Medienspiegel 2. Dezember 2020

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++BERN
Motion SP: Unklare Nothilfe-Situation im Kanton Bern
https://www.gr.be.ch/gr/de/index/geschaefte/geschaefte/suche/geschaeft.gid-d1007f844c6246f28635a5ab148b09b4.html


+++EUROPA
Festung Europa: Meer des Grauens
Keine Menschenrechte in der Ägäis: Athen setzt Asylrecht außer Kraft. EU-Agentur Frontex beteiligt sich an Pushbacks
https://www.jungewelt.de/artikel/391746.festung-europa-meer-des-grauens.html


Frontex zieht gegen uns vor Gericht
Die EU-Grenzpolizei Frontex ist in Menschenrechtsverletzungen an den EU-Außengrenzen verwickelt. Jetzt will sie diejenigen zum Schweigen bringen, die ihre Machenschaften aufdecken.
https://fragdenstaat.de/blog/2020/12/02/frontex-kosten-gericht-transparenz/


+++JENISCHE/SINTI/ROMA
Meinungsbildung nicht beeinträchtigt: Junge SVP blitzt mit Beschwerde gegen Transitplatz Wileroltigen ab
Wegen des Bundesgerichtsurteils zum Bernischen Polizeigesetz sei die Abstimmung zum Transitplatz Wileroltigen unrecht, fand die Junge SVP. Das lasse sich nicht verknüpfen, sagt nun das Verwaltungsgericht.
https://www.derbund.ch/junge-svp-blitzt-mit-beschwerde-gegen-transitplatz-wileroltigen-ab-230716549581
-> https://www.20min.ch/story/junge-svp-blitzt-mit-beschwerde-gegen-transitplatz-fuer-fahrende-ab-402449442724
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/beschwerde-abgewiesen-der-umstrittene-platz-fuer-fahrende-in-wileroltigen-kommt
-> https://www.neo1.ch/news/news/newsansicht/datum/2020/12/02/junge-svp-blitzt-mit-beschwerde-gegen-transitplatz-wileroltigen-ab.html

bernerzeitung.ch 02.12.2020

Transitplatz bei Wileroltigen: Die 3,3 Millionen Franken für die Fahrenden können fliessen

Die Junge SVP hat den Kampf gegen die Abstimmung vom 9. Februar verloren: Das Verwaltungsgericht weist ihre Beschwerde ab.

Stephan Künzi

Die Abstimmung vom 9. Februar ist gültig, der Transitplatz für ausländische Fahrende an der Autobahn  bei Wileroltigen kann gebaut werden. Letzte Woche hat das  Verwaltungsgericht die Beschwerde der Jungen SVP gegen den kantonalen Urnengang abgewiesen und so den Kampf der Partei gegen das Ja zum 3,3-Millionen-Kredit abrupt beendet. Das bestätigen die Co-Präsidenten Adrian Spahr und Nils Fiechter auf Anfrage.

Die  JSVP wird auf einen Weiterzug ans Bundesgericht verzichten, wie Spahr  und Fiechter in Aussicht stellen. Mit dem vorliegenden Urteil habe sich  bereits ein höheres Gericht mit der Abstimmung befasst, sagt er zur  Begründung. Die Richter in Lausanne würden bei dieser Ausgangslage «nur  bei offensichtlichen Sachverhaltsmängeln einschreiten», den Sachverhalt  also «nur auf Willkür prüfen».

Umstrittenes Polizeigesetz

Ihre  Beschwerde hatte die Jungpartei erst knapp drei Monate nach dem  kantonalen Urnengang erhoben. Sie bezog sich dabei auf einen Entscheid,  den die Bundesrichterinnen und -richter in anderer Sache gefällt hatten:  Ende April strichen sie aus dem neuen kantonalen Polizeigesetz vier  umstrittene Artikel. Diese hätten der Polizei erlaubt, ausländische  Fahrende ohne rechtliches Gehör innerhalb von 24 Stunden von einem  Halteplatz auf privatem oder öffentlichem Grund wegzuweisen.

