Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel
+++ZÜRICH
Asylsuchende setzen sich für ein sauberes Dietikon ein – allerdings für weit unter normalen Löhnen
Von den Programmen Sauberes Dietikon und Travo sollen die Teilnehmenden und die Bevölkerung profitieren.
https://www.limmattalerzeitung.ch/limmattal/region-limmattal/asylsuchende-setzen-sich-fuer-ein-sauberes-dietikon-ein-allerdings-fuer-weit-unter-normalen-loehnen-139940720
+++ATLANTIK
Kanarische Inseln: Spanien will Notlager für 7.000 Migranten errichten
Mit Notlagern und Mitteln für Seenotrettung und Grenzschutz will Spanien
gegen die Migrationskrise auf den Kanaren vorgehen. Die Menschen sollen
zurückgeführt werden.
https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-11/kanarische-inseln-spanien-notlager-migranten-flucht-europa
+++SEXWORK
Kein Verbot für Freier wie in Schweden: Bundesrat will Sexkauf nicht verbieten
EVP-Nationalrätin Marianne Streiff wollte, dass Sex mit Prostituierten
in der Schweiz unter Strafe gestellt wird – nach dem Vorbild von
Schweden. Der Bundesrat aber will davon nichts wissen.
https://www.blick.ch/politik/kein-verbot-fuer-freier-wie-in-schweden-bundesrat-will-sexkauf-nicht-verbieten-id16207108.html
+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Linke gegen Corona-Leugner: Keine Zwischenfälle an Demo-Samstag
Rund 100 Personen demonstrierten in Bern gegen den Aufmarsch
Rechtsextremer an Corona-Mahnwachen. Die Stadtregierung zeigte sich
darüber nicht erfreut.
https://www.derbund.ch/keine-zwischenfaelle-an-demo-samstag-835040434363
-> https://www.bernerzeitung.ch/an-diesem-berner-demo-samstag-droht-ein-brenzliges-aufeinandertreffen-340499187891
-> https://www.derbund.ch/ticker-corona-kanton-bern-594319178143
-> https://www.bern.ch/mediencenter/medