Medienspiegel 5. Dezember 2020

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++EUROPA
EU-Migrationspolitik: Europas Werte, Europas Versagen?
Das abgebrannte Lager Moria auf Lesbos ist zur Chiffre einer gescheiterten europäischen Flüchtlingspolitik geworden. Weiterhin sterben täglich Menschen auf der Flucht nach Europa. Doch bei Begriffen wie „Solidarität“ ist die EU tief gespalten.
https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/eu-migrationspolitik-europas-werte-europas-versagen,SI1jNKx


+++SYRIEN
Al-Hol Flüchtlingslager: „Das Al-Hol-Lager ist eine tickende Zeitbombe“
In Nordsyrien kann sich niemand um die IS-Gefangenen kümmern, sagt der Flüchtlingsbeauftragte Sheikhmus Ahmed. Ohne Hilfen würden sie zu einer weltweiten Bedrohung.
https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-12/al-hol-fluechtlingslager-syrien-islamischer-staat-anhaenger-eu-hilfe/komplettansicht


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Farbe für die Grenzwache
In der Nacht auf Donnerstag bekam die Kommandozentrale der Grenzwache im Hafen Basel einen neuen Anstrich. Den durch den Farbanschlag Getroffenen hat das wohl gar nicht gefallen. Am nächsten Morgen wurde bereits geputzt.
https://barrikade.info/article/4068


Der Kapitalismus ist nicht in Quarantäne.
Kommuniqué zur Protestkundgebung vom 25.11.2020, dem internationalen Kampftag gegen Gewalt an FLINT Menschen, auf dem Ni Una Menos-Platz in Zürich
Der Kapitalismus ist nicht in Quarantäne. Das Patriarchat ist auch nicht in Quarantäne. Also ist es wichtig, dass auch wir nicht in Quarantäne gehen.
https://barrikade.info/article/4069


+++ANTITERRORSTAAT
Nach dem Attentat in Wien: Blitzverhaftungen in Winterthur schaffen Unmut in Bern
Die Zürcher Polizei verhaftete zwei Schweizer Bekannte des Wiener Attentäters, anstatt sie zu observieren. Mario Fehr wird für diese Vorgangsweise kritisiert – und wehrt sich.
https://www.derbund.ch/zuercher-blitzverhaftungen-schaffen-unmut-in-bern-792377546822


+++KNAST
Fall Carlos: Brian zerstört unzerstörbare Zelle
Der neu errichtete Spezialtrakt in der Strafanstalt Pöschwies hat fast 2 Millionen Franken gekostet. Brian hat ihn bereits am ersten Tag unbrauchbar gemacht.
https://www.20min.ch/story/brian-zerstoert-unzerstoerbare-zelle-726586567780
-> https://www.tagesanzeiger.ch/brian-hat-1-85-millionen-zelle-in-der-poeschwies-beschaedigt-506698924424
-> https://www.aargauerzeitung.ch/schweiz/neue-eskalation-im-fall-carlos-jetzt-hat-er-auch-die-unzerstoerbare-spezialzelle-zerstoert-140109903
-> https://www.watson.ch/schweiz/justiz/324632549-fall-carlos-unzerstoerbare-zelle-zerstoert
-> https://www.blick.ch/schweiz/schon-am-ersten-tag-durchgedreht-carlos-zerstoert-seine-unzerstoerbare-zuercher-gefaengniszelle-id16230272.html
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/brian-alias-carlos-verwuestet-spezialzelle-in-poeschwies?id=11890896
-> https://www.20min.ch/story/das-wutregister-von-brian-den-keiner-stoppen-kann-455295092963


+++BIG BROTHER
Zweifache biometrische Gesichtserkennung bei Flugpassagieren
Lufthansa und Tochter Swiss haben mit biometrischer Gesichtserkennung begonnen. Die soll auch mit Mund-Nasenschutz sicher funktionieren. Die staatliche Erkennung schwächelt beim Make-up
https://www.heise.de/tp/features/Zweifache-biometrische-Gesichtserkennung-bei-Flugpassagieren-4978158.html


+++POLIZEI CH
Cop Culture
Die Polizei greift ein – und andere kommen zu Schaden, werden verletzt oder sterben sogar. Wer untersucht, ob die Beamtinnen korrekt gehandelt haben? Und warum kommt es so selten zu Prozessen gegen Polizisten?
https://www.republik.ch/2020/12/03/cop-culture


