
Rechtsbruch und Mobbing? Der Chef der europäischen Grenzwache Frontex ist mit schweren Vorwürfen konfrontiert
Mitarbeiter der EU-Grenzschutzagentur stehen seit Monaten im Verdacht, Migranten in der Ägäis illegal zurückgedrängt zu haben. Nun wird auch noch wegen Belästigung und Fehlverhalten auf höchster Ebene gegen Frontex ermittelt.
Daniel Steinvorth, Brüssel
Die EU-Grenzschutzagentur Frontex bekommt eine eigene Uniform. Stolz präsentierte sie am Montag einen mit marineblauer Jacke und Mütze gekleideten Beamten auf Twitter und schrieb dazu: «Zum ersten Mal hat die Europäische Union einen eigenen uniformierten Dienst.» Dass die Behörde mit Sitz in Warschau derzeit ganz andere Sorgen hat, sollte wohl ein wenig in den Hintergrund rücken.
Schon seit Monaten stehen die Grenz- und Küstenwächter der EU wegen sogenannter «Pushback»-Aktivitäten unter Druck: Mitarbeiter von Frontex sollen laut Medienberichten an illegalen Zurückweisungen von Migranten in der Ägäis beteiligt gewesen sein – oder diese zumindest hingenommen haben. Laut der Genfer Flüchtlingskonvention dürfen Schutzsuchende ohne Prüfung ihres Falls nicht abgewiesen werden. Auch die griechische Küstenwache dementiert die Vorwürfe, obwohl einige der Pushbacks, etwa durch das Recherche-Netzwerk «Bellingcat», gut dokumentiert sind.
Der Frontex-Chef im Kreuzfeuer
Der Frontex-Direktor Fabrice Leggeri hat die Kritik bisher stets zurückgewiesen. Anfang Dezember musste der Franzose im Innenausschuss des Europaparlaments dazu Stellung beziehen. Dabei erklärte er, dass eine interne Untersuchung kein Fehlverhalten der Grenzschützer festgestellt habe und dass es für eine Beteiligung an Pushbacks keine Beweise gebe. Im Parlament beeindruckte das wenig. Sozialdemokraten und Linke forderten Leggeris Rücktritt, die Grünen verlangten einen Untersuchungsausschuss.
Am Dienstag bestätigte die EU-Behörde für Betrugsbekämpfung (Olaf), dass sie eine Ermittlung gegen Frontex eingeleitet habe. Zu weiteren Details wollte sich die Behörde mit Verweis auf das laufende Verfahren gegenüber der NZZ nicht äussern. Laut dem Nachrichtenportal «Politico», das sich auf die Aussagen von vier anonymen EU-Beamten stützt, geht es dabei um «Belästigung und Fehlverhalten auf höchster Ebene» sowie um Pushbacks bei Migranten. Bereits im Dezember seien deswegen die Büros von Leggeri und seinem Kabinettschef Thibauld de La Haye Jousselin in Warschau durchsucht worden.
Gemäss einem der Informanten soll Leggeri mehrere Mitarbeiter eingeschüchtert haben – unter ihnen solche, die sich innerhalb der Agentur um die Achtung der Grundrechte kümmern und Frontex somit intern kontrollieren. Dies könnte erklären, warum Olaf auch in Bezug auf die möglichen Pushbacks ermittelt. Ausser Mobbing wird der Frontex-Spitze zudem Günstlingswirtschaft vorgeworfen. Dies habe zu einer auffälligen Personalfluktuation geführt.
Gespanntes Verhältnis zu Ylva Johansson
Der Fall beschäftigt auch die EU-Kommission. Die für Migration zuständige Innenkommissarin Ylva Johansson drängte Frontex Anfang November zu einer Untersuchung der Vorfälle in der Ägäis. Ihr Verhältnis zu Leggeri gilt mittlerweile als stark angespannt. Dabei musste sich schon dessen Vorgänger, der Finne Ilkka Laitinen, mit Vorwürfen herumschlagen, nicht ausreichend gegen die Zurückdrängung von Migranten vorzugehen.