In ihrer  Beschwerde zum Transitplatz-Kredit hielt die JSVP fest, dass  Politikerinnen und Politiker im Vorfeld der Abstimmung nur zu gern just  mit dem neuen Polizeigesetz für ein Ja geworben hätten. Die vier  Artikel, habe es geheissen, könnten nur dann griffig angewandt werden,  wenn der Kanton den Fahrenden eine legale Alternative anbieten könne.  Den Halteort bei Wileroltigen eben.

Doch  nun könnten die Artikel gar nicht in Kraft treten. Die Bernerinnen und  Berner hätten deshalb unter falschen Voraussetzungen abgestimmt. Der  Urnengang sei für ungültig zu erklären.

Nicht die zentrale Rolle

Das  Verwaltungsgericht sieht es anders. Es weist die Beschwerde mit der  Begründung ab, das Polizeigesetz habe im Abstimmungskampf gar nicht die  zentrale Rolle gespielt, die ihm die JSVP zuspreche. Zwar sei hin und  wieder mit den umstrittenen Artikeln tatsächlich gefochten worden – und  anderem auch von der zuständigen Regierungsrätin Evi Allemann.

Weit  wichtiger sei aber das Argument gewesen, dass der Kanton mit einem  offiziellen Platz erstens seiner Verantwortung den Fahrenden gegenüber  nachkomme. Und damit zweitens auch illegalen Landnahmen vorbeuge.

Das  Polizeigesetz dürfte die Bernerinnen und Berner zwar «vereinzelt  beeinflusst haben», stellt das Urteil zusammenfassend fest. Die  Abstimmungsvorlage habe ihre Überzeugungskraft grundsätzlich aber auch  ohne die vier Artikel aus dem Polizeigesetz behalten. Deshalb sei «nicht  anzunehmen, dass die Stimmberechtigten objektiv nicht in der Lage  waren, sich eine hinreichende und sachbezogene Meinung zu bilden».
(https://www.bernerzeitung.ch/die-3-3-millionen-franken-fuer-die-fahrenden-koennen-fliessen-457087179837)


+++GASSE
Treten Armutsbetroffene wegen Corona in Vergessenheit?
Corona und wachsende Bettlerzahlen in Basel: Erfahren Armutsbetroffene in Basel deshalb weniger Solidarität? Wir haben beim Verein Surprise nachgefragt.
https://telebasel.ch/2020/12/02/treten-armutsbetroffene-wegen-corona-in-vergessenheit/


«Die Nacht kommt, egal ob mit oder ohne Schlafplatz» – Jonny lebte zwei Jahre auf Zürichs Strassen
Jonny lebte zwei Jahre lang ohne festen Wohnsitz. Ein Portrait über einen ungewöhnlichen Wohnstil – fern von der gewohnten Wohn-Konformität und Alltagsroutinen.
https://tsri.ch/zh/die-nacht-kommt-egal-ob-mit-oder-ohne-schlafplatz-jonny-lebte-zwei-jahre-auf-zurichs-strassen/


Basler Polizei verscheucht Schlafende an der Heuwaage
Eigentlich müssen die Bettelnden ihre Schlafplätze in Basel vor sieben Uhr räumen. Tun sie das nicht, kommt auch schon mal die Polizei. Politiker fordern ganzheitlichere Lösungen.
https://www.bzbasel.ch/basel/basel-stadt/basler-polizei-verscheucht-schlafende-an-der-heuwaage-140079201


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Polizei Bootshaus am Wohlensee angezündet.
Wir haben in der Nacht vom 27.11. auf den 28.11. das neue Bootshaus der Polzei am Wohlensee angezündet. Gründe dafür gibt es viele.
Solidarität an all jene die gegen das System ankämpfen müssen wie zum Beispiel Menschen die täglich von rassistischen Polizeikontrollen betroffen sind, die Betroffenen des §129 und §129a Verfahrens und Solidarität an viele weitere Kämpfe die überall stattfinden.
Solidarität ist unsere stärkste Waffe, in welcher Form auch immer!
https://barrikade.info/article/4062