+++POLIZEI FR
Frankreich : Tausende protestieren in Paris gegen Polizeigewalt
Brennende Autos und zerschlagene Fensterscheiben: Bei Protesten gegen die Sicherheitspolitik von Präsident Emmanuel Macron ist es zu schweren Ausschreitungen gekommen.
https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2020-12/frankreich-paris-proteste-ausschreitungen
-> https://www.spiegel.de/politik/ausland/paris-ausschreitungen-bei-protesten-gegen-polizeigewalt-a-ae852291-6bc6-4f46-aa55-1fe498d9ffe1
-> https://www.srf.ch/news/international/macron-es-reicht-gewaltausbruch-bei-protesten-gegen-polizeigewalt-in-paris
-> https://taz.de/Proteste-in-Frankreich/!5736760/
-> https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/proteste-paris-polizeigewalt-100.html
-> https://www.tagesschau.de/ausland/krawalle-paris-103.html


Frankreich: Polizisten, die Angst einflößen
Sebastian Roché ist leitender Wissenschaftler an der renommierten Forschungsorganisation CNRS und forscht zum Thema Polizeigewalt, die sich seiner Meinung nach in den letzten Jahren in Frankreich immer weiter institutionalisiert hat. Er hat nicht nur zu Sicherheitsfragen geforscht, sondern auch an der nationalen Polizeiakademie unterrichtet. Er weiß also genau, wovon er spricht. Unsere Journalistin Hérade Feist hat den Experten interviewt.
https://www.arte.tv/de/videos/100627-005-A/frankreich-polizisten-die-angst-einfloessen/



nzz.ch 05.12.2020

Fälle von Gewalt und wachsendes Misstrauen – muss Frankreichs Polizei reformiert werden?

Der  brutale Angriff auf einen schwarzen Musikproduzenten hat in Frankreich  eine Debatte über die Polizei neu befeuert: Wie können solche Fälle  künftig vermieden werden? Und wie lässt sich das gegenseitige Misstrauen  zwischen Bürgern und Polizisten reduzieren?

Judith Kormann

Am  21. November habe er Angst gehabt, nicht zu überleben. So erzählte es  der Musikproduzent Michel Zecler französischen Medien einige Tage nach  dem Vorfall. In Videos einer Überwachungskamera,  die Ende November publik wurden, sind drei Polizisten zu sehen, die dem  dunkelhäutigen 41-Jährigen von der Strasse in sein Studio folgen und  dort mit Fäusten und Schlagstöcken auf ihn einprügeln. Später wirft ein  vierter Polizist eine Tränengasgranate ins Studio und zwingt den  Musikproduzenten so nach draussen, wo weitere Schläge folgen. Was sich  Zecler hatte zuschulden kommen lassen: Er war ohne Maske vor die Tür  gegangen.

Die  Aufnahmen haben in Frankreich Entrüstung ausgelöst. Präsident Emmanuel  Macron sprach von einer Schande für das Land und forderte von der  Regierung Vorschläge, wie die Berufsethik der Polizei verbessert und das  Vertrauen zwischen Bürgern und Polizisten wieder gestärkt werden könne –  bereits zum dritten Mal in diesem Jahr. Denn auch wenn die Bilder in  ihrer Brutalität schockierten, ist das Problem nicht neu. Immer wieder  befeuern Fälle von polizeilicher Gewalt in Frankreich das Misstrauen der  Bürgern gegenüber den Ordnungshütern, die selbst immer wieder Opfer von gewaltsamen Übergriffen werden.

Ein französisches Problem?

Mindestens  zweimal in diesem Jahr nahmen Polizeikontrollen für die Kontrollierten  ein tödliches Ende. Besonders in den Banlieues bleiben bei  Personenkontrollen Konfrontationen nicht aus. Und auch bei  Demonstrationen gibt es regelmässig Verletzte auf beiden Seiten.  Besonders deutlich wurde das während der Gelbwesten-Proteste vor zwei  Jahren. Das Innenministerium zählte damals 2448 Verletzte bei den  Demonstranten und 1797 bei den Ordnungskräften.