Dabei steht allerdings der Verdacht im Raum, dass der Rechtsbruch von vielen EU-Staaten letztlich gewünscht ist, um illegale Migration zu verhindern. Beobachter kritisieren, dass die chaotischen Zustände an den Aussengrenzen und die Pushbacks als Mittel zur Abschreckung von vielen Regierungen billigend in Kauf genommen würden. Auf eine gemeinsame Asyl- und Migrationspolitik wartet die EU weiter vergeblich. Allein bei der Aufstockung der Grenzschützer ist man sich einig: So soll Frontex in diesem Jahr auf 5000 und bis zum Jahr 2027 auf 10 000 Einsatzkräfte verstärkt werden.
(https://www.nzz.ch/international/pushbacks-und-mobbing-grenzwache-frontex-in-der-kritik-ld.1596181)
+++ATLANTIK
Kanaren: Migranten statt Touristen
Seit die Mittelmeer-Flüchtlingsroute nach Italien undurchlässiger wird, verlegen immer mehr Migranten ihre Route nach Spanien. Etwa 20.000 Menschen haben in den letzten Monaten die Kanarischen Inseln erreicht. Das sind fast zehn Mal so viele wie im Vorjahr. Die Inselbevölkerung hat Angst vor einem zweiten Lampedusa oder einem neuen Lesbos. Und die Tourismusbranche fürchtet, dass bald gar keiner mehr bucht.
https://www.arte.tv/de/videos/101691-000-A/kanaren-migranten-statt-touristen/
+++GASSE
Jahresbericht Sucht: Covid-19 verschärft Situation
Der Jahresbericht Sucht 2020 der Stadt Bern stellt die Bewältigung der pandemiebedingten Herausforderungen im Sucht-, Obdachlosen- sowie Armutsbereich in den Fokus. Er zeigt auf, dass die Pandemie die bereits schwierige Situation vieler Menschen mitunter zusätzlich verschärft. Gleichzeitig ist eine professionelle Begleitung unter den aktuellen Restriktionen erschwert.
https://www.bern.ch/mediencenter/medienmitteilungen/aktuell_ptk/jahresbericht-sucht-covid-19-verschaerft-situation
+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Die Lehrerin vom Schwarzen Block: 29-Jährige mischte bei Ausschreitungen an vorderster Front mit
Die Staatsanwaltschaft stufte die 29-jährige Lehrerin als Leitfigur und Koordinatorin bei der Basel Nazifrei-Demonstration von 2018 ein. Die Führungsrolle konnte der Frau allerdings nicht eindeutig nachgewiesen werden. Das Resultat ist eine bedingte Freiheitsstrafe und eine Busse.
https://www.bzbasel.ch/basel/basel-stadt/die-lehrerin-vom-schwarzen-block-29-jaehrige-mischte-bei-ausschreitungen-an-vorderster-front-mit-140470506
Unbewilligte Demo in Basel: Streit um Frauenstreik reisst nicht ab
Die Kantonsregierung muss einen Bericht zum Polizeieinsatz vom 14. Juni 2020 vorlegen.
