Medienspiegel 23. Dezember 2020

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++BERN
Der Tod von Sezgin Dağ muss aufgeklärt werden!
Die untenstehende Pressemitteilung zum kurdischen Flüchtling Sezgin Dağ (41), der sich in einem Berner Asylzentrum aufhielt und am 13. November 2020 in einem Taxi auf dem Weg ins Spital an einem Herzinfarkt starb, wurde am 21. Dezember 2020 in Bern vor dem Staatssekretariat für Migration öffentlich gemacht.
16 Organisationen unterzeichneten die Pressemitteilung und mehr als 60 Personen nahmen an der Veranstaltung teil.
https://barrikade.info/article/4103


+++BALKANROUTE
Frach
Wir sind eine Gruppe aus der Schweiz, die im Februar und März 2021 nach Bosnien reisen möchte, um dort für Flüchtende zu kochen und sie mit Kleidern oder Medikamenten zu unterstützen.
https://wemakeit.com/projects/frach


Flüchtlingslager Lipa in Bosnien in Brand gesetzt
Weil das Lager am Mittwoch geschlossen werden musste und die 1.400 Migranten nicht mehr ein und aus wissen, haben einige die Zelte angezündet
https://www.derstandard.at/story/2000122750806/fluechtlingslager-lipa-in-bosnien-in-brand-gesetzt?ref=rss
-> https://www.tagesschau.de/ausland/fluechtlinge-bihac-bosnien-lager-garaeumt-101.html
-> SOS Balkanroute berichtet vom abgebrannten Lipa-Camp in Bosnien: https://www.youtube.com/watch?v=vEMA0CZMIHA&feature=youtu.be
-> https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-12/bosnien-herzegowina-fluechtlingslager-feuer-brand-bihac?wt_zmc=sm.int.zonaudev.twitter.ref.zeitde.redpost.link.x&utm_medium=sm&utm_source=twitter_zonaudev_int&utm_campaign=ref&utm_content=zeitde_redpost_link_x


+++GRIECHENLAND
Offener Brief: Weihnachtsgruß aus Moria II
Selbstorganisierte Flüchtlingsgruppen aus dem neuen Moria wenden sich zu Weihnachten an Europa. Der Brief der medico-Partnerorganisationen im Wortlaut.
https://www.medico.de/moria-brief


Zustände in Flüchtlingslagern: Die verlogene Metapher von der Herbergssuche
Die menschenunwürdigen Lebensumstände auf den griechischen Inseln haben nichts mit rührseligen Weihnachtsgeschichten zu tun
https://www.derstandard.at/story/2000122751489/die-verlogene-metapher-von-der-herbergssuche?ref=rss


Lager auf Lesbos: »Die Kinder wollen nicht mehr leben«
Es sollte kein zweites Moria geben auf Lesbos – doch das neue Lager Kara Tepe hält dieses Versprechen nicht ein. Viele Kinder sind traumatisiert. Eine Bewohnerin und Helfer berichten.
https://www.spiegel.de/politik/ausland/gefluechtete-auf-lesbos-die-kinder-wollen-nicht-mehr-leben-a-b5298e65-de0b-467e-a8fc-40cc94831b45
-> https://www.neues-deutschland.de/artikel/1146216.moria-ich-kam-mit-vielen-traeumen.html
-> https://www.tagesspiegel.de/politik/tiere-haben-mehr-rechte-als-wir-auf-lesbos-droht-tausenden-fluechtlingen-ein-brutaler-winter/26747522.html


Psychologin über Flüchtlinge auf Lesbos: „Wir kämpfen jeden Tag um die Gesundheit der Kinder“
Die Lage im Flüchtlingslager auf Lesbos ist dramatisch. Besonders die Kinder litten unter den Bedingungen, sagte die Psychologin Katrin Glatz-Brubakk, die vor Ort für „Ärzte ohne Grenzen“ arbeitet. Man sehe Kinder, die ihren Lebensmut komplett aufgegeben hätten. Die Hilfsangebote der EU seien nicht ausreichend.
https://www.deutschlandfunk.de/psychologin-ueber-fluechtlinge-auf-lesbos-wir-kaempfen.694.de.html?dram:article_id=489810


+++MITTELMEER
Ein Jahr, acht Schiffe, mehr als 3500 gerettete Menschen
Auch 2020 suchten Freiwillige wieder nach Geflüchteten, die auf dem Weg übers Mittelmeer in Seenot geraten sind.
Tausende haben sie so aus überfüllten, nicht seetauglichen Booten gerettet. Doch viele andere starben auf der gefährlichen Überfahrt. Unter anderem, weil den Retter*innen ihre Arbeit in den vergangenen Jahren zunehmend erschwert wurde.
Und dann kam 2020 auch noch die Corona-Pandemie. Was bedeutete das für die Geflüchteten und die Seenotretter*innen? Chronologie eines schwierigen Jahres.
https://projekte.sueddeutsche.de/artikel/politik/seenotrettung-im-mittelmeer-2020-die-bilanz-e670960/


+++GASSE
Sicherheit und Prävention geben in Langenthal zu reden
Abfall in der Marktgasse, Pöbeleien bei Bahnhof oder Süchtige auf dem Wuhrplatz: Die Stadt Langenthal will solche Probleme lieber niederschwellig lösen. Mit Hilfe von Sozialarbeitern, die von allen akzeptiert werden, statt mit der Polizei.
https://www.neo1.ch/news/news/newsansicht/datum/2020/12/23/sicherheit-und-praevention-geben-in-langenthal-zu-reden.html
-> http://www.langenthal.ch/de/politik/legislative/vorstoesse/welcome.php?action=showinfo&info_id=1091558


Hilfsorganisationen bieten alternative Weihnachtsessen
Die speziellen Feiern für Bedürftige können dieses Jahr nicht stattfinden. In Zürich und Schaffhausen haben sich Hilfsorganisationen wie die Caritas etwas einfallen lassen, damit trotzdem niemand alleine Weihnachten feiern muss. Etwa Geschenke und Essen zum Mitnehmen.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/hilfsorganisationen-bieten-alternative-weihnachtsessen?id=11901365


Weniger Spenden in Corona-Krise: Bedürftige leiden unter Pandemie
Unter normalen Umständen sind Menschen um die Weihnachtszeit besonders spendabel, dieses Jahr ist das wegen Corona aber nicht der Fall. Besonders der Berner Gassenengel «Bali», welcher in der Adventszeit Geld für Randständige sammelt, spürt die Berührungsangst der Bevölkerung.
https://www.telebaern.tv/telebaern-news/weniger-spenden-in-corona-krise-beduerftige-leiden-unter-pandemie-140316352


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Die etwas andere Armee Zürichs
Die Clown Army ist vom 1. Mai nicht mehr wegzudenken. Im Gespräch mit dem Lamm erklären drei mehrjährige Mitglieder, wie es ist, sich in einen Polizisten zu verlieben, und warum sie gerade einen Erotikkalender gestaltet haben.
https://daslamm.ch/die-etwas-andere-armee-zuerichs/


Grosser Sachschaden: Unbekannte besprayen Banken in Basel
In der Nacht auf Mittwoch wurden bei Filialen der UBS und der BIZ Sprayereien mit «teils politischen Inhalten» angebracht.
https://primenews.ch/news/2020/12/grosser-sachschaden-unbekannte-besprayen-banken-basel
-> https://www.stawa.bs.ch/nm/2020-sachbeschaedigungen-stawa-3.html
-> https://www.bazonline.ch/nach-der-kurve-ins-schleudern-geraten-177714431135



nzz.ch 23.12.2020

Farbanschläge in der Stadt Zürich: Die Parolen deuten darauf hin, dass Klimaaktivisten dahinterstecken

In der Stadt Zürich wurden seit Dienstag mehrere Fassaden und Geldautomaten mit Farbe beschmiert und versprayt.

ran. Die Stadtpolizei Zürich hat in den vergangenen beiden Tagen rund ein Dutzend Anzeigen wegen Farbanschlägen erhalten. Dies geht aus einer Medienmitteilung der Polizei hervor. Betroffen sind vor allem Mauern von Gebäuden, in denen Finanzinstitute untergebracht sind.

So wurden Fassaden und Geldautomaten in den Kreisen 1, 4, 9, 10 und 11 von Unbekannten beschmiert und versprayt. Verschiedene Banken sind betroffen, wie Judith Hödl, Mediensprecherin der Stadtpolizei Zürich, auf Anfrage der NZZ bestätigt.

Laut Polizei kann die Höhe des Sachschadens noch nicht beziffert werden. Sie sucht nach Zeugen.

    #MerryCrisis Züri! @klimastreik @KlimastreikZH #climatejusticeNOW pic.twitter.com/ABuU6WQf82
    — dominik waser (@domiwaser) December 22, 2020

Am Dienstag veröffentlichte Dominik Waser von den Jungen Grünen auf Twitter das Foto eines beschmierten Geldautomaten. «Merry crisis» wurde an die Wand gesprüht. Das Schweizer Klimastreikkollektiv climatestrike.ch hatte Ende Oktober auf seiner Website die Aktionstage «Merry Crisis» angekündigt. In dem Schreiben riefen sie zu Aktionen «gegen die umweltschädlichen Investitionen der Schweizer Banken» auf.

Aufgrund der aktuellen Corona-Lage wurden die Aktionen laut der Website merrycrisis.ch «nicht im geplanten Rahmen» durchgeführt. Für Interessierte wurde auf der Website eine Karte mit allen Finanzinstituten in Zürich und Umgebung aufgeführt.
(https://www.nzz.ch/zuerich/farbanschlaege-in-der-stadt-zuerich-die-parolen-deuten-darauf-hin-dass-klimaaktivisten-dahinterstecken-ld.1593701)


+++BIG BROTHER
Kritische Fragen an die Luzerner Regierung – Überwachung Unschuldiger: Linke Politikerinnen sind alarmiert
Um Straftaten zu verhindern, setzt die Luzerner Polizei vermehrt auf Computerprogramme. Das Problem: Diese überschätzen das Risiko systematisch – so geraten auch Personen ins Visier der Behörden, von denen keine Gefahr ausgeht. Grüne, Junge Grüne und SP bringen das Thema jetzt aufs politische Parkett.
https://www.zentralplus.ch/ueberwachung-unschuldiger-linke-politikerinnen-sind-alarmiert-1968683/


+++POLIZEI BS
In Basel gibts doch kein Geballere wie in Hollywood
Warum laufen unsere Polizist*innen in der Weihnachtszeit mit Maschinenpistolen herum? Wir haben nachgefragt.
https://bajour.ch/a/Ki3IMgoscADjrr1T/in-basel-gibts-doch-kein-geballere-wie-in-hollywood


+++POLIZEI DE
Zellenbrand Kleve: Eltern des Opfers stellen Strafanzeige
Der Tod des Syrers Amad A. nach einem Brand im Gefängnis in Kleve konnte bis heute nicht aufgeklärt werden – seine Eltern erheben nun neue Vorwürfe.
https://www1.wdr.de/nachrichten/landespolitik/jva-kleve-strafanzeige100.html


++++POLICE FR
Überwachung mit Quadrokoptern: Gericht in Paris verbietet Polizeidrohnen bei Demonstrationen
Der französische Staatsrat hält den Einsatz von Polizeidrohnen zur Einhaltung von Corona-Auflagen und bei politischen Versammlungen für rechtswidrig. In Deutschland werden Quadrokopter eher für andere polizeiliche Zwecke genutzt. Mit einem neuen Großprojekt könnte sich das ändern.
https://netzpolitik.org/2020/ueberwachung-mit-quadrokoptern-gericht-in-paris-verbietet-polizeidrohnen-bei-demonstrationen/


+++RECHTSEXTREMISMUS
Rechtsextreme Serientäter in Berlin gefasst –  Polizei verhaftet Neuköllner Neonazis Sebastian T. und Tilo P.
Die mutmaßlich für die jahrelange Serie rechter Brandstiftungen in Neukölln verantwortlichen Täter sind offenbar überführt. Die Polizei schlug jetzt zu.
https://www.tagesspiegel.de/berlin/rechtsextreme-serientaeter-in-berlin-gefasst-polizei-verhaftet-neukoellner-neonazis-sebastian-t-und-tilo-p-/26745562.html
-> https://www.rnd.de/politik/polizei-verhaftet-zwei-verdachtige-in-neukollner-neonazi-anschlagserie-6NP4RPKC3NH75HXIXIRR4ZH6KA.html
-> https://www.neues-deutschland.de/artikel/1146232.neukoelln-komplex-neonazis-wegen-terrorserie-festgenommen.html
-> https://www.neues-deutschland.de/artikel/1146234.rechter-terror-in-neukoelln-kurzer-moment-der-erleichterung.html
-> https://www.neues-deutschland.de/artikel/1146232.neukoelln-komplex-neonazis-wegen-terrorserie-festgenommen.html
-> https://taz.de/Neukoellner-Anschlagsserie/!5740435/
-> https://www.jungewelt.de/artikel/392986.rechter-terror-in-neuk%C3%B6lln-anschlagsserie-aufgekl%C3%A4rt.html


40 Dinge Faschismus zu bekämpfen
Das Antifaschistische Infoblatt hat in Zusammenarbeit mit Spencer Sunshine und Popmob eine Broschüre herausgegeben die ihr hier bestellen könnt.
Die Broschüre basiert auf den Erfahrungen die Aktivist*Innen in den USA in den letzten Jahren gesammelt haben und stellt legale, basisorientierte praktische Metoden zur Bekämpfung Rechtsextremer Umtriebe dar.
Die beschriebenen Aktionen – die meisten lassen sich unabhängig vom eigenen Hintergrund, der Identität und bisher gemachter Erfahrungen anwenden – könnten helfen, rechte Organisierungsprozesse ind die Ausbreitung ihrer Ideologie zu verhindern und somit Schaden von unseren Communities anzuwenden.
https://www.disorder-berlin.de/home/408-40-dinge-faschismus-zu-bekaempfen.html


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Corona-Leugner und «Querdenker»-Arzt Bodo Schiffmann soll Zulassung verlieren
Bodo Schiffmann gehört zu den bekanntesten Corona-Leugnern. Jetzt muss er um seine Arztzulassung fürchten. Ein t-online-Bericht spielt dabei eine Rolle. Schiffmann redet schon vom Untertauchen.
https://www.watson.ch/international/coronavirus/943316327-querdenker-bodo-schiffmann-soll-zulassung-verlieren
-> https://www.volksverpetzer.de/bericht/schiffmann-zulassung/


“Der Goldene Aluhut” verklagt Ballweg nach riesigem Querdenken-Eigentor
Ballweg hat sich ein riesiges Eigentor geschossen
Im Oktober haben wir alle gerätselt, warum “Querdenken” sich mit Absicht derart blamieren würden und unbedingt den Negativaward “Der Goldene Aluhut” gewinnen wollten, nachdem sie wegen manipulierter Umfragen aus der Wertung genommen wurden.
https://www.volksverpetzer.de/bericht/der-goldene-aluhut-verklagt-ballweg/