Zwar  haben laut einer jüngsten Umfrage noch 60 Prozent der Franzosen  Vertrauen in die Polizei. Der Wert ist aber allein in den letzten sechs  Monaten um 9 Prozentpunkte gesunken. Nur 18 Prozent der Befragten  vertrauen den Polizisten völlig.

Die  Polizei befinde sich seit mehr als zehn Jahren in einem «Prozess der  progressiven Trennung» von der Bevölkerung, sagt der Soziologe Sebastian  Roché. Er untersucht seit Jahren das Verhältnis zwischen Polizei und  Bürgern im Vergleich mit anderen Ländern. Für ihn steht fest: Das  Problem unverhältnismässiger Gewalt ist bei Frankreichs Polizisten  grösser als etwa bei ihren Kollegen in Deutschland oder Grossbritannien.  Den Grund dafür sieht Roché in der Rolle, die der Polizei von der  Politik zugeschrieben wird. «Wir haben uns für eine Polizei der  Konfrontation entschieden.» Die Beamten stünden vordergründig im Dienst  des Staates und nicht in jenem der Bürger.

Mehrere  politische Entscheidungen hätten diese Orientierung in den letzten  Jahren verstärkt, sagt Roché. Dazu zähle die Abschaffung der «police de  proximité» Anfang der 2000er Jahre, die auf einen engen Austausch mit  der Bevölkerung und eine starke Verwurzelung der Polizisten in ihrem  Einsatzbereich setzte. Aber auch die Ausstattung bestimmter Einheiten  mit Tränengasgranaten und den umstrittenen Hartgummigeschossen (LBD 40)  spiele eine Rolle. Das grosskalibrige Gummischrot, das in mehreren  Ländern Europas verboten ist und dessen Abschaffung regelmässig  gefordert wird, kam häufig bei den Gelbwesten-Protesten zum Einsatz.

Auf Konfrontation geschult

Schon  in der Ausbildung werde den Polizisten eine Rolle antrainiert, die  vordergründig auf Kontrolle und Repression zugeschnitten sei, sagt  Roché. Der Umgang mit den Bürgern, Kenntnisse über die Gesellschaft, die  Berufsethik oder das Bemühen um Deeskalation würden im Unterricht  hingegen vernachlässigt. In Deutschland etwa sei dies anders. Dort  lernten Beamte bei Übungen mit der Schusswaffe zunächst oft, wie sich  deren Einsatz vermeiden lasse.

Diese  Erfahrung machte auch Valentin Gendrot. Der Investigativjournalist war  zwei Jahre lang, bis zum Sommer 2019, bei der Polizei infiltriert. Was  er dabei erlebte, hat er in seinem Buch «Flic» (Bulle) festgehalten. «In  der Ausbildung lernen wir, wie man Verkehrskontrollen durchführt,  patrouilliert, Handschellen anlegt, schiesst, Identitätskontrollen  macht. Aber man lehrt uns nicht, wie wir mit den Leuten kommunizieren  sollen», sagt Gendrot im Gespräch.

Während  sechs Monaten, die er in einem Kommissariat im Norden von Paris  verbrachte, sei er öfter Zeuge von gewaltsamem Fehlverhalten geworden.  «Mehrmals war ich dabei, als Migranten in einem Polizeiwagen geschlagen  wurden», sagt er. Ausgegangen seien Gewalt und Rassismus von einer  Minderheit seiner Kollegen. «Das Problem ist, dass diese nicht bestraft  wurden. Denn wer ein solches Verhalten miterlebt, wird es nicht melden.  In der Polizei schwärzt man sich nicht gegenseitig an.»

Vorfälle  wie der Angriff auf Michel Zecler steigerten die Spannung zwischen  Bürgern und Polizisten noch, ist Gendrot überzeugt. Sie befeuerten den  Argwohn gegenüber der Polizei, der die Mehrheit der Beamten zu Unrecht  treffe. Welches Ausmass diese Feindseligkeit annehmen kann, wurde  vergangenes Wochenende deutlich. Bei Protesten gegen das umstrittene  Sicherheitsgesetz, das Beamte besser schützen soll, von dem  Menschenrechtler und Journalisten aber befürchten, es werde die  Pressefreiheit einschränken, zählte das Innenministerium 98 verletzte  Ordnungskräfte.