https://www.bazonline.ch/streit-um-frauenstreik-reisst-nicht-ab-265953392095
-> https://www.bzbasel.ch/basel/basel-stadt/haessige-grossratsdebatte-in-basel-illegale-frauentag-demo-verhindert-versoehnlichen-abschluss-140476312
-> Petition: http://www.grosserrat.bs.ch/de/geschaefte-dokumente/datenbank?such_kategorie=1&content_detail=200110411
+++BIG BROTHER
Bundesrat und Parlament befürworten eine staatlich regulierte elektronische Identifizierungsmöglichkeit (E-ID)
Die Schweizer Bevölkerung stimmt am 7. März 2021 über das Bundesgesetz über elektronische Identifizierungsdienste (E-ID-Gesetz) ab. Das Gesetz schafft die Grundlage für eine vom Bund anerkannte elektronische Identität und regelt, wie sich Personen im Internet eindeutig, sicher und praktisch identifizieren können. Gegen das Gesetz wurde das Referendum ergriffen.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-81978.html
-> Medienkonferenzl BR Keller-Sutter: https://www.youtube.com/watch?list=PLEnHzNShzOwY9hO6PHz6gH-VwHW-Ge4Gq&v=n8ioDkyO1KE&feature=emb_logo
-> https://www.20min.ch/story/bundesraetin-keller-sutter-informiert-zum-umstrittenen-e-id-gesetz-974007406673
-> https://www.derbund.ch/bundesrat-wirbt-fuer-ja-zum-e-id-gesetz-621365934288
-> https://www.watson.ch/schweiz/digital/725867289-bundesrat-wirbt-fuer-ja-zu-e-id-gesetz-am-7-maerz
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/bundesrat-wirbt-fur-ja-zu-e-id-gesetz-am-7-marz-65852233
-> https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/sicher-und-praktisch-abstimmungskampf-um-e-id-gesetz-lanciert-65851992
-> https://www.blick.ch/politik/schritt-zur-digitalisierung-karin-keller-sutter-startet-abstimmungskampf-zur-e-id-id16292224.html
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/gegner-und-befuerworter-das-fuer-und-wider-der-elektronischen-id
-> Echo der Zeit: https://www.srf.ch/play/radio/echo-der-zeit/audio/das-fuer-und-wider-der-elektronischen-identifizierung?id=8088351f-2b4b-4c8b-b306-d62f25729676
-> Tagesschau: https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/abstimmung-elektronischer-identitaet-das-e-id-gesetz?urn=urn:srf:video:e23f85a4-530d-419b-ad05-4d4d85a87f50
-> https://www.tagblatt.ch/news-service/inland-schweiz/abstimmung-sicher-einfach-und-praktisch-karin-keller-sutter-weibelt-fuer-die-e-id-ld.2085634
+++POLIZEI BL
Baselbieter Polizei will technisch aufrüsten
Der Baselbieter Landrat will mit einem neuen Polizeigesetz das Corps auch technische auf den neusten Stand bringen und Fragen zu Drohnen und Bodycams beantworten.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-basel-baselland/baselbieter-polizei-will-technisch-aufruesten?id=11913191
-> https://www.bzbasel.ch/basel/baselbiet/lob-und-anerkennung-fuer-das-neue-polizeigesetz-im-baselbiet-140470690
-> https://telebasel.ch/2021/01/14/baselbieter-polizei-setzt-kuenftig-bodycams-ein/?channel=105100
+++POLIZEI BELGIEN
Demonstration wegen eines Todesfalls in Polizeigewahrsam eskalierte in Brüssel
Demonstranten forderten die Aufklärung im Fall Ibrahima B., der nach seiner Verhaftung gestorben war. Die Proteste mündeten nach Ausschreitungen in über 100 Festnahmen
https://www.derstandard.at/story/2000123285555/nach-tod-eines-festgenommenen-schwarzen-demonstration-in-bruessel-eskalierte?ref=rss
-> https://www.watson.ch/international/rassismus/570030870-mehr-als-100-festnahmen-nach-krawall-an-bruesseler-polizeiwache
+++POLICE USA
US-Polizeigewalt drei Mal häufiger gegen linke als rechte Demonstranten
Eine Studie untersuchte 13.000 Demonstrationen und zeigte: Die US-Polizei setzt mit dreimal höherer Wahrscheinlichkeit gewaltsame Mittel gegen Linke ein als gegen Rechte
https://www.derstandard.at/story/2000123308451/us-polizeigewalt-drei-mal-haeufiger-gegen-linke-als-rechte-demonstranten?ref=rss
+++RASSISMUS
bernerzeitung.ch 14.01.2021
Sie kämpfen gegen Rassismus – «Wir brauchen diesen Raum»
Ein Kollektiv junger Frauen hat im Berner Progr das Café révolution gegründet. Es soll ein Raum für Menschen werden, die Rassismus erleben.
Lea Stuber
Sich nicht allein fühlen mit dem erlebten Rassismus. Sich nicht erklären müssen. Sich selber sein.
