Medienspiegel 1. Dezember 2020

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++SOLOTHURN
Reduzierte Belegung in der Asylunterkunft soll das Risiko einer Ansteckung mindern
Die Coronakrise ist auch in den Durchgangszentren für Asylsuchende eine tägliche Herausforderung. Ein Augenschein in Oberbuchsiten.
https://www.solothurnerzeitung.ch/solothurn/thal-gaeu/reduzierte-belegung-in-der-asylunterkunft-soll-das-risiko-einer-ansteckung-mindern-140048562


+++ST. GALLEN
tagblatt.ch 01.12.2020

Europäischer Gerichtshof rügt Kanton St.Gallen: Homosexueller Gambier darf nicht ausgeschafft werden

Die Schweizer Behörden haben die Gefährdung eines homosexuellen Gambiers mit St.Galler Partner in seinem Heimatland ungenügend abgeklärt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte gibt damit einer Beschwerde der St.Galler Anwältin und SP-Fraktionschefin Bettina Surber recht. Der seltene Erfolg in Strassburg freut Verbände wie Pink Cross und Queeramnesty, aber die Aufenthaltsbewilligung ist damit noch nicht garantiert.

Marcel Elsener

«Wie Moskitos» werde er Homosexuelle jagen und lebenslänglich wegsperren oder gar «die Kehle durchschneiden», sagte Gambias diktatorischer Präsident Yahya Jammeh. Zwar musste er 2016 die Macht im westafrikanischen Land an Adama Barrow abtreten, für den Homosexualität «kein Thema» ist. Doch hat der neue Präsident die entsprechenden Gesetze nicht geändert und herrscht in Gambia weiterhin ein über Jahrzehnte angeheiztes feindliches Klima gegen schwule und lesbische Menschen.

Vor diesem Hintergrund erklärt sich ein langwieriges Gerichtsverfahren um die Aufenthaltsbewilligung für einen heute 46-jährigen homosexuellen Gambier, der 2008 in die Schweiz flüchtete. Hier lernte er einen älteren St.Galler lieben, 2014 liess das Paar seine Partnerschaft eintragen und stellte der Schweizer ein Gesuch um Familiennachzug.

Vor Übergriffen unzureichend geschützt

Das St.Galler Migrationsamt hatte das Gesuch abgelehnt, weil der Gambier in den ersten Jahren in der Schweiz straffällig geworden war und nach drei abgelehnten Asylgesuchen illegal im Land weilte. Alle Gerichte, die Anwältin Bettina Surber bemühte, bestätigten diesen Entscheid – bis hin zum Bundesgericht, das in seinem Urteil 2018 zum Schluss kam, dass sich die Situation für Homosexuelle in Gambia mit dem Machtwechsel im Jahr 2016 verbessert habe.

In der Folge wandte sich die Büropartnerin von SP-Ständerat Paul Rechsteiner (Anwälte 44) an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), der dem Gambier bereits das Recht zugestanden hatte, bis zur Klärung des Familiennachzugs beim Partner in St.Gallen bleiben zu dürfen. Und tatsächlich gelang es ihr, die «Riesenhürde» zu überwinden – das Strassburger Gericht tritt auf solche Beschwerden nur selten ein und heisst sie noch viel seltener gut.

Im einstimmigen Entscheid des siebenköpfigen Kleinen Kammer des EMGR zum – nur englisch dokumentierten – Fall «B and C v. Switzerland» wird festgehalten, dass die Rückweisung in ein Land, in dem Homosexualität verboten ist, an sich keine Konvention verletze. Jedoch habe die Schweiz im konkreten Fall nicht ausreichend abgeklärt, ob für den Gambier die Gefahr unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung in seinem Herkunftsland bestehe. Insbesondere sei nicht geklärt worden, ob die Behörden gegen eine Verfolgung durch nicht staatliche Akteure vorgehen würden.

Laut dem Entscheid hat die Schweiz damit gegen das Folterverbot in Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verstossen, das solche Behandlung verbietet. Der Gerichtshof beruft sich dabei auf Informationen des britischen Innenministeriums und weiterer unabhängiger Quellen. Diese besagten, dass die Behörden in Gambia Homosexuelle nicht vor Übergriffen durch Dritte schützen.
«Zumutbarkeit» muss künftig besser geprüft werden

Der im November publizierte Entscheid aus Strassburg sei «wirklich bemerkenswert», sagt Bettina Surber, zumal sie sich an diesem Fall «die Zähne ausgebissen» habe und sich zwischenzeitlich «ohnmächtig» gefühlt habe. «Meines Wissens ist es das erste Mal, dass diese Instanz für die Schweiz und wohl für Europa entscheidet, dass eine Person aufgrund ihrer sexuellen Identität nicht weggewiesen werden darf.»