Immer schneller in den Einsatz

Neben  dem Inhalt der Polizistenausbildung sehen Experten auch deren relativ  kurze Dauer als Problem. Sie wurde im Sommer von einem Jahr auf acht  Monate reduziert, um Beamte schneller in den Dienst schicken zu können.  Wer seine Laufbahn bei der Polizei wie Gendrot als «adjoint de sécurité»  mit einer befristeten Anstellung beginnt, ist schon nach drei Monaten  im Streifendienst unterwegs – mit Schusswaffe.

Denn  der Bedarf an Ordnungshütern im Kontext der Bedrohung durch  Terrorismus, bei Grossprotesten oder wie jüngst zur Kontrolle der  strengen Corona-Ausgangssperren ist gross. Nach den Anschlägen 2015  liess der damalige Präsident François Hollande die unter seinem  Vorgänger Sarkozy reduzierten Polizistenstellen wieder aufstocken.  Macron setzt diese Linie fort. Er will während seines Mandats 10 000  neue Stellen für Polizisten und Gendarmen schaffen.

Unter  dem Rekrutierungsdruck würden allerdings die Anforderungen an die  Polizeibewerber zurückgeschraubt, sagt Jean-Michel Schlosser, Soziologe  und ehemalige Führungskraft in der Polizei. «Manche Leute, die in den  Polizeidienst kommen, haben leider nicht das Niveau oder, das ist die  noch grössere Gefahr, nicht die nötige Ethik.» Die Mehrheit der  Berufseinsteiger findet sich zudem im Grossraum von Paris wieder, wo die  Arbeitsbedingungen besonders hart sind.

Oft  würden sie ungenügend betreut, und auch die Fortbildung weise grosse  Mängel auf. «Bis auf jährliche Schiessübungen ist nichts verpflichtend.»  Kritisch spricht Schlosser auch von einer Tendenz der Regierung,  soziale Probleme lösen zu wollen, indem man schnell die Polizei schicke.  Und er weist auf Stress und Angst bei den Beamten hin, die einem  zunehmend feindseligen Klima ausgesetzt seien.

Dass  Frankreichs Polizei strukturelle Schwächen aufweist, räumte auch der  Innenminister Gérald Darmanin ein. In den nächsten zwei Wochen will die  Regierung Macron konkrete Verbesserungsvorschläge unterbreiten. Möglich  ist etwa eine Reform der Ausbildung. Zudem sollen ab dem Sommer  landesweit Body-Kameras zum Einsatz kommen. Unwahrscheinlich ist  hingegen eine grössere Reform der internen Aufsichtsbehörde IGPN. Diese  untersucht Fehlverhalten der Polizei, steht wegen der fehlenden  Unabhängigkeit aber unter dem Verdacht, nicht hart genug gegen die  eigenen Leute zu ermitteln.

Macron  selbst sprach am Freitag in einem Interview mit dem Online-Medium  «Brut» von Verbesserungsbedarf, etwa bei der Betreuung der Polizisten  durch Vorgesetzte. Und er kündigte die Lancierung einer Online-Plattform  an, über die Bürger Probleme und Diskriminierung bei Polizeikontrollen  melden sollten.

Ob  solche Schritte das Vertrauen zwischen Bürgern und Ordnungshütern  stärken können, bleibt abzuwarten. Um dem Problem wirklich auf den Grund  zu gehen, müsse das Polizeimodell als Ganzes überdacht werden, meint  der Soziologe Roché.
(https://www.nzz.ch/international/polizeigewalt-frankreichs-polizei-auf-dem-pruefstand-ld.1590325)


+++RECHTSEXTREMISMUS
Eklat wegen rechtsextremer Propaganda: Reha-Klinik wirft Krawall-Politiker Eric Weber raus
Weil der frisch gewählte Basler Grossrat eine Mitpatientin indoktriniert haben soll, erteilte ihm der ärztliche Direktor Hausverbot. Nun will Weber sich zurück in die Klinik klagen.
https://www.blick.ch/schweiz/eklat-wegen-rechtsextremer-propaganda-reha-klinik-wirft-krawall-politiker-eric-weber-raus-id16230894.html


Kennt ihr Eric Weber noch? Der Rechtsextremist ist zurück im Basler Parlament. Das hier sagt er über Journalisten. Stay tuned für News…
https://twitter.com/i/status/1335172243702341633