Ihre Worte schweben im Raum, der schon bald genau dafür Platz bieten soll. Ankommen, durchatmen, verweilen.
«Für uns als Schwarze Frauen», sagt Gloria Peña-Triana (26), «gab es in Bern bisher keinen Ort, der dieses Bedürfnis abgedeckt hat.» Sie, die diplomierte Fachbetreuerin und Nanny, sitzt auf dem Sofa in Zimmer 014 des Progr in Bern. Sobald es die Corona-Situation erlaubt, macht ein Kollektiv von Frauen, zu dem Peña-Triana gehört, diesen Raum zum Café révolution.
«Schwarz» und «Schwarzgelesen» schreibt das Kollektiv mit Grossbuchstaben. Neben Peña-Triana sitzt die Sozialanthropologin Naomi Chinasa Bögli (29), sie sagt: «Der Begriff beschreibt nicht eine existierende Hautfarbe, sondern eine politische und soziale Konstruktion – eine Position in der Machtstruktur.» Und schiebt nach: «Gerne würde ich solche Sachen nicht mehr erklären müssen, ich möchte das voraussetzen können.»
Nicht nur Rassismus
Sie teilen die Erfahrung, Rassismus zu erleben, diese Erfahrung hat die Frauen zusammengebracht. Rassismus am Familientisch, Rassismus in Freundschaften, in Liebesbeziehungen, in der Schule, an der Bushaltestelle, am Arbeitsplatz. «Überall da, wo Menschen sind, wo von Menschen geschaffene Strukturen existieren», sagt Bögli. «Ich wünsche mir, dass respektiert wird, dass Rassismuserfahrungen sehr verletzend sind und ich nicht das Bedürfnis habe, das Bestehen von Rassismus beweisen zu müssen.»
Die Frauen bringen eine Vertrautheit und Energie in den Raum, eine Selbstsicherheit auch, als wäre das hier das WG-Wohnzimmer von langjährigen Freundinnen. Als würden sich manche von ihnen nicht erst seit einem Sommer kennen. Seit dem Sommer, als die Black-Lives-Matter-Proteste auch die Schweiz erreichten und die Frauen via Bla*Sh, einem Schwarz-feministischen Kollektiv, zusammenfanden.
Sie alle beschäftigen sich mit Themen wie sozialen Ungleichheiten, Machtstrukturen, dem Patriarchat – als Studentin, als Juristin oder in ihren ehrenamtlichen Engagements. Sie wollen hinterfragen und verändern. Bögli sagt: «Die Erfahrung mit Rassismus ist, was uns zusammengeführt hat, aber es ist nicht, was uns ausmacht.»
Das Café révolution, wo man zwar Kaffee wird trinken können, das aber Begegnungsort und nicht Café sein wird, ist für sie ein kleiner Schritt in Richtung ihres Traumes, des Traumes einer anti-rassistischen Gesellschaft. Sie wollen nicht auf ihre Rassismuserfahrungen reduziert werden, das wird deutlich, kommen aber nicht darum herum, Rassismus zum Thema zu machen. «Es braucht die Anerkennung und Auseinandersetzung damit», sagt Peña-Triana, «dass wir rassistisch sozialisiert wurden und werden, dass dies in unserer Gesellschaft tief verwurzelt ist».
Das Café révolution soll ein Safer Space sein, abgeleitet von Safe Space, einem sicheren Raum. Im Café révolution sollen Schwarze und Schwarzgelesene Menschen sich sicherer fühlen können als an anderen Orten. «Wir können nicht garantieren, dass der Raum rassismus- und diskriminierungsfrei sein wird – es ist das Ideal, das wir anstreben», sagt Peña-Triana, «zumindest rassismus- und diskriminierungsarm soll er aber sein».