+++REPRESSION DE
Angeklagter über G20-Rondenbarg-Prozess: „Politisch viel zu gewinnen“
Yannik U. sieht in den G20-Staaten den greifbarsten Ausdruck des Kapitalismus. Nun steht er in Hamburg vor Gericht, weil er an einer Demo teilnahm.
https://taz.de/Angeklagter-ueber-G20-Rondenbarg-Prozess/!5728931/
-> https://www.neues-deutschland.de/artikel/1145237.rondenbarg-verfahren-an-meiner-einstellung-wird-auch-dieser-prozess-nichts-aendern.html


G20-Prozess in Hamburg: Mitgefangen, mitgehangen
Mit dem „Rondenbarg-Verfahren“ beginnt der letzte große Gerichtskomplex um die Hamburger G20-Proteste. Einige der Angeklagten sind Minderjährige.
https://taz.de/G20-Prozess-in-Hamburg/!5731316/
-> https://www.neues-deutschland.de/artikel/1145238.g-gipfel-tatbeitrag-mitmarschieren.html


G20-Krawalle in Hamburg: Wer hat angefangen?
Am Morgen des ersten G20-Gipfeltages gingen in Hamburg 200 Demonstranten und die Polizei aufeinander los. Nun beginnen die Prozesse. Polizisten sind nicht angeklagt.
https://www.zeit.de/hamburg/2020-12/g20-krawalle-hamburg-prozess-bahrenfeld-rondenbarg-eskalation-landgericht-aufmarsch/komplettansicht


Kurdische Flagge erlaubt
Bayerisches Gericht urteilt zugunsten eines Demonstranten
Ein Mann, der die Fahne der kurdischen Frauenverteidigungseinheiten in der Öffentlichkeit gezeigt hatte, erzielte nun einen juristischen Erfolg. Das Urteil könnte richtungsweisend sein.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1145253.ypg-fahne-kurdische-flagge-erlaubt.html
-> https://www.jungewelt.de/artikel/391749.ypg-und-ypj-fahnen-strafverfolgung-beendet.html


Verfolgte Kritik
Adbusting – legitimer Protest für die einen, Straftat für die anderen
Immer wieder kommt es in Berlin zu Hausdurchsuchungen wegen verfälschten Werbeplakaten. Dabei sieht selbst die Staatsanwaltschaft darin keine Straftat. Bei einer Aktion am Mittwoch bewies die Polizei erneut ihren Verfolgungseifer.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1145247.adbusting-verfolgte-kritik.html


+++WEF
Findet das WEF in Singapur statt? Besorgte Bürgerliche schreiben offenen Brief
Für Zentralschweizer Politiker ist das WEF noch nicht verloren. Mit einem offenen Brief an den Bundesrat kämpfen sie gegen die drohende Abwanderung. Doch das Rennen scheint gelaufen.
https://www.watson.ch/wirtschaft/schweiz/576001684-findet-das-wef-in-singapur-statt-buergerliche-schreiben-offenen-brief


Corona-Hotspot Schweiz: Erst der WEF-Wegzug schreckt die Wirtschaftsparteien auf
Die bürgerlichen Parteien haben sich gegen scharfe Corona-Massnahmen gewehrt. Nun meidet das WEF deswegen die Schweiz – und plötzlich kommen Bedenken auf.
https://www.bernerzeitung.ch/erst-der-wef-wegzug-schreckt-die-wirtschaftsparteien-auf-874789791108
-> https://www.zentralplus.ch/bundesrat-soll-sich-dafuer-einsetzen-dass-das-wef-in-der-zentralschweiz-bleibt-1953673/
-> https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/wef-flucht-ins-ausland-nach-internationaler-kritik-ein-fragwuerdiger-entscheid-ld.2070239
-> https://www.luzernerzeitung.ch/wirtschaft/singapur-oder-buergenstock-das-wef-entscheidet-am-montag-parlamentarier-fordern-bundesrat-zum-handeln-auf-ld.2070961