Allerdings hat der rechtliche Erfolg eine tragische Note: Der an Krebs erkrankte und vom Gambier gepflegte Lebenspartner ist vor einem Jahr 69-jährig verstorben. Und so eindeutig die Rüge des Europäischen Gerichtshofs so offen bleibe, wie der Schweizer Staat damit umgehe, sagt Surber. Ob die Aufenthaltsbewilligung nach neuer Prüfung gewährt wird, lässt sich noch nicht sagen. Auf jeden Fall müssten die Behörden in Zukunft die «Zumutbarkeit» einer Rückweisung von Homosexuellen besser prüfen. Das habe in diesem Fall auch das St.Galler Sicherheits- und Justizdepartement «nur marginal» erfüllt, sagt die SP-Kantonsrätin.

«Müssen diese Abklärungen zwingend nachholen»

Departementsvorsteher Fredy Fässler äussert sich nicht zum Fall, weil er als Justizdirektor Rechtsmittelinstanz gegenüber Verfügungen des Migrationsamtes sei. Die EMRK-Beschwerde «B. und C. gegen die Schweiz» sei noch nicht endgültig, erklärt Jürg Eberle, Leiter Migrationsamt. Die Schweiz könne eine Neubeurteilung durch die Grosse Kammer des Gerichtshofs beantragen; ob das Bundesamt für Justiz von diesem Recht Gebrauch mache, wisse er nicht.

Sofern das Urteil rechtskräftig sei, habe dies «nicht automatisch die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung durch das Migrationsamt zur Folge», stellt Eberle fest. Die Beschwerde rüge die Schweiz «und damit auch das Migrationsamt», dass nicht ausreichend abgeklärt wurde, ob für den Betroffenen die erwähnte Gefahr bestehe und ob die Behörden gegen nicht staatliche Akteure vorgingen. «Diese Abklärungen müssten von uns zwingend nachgeholt werden», sagt der Amtsleiter. «Dies würde in enger Zusammenarbeit mit den Bundesbehörden geschehen, da wir als einzelner Kanton keine Möglichkeit haben, diese Fragen objektiv und umfassend zu klären und letztlich zu beurteilen. Je nach Ausgang dieser Prüfung würde eine Aufenthaltsbewilligung erteilt – oder nicht.»

Zwar sei Homosexualität grundsätzlich als Fluchtgrund asylrechtlich anerkannt, führt Jürg Eberle überdies aus. Asylrechtliche Gründe würden jedoch durch das SEM oder allenfalls durch das Bundesverwaltungsgericht beurteilt. Der Kanton St.Gallen habe im Rahmen eines Gesuches (um Familiennachzug) ausschliesslich ausländerrechtliche Voraussetzungen zu prüfen. «Dabei spielt die sexuelle Ausrichtung eines Betroffenen grundsätzlich keine Rolle.»

Wichtiges Signal für geflüchtete LGBTI-Personen

Die Einschätzung der Anwältin teilen die Institutionen, die sich für die Rechte von LGBTI-Personen, also Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender und Intersex, einsetzen. «Dieses einstimmige Urteil ist ein sehr wichtiges Signal für alle geflüchteten LGBTI-Personen», sagt Jens Pohlmann, Leiter der Gruppe Queeramnesty, die sich mittels 500 Mitgliedern von Amnesty International für diese Rechte engagiert. Der EGMR halte «klar fest, dass sie nicht einfach zurückgeschickt werden können mit der Aufforderung, ihre sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität im Heimatland weiterhin zu verstecken», sagt Pohlmann. «Wir hoffen, dass die Schweizer Behörden das nun endlich anerkennen und umsetzen.»

Geflüchtete LGBTI-Personen haben es gemäss Queeramnesty «in der Schweiz überhaupt nicht leicht, Asyl zu bekommen», so Pohlmann weiter. «Häufig hören wir, dass ihre Fluchtgründe angezweifelt werden, weil sie aus Angst vor Verfolgung ihre sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität im Heimatland nie zeigten und so keine <Beweise> für Verfolgung haben. Das ist absurd: Viele wären sofort extrem gefährdet, wenn sie zu sich stehen würden – gerade deshalb sehen sie sich ja zu einer Flucht gezwungen.»