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Kantonsrat Obwalden: Makabere Gerüchte um Prämien für Covid-Tote dementiert
Im Kanton Obwalden macht das Gerücht die Runde, dass der Kanton 4000 Franken pro Covid-Toten bezahle. Die Gesundheitsdirektorin spricht im Parlament von einer Ungeheuerlichkeit.
https://www.20min.ch/story/makabere-geruechte-um-praemien-fuer-covid-tote-dementiert-426636678942



tagblatt 05.12.2020

Widerlicher Judenhass: Zwischen Weinfelden und Arbon verteilt jemand antisemitische Schriften in Briefkästen

Ein  zweiseitiger Hetzbrief landet derzeit bei einigen Thurgauern in der  Post. Der Text ist verwirrend, aber leicht als antisemitische Hetze zu  erkennen. Die Täterschaft ist noch unbekannt.

Pascal Lara Moser

«Er  ist in der Krim geboren, in England wurde er erzogen und in Deutschland  hat sich der internationale jüdische Trottel aufgehängt.» Mit diesen  Worten beginnt der zweiseitige, mit einer Schreibmaschine getippte  Brief, den einige Thurgauer in der letzten Woche in ihrem Briefkasten  gefunden haben.

Das  engbedruckte Blatt hat einen auf den ersten Blick verwirrenden Inhalt,  ist aber leicht als antisemitische Hetze zu erkennen. Viele reagierten  nach der Lektüre dementsprechend mit Unverständnis.

«Da hat jemand vergessen, seine Pillen zu nehmen»

Im  Schreiben ist von jüdischen Verbrechen im Allgemeinen die Rede, auch  von Morden an Nicht-Juden – und sowieso: 96% der Weltpresse befände sich  in jüdischen Händen. Ja sogar der deutsche Dichter Heinrich Heine  (1797–1856) soll Teil einer jüdischen Weltverschwörung sein.

«Das  ist einfach nur krank, wenn sich jemand solche Mühe macht, um Judenhass  zu verbreiten», sagt ein Egnacher, der auch dieses Schreiben erhalten  hat. «In rund 60 Wohnungen sind da, wo ich wohne, solche Briefe  aufgetaucht.» Ein Nachbar reagiert etwas gelassener: «Da hat jemand vergessen, seine Pillen zu nehmen, solche Briefe kann man wegwerfen und getrost vergessen.»

Die  Polizei sucht den Verfasser Der Arboner Stadtpräsident Dominik Diezi  meint: «Die anonyme Verteilung dieses widerlichen antisemitischen  Pamphlets im Bezirk Arbon kann man nur in aller Form aufs Schärfste  verurteilen. Es stimmt einem tieftraurig, dass solche Schreiben in  unseren Zeiten immer noch verbreitet werden.»

Ermittlungen laufen

Der  Text ist nicht nur eine krude Ansammlung antisemitischer Hetze, sondern  fordert auch, die Coronapandemie zu beenden. «Lasst euch nur nicht auf  Corona testen. Keine Tests – keine Pandemie und kein 2. Lockdown.»

Wie  die Kantonspolizei auf Anfrage mitteilt, würden die Ermittlungen noch  laufen. «Die Täterschaft ist nach wie vor unbekannt», sagt  Mediensprecher Matthias Graf.
(https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/frauenfeld/hetzbriefe-widerlicher-judenhass-zwischen-weinfelden-und-arbon-verteilt-jemand-antisemitische-schriften-in-briefkaesten-ld.2072036)



Querdenker-Proteste: Gerichte bestätigen Demonstrationsverbote in Bremen und Mannheim
Die Querdenken-Bewegung wollte unter anderem in Bremen und Mannheim gegen die Corona-Maßnahmen auf die Straße gehen. Dies haben Gerichte nun untersagt.
-> https://www.derstandard.at/story/2000122274348/deutsches-verfassungsgericht-bestaetigt-verbot-von-querdenker-demo?ref=rss
-> https://www.heise.de/tp/features/Querdenken-Demonstrationen-in-Bremen-und-Mannheim-letztinstanzlich-verboten-4981340.html
-> https://www.tagesschau.de/inland/querdenken-107.html
-> https://www.butenunbinnen.de/nachrichten/politik/querdenker-demo-tag-in-bremen-fazit-100.html


IMK-Chef Maier: Ein Drittel auf „Querdenken“-Demos rechtsextrem
Nach Ansicht von Thüringens Innenminister Maier mischen bei Demonstrationen der „Querdenken“-Bewegung zu einem Drittel Rechtsextremisten mit. Heute geplante Demos in Bremen und Mannheim beschäftigen Gerichte.
https://www.tagesschau.de/inland/querdenken-105.html


Unser Umgang mit Verschwörungstheorien
Wie findet man heraus, ob etwas wahr ist oder schon in Richtung Verschwörungstheorie geht?
https://www.srf.ch/audio/treffpunkt/unser-umgang-mit-verschwoerungstheorien?id=11889381


+++KNAST 2
derbund.ch 05.12.2020

Hinter Gittern in Hindelbank – «Wenn ich an die Delikte denke, schaudert es mich manchmal»

Annette  Keller ist Direktorin des einzigen Frauengefängnisses der  Deutschschweiz. Ein Gespräch über Vorurteile, Drogenschmuggel und das  Aufwachsen in Gefangenschaft.

Martin Erdmann

Frau Keller, Sie sagen, ohne Mitgefühl sei Ihr Job nicht zu erledigen. Wie viel Empathie können Sie denn einer Mörderin entgegenbringen?

Die Frauen sind viel mehr als bloss die Tat, die sie verübt haben. «Mörderin» beschränkt sich auf das Delikt. Es ist wichtig, ihnen Empathie  entgegenzubringen, aber auch gleichzeitig ihre Tat zu verurteilen. Nur  so können sie sich weiterentwickeln. Auch mich schaudert es manchmal,  wenn ich an die Delikte denke. Aber diese darf und will ich nicht  ausblenden.

Nur rund 6 Prozent aller Personen im Strafvollzug sind Frauen. Weshalb ist das so?

Dazu  gibt es viele Theorien und Thesen. Die Aggressionsformen sind bei  Frauen ganz anders als bei Männern, wobei auch die Hormone eine Rolle  spielen. Ein weiterer Aspekt ist die Erziehung: Frauen werden immer noch  darauf hin erzogen, nicht aggressiv aufzutreten. Bei ihnen geht es  weniger um körperliche Gewalt, sondern um Formen, die vom Strafrecht  nicht abgedeckt werden. Zum Beispiel jemanden aus einer Gruppe  auszuschliessen.

Wieso stagniert der prozentuale Frauenanteil im Strafvollzug seit Jahren?

Das überrascht mich selber.  Denn eigentlich wurde davon ausgegangen, dass durch die Emanzipation  Frauen auch öfter straffällig werden. Obwohl die Gleichberechtigung  stark zugenommen hat, ist das nicht passiert.

Jedoch haben Frauen in den letzten Jahren häufiger Gewaltdelikte verübt.

Das  ist zwar richtig. Im Vergleich zu vor fünfzehn Jahren werden heute  doppelt so viele Frauen wegen Tötungsdelikten bei uns eingewiesen. Aber  die Zahl ist immer noch extrem tief. Bei uns leben dreissig Frauen, die  ein Tötungsdelikt begangen haben. Auf diesem niedrigen Niveau sollte man  nicht vorschnelle Schlüsse darüber ziehen, ob Frauen gewalttätiger  geworden sind.

Gibt es typische Frauendelikte?

Bei den Diebstahl- und Betrugsdelikten ist der Anteil der Frauen höher als bei anderen Delikten.

Sind Insassinnen in Hindelbank pflegeleichter als die Gefangenen im Thorberg?

Bei  den Frauen geht es viel emotionaler zu und her. Beziehungen sind  wichtiger. Das nehmen wir tagtäglich wahr. Es entspricht zwar  Vorurteilen, aber wir erleben es tatsächlich so, dass sich bei den  Insassinnen Konflikte sehr in die Länge ziehen können. Das ist auch für  die Mitarbeitenden emotional belastend. Im Männervollzug kommt bei Konflikten hingegen öfter Gewalt ins Spiel, dafür ist die Sache dann vom Tisch.

Frauenkriminalität ist ein Thema, das als wenig erforscht gilt.  Erschwert das Ihren Beruf?

Ja, eindeutig. Ich bedaure das sehr. Wir haben immer wieder Anläufe genommen, um Forschungen durchzuführen. Doch weil es nur wenig Frauen im Justizvollzug gibt, fehlt es an Vergleichswerten. So ist es für uns schwer feststellbar, welche unserer Interventionen wie wirken.

Strafvollzug ist eine Männerdomäne. Fehlt es dadurch an Sensibilität für die Eigenheiten, die ein Frauengefängnis mit sich bringt?

Das ist so. Die Settings im Strafvollzug sind tatsächlich auf Männer ausgerichtet. Weil neunzehn von zwanzig Insassen männlich sind, kann ich das verstehen. Deshalb muss ich auch immer ganz genau hinschauen, wo es für Frauen Änderungen braucht, und diese in übergeordneten Gremien einbringen. Dabei stosse ich aber auf offene Ohren, und wir können viel individuell gestalten.

Die Trennung nach Geschlechtern wird immer mehr aufgeweicht. Wäre auch ein gemischter Strafvollzug vorstellbar?

Die  Frage, ob der getrennte Vollzug noch zeitgemäss ist, stellt sich  durchaus. Zum Beispiel bei Transmenschen, die straffällig geworden sind,  braucht es Lösungen. Ich bin aber ehrlich gesagt froh, dass es die  Trennung gibt. Der gemischte Vollzug brächte neue Themen wie zum  Beispiel Beziehungen in den Vordergrund, welche die Insassen von ihrer  Auseinandersetzung mit dem begangenen Delikt ablenken könnten.

Was passiert, wenn eine Frau schwanger nach Hindelbank kommt?

Sie kommt in die Wohngruppe Mutter – Kind und wird während der Schwangerschaft von einer Hebamme begleitet. Für die Geburt wird sie in das Frauenspital gefahren. Von der JVA ist aber immer jemand dabei, vor oder im Gebärsaal.

Kinder von Insassinnen leben, bis sie drei sind, in der JVA. Was machen Kinder im Gefängnis?

Ich finde, sie haben gute Bedingungen hier. Die Räume der Wohngruppen sind gross, und es hat einen Garten zum Spielen. Werktags werden die Kinder dann in der Kita der Gemeinde betreut, während die Mütter arbeiten.

Und was passiert, wenn die Kinder zu alt sind, um in der Anstalt zu bleiben?

In  den allermeisten Fällen wird die Mutter entlassen, bevor das Kind  dreijährig ist. Wenn nicht, dann wird es schwierig. Dann sucht man  zusammen mit der Mutter, dem Beistand und den Behörden einen guten Ort, wo das Kind fremdplatziert werden kann, bis die Mutter entlassen wird. Wie es dann weitergeht, das entscheiden die Behörden.

Während Ihrer neunjährigen Amtszeit ist zwei Insassinnnen die Flucht gelungen. Hat Hindelbank ein Sicherheitsproblem?

Es  ist ganz klar, dass die Anstalt eine sicherere Aussenhülle braucht. Sie  entspricht nicht mehr den heutigen Anforderungen. Zusammen mit dem Amt  für Grundstücke und Gebäude planen wir zurzeit, wie das verbessert werden kann. Zudem haben wir nach dem letzten Ausbruch das Sicherheitspersonal aufgestockt.

Hindelbank hat die höchste Fluktuation aller Berner Justizvollzugsanstalten. Wieso laufen Ihnen die Angestellten davon?

Diese Situation beschäftigt uns tatsächlich immer wieder und macht die Arbeit für unsere Mitarbeitenden nicht einfacher. Der Hauptgrund für die vielen Abgänge ist die emotionale Belastung, welche die Arbeit mit sich bringt. Belastend ist aber auch die Arbeit im Schichtbetrieb.  Manche haben nach ein paar Jahren genug davon und wünschen sich wieder  einen Job mit Bürozeiten. Gleichzeitig wird die Arbeit hier als  sinnstiftend empfunden.

Die Anstalt stösst seit Jahren an ihre Kapazitätsgrenze. Der Kanton sieht jedoch von einer Vergrösserung ab. Wie gehen Sie damit um?

Ich teile unsere Belegungszahlen immer wieder mit. Wenn sich zeigt, dass der Bedarf auch noch in ein paar Jahren hoch bleibt oder sogar steigt, wird eine Anpassung wieder überprüft werden.