+++KNAST
Gefängniswärter sollen Häftling misshandelt haben – die Angeklagten bestreiten alle Vorwürfe
In einem Bezirksgefängnis im Aargau sollen Vollzugsbeamte einen Gefangenen misshandelt und beschimpft haben – der Insasse spricht von einem Alptraum, er habe Todesangst gehabt. Die drei beschuldigten Gefängniswärter wehren sich vor Gericht gegen die Vorwürfe – sie hätten korrekt gehandelt und keine unnötige Gewalt angewendet.
https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/freiamt/gefaengniswaerter-sollen-haeftling-misshandelt-haben-die-angeklagten-bestreiten-alle-vorwuerfe-140067788


+++BIG BROTHER
Wie alles anfing: Fünf Jahre Kampf gegen Ende-zu-Ende-Verschlüsselung
Die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten wollen ihre Polizeien und Geheimdienste befähigen, Ende-zu-Ende-verschlüsselte Kommunikation zu umgehen oder mit technischen Werkzeugen auszuhebeln. Ein Rückblick.
https://netzpolitik.org/2020/wie-alles-anfing-fuenf-jahre-kampf-gegen-ende-zu-ende-verschluesselung/


Immer mehr Überwachung: 6 Beispiele, wie die Kantone die Polizeikorps aufrüsten
Demos filmen, Autonummern scannen oder Droher registrieren: Schweizweit erhalten Polizei oder Zoll mehr Möglichkeiten, um Bürger zu überwachen. Strafrechtler sehen dies kritisch, weil Grundrechte eingeschränkt werden. Wir zeigen, wo die Polizei mehr Kompetenzen erhalten hat.
https://www.watson.ch/schweiz/so%20%C3%BCberwacht%20uns%20der%20staat/278624070-immer-mehr-ueberwachung-die-kantone-ruesten-die-polizeikorps-auf
-> https://www.aargauerzeitung.ch/schweiz/immer-mehr-ueberwachung-die-kantone-ruesten-die-polizeikorps-auf-sechs-beispiele-140065059


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Muss Armee Impfdosen vor Corona-Skeptikern beschützen?
In Deutschland warnt das Bundeskriminalamt vor Sabotageaktionen durch Corona- und Impfskeptiker. Die «Corona-Leugner-Szene» beschäftige aktuell auch die Schweizer Polizei stark, sagt das Bundesamt für Polizei.
https://www.20min.ch/story/muss-armee-impfdosen-vor-corona-skeptikern-beschuetzen-545304983486



bernerzeitung.ch 02.12.2020

Corona-Demonstrant verurteilt: Er blieb, als er hätte gehen sollen

Ein Aargauer nahm an einer Corona-Demonstration in Bern teil. Nun stand er vor Gericht. Damit ist er eine Ausnahme.

Johannes Reichen

Es war die erste Demonstration in seinem Leben. Am 9. Mai reiste ein Mann aus dem Aargau nach Bern, setzte sich am Bärenplatz auf eine Bank, demonstrierte mit ein paar Hundert anderen Personen gegen die Corona-Massnahmen.

An der Demo verstiess er gegen die Covid-19-Verordnung. Ansammlungen mit mehr als fünf Personen waren nicht erlaubt. Der Abstand von zwei Metern zu anderen Personen war Pflicht. Der Mann wurde per Strafbefehl gebüsst, akzeptierte ihn nicht. So landete der Fall vor Gericht.

Am Mittwoch sitzt er in Bern vor Gerichtspräsidentin Salome Krieger. «Warum werde ich bestraft und andere nicht?», fragt der Mann, 64 Jahre, Rossschwanz, schwere Schuhe, schlechte Laune. Er habe in Bern «für die Grundrechte gemäss der Bundesverfassung» demonstriert. «Ich bin einfach unter einem Baum gesessen.»

Polizei mit Absperrband

Eine Polizistin gibt im Gericht Auskunft. Ziel des Einsatzes sei es gewesen, den Bundesplatz freizuhalten und die Personen Richtung Bärenplatz zu bewegen. Dafür bildete die Polizei eine Kette und drängte die Menge mit einem Absperrband zurück.