Ähnlich ist die Freude über den EMRG-Entscheid und die Erwartung auf Seiten von Pink Cross, der Dachorganisation der schwulen und bisexuellen Männer in der Schweiz. «Das Urteil kritisiert die Schweizer Praxis im Umgang mit geflüchteten LGBTI-Personen heftig», stellt Pink-Cross-Geschäftsleiter Roman Heggli fest. «Die Schweiz hat gegen die Menschenrechtskonvention verstossen. Wir erwarten, dass die Behörden dieses Urteil umsetzen und die menschenfeindliche Praxis bei geflüchteten LGBTI-Personen endlich stoppen.»
(https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/menschenrechte-europaeischer-gerichtshof-ruegt-kanton-stgallen-homosexueller-gambier-darf-nicht-ausgeschafft-werden-ld.2070251)


+++DEUTSCHLAND
Geflüchtete Frauen in Erstaufnahmelagern: Flucht vor Gewalt in Gewalt
Frauen haben in Eisenhüttenstadt gegen sexualisierte Gewalt in Erstaufnahmelagern protestiert. Die 21-jährige Mariami erzählt von ihren Erfahrungen.
https://taz.de/Gefluechtete-Frauen-in-Erstaufnahmelagern/!5728919/


+++FRANKREICH
Flucht über den Ärmelkanal: Frankreich will Strände stärker überwachen
30 Kilometer Atlantik trennen Frankreich von Großbritannien. Immer wieder versuchen Flüchtende in Schlauchbooten überzusetzen. Paris hat sich nun dazu verpflichtet, die Strände schärfer zu überwachen, auch mit Hilfe von Drohnen und Radartechnik.
https://www.deutschlandfunk.de/flucht-ueber-den-aermelkanal-frankreich-will-straende.795.de.html?dram:article_id=488451


+++MITTELMEER
Tödliche Flucht übers Mittelmeer: Der Junge am Strand
Ein kleiner Junge liegt bäuchlings am Strand – tot. Das Bild von Alan Kurdi ging vor fünf Jahren um die Welt und wurde zum Symbol für die Notlage von Millionen Flüchtlingen aus Syrien. Seine Tante Tima Kurdi hat nun die Geschichte des Kindes aufgeschrieben – ein erschütternder Bericht.
https://www.deutschlandfunk.de/toedliche-flucht-uebers-mittelmeer-der-junge-am-strand.1310.de.html?dram:article_id=488259


+++EUROPA
Illegale Zurückweisungen: Frontex-Chef im Kreuzfeuer der Kritik
Schaut die EU-Grenzschutzbehörde Frontex weg, wenn Griechenland Flüchtlingsboote in türkische Gewässer abdrängt? Einige fordern bereits den Rücktritt des Chefs der Behörde, bei der auch die Schweiz beteiligt ist.
https://www.derbund.ch/frontex-chef-im-kreuzfeuer-der-kritik-858531328326


Vorwürfe gegen EU-Grenzschützer: Sozialdemokraten fordern Rücktritt von Frontex-Chef Leggeri
Frontex war in mehrere illegale Pushbacks in der Ägäis verstrickt. Nun entziehen die Sozialdemokraten im EU-Parlament Fabrice Leggeri, Chef der Grenzschutzagentur, das Vertrauen.
https://www.spiegel.de/politik/ausland/frontex-ruecktrittsforderungen-gegen-chef-fabrice-leggeri-a-dd9fa165-dd4f-4229-9b9b-4dcb6985adfb


Beteiligung von Frontex und deutschen Einsatzkräften an Pushbacks muss Konsequenzen haben
Indirekte und direkte Beteiligung an Pushbacks: Der EU-Grenzschutzagentur Frontex wurden zuletzt mehrere Menschenrechtsverletzungen nachgewiesen. Ihr Direktor hat dies bis zuletzt abgestritten. Jetzt stellt sich heraus: Auch Beamt*innen der deutschen Bundespolizei waren an der illegalen Zurückweisung von Schutzsuchenden in der Ägäis beteiligt.
https://www.proasyl.de/news/beteiligung-von-frontex-und-deutschen-einsatzkraeften-an-pushbacks-muss-konsequenzen-haben/


+++FREIRÄUME
Reitschule-Restaurant ist zu: Sous le Pont protestiert mit Schliessung
Das Restaurant Sous le Pont im Kulturzentrum Berner Reitschule schliesst aus Protest.
https://www.bernerzeitung.ch/sous-le-pont-protestiert-mit-schliessung-604307713971