Stress in Tesla-Lounge: Mann handgreiflich, beschimpft und bedroht Kunden ohne Maske
Der Supercharger-Standort Dietikon nahe Zürich ist eigentlich einer der angenehmeren bei Tesla: Im Frühjahr 2019 wurde er eröffnet und bot als damals erster in Europa nicht nur schnelle Gleichstrom-Ladungen, sondern auch einen schicken Aufenthaltsraum mit Kinder-Ecke und Shop. Ein Schweizer Kunde machte dort jetzt allerdings sehr unschöne Erfahrungen: Weil er beim Warten keine Maske trug, wurde er nach seiner Darstellung vom Leiter der Tesla-Station bedroht, beschimpft und körperlich angegangen.
https://teslamag.de/news/stress-tesla-lounge-mann-handgreiflich-beschimpft-kunden-ohne-maske-32464
-> https://www.dieostschweiz.ch/artikel/keine-schutzmaske-besuch-in-tesla-filiale-endete-blutig-OQDQKWJ


«CoronaDialog» zur Rolle der Medien
Wie verhalten sich die Medien in Coronazeiten? Vertreter von vier Medienhäusern diskutieren diese Frage im Livestream unter der Moderation von Markus Somm. «Die Ostschweiz» ist mit dabei auf dem Podium.
https://www.dieostschweiz.ch/artikel/coronadialog-zur-rolle-der-medien-pQDJdA4


+++HISTORY
«Covid-19 ist erst der Anfang»
Der Soziologe Mike Davis, aufgewachsen in einer Metzger¬familie, hat vor fünfzehn Jahren vorhergesagt: Wegen der Massen¬tierhaltung beschreiten wir ein globales Zeitalter der Pandemien. Die Republik hat ihn gefragt: Was tun? Die kurze Antwort: Auf die Weihnachtsgans verzichten reicht nicht.
https://www.republik.ch/2020/12/23/covid-19-ist-erst-der-anfang


Medikamentenversuche in Königsfelden: Hunderte waren betroffen – auch Kinder
Das Institut für Medizingeschichte der Uni Bern hat 830 Patientenakten der Psychiatrischen Klinik Königsfelden des letzten Jahrhunderts untersucht. Die Wissenschafter konnten zeigen: An mehreren hundert Patientinnen und Patienten sind – ohne dass sie davon wussten – Medikamente getestet worden.
https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/kanton-aargau/medikamentenversuche-in-koenigsfelden-hunderte-waren-betroffen-auch-kinder-140311652
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-aargau-solothurn/psychiatrie-koenigsfelden-medikamenten-versuche-an-patienten?id=11901179
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-aargau-solothurn/der-bund-gibt-gruenes-licht-fuer-den-a1-ausbau-haerkingen-luterbach?id=11901383 (ab 13:51)
-> Rendez-vous: https://www.srf.ch/play/radio/rendez-vous/audio/medikamentenversuche-auch-an-der-klinik-koenigsfelden?id=d7ea8ead-cc53-4a77-b8c9-d12d524e660e
-> https://www.watson.ch/schweiz/gesundheit/709278221-medikamentenversuch-in-aargauer-psychiatrie-hunderte-waren-betroffen
-> https://www.telem1.ch/aktuell/auch-im-aargau-fanden-experimente-an-psychisch-kranken-statt-140316458
-> https://www.telezueri.ch/zuerinews/medikamentenversuche-in-psychiatrie-koenigsfelden-hunderte-patienten-betroffen-140316372



nzz.ch 23.12.2020

Medikamententests in Königsfelden: Auch im Aargau wurden Hunderte von Patienten als Versuchskaninchen benutzt

In der psychiatrischen Klinik Königsfelden wurden zwischen 1950 und 1990 Medikamententests an Patienten durchgeführt – ohne deren Einwilligung. Die damalige Aufsichtsbehörde kümmerte das nicht.