Per Lautsprecher seien die Teilnehmenden aufgefordert worden, die Örtlichkeit zu verlassen. Ob auch allfällige Bussen erwähnt wurden, wusste sie nicht. Sie selbst sei zunächst hinter dem Band gestanden. Dort habe sie die Personalien von Leuten aufgenommen, die von der Polizeikette «überlaufen» worden seien.

Überfüllte Stadt

Der Beschuldigte sagt, dass der Abstand am Anfang problemlos eingehalten worden sei. Erst als die Polizei die Leute «wie Vieh zusammentrieb», seis eng geworden. Von der Aufforderung zu gehen habe er nichts gehört. «Bei den Durchsagen wurde immer gejohlt, ich konnte nichts verstehen.»

Er habe dann einen Polizisten gefragt, ob Bussen verteilt würden. «Als er bejahte, stand ich auf.» Er habe die Anweisung erhalten, unter dem Band hindurchzugehen. Das habe er getan. Eine Polizistin habe seine Personalien aufgenommen. Mehr sei da nicht gewesen.

Überhaupt: Bern sei an jenem Tag ein «crowded place» gewesen, überfüllt. «Tragisch, was da abgegangen ist. In Aarau hatten wir das nicht.» Auch eine Maske habe niemand getragen. «Wenn ich schuldig bin, hat sich jeder andere strafbar gemacht, der da war.»

Mehr als fünf Personen

Es nützt nichts. «Die Covid-19-Verordnung ist klar», sagt Gerichtspräsidentin Salome Krieger. «Sie haben dagegen verstossen.» Wenn jemand nach Bern an eine Demonstration komme, dann wisse er, dass es nicht bei fünf Personen bleiben werde. Und es sei auch klar gewesen, dass die Polizei die Demo habe auflösen wollen.

Vom Vorwurf des «Ungehorsams gegen eine amtliche Verfügung» spricht ihn die Richterin aber frei. Es sei nicht klar, ob die Polizei die Demonstrierenden informiert habe, dass Bussen ausgesprochen werden. Das wäre zwingend gewesen.

510 Franken an Busse und Verfahrenskosten lautet das Verdikt. Egal, sagt er. «Das kann ich sowieso nicht zahlen.» Dann gehe er halt zwei Tage in den Knast. Er sei ja doch arbeitslos. Und es wäre nicht das erste Mal.



Viele Bussen, kaum Verhandlungen

Die Verhandlung vom Mittwoch war vermutlich der erste Fall eines Verstosses gegen die Covid-19-Verordnung an einer Demonstration, der am Regionalgericht in Bern verhandelt wurde. Viele weitere werden nicht hinzukommen. Denn beim Gericht sind aktuell nur rund ein halbes Dutzend Fälle vermerkt, bei denen Strafbefehle betreffend Covid-19-Verordnung nicht akzeptiert wurden und die deshalb vor Gericht landen. Diese Fälle müssen nicht zwingend Demos betreffen.

Umso zahlreicher sind die Bussen, welche die Kantonspolizei Bern während der ausserordentlichen Lage zwischen März und Juni aussprach. Im Zusammenhang mit der Covid-Verordnung seien es rund 2500 Bussen, sagt Polizeisprecherin Isabelle Wüthrich. «Zwei Drittel davon betrafen Verstösse gegen das Verbot von Menschenansammlungen von mehr als fünf Personen im öffentlichen Raum.» Ein Drittel betraf das Nichteinhalten eines Abstandes von mindestens zwei Metern gegenüber anderen Personen bei Versammlungen von bis zu fünf Personen.