Vakuum: Bewegungsraum an der Aare – RaBe-Info 01.12.2020
Tanz, Theater, Kunst und Begegnung: All das soll möglich sein im neuen Bewegungsraum mit dem Namen Vakuum.
Unweit des Gaskessels, in der «Utopiestadt» Anstadt, die über einen Zwischennutzungsvertrag verfügt, soll das selbstverwaltete Projekt vollendet werden. Der Bau ist bereits in vollem Gange, das bunte Kollektiv verwendet dabei grösstenteils Materialen aus zweiter Hand. Um unter anderem aber auch einen Tanzboden und Isolation einbauen zu können, braucht «Vakuum» noch einen kleinen Finanzierungsschub. Ein Crowdfunding soll die letzten paar Franken einbringen, wie Cordelia und Andrea im Interview mit RaBe berichten.
https://rabe.ch/2020/12/01/begegnungsraum-an-der-aare/


+++GASSE
Jetzt trägt Bettler Ludovic halt weiterhin seinen Bademantel
Die bettelnden Roma frieren sich in Pullis und Schläppli einen ab und schlafen erst noch draussen. Das geht doch nicht, dachte sich Gärngschee-Mitglied Jean und verteilte am Montag Kleider und Schlafsäcke.
https://bajour.ch/a/5usZ6DYqv02lUuYs/jetzt-tragt-bettler-ludovic-halt-weiterhin-seinen-bademantel


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Glasbruch beim Neonazi Tobias Steiger
In Basel wurden die Scheiben des Security-Geschäfts des Neonazi Tobias Steiger eingeschlagen.
Wir haben in der Nacht auf Montag die Scheiben des Geschäfts „Universal Security“ (Steinenvorstadt 33) vom bekannten Neonazi Tobias Steiger eingeschlagen. Tobias Steiger hatte im November 2018 die PNOS-Kundgebung auf dem Messeplatz angemeldet. Darauf sind rund 2000 Menschen zum Gegenprotest aufgetreten. Tobias Steiger hielt damals eine antisemitische Rede und sprach von einer jüdischen Weltverschwörung. Kürzlich forderte er die Sterilisierung von jüdischen Menschen. Seine Ideen sind eine Gefahr für alle Menschen, die nicht seiner Vorstellung einer weissen, patriarchalen Gesellschaft entsprechen. Mehr Informationen über Tobias Steiger findet ihr auf: https://watchout.noblogs.org.
https://barrikade.info/article/4060


Kommuniqué zum 25.11.2020 in Basel
Am 25. November, dem internationalen Tag gegen Gewalt an FINT-Personen, haben sich geschätzte 100 FINT-Personen (Frauen, inter, nonbinäre und trans Personen) am Theaterplatz für eine Spontandemo versammelt.
Kämpferisch und laut haben wir uns Basels Strassen genommen! Wir zogen gemeinsam vom Theaterplatz über die Mittlere Brücke zur Claramatte. Zurück blieben etliche neon-orange Flyer und gekleisterte Plakate, welche mit der Aufschrift «FIGHT BACK» unsere Mitmenschen auffordern gegen jegliche Gewalt an FINT-Menschen zu kämpfen.
https://barrikade.info/article/4059


Prozess in Schweiz: Mit Bierdosen und Gummigeschossen
Vor zwei Jahren kam es in der Schweizer Stadt Basel zu Zusammenstößen zwischen linken Demonstrant:innen und Polizeikräften. Nun beginnt der Prozess.
https://taz.de/Prozess-in-Schweiz/!5732133/


Kanton St. Gallen: Veranstalter müssen Polizeieinsätze bei unbewilligten Demos zahlen
Der Kantonsrat hat mit deutlicher Mehrheit eine Motion der SVP-Fraktion gutgeheissen. Damit müssen im Kanton St. Gallen künftig die Kosten für Polizeieinsätze bei unbewilligten Demonstrationen auf die Veranstalter überwälzt werden.
https://www.20min.ch/story/veranstalter-muessen-polizeieinsaetze-bei-unbewilligten-demos-zahlen-978727241932
-> https://www.toponline.ch/news/stgallen/detail/news/kantonsrat-beschliesst-kostenbeteiligung-fuer-demo-veranstalter-00145969/


+++REPRESSION DE
Kurdische Selbstverteidigung siegt in Bayern
Oberste Landesgericht weist Staatsanwaltschaft München zurecht, die Symbole der YPG-Miliz kriminalisieren wollte. Klatsche auch für Bundesinnenministerium
https://www.heise.de/tp/features/Kurdische-Selbstverteidigung-siegt-in-Bayern-4976641.html


+++AUSLÄNDER*INNEN-RECHT
Nordafrikanischer Sans-Papier muss die Schweiz definitiv verlassen
Die Ausschaffungshaft im Gefängnis in Bazenheid setzte einem 38-Jährigen dermassen zu, dass er seine Zelle in Brand steckte. Dafür muss er eine Haftstrafe verbüssen. Danach wird er für 20 Jahre des Landes verwiesen.
https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/toggenburg/kreisgericht-nordafrikanischer-sans-papier-muss-die-schweiz-definitiv-verlassen-ld.2069932


+++KNAST
Gefängnisleiter vor Gericht
Ein Häftling des Bezirksgefängnis Kulm behauptet, er sei zu Boden gedrückt und gewürgt worden. Heute standen nun der Gefängnisleiter sowie zwei Gefängniswärter vor Gericht.
https://www.telem1.ch/aktuell/gefaengnisleiter-vor-gericht-140066130
-> https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/kanton-aargau/gericht-prueft-vorwuerfe-haben-drei-gefaengniswaerter-einen-haeftling-misshandelt-140059704


+++BIG BROTHER
derbund.ch 01.12.2020

Tierschützer als Gefahr? – 2019 galten sie als ungefährlich, jetzt überwacht sie der Geheimdienst

Der Nachrichtendienst des Bundes wächst ungebremst. Jetzt zeigen Recherchen: Neuerdings überwacht er eine Tierschutzorganisation, die er vor einem Jahr noch als unbedenklich einstufte.

Markus Häfliger, Christoph Lenz

Ihr Job ist es, unbemerkt zu bleiben, geräuschlos zu sein. Nahezu geräuschlos läuft auch der grösste Ausbau ab, den die Schweizer Staatsschützer seit dem Ende des Kalten Kriegs gesehen haben.

Zählte der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) 2010 noch 237 Vollzeitstellen, so liegt sein Personaletat inzwischen bei rund 350. Ein Plus von fast 50 Prozent in zehn Jahren. Geht es nach der Politik, soll dieser Ausbau jetzt noch beschleunigt werden. Bis 2023 will der Bundesrat dem NDB weitere 60 Mitarbeiter zur Verfügung stellen.

Formell muss die Aufstockung in der am Dienstag beginnenden Budgetberatung im Parlament zwar noch bewilligt werden. Doch die Finanzkommissionen beider Kammern haben sich bereits hinter das Projekt gestellt – und zwar «oppositionslos», wie es seitens der nationalrätlichen Kommission heisst.

Das ist aus zwei Gründen überraschend. Zum einen begegnete die Ratslinke einem Ausbau der staatlichen Überwachung bisher meist mit Skepsis. Zum anderen zeigen jetzt Recherchen, dass der Geheimdienst sein Tätigkeitsfeld jüngst in Bereiche ausgeweitet hat, die bislang kaum als zentrale Aufgabe des Staatsschutzes galten.

Seit neuestem überwacht der NDB in der Schweiz nicht nur Islamisten, Links- und Rechtsextremisten. Sondern auch Tierschützer.

Auf der geheimen Liste

Vor wenigen Monaten setzte der Nachrichtendienst die Tierrechtsorganisation «269 Libération Animale» – abgekürzt: 269 LA – auf seine geheime Beobachtungsliste. Das bedeutet: Der NDB hält die Gruppierung für eine Bedrohung für die innere Sicherheit der Schweiz.

Im Normalfall darf der NDB politische Aktivitäten im Inland nicht überwachen. Doch sobald eine Organisation auf der Beobachtungsliste steht, fällt diese Hürde – und der NDB darf über sie «alle verfügbaren Informationen beschaffen und bearbeiten», wie es in der Botschaft zum Nachrichtendienstgesetz heisst.

Weil ein Eintrag auf der Liste so weitreichende Konsequenzen hat, bedarf er einer Zustimmung des Gesamtbundesrats. Im Fall von 269 LA fiel der Entscheid im vergangenen Sommer – auf Antrag von Verteidigungsministerin Viola Amherd. Seither hat der Geheimdienst die Lizenz, 269 LA auszuspionieren. Solche Entscheide fällt der Bundesrat geheim. Auch der NDB äussert sich dazu nicht. Die Beobachtungsliste sei «klassifiziert», hält er auf Anfrage fest.

Der besetzte Schlachthof

«269 Libération Animale» wurde 2016 in Frankreich gegründet. Ihre Mitglieder vertreten den Anti-Speziesismus, das heisst: Sie billigen dem Menschen gegenüber anderen Lebewesen keinen besonderen Status zu. Unter anderem lehnen sie den Konsum von tierischen Produkten ab. Die Zahl 269 ist eine Referenz an die Brandnummer, die ein von Aktivisten befreites Kalb trug.

Zur Durchsetzung ihrer Anliegen setzt 269 LA auf Aktionen des zivilen Ungehorsams, aber auch auf Sachbeschädigungen und Vandalenakte gegen Metzgereien oder Schlachthöfe. Gewalttaten gegen Menschen sind bisher nicht bekannt.

In der Schweiz erregte die Gruppierung im November 2018 Aufsehen. Aktivisten aus dem europäischen Ausland und der Westschweiz besetzten einen Schlachthof der Firma Bell in Oensingen SO. Als Folge dieser Aktion sind mittlerweile 125 Personen per Strafbefehl zu bedingten Geldstrafen verurteilt worden. Doch dem NDB genügt die strafrechtliche Verfolgung der Aktivisten nicht. Er überwacht sie nun auch präventiv.

Laut zuverlässigen Quellen geht der NDB davon aus, dass die Organisation in der Schweiz rund drei Dutzend Mitglieder hat, primär in der Romandie. Der Schweizer Zweig werde durch die Mutterorganisation in Frankreich gesteuert und finanziert. Zudem glaubt der NDB, den Schweizer Chef von 269 LA identifiziert zu haben: den 29-jährigen Westschweizer K., dessen Name dieser Redaktion bekannt ist.

K. wurde am 9. November 2019 vom Genfer Polizeigericht zu einer unbedingten Gefängnisstrafe von zwölf Monaten verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass K. 2018 an einer Serie von Vandalenakten gegen Metzgereien und einen Schlachtbetrieb in der Romandie mitgewirkt hatte. Doch der Verurteilte hat gegen das Urteil rekurriert; er verlangt einen Freispruch. Sein Fall ist vor der zweiten Instanz hängig.

Hat der NDB Beweise?

Dass der NDB K. nun als Schweizer Chef von 269 LA darstelle, sei «überraschend», sagt K.s Anwalt Olivier Peter aus Genf. Während des ganzen Strafverfahrens habe es «nicht den kleinsten Hinweis darauf gegeben, dass mein Klient mit dieser Organisation irgendetwas zu tun hat», sagt Peter. Tatsächlich wird die Organisation 269 LA weder im Gerichtsurteil noch im Prozessprotokoll von K. erwähnt.

Weiss der NDB mehr als die Genfer Polizei und Staatsanwaltschaft? Und wie belastbar sind seine Anschuldigungen gegen K.? Dazu äussert sich der NDB nicht. Und anders als ein Staatsanwalt muss er solche Anschuldigungen im Rahmen einer präventiven Überwachung auch nicht beweisen .

Tatsache ist, dass schon die Genfer Justiz K. härter angepackt hat, als das Bundesgericht für zulässig hält. 11 Monate lang sass der Mann im Genfer Gefängnis Champ-Dollon in Untersuchungshaft, bis das Bundesgericht intervenierte. Die lange Haftdauer sei in diesem Fall unverhältnismässig, befanden die obersten Richter im Oktober 2019.Seit K.s Entlassung sind keine Gesetzesverstösse durch ihn bekannt geworden. Auch um LA 269 ist es nach 2018 wieder ruhiger geworden.

Noch 2019 entwarnte der NDB

Dass der NDB die Organisation heute als staatsgefährdend einstuft, überrascht noch aus einem weiteren Grund. Zwar erwähnte der NDB «269 Libération Animale» schon im Mai 2019 in seinem jährlichen Lagebericht. Damals wertete er ihre Aktivitäten aber noch als «zivilen Ungehorsam» – und dies notabene nach den Aktionen in der Romandie und in Oensingen. Die Aktivitäten von 269 LA würden «nicht ansatzweise eine ähnliche kriminelle Energie wie vor Jahren in der Kampagne «Stop Huntingdon Animal Cruelty» erreichen, schrieb der NDB damals.

Auch der Bundesrat selber relativierte die Gefahr des Tierrechtsextremismus noch im Mai 2019. Nach einer zwischenzeitlichen Welle im Jahre 2018 hätten gewaltsame Aktionen wieder abgenommen, schrieb er damals in einer Interpellationsantwort. Und auch bei den Protestaktionen in Schlachthöfen seien «bisher keine Gefahren für Personen festgestellt worden», beruhigte der Bundesrat.

Warum der NDB und der Bundesrat 269 LA nun nur ein Jahr später als Gefahr für die innere und äussere Sicherheit der Schweiz betrachten, ist unklar.

Auch Parlamentarier wundern sich. Meret Schneider, Nationalrätin (Grüne) und Aktivistin für Tierrechte, kennt die Organisation 269 LA. Sie habe Missstände auf Schlachthöfen publik gemacht. Dabei komme es schon auch zu Sachbeschädigungen. Aber von Gewalt gegen Menschen oder Lebewesen distanziere sich die Gruppe klar, so Schneider. «Dass der Nachrichtendienst diese Gruppe überwacht, scheint mir daher sehr fragwürdig. Das ist mit Kanonen auf Spatzen geschossen», sagt Schneider. Sie werde dem Bundesrat Fragen stellen. «Das ruft nach einer Erklärung.»

Jacqueline de Quattro, FDP-Nationalrätin und ehemalige Sicherheitsdirektorin des Kantons Waadt, verteidigt das Vorgehen des NDB. «Es gibt aktuell die Gefahr, dass gewaltbereite Personen die Tierrechts-Organisationen infiltrieren und sie radikalisieren oder Gewalttaten verüben.» Solange der Nachrichtendienst bei der Überwachung dieser Personen den Rahmen des Gesetzes einhalte, sei dagegen nichts einzuwenden.
(https://www.derbund.ch/der-geheimdienst-ueberwacht-jetzt-auch-tierschuetzer-420597690240)


+++POLIZEI LU
Siro Burkard baut Brücken zwischen der Luzerner Polizei und der ausländischen Bevölkerung
Die Luzerner Polizei hat vor einem Monat die neue Stelle des Brückenbauers geschaffen. Und den Verantwortlichen heute vorgestellt: Siro Burkard will der ausländisch stämmigen Bevölkerung einen einfachen Zugang zur Polizei bieten.
https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/luzern/siro-burkard-baut-bruecken-zwischen-der-luzerner-polizei-und-der-auslaendischen-bevoelkerung-ld.2070475


+++POLICE FR
Neues Sicherheitsgesetz in Frankreich: Macron will nicht als Rassist rüberkommen
Nach heftigen Protesten kündigt die Regierung an, ihr äusserst umstrittenes Sicherheitsgesetz neu zu schreiben. Der Präsident will den Eindruck vermeiden, dass rassistische Polizeigewalt für ihn kein grosses Thema ist.
https://www.derbund.ch/macron-will-nicht-als-rassist-rueberkommen-825662986582


Frankreichs Innenminister und das umstrittene Sicherheitsgesetz – Echo der Zeit
Nachdem auf Bildern gezeigt wurde, wie brutal Frankreichs Polizei bei Einsätzen vorgeht, will die Regierung das Sicherheitsgesetz neu schreiben. Im Zentrum des Konflikts steht Innenminister Gérald Darmanin, der gestern Abend der Rechtskommission der Nationalversammlung Red und Antwort stehen musste.
https://www.srf.ch/play/radio/echo-der-zeit/audio/frankreichs-innenminister-und-das-umstrittene-sicherheitsgesetz?id=5aeb49a1-65cd-45bf-b3e1-8b97c08dd78f


Pressefreiheit in Frankreich: Wie Frankreich seine Polizei vor dem Auge der demokratischen Öffentlichkeit schützen will
Frankreichs Regierung baut die Befugnisse der Polizei aus. Besonders umstritten ist ein Videoverbot von Polizeieinsätzen, das zuletzt Zehntausende auf die Straßen trieb und nun politisch wackelt. Im „Globalen Sicherheitsgesetz“ stecken aber noch weitere Verschärfungen.
https://netzpolitik.org/2020/pressefreiheit-in-frankreich-wie-frankreich-seine-polizei-vor-dem-auge-der-demokratischen-oeffentlichkeit-schuetzen-will/


Polizeigewalt in Frankreich – Gespräch mit Valentin Gendrot
Sechs Monate lang war Valentin Gendrot undercover bei der Polizei im härtesten Pariser Arrondissement. In seinem Buch „Bulle“ berichtet der Journalist von Rassismus, Gewalt und Überforderung. Wir sprechen mit ihm über Polizeigewalt und den Protest gegen das geplante Sicherheitsgesetz, das die Veröffentlichung von Aufnahmen von Beamten im Einsatz unter Strafe stellen soll.
https://www.3sat.de/kultur/kulturzeit/freankreich-polizei-pressefreiheit-gespraech-mit-valentin-gendrot-100.html


+++RECHTSEXTREMISMUS
Rechtsextreme Gruppierung Innenministerium löst „Sturmbrigade 44“ auf
Das Innenministerium hat die rechtsextremistische Gruppierung „Sturmbrigade 44“ aufgelöst. Zuvor gab es gegen 13 Gruppenmitglieder Razzien in drei Bundesländern.
https://www.tagesschau.de/inland/sturmbrigade-44-aufloesung-101.html
-> https://www.belltower.news/durchsuchungen-bei-neonazis-in-vier-bundeslaendern-wer-ist-die-wolfsbrigade-und-die-sturmbrigade-88695/
-> https://www.derstandard.at/story/2000122130522/neonazi-gruppe-sturmbrigade-44-in-deutschland-verboten?ref=rss
-> https://www.jungewelt.de/artikel/391664.razzien-gegen-wolfsbrigade-44-verbot-gerichtsfest.html