Kathrin Alder

Wie viele es waren, kann Urs Germann nicht genau beziffern. Der Medizinhistoriker der Universität Bern geht von einigen hundert Patientinnen und Patienten aus, die in der psychiatrischen Klinik Königsfelden (AG) zwischen 1950 und 1990 Medikamententests unterzogen wurden. Es gebe in den Akten keine Hinweise darauf, dass sie vor 1980 über diese Versuche aufgeklärt worden seien oder dass man ihre Einwilligung eingeholt habe. Damit hätten die Versuche in einem ethischen und rechtlichen Graubereich stattgefunden, so das Fazit der wissenschaftlichen Untersuchung, die Germann im Auftrag der Aargauer Regierung durchgeführt hat.

Dass in der Schweiz im vergangenen Jahrhundert Medikamentenversuche stattgefunden haben, weiss man spätestens seit dem «Fall Münsterlingen». Jahrzehntelang wurden in der psychiatrischen Klinik im thurgauischen Münsterlingen neue Psychopharmaka zu Testzwecken an Patientinnen und Patienten verabreicht. Mindestens 3000 Personen mussten an solchen Versuchen mit noch nicht zugelassenen Medikamenten teilnehmen, einige sind daran gestorben. Dies zeigte die umfangreiche Studie «Testfall Münsterlingen», die im September 2019 publiziert wurde.

«Münsterlingen» war ein besonders gravierender Fall, aber längst kein Einzelfall. Es ist inzwischen gesichert, dass an mehreren psychiatrischen Kliniken in der ganzen Schweiz mit neuen Medikamenten experimentiert wurde. Mehrere Kantone, darunter Basel-Stadt, Basel-Land, Appenzell Ausserrhoden, Thurgau, St. Gallen, Luzern oder Zürich haben dieses dunkle Kapitel aufgearbeitet.

Männer wurden häufiger getestet

Auch der Kanton Aargau musste vor diesem Hintergrund davon ausgehen, dass in der psychiatrischen Klinik Königsfelden früher Medikamente zu Testzwecken verabreicht worden waren. Mit dem am Mittwoch den Medien vorgestellten Untersuchungsergebnis herrscht nun Gewissheit.

Der Historiker Urs Germann hat 830 Patientenakten untersucht, unter ihnen auch 50 Dokumentationen der Kinderbeobachtungsstation Rüfenacht. Aufgrund dieser Stichproben könne man davon ausgehen, dass sich der Anteil der Patienten, die von Medikamentenversuchen betroffen waren, im tiefen einstelligen Prozentbereich bewegt habe, heisst es im Untersuchungsbericht. Hinweise darauf, dass bestimmte Patientengruppen (etwa bezüglich Alter oder sozialer Herkunft) häufiger betroffen waren, haben sich nicht ergeben. Allerdings wurde in Königsfelden häufiger an Männern getestet als in anderen Kliniken. Das könne laut der Studie daran liegen, dass in Königsfelden Antidepressiva und Tranquilizer, die tendenziell häufiger Frauen verschrieben wurden, eher selten getestet worden seien.

Insgesamt konnte Germann 31 Versuchspräparate identifizieren. Aufgrund einer Unsicherheit in Bezug auf Präparate der Firma Sandoz dürfte die Zahl der getesteten Medikamente jedoch deutlich höher gewesen sein, vermutet Germann. Unter den getesteten Medikamenten finden sich vor allem Neuroleptika wie etwa Largactil und Serpasil, ebenso Tofranil, das auch in Münsterlingen getestet und später als erstes Antidepressivum zum Verkaufsschlager wurde. Oft verursachten die Medikamente starke Nebenwirkungen. «Traten diese in massiver Form auf, wurden Versuchsbehandlungen in der Regel abgebrochen», heisst es im Bericht. Todesfälle als Folge der Tests sind nicht bekannt.