Generell stelle die Polizei Verstösse gegen die Covid-19-Verordnung vor allem bei Demonstrationen fest – und dies auch wieder vermehrt. «In diesen Fällen zögern wir nicht, die fehlbaren Personen konsequent zu kontrollieren und entsprechende Anzeigen bei der Staatsanwaltschaft einzureichen», so Wüthrich. (rei)
(https://www.bernerzeitung.ch/er-blieb-als-er-haette-gehen-sollen-684915772862)



Demo von Verschwörungsanhänger:innen: „Achtung, liebe taz“
In Berlin protestieren selbsternannte Querdenker gegen die Medien. Sie fabulieren von „Manipulation“ und bedrohen Journalist:innen.
https://taz.de/Demo-von-Verschwoerungsanhaengerinnen/!5736106/


Q-Anon, ein Geschäftsmodell
„Follow the money“ war eine der Lieblingsphrasen des US-Verschwörungskults, also haben Reporter von NBC News die Herausforderung angenommen und den Fluss des Geldes zu den drei Q-Produzenten aufgedeckt
https://www.heise.de/tp/features/Q-Anon-ein-Geschaeftsmodell-4975679.html


Neue Verschwörungserzählung: „The Great Reset“ – Angst vor digitaler Gesundheitsdiktatur
Nach dem „Großen Austausch” kommt nun „The Great Reset”: Was steckt dahinter, wer verbreitet die neue Verschwörungserzählung und wie kommen Menschen darauf, Superreiche würden weltweit eine Gesundheitsdiktatur einführen wollen?
https://www.belltower.news/neue-verschwoerungserzaehlung-the-great-reset-angst-vor-digitaler-gesundheitsdiktatur-108059/


+++HISTORY
Über Afrika schreiben – The Danger of a Single Story
Das europäische Sprechen und Schreiben über Afrika folgt seit mehr als 150 Jahren Mustern und Klischees, die unausrottbar scheinen – auch dort, wo man es doch „gut“ meint. Dabei ist oft gerade das „Fremde“ Afrikas das Vergessene unserer eigenen Geschichte.
https://geschichtedergegenwart.ch/ueber-afrika-schreiben-the-danger-of-a-single-story/


Cristoforo Colombo: Der Mann, der Zungen abschneiden liess
Die Rassismus-Debatte hat auch das Bild von Cristoforo Colombo nicht verschont. Soeben hat der Italiener Giulio Busi, Professor für Judaistik, eine Biografie über Colombo veröffentlicht. Sie offenbart neben den ruhmvollen Seiten einen Charakter mit dunklen und widersprüchlichen Aspekten.
https://www.higgs.ch/der-mann-der-zungen-abschneiden-liess/38043/


+++PATRIARCHAT
derbund.ch 02.12.2020

Interview zu Frauenhass: «Für Incels ist Sex ein Grundrecht wie Nahrung oder Wasser»

Incels  sind Männer, die finden, Frauen seien daran schuld, dass sie einsam  sind und keinen Sex haben. Autorin Veronika Kracher hat in dieser Szene  recherchiert und fand Ähnlichkeiten mit einer Sekte.

Florian Kölsch

Wie ist  es, als Frau in einem explizit frauenfeindlichen Umfeld zu  recherchieren? Die Autorin und Journalistin Veronika Kracher hat das  jahrelang getan. Über jene vorwiegend jungen Männer, die sich als «Incels» bezeichnen (der Begriff ist ein Kofferwort für «Involuntary Celibates», was übersetzt «unfreiwillig im Zölibat Lebende» heisst ), hat die Wahlfrankfurterin nun ein Sachbuch geschrieben, das im November erschienen ist.

Für Ihr Buch haben Sie zahlreiche Incel-Foren analysiert. Wie haben Sie die Recherche dazu erlebt?

Am  Anfang war es sehr erschreckend und irritierend, da man ja sowohl mit  einer Menge Menschenfeindlichkeit als auch mit einem erschütternden  Selbsthass konfrontiert wird. Incels sprechen davon, dass niemand sie  jemals lieben könne, und bezeichnen sich selbst als «Untermensch» oder  «Abschaum». An die Vergewaltigungsfantasien gewöhnt man sich irgendwann.  Einige Sachen, vor allem sexuelle Gewalt gegen Kinder, verstören jedoch  nachhaltig. Der Selbsthass macht auch wütend, da Incels durch ihre  Ideologie gewissermassen selbst an ihrem Leid schuld sind, aber Frauen  dafür verantwortlich machen.

Wie muss man sich einen durchschnittlichen Incel vorstellen?