Eine offene Tür
Seit Weihnachten sammelt das Kollektiv via Crowdfunding Geld – für die Miete und Einrichtung, für die Infrastruktur für einen Coworking-Space, für eine postkoloniale Bibliothek. Sie hätten viel Zuspruch bekommen, etwa via Instagram, viele Menschen, die mithelfen wollten, beim Malen, beim Einrichten des Raumes, sagt Peña-Triana. «Wir merken: Da draussen gibt es viele tolle Menschen mit Ressourcen und Fähigkeiten, die auch das Bedürfnis nach einem Raum wie diesem haben.»
Ihre Tür sei offen für alle Menschen, die Rassismus erlebten. «Leute, die eine Idee umsetzen wollen, sind bei uns sehr willkommen», sagt Peña-Triana. Sei es ein Konzert, eine Ausstellung oder Lesungen. Das Kollektiv plant einerseits exklusive Veranstaltungen für Menschen, die Rassismus und Diskriminierung erfahren. Andererseits Veranstaltungen für eine breite Öffentlichkeit, bei denen es auch um Sensibilisierung und Wissensvermittlung gehen wird.
«Rassismus betrifft nicht nur uns als Menschen, die Rassismus erleben, sondern die ganze weisse Mehrheitsgesellschaft», sagt Peña-Triana. «In der Schweiz fühlt man sich manchmal allein, das ist schwierig. Wir wollen uns gegenseitig stärken und füreinander da sein, wir brauchen diesen Raum.»
–
Das Crowdfunding für das Café révolution – Safer Space und Plattform für anti-rassistische Projekte – läuft bis Anfang März auf crowdify.net.
(https://www.bernerzeitung.ch/wir-brauchen-diesen-raum-415400958063)
+++RECHTSEXTREMISMUS
How the Fascist-friendly pro-Trump QAnon Conspiracy Theory Led to Insurrection
Q’s ‚Great Awakening‘ focuses around an authoritarian-style crackdown of Donald Trump’s enemies
https://www.haaretz.com/us-news/.premium-qanon-trump-conspiracy-violence-attack-capitol-1.6809655
—
tagesanzeiger.ch 14.01.2021
Was Nazis lesen: Die Bibel des Hasses
Ob Trump-Fanatiker, deutsche Neonazis oder Oklahoma-Bomber: Sie alle lasen die «Turner-Tagebücher».
Linus Schöpfer
1978: Ein Physiker – unbekannt, mittleren Alters – veröffentlicht seinen ersten Roman.
William L. Pierce heisst der Autor, «The Turner Diaries» das Buch. Pierce, ein Neonazi, versetzt die Leser in eine Welt des Jahres 2099, in der es kaum noch Juden und nicht-europäische Menschen gibt.
In dieser Welt findet der fiktive Erzähler die Tagebücher eines gewissen Earl Turner. Turner ist ein weisser Rassist, der in den 1990ern Terror verbreitet und so die Voraussetzungen für den Nazi-Staat geschaffen hat, in dem der Erzähler nun lebt.
Die Attacke, die Schlinge
2021: Ein Mob aus Trump-Fans, Neonazis und Esoterikern stürmt das Parlament der USA.
Kennern des Tagebuchs fallen die Parallelen sofort auf. So schildert William L. Pierce einen Anschlag auf das Capitol, der zwar nicht die Demokratie erledigt, aber mehrere Menschen tötet.
«Der wahre Wert dieser Attacke», schreibt Turner in seinem Tagebuch, «ist psychologisch».
Auch gibt es im Buch einen «Tag der Schlinge», an dem Turners Truppe weisse «Verräter» öffentlich erhängt: Richter, Beamte, Journalisten, Politiker.
Tatsächlich stand vor dem Capitol eine Henkeranlage, als die Rechtsextremen ins Capitol zogen, und im Mob wurde «Hängt Mike Pence!» geschrien.
(Video: https://unityvideo.appuser.ch/video/uv435357h.mp4)
Romanautor Pierce teilte mit seiner Figur Turner einen besonderen Hass auf Konservative und Reaktionäre, die offene Gewalt gegen Farbige und Linke ablehnen – den Hass auf die «Talkers».
Auch Rechtsextreme zogen nach dem Aufruhr eine direkte Linie zwischen Fiktion und Realität.