Die erste in Königsfelden nachgewiesene Medikation erfolgte laut Germann 1953, die letzte 1986. Vor allem zwischen 1955 und 1960 gab es eine intensive Testphase. Die Versuche lassen sich historisch im Kontext der «pharmakologischen Wende» in der Psychiatrie verorten. Stück für Stück rückte man damals von der Verwahrungspsychiatrie ab und begann, die Patienten stattdessen mit Psychopharmaka zu behandeln, welche die Kliniken von den Pharmaunternehmen erhielten. Hinsichtlich dieser neuen Substanzen herrschte grosser Optimismus, entsprechend schnell waren die Ärzte bereit, die Forschung durch Tests zu unterstützen. Die Pharmaindustrie gewann so immer mehr Einfluss auf die Psychiatrie und entwickelte neue Therapien. Wie tief die Beziehungen zwischen der Klinik Königsfelden und einzelnen Pharmaunternehmen war, konnte Germann angesichts der zu lückenhaften Quellenlage nicht eruieren. Allein die Tatsache, dass Medikamentenversuche und klinische Studien mit Psychopharmaka durchgeführt wurden, lasse aber darauf schliessen, dass die Beziehungen zur Industrie zumindest phasenweise eng gewesen sein müssen.

Mangelhafte Aufsicht

Tatsächlich wurde die psychiatrische Klinik Königsfelden während dieser ganzen Zeit auch beaufsichtigt. Von 1950 bis 1990 prüfte eine Aufsichtskommission unter der Leitung des zuständigen Regierungsrats, ob an der Klinik alles mit rechten Dingen zugegangen sei. Doch waren die Medikamentenversuche laut Germann bei der Aufsicht kaum ein Thema. Vielmehr konzentrierte sich das Gremium auf «betriebliche, personelle und finanzielle Aspekte», wie es im Bericht heisst. Die Aufsichtskommission habe ihre Kontrollaufgabe in medizinischen Belangen «lange äusserst locker und oberflächlich» interpretiert und der Klinikleitung «grösstmögliche Autonomie» zugestanden. Germann hält in seiner Studie indes auch fest, dass die Medikamententests in Königsfelden kein Geheimnis waren. Damals schien sie aber kaum jemand als Problem zu sehen.

Der Historiker Urs Germann empfiehlt, das Thema Medikamententests weiter aufzuarbeiten und den Fokus auf die gesamte Schweiz zu legen. Auch spricht er sich dafür aus, die Forschung auf die Medikationspraxis in der Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie in sonder- und sozialpädagogischen Einrichtungen auszuweiten.

Stellvertretend für die Aargauer Regierung erklärte der Gesundheitsdirektor Jean-Pierre Gallati am Mittwoch, er bedaure es, wenn Betroffenen Unrecht widerfahren sei. Die damalige Aufsicht sei mangelhaft gewesen. Er zeigte sich jedoch überzeugt, dass seither grosse Fortschritte bezüglich der Aufsichtspraxis gemacht worden seien und dass man aus der Vergangenheit gelernt habe. Fanden Medikamentenversuche in der Schweiz lange in einem Graubereich statt, sind sie seit 2000 mit dem Heilmittelgesetz auf Bundesebene klar geregelt. Dieses wurde 2011 durch das Humanforschungsgesetz abgelöst. Zudem muss jeder klinische Versuch von einer kantonalen Ethikkommission bewilligt werden.

Ehemaligen Patientinnen und Patienten, die wissen wollen, ob sie von den Medikamententests betroffen sind, empfiehlt der Kanton, sich zwecks Akteneinsicht an die Psychiatrischen Dienste Aargau AG zu wenden. Da die Personendaten für die Studie aus datenschutzrechtlichen Gründen anonymisiert aufgenommen wurden, konnten Betroffene nicht direkt informiert werden.
(https://www.nzz.ch/schweiz/psychiatrische-klinik-koenigsfelden-medikamententest-an-patienten-ld.1593637)