Sie  haben Theologie studiert, als Pfarrerin gearbeitet und glauben  grundsätzlich an das Gute im Menschen. Wird dieser Glaube in einem  Gefängnis täglich auf die Probe gestellt?

Nein.  In jedem Menschen steckt Gutes. Das erlebe ich hier jeden Tag.  Gleichzeitig ist es wichtig, auch die Defizite der Insassinnen nicht zu  ignorieren, die zu ihrem Delikt geführt haben. Werden diese nicht  beachtet, können sie sich auch nicht verändern.

Sind Sie enttäuscht, wenn entlassene Insassinnen nach einem halben Jahr wieder hier landen?

Das  kommt sehr darauf an. Es gibt bestimmte Gruppen von Eingewiesenen, bei  denen es mich überhaupt nicht erstaunt. Frauen, die seit Jahren  drogenabhängig sind und wegen Beschaffungsdelikten in Hindelbank sind, werden auch nach einem halbjährigen Aufenthalt draussen nicht abstinent leben. Etwas anderes zu erwarten, wäre illusorisch. Bei diesen Frauen besteht eine hohe Rückfallgefahr.

Rund 20 Prozent der Insassinnen haben Suchtprobleme. Wie gelangen Drogen in die Anstalt?

Uns sind schon länger keine Drogen mehr im Gefängnis aufgefallen. Das hat wohl auch mit den Corona-Massnahmen  zu tun. Drogen gelangen oft über Besucher in die Anstalt. Durch die  Abstandsregelung ist es natürlich schwieriger, diese unbemerkt zu  übergeben. Illegale Stoffe könnten aber auch über Pakete oder Frauen, die zwischenzeitlich hinausdürfen, in die Anstalt gelangen.

Mit was für Klischees werden Sie als Gefängnisdirektorin am häufigsten konfrontiert?

Im  Kopf der Menschen ist ein Gefängnis ein dunkler Ort, wo die Insassinnen  23 Stunden pro Tag eingeschlossen sind und keine Kontakte haben dürfen.  Ein weiteres Vorurteil ist,  es sei unsere Aufgabe, die Eingewiesenen auch noch etwas zu plagen, um  sie zusätzlich zu strafen. Gemäss Strafgesetzbuch ist die einzige Strafe  aber der Entzug der Freiheit. Deshalb entspricht die JVA Hindelbank  eher einem Heim.

Romantisieren Sie da nicht etwas? Letztlich ist es doch eine Zwangsgemeinschaft.

Vielleicht  ist das etwas romantisiert, aber damit will ich Gegensteuer zum  falschen Bild, dass manche Menschen von einem Frauengefängnis haben.  Aber der Betrieb ähnelt eben tatsächlich dem Leben in einem Heim: Die  Frauen wohnen in Gruppen, haben Arbeit, Freizeit und Zugang zu Bildung.  Aber ja, freiwillig ist niemand hier.



Ehrendoktor-Würde

Annette  Keller ist im Thurgau aufgewachsen, studierte Theologie an der  Universität Bern und arbeitete darauf vier Jahre als Pfarrerin in  Urtenen-Schönbühl. Danach wechselte sie zum Sozialdienst der  Universitären Dienste Bern. Zwischendurch war Keller internationale  Wahlbeobachterin, etwa in Südafrika, Tadschikistan oder der Ukraine.  Seit Juni 2011 ist Annette Keller Direktorin der Justizvollzugsanstalt  (JVA) Hindelbank.

Am  Samstag wird ihr die Ehrendoktorwürde von der Universität Bern  verliehen. Ebenfalls geehrt werden Doris Strahm, eine Pionierin der  Feministischen Theologie, die Tierschützerin Claudine André, die  Biowissenschafterin Anne Fausto-Sterling, die Sozialwissenschafterin  Marlis Buchmann sowie Jacqueline F. N. van Leeuwen, die sich laut Uni  Bern grosse Verdienste in der Biologie und der Klimaforschung erworben  hat. Ebenfalls ausgezeichnet werden der Epidemiologe Albert Hofmann und  der Ökonometriker Roger Koenker. (mer)
(https://www.derbund.ch/wenn-ich-an-die-delikte-denke-schaudert-es-mich-manchmal-899237145770)