«Die ‹Turner-Tagebücher› haben das vorweggenommen», zitiert die «New York Times» aus einer Nachricht.
Die Verehrer
Die Anti-Defamation League schreibt, Pierce’ Roman sei unter amerikanischen Rechtsextremen wohl das meistgelesene Buch. Einige bekannte Neonazis haben das Buch verinnerlicht.
So terrorisierte in den 80ern eine Nazi-Clique die USA, die Turners Organisation imitierte und sich auch nach ihr benannt hatte: The Order. Berüchtigt wurde The Order mit Raubüberfällen, der Ermordung eines Radiomoderators und dem Ende ihres Anführers, der sich mit dem FBI einen langen, letztlich tödlichen Schusswechsel lieferte.
Ein weiteres Beispiel ist Timothy McVeigh, der mit einem Bombenanschlag in Oklahoma 168 Menschen tötete. Das FBI fand im Fluchtauto des jungen New Yorkers einige Seiten des Romans. McVeigh verehrte das Buch, hatte es an Waffenmessen persönlich unter die Leute gebracht.
Sein Attentat wurde als Übertragung in die Wirklichkeit gedeutet: Earl Turner attackiert ein Quartier des FBI auf sehr ähnliche Weise.
Mitglieder des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) lasen das Buch ebenfalls, ein Mitglied übersetzte den Roman ins Deutsche.
Auch der norwegische Terrorist Anders Breivik dürfte von den Tagebüchern beeinflusst worden sein. Die vielen Parallelen in Breiviks Texten und Aktionen sind kaum zufällig.
Über 200 Morde und Dutzende Raubüberfälle seien mittlerweile durch Turners Tagebücher inspiriert worden, schreibt der Extremismusexperte J.M. Berger.
Brutaler Ehrenkodex
Warum sind die «Turner Diaries» für Neonazis attraktiv? Das hat verschiedene Gründe. William L. Pierce beschreibt eine Welt, in der junge, weisse Männer an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden, in der sie Opfer sind.
Männer wie McVeigh oder Breivik erkennen sich wieder, das Buch spiegelt und rechtfertigt ihren Hass.
Andererseits beschreibt Pierce die rechtsextreme Terrorzelle als eine Gemeinschaft, in der einsame Kämpfer Loyalität und Orientierung in einem brutalen Ehrenkodex finden.
Nachdem Earl Turner dem Staat unter Folter Bruchstücke von Informationen verraten hat, wird er von seinen Komplizen erst befreit und dann für seine Schwäche bestraft. Turner akzeptiert ein tödliches Himmelfahrtskommando als Konsequenz seines Handelns.
Angebot zur Identifikation
Zudem öffnet Pierce ein grosses Zeitfenster: Zwischen Turners Tod und der Entdeckung seiner Tagebücher – und dem sicheren Sieg der weissen Rassisten – liegen Jahrzehnte. Turner erlebt diesen Triumph nicht mehr, er stirbt vermutlich bei einem Attentat.
Seine Taten ermöglichen der rassistischen Gesinnung aber letztlich den Durchbruch. Earl Turner ist ein Neonazi-Märtyrer.
Pierce motiviert mit seinem Roman reale Neonazis, sich als Teil einer historischen Bewegung zu verstehen und aktiv zu werden. Dies auch dann, wenn die einzelne Aktion allein die liberale Demokratie noch nicht besiegen, «das System» zu Lebzeiten noch nicht zerstört werden kann.
Zudem hat sich Earl Turner keiner historisch fassbaren, konkreten Ideologie oder Partei verschrieben. So können sich Rechtsextreme unterschiedlicher Prägung mit ihm identifizieren. Und schliesslich ist das Buch derart detailliert geschrieben, dass es als Handlungsanleitung gelesen werden kann, so wie das der Oklahoma-Attentäter McVeigh getan hat.
Nicht mehr auf Amazon
Die Onlineplattform Amazon hat «The Turner Diaries» diese Woche aus dem Handel gezogen. Die Wirkung dieser Massnahme dürfte allerdings klein sein. Längst kursiert das Buch frei zugänglich im Web.
Und Demokratinnen und Demokraten behalten den Roman, seine Botschaft und seine Leser auch besser im Hinterkopf. Denn wo dieses Buch mit Begeisterung gelesen wird, ist Argwohn angebracht. Es ist der Stoff, aus dem Gewalt gemacht wird.
–
Und bei uns?
Der Luzerner Journalist Hans Stutz ist ein langjähriger Beobachter des Schweizer Rechtsextremismus und schrieb mehrere Bücher zum Thema. Er schätzt den gegenwärtigen Einfluss der «Turner-Tagebücher» auf die Schweizer Szene als «marginal» ein.
Christian Fuchs, Reporter der «Zeit» und Autor des Buchs «Das Netzwerk der Neuen Rechten», hält die Tagebücher heute im deutschsprachigen Raum ebenfalls für wenig einflussreich. Zwar werde der Roman in rechtsextremen Kreisen noch gelesen, eine herausragende Bedeutung habe er allerdings nicht mehr.
In den frühen 2000er-Jahren habe das Buch noch öfters als Inspiration gedient. Bei jüngeren Neonazis beliebter seien derzeit die Schriften von James Mason, einem Schüler von William L. Pierce. (lsch)
(https://www.tagesanzeiger.ch/die-bibel-des-hasses-378823269225)
+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
«In einem Monat ein Referendum hingeknallt»: Die «Freunde der Verfassung» reichen 55’000 Unterschriften ein
Am Donnerstagmorgen um 8.30 Uhr reichte die Bürgerbewegung bei der Bundeskanzlei 55’000 Unterschriften ein gegen das Terror-Gesetz. Die Jungparteien haben 87’800 Unterschriften gesammelt.
https://www.tagblatt.ch/schweiz/demokratie-in-einem-monat-ein-referendum-hingeknallt-die-freunde-der-verfassung-reichen-55000-unterschriften-ein-ld.2085578
-> Echo der Zeit: https://www.srf.ch/play/radio/echo-der-zeit/audio/freunde-der-verfassung-reichen-zwei-referenden-ein?id=4350c878-c3ba-4fc4-99b6-ca3e9b5040e8
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/auch-covid-gesetz-im-visier-freunde-der-verfassung-reichen-zwei-referenden-ein
„Querdenken“: Die erste wirklich postmoderne Bewegung
Die Soziologen Oliver Nachtwey und Nadine Frei haben in einer Studie untersucht, wer an den Corona-Protesten teilnimmt und wie sie denken. Im Interview sprechen sie über überraschende Ergebnisse, anti-autoritäre Autoritäre und die Dialektik des Emanzipationsprozesses.
https://www.philomag.de/artikel/querdenken-die-erste-wirklich-postmoderne-bewegung
—
derbund.ch 14.01.2021
Strafanzeige abgewiesen: Höchstes Berner Gericht hält Maskenpflicht für legitim
Ein Gegner von Corona-Massnahmen hat die Berner Kantonsärztin wegen Nötigung angezeigt. Das Obergericht weist die Klage als «unbegründet» ab.
Simon Preisig
Die Gegner der Massnahmen zum Schutz vor dem Coronavirus kämpfen auf unterschiedlichste Art und Weise gegen die Regeln der Behörden. Nun zeigt sich ein weiterer Ansatz: Weil er eine Maske tragen muss, hat ein Mann aus dem Kanton Bern die Kantonsärztin, den Regierungsrat und auch den Kanton wegen verschiedener Delikte angezeigt. Unter den angezeigten Straftatbeständen sind Nötigung und auch leichte Körperverletzung.
Das Obergericht als höchstes Berner Gericht beriet über diesen Fall, weil die Staatsanwaltschaft die Anzeige «nicht an die Hand nimmt». Mit dieser juristischen Formulierung bezeichnen die ermittelnden Behörden eine Anzeige, bei der sich offensichtlich gar niemand strafbar gemacht hat und das Verfahren deswegen umgehend eingestellt werden soll. Da der Mann, der die Anzeige eingereicht hatte, mit der Abweisung nicht einverstanden war, gelangte er schliesslich ans Obergericht – und unterlag, wie ein kürzlich publizierter Entscheid zeigt.