Laut  einer Umfrage des Forums Incels.co stammen knapp 60 Prozent der User  aus der Mittelschicht, 33 Prozent zählen sich zur Lower Class, der Rest  zur Oberschicht. Die Mitglieder sind recht jung, laut der besagten  Umfrage sind 68,2 Prozent unter 25 Jahre alt, davon ist rund ein Drittel  18 bis 21 Jahre alt. Mehr als die Hälfte ist laut Selbstangabe Schüler  oder Student, 30 Prozent gehen einer Lohnarbeit nach, etwas mehr als 20  Prozent weder noch. Und es ist mitnichten eine weisse Community, nur  knapp über die Hälfte ist weiss. Ungefähr 45 Prozent der Nutzer stammen  aus den USA und Kanada, 40 Prozent aus Europa.

Was sind typische Hauptcharakteristika eines Incels?

Incels  glauben, dass quasi die einzige Diskriminierungsform unserer Zeit der  sogenannte «Lookismus» ist, also die Unterdrückung aufgrund von  unattraktivem Aussehen. Vor der sexuellen Revolution und dem Feminismus  sei die Welt nach dem Prinzip des «Looksmatching» aufgebaut gewesen:  Einem Mann war eine Frau seines «Attraktivitätslevels» garantiert. Der  Feminismus habe Frauen jedoch die freie Partnerwahl ermöglicht. Da alle  Frauen von Natur aus hypergam, triebhaft und oberflächlich seien,  begnügen sie sich laut der Theorie nun nicht mehr mit ihrem  «Looksmatch», sondern wollen alle nur mit «Chads» schlafen.

Was sind «Chads»?

Ein  Begriff, der Klischeezeichnungen von muskelbepackter Männlichkeit  umschreibt. Die Chads machen ungefähr zwanzig Prozent der männlichen  Bevölkerung aus, glauben Incels. Und deshalb bleiben keine Frauen für  die armen Incels mehr übrig – obwohl ihnen der Sex doch eigentlich  zustehen sollte! Der ist für Incels nämlich ein Grundrecht wie Nahrung  oder Wasser

Was folgt aus dieser Logik?

Dass  Frauen Incels den Sex verweigern und lieber mit Chads schlafen, ist für  sie eine himmelschreiende Ungerechtigkeit. So rechtfertigen Incels  ihren Frauenhass, der stellenweise bis hin zum Femizid und dem  frauenfeindlichen Terrorakt reicht – wie jenem 1989 am polytechnischen  Institut in Montréal, bei dem 14 Studentinnen getötet wurden.

Warum haben diese Männer keinen Hass auf die Chads?

Den  gibt es durchaus, da Chads einem die Frauen ja «wegnehmen». Dieser geht  jedoch immer mit Neid und Bewunderung einher: Man will selbst die Rolle  eines Chads einnehmen. Deswegen verschreiben sich zahlreiche Incels dem  sogenannten «Looksmaxxing», also der Verbesserung des Aussehens durch  Sport, Mode oder plastische Chirurgie.

Woher stammt das Phänomen der Incels?

Bei  Incels fallen der gesellschaftlich ohnehin präsente Frauenhass und  patriarchales Anspruchsdenken, die Vereinzelung und Entfremdung des  Individuums im Neoliberalismus und das Internet als Echokammer zusammen.  Junge Männer erfahren, dass sie Ansprüchen von Männlichkeit sowie  sexuellem und finanziellem Erfolg nicht genügen. Aber statt das System  und seine Auswirkungen auf den Einzelnen in Frage zu stellen, verlagern  sie ihren Selbsthass auf Frauen, die sind Feindbild und etablierter  Sündenbock. Und online bestätigt man sich dann selbst in diesem Denken.

Wie beurteilen Sie das Gefahrenpotential von Incels?

Ich  würde sagen, dass nur ein Bruchteil der User der Foren tatsächlich auch  zum Terrorakt bereit ist. Aber ihr Frauenhass äussert sich ja auch  schon auf niedrigschwelliger Ebene – etwa durch Gewalt gegen Frauen online oder auch auf der Strasse,  beispielsweise, indem man einem Mädchen nachts folgt, um ihm Angst  einzujagen. Bei diesen Foren handelt es sich ja um Echokammern, in denen  sich die User gegenseitig hochschaukeln und radikalisieren.