Die „Grauen Wölfe“: Türkische Rechtsextremisten
Der Verfassungsschutz schätzt sie als „rechtsextrem“ ein, die Politik will sie verbieten: Die ultranationalistische Bewegung der „Grauen Wölfe“. Sie stammt aus der Türkei. Dort ist sie die heimliche Macht im Land und politischer Königsmacher. Aus Istanbul informiert Marion Sendker.
https://de.qantara.de/inhalt/die-grauen-woelfe-tuerkische-rechtsextremisten


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Coronavirus: SRF rechtfertigt Auftritt von Maskenverweigerin
«10vor10» begleitet eine Maskengegnerin. Es folgt ein Shitstorm gegenüber SRF. Dieses rechtfertigt sich: Man habe auch kritisch gefragt.
https://www.nau.ch/news/schweiz/coronavirus-srf-rechtfertigt-auftritt-von-maskenverweigerin-65828654
-> https://www.blick.ch/schweiz/kritik-an-srf-sendung-10vor10-diese-maskengegnerin-macht-die-schweiz-wuetend-id16223311.html
-> 10vor10: https://www.srf.ch/play/tv/10vor10/video/fokus-corona-bussen—braucht-es-die?urn=urn:srf:video:24870e51-fe99-45ed-ae9a-f619bf3caf3f


Komiker Marco Rima (59) befürchtet einen Corona-Impfzwang durch die Hintertür: «Darum werde ich mich nicht impfen lassen»
Er nimmt kein Blatt vor den Mund: Marco Rima (59) steht der Corona-Impfung kritisch gegenüber. Er fürchtet, dass es durch die Hintertür doch zu einem Impfzwang kommt.
https://www.blick.ch/people-tv/komiker-marco-rima-59-befuerchtet-einen-corona-impfzwang-durch-die-hintertuer-darum-werde-ich-mich-nicht-impfen-lassen-id16222592.html


Corona-Leugner vergleichen Lockdown mit Ausgehverbot für Juden 1938
Geschmackloser Vergleich macht die Runde in sozialen Netzwerken – „Querdenker“ vergleichen sich oftmals mit Opfern im Dritten Reich
https://www.derstandard.at/story/2000122101184/corona-leugner-vergleichen-lockdown-mit-ausgehverbot-fuer-juden-1938?ref=rss


Corona-Demos: Mit weiterer Gewalt ist zu rechnen
In den vergangenen Monaten kam es bei Protesten gegen Corona-Maßnahmen zu vielen Gewalttaten. Verfassungsschutz und BKA warnen vor Extremismus.
https://www.zeit.de/politik/deutschland/2020-12/corona-demos-extremismus-verfassungsschutz-bka-rki-brandanschlag-sprengstoffanschlag


Beschimpft und bedroht: Corona-Leugner schikanieren Gesetzesvertreter
Corona-Leugner nehmen gezielt Vertreter des Staates ins Visier. Beamtinnen und Beamte werden beleidigt und oft sogar bedroht.
https://www.swr.de/report/beschimpft-und-bedroht-corona-leugner-schikanieren-gesetzesvertreter/-/id=233454/did=25383054/nid=233454/14sou3z/index.html


+++HISTORY
Schweizer Frauenstimmrecht: «Es war der reine Unwille»
Vor knapp 50 Jahren hat die Schweiz als eines der letzten Länder das Frauenstimmrecht eingeführt. Frauen galten davor als «Staatsbürgerinnen ohne Stimmrecht». Die Historikerin Prof. Dr. Caroline Arni von der Universität Basel hat an einer Publikation zum Thema mitgearbeitet.
https://www.unibas.ch/de/Aktuell/News/Uni-Research/Schweizer-Frauenstimmrecht-Es-war-der-reine-Unwille.html?pk_campaign=UN_20201201_Langzeitgedaechtnis


Rechte Gewalt: Die Baseballschlägerjahre
In den Nachwendejahren brachen besonders in Ostdeutschland Hass, Rassismus und Gewalt aus. In unserer Serie erzählen wir sechs Geschichten, die bis heute nachwirken.
https://www.zeit.de/video/2020-12/rechte-gewalt-ostdeutschland-neonazis-baseballschlaegerjahre