Pflicht ist verhältnismässig
Mit der Abweisung der Anzeige hat das Obergericht nun auch indirekt die geltende Maskenpflicht bestätigt. Denn auch wenn eine Strafanzeige eigentlich ungeeignet ist, um die Rechtmässigkeit von Gesetzen und Verordnungen zu prüfen, haben die Richterinnen und Richter dennoch eine Abwägung der Argumente für und gegen eine Tragepflicht vorgenommen.
Dabei kommen sie «klarerweise» zum Schluss, dass die geltenden Regeln für Masken verhältnismässig sind. Dabei stützt sich das Obergericht auf eine Studie des Staatssekretariats für Wirtschaft, wonach Masken zumindest helfen, dass infizierte Personen das Virus nicht weiterverbreiten. Für Personen, denen das Tragen einer Maske aus gesundheitlichen Gründen tatsächlich nicht zugemutet werden könne, seien Ausnahmen vorgesehen.
Masken nur bei falscher Handhabung gefährlich
Weiter macht sich das Gericht aber auch die Mühe, Argumente des Maskengegners zu widerlegen. So zitiert dieser einen Beitrag der SRF-Sendung «Kassensturz», wonach das Tragen von Mundschutz dazu führen könne, dass man zu viel CO2 einatme, was der Gesundheit schade. Auch die Oberrichter haben sich die entsprechende Sendung angeschaut und festgestellt: Masken seien nur dann schädlich, wenn man sie nicht richtig handhabe. Das heisst insbesondere, wenn man die Maske nicht regelmässig wechselt oder wäscht.
Der Teil der Anzeige, der sich gegen den Regierungsrat und den Kanton Bern richtet, ist laut Obergericht schon nur deshalb ungültig, weil nur gegen echte Personen Strafverfahren geführt werden können.
Kantonsärztin: «Nicht angenehm»
Von der ungerechtfertigten Anzeige betroffenen ist Kantonsärztin Linda Nartey. Laut Nartey ist es zu keiner Häufung von Anzeigen bekommen, eine Strategie der Maskengegner scheint also nicht dahinterzustecken. Dennoch ist eine solche Anzeige nicht angenehm, wie Nartey sagt: «Das ist nicht gerade Alltag, kommt aber auch ausserhalb der Pandemie vor.» Wenn man aber sicher sei, seine Aufgabe sorgfältig und nach bestem Wissen und Gewissen und entsprechend den Aufgaben und Kompetenzen getan zu haben, sei es in der Regel keine Belastung. «Es gehört sozusagen zum Job.» Nartey war auch schon von üblerer Form von Belästigung betroffen: Im Oktober wurde sie von Corona-Skeptikern auf offener Strasse angegangen und beschimpft. Die Verfolger filmten ihre Tat und stellten sie ins Internet.
Die Anzeige kommt den Maskengegner teuer zu stehen. 1000 Franken muss er nun für die Verfahrenskosten bezahlen.
(https://www.derbund.ch/hoechstes-berner-gericht-haelt-maskenpflicht-fuer-legitim-916446853348)
-> Urteil Obergericht: http://www.zsg-entscheide.apps.be.ch/tribunapublikation/?dec=f98204bb921a4f3d9343a59f44fab61b&index=OG
+++HISTORY
Schweiz und Kolonialismus – Johann Jakob von Tschudi: Naturforscher und Rassist
Statt Eroberer schickte die Schweiz im 19. Jahrhundert Forscher wie Johann Jakob von Tschudi nach Übersee. Auch sie trugen eine politische Verantwortung.
https://www.srf.ch/kultur/gesellschaft-religion/schweiz-und-kolonialismus-johann-jakob-von-tschudi-naturforscher-und-rassist
-> Kulturplatz: https://www.srf.ch/play/tv/kulturplatz/video/der-naturforscher-johann-jakob-von-tschudi