Wie hängt die Incel-Ideologie mit dem Feminismus zusammen?

Incels  sind wie andere maskulinistische Gruppen eine regressive Reaktion auf  den Feminismus. Statt zu realisieren, dass Kritik am herrschenden  Geschlechterverhältnis auch Männern zugutekommen könnte, da es  auch  Jungen und Männern immensen psychischen Schaden zufügt, bekämpft man  lieber im Männerbund diese «aufmüpfigen Weiber». Selbst Incels, die ja  immer wieder betonen, dass sie darunter leiden, keine Chads zu sein,  würden niemals auf die Idee kommen, das Patriarchat zu hinterfragen;  letztendlich profitieren sie durch die Abwertung von Frauen doch mehr,  als sie unter toxischen Männlichkeitsvorstellungen leiden.

Wie entscheidend ist dabei die Opferrolle, die sich die Incels selbst zuschreiben?

Diese  Täter-Opfer-Umkehr dient als Mittel, um die eigene Gewalt zu  legitimieren. Incels sehen sich als Opfer einer widernatürlichen  feministischen Gesellschaft, die ihnen das eigentlich naturgegebene  Recht auf Sex verwehrt. Es sind laut ihnen die Frauen, die im Unrecht  sind.

Wie können es Incels schaffen, sich auf der Opferrolle zu befreien?

Ich  habe in meinem Buch ein Kapitel, das sich ausschliesslich mit dem  Ausstieg aus der Szene beschäftigt. Dass man diese nicht so einfach  verlassen kann, zeigt, dass sie durchaus Strukturen eines Kultes oder  einer Sekte aufweist. Was jedem Einzelnen ausstiegswilligen Incel  angeraten wird, ist die Therapie: Eine Szene, die ihren Mitgliedern  permanent vermittelt, sie seien – beispielsweise aufgrund fehlender  Attraktivität – nicht wert, jemals geliebt zu werden, und die nur ein  toxischer Sumpf ist, fügt langfristigen psychischen Schaden zu. Allein  schon deshalb sollte man darauf achten, dass Freunde, Söhne, oder Brüder  nicht in diese Szene abrutschen – von der potentiellen Gewalt, die sie  anderen antun könnten, ganz zu schweigen.

Veronika Kracher: Incels. Geschichte, Sprache und Ideologie eines Online-Kults. Ventil Verlag, 280 S., ca. 29 Fr.



In Abgründe eingetaucht

Veronika  Kracher beschäftigt sich mit der Incel-Subkultur, der Alt-Right,  Imageboards wie 4chan und Rechtsterrorismus. Weitere  Forschungsschwerpunkte sind Feminismus und Patriarchatskritik,  Antisemitismus, Literaturtheorie und Popkultur.  (red)



Incel-Attentate

Eine  Reihe von Terrorakten wurde von Männern verübt, die sich auf Ideen von  Incels berufen. So steht derzeit der 28-jährige Kanadier Alek Minassian  vor Gericht, der 2018 mit einem Kleinbus in Toronto zehn Menschen  überfahren hat. Nach seiner Festnahme erklärte er, die Tat sei eine  Rache dafür, dass er lange Zeit von Frauen zurückgewiesen worden war.  Minassian nannte als Vorbild Elliot Rodger, der 2014 in Kalifornien  sechs Personen tötete. Rodger hatte vor seinem Attentat ein 141-seitiges  Manifest verschickt, in dem er seinen Hass auf Frauen und Paare  ausbreitete, verbunden mit Frustration über seine Jungfräulichkeit. Der  rechtsextremistische Täter von Halle 2019 wiederum filmte mit der  Helmkamera seinen Versuch, eine Synagoge anzugreifen, und liess dazu  einen Song des Rappers Egg White laufen, der der Mordtat von Minassian huldigt. (red)
(https://www.derbund.ch/fuer-incels-ist-sex-ein-grundrecht-wie-nahrung-oder-wasser-254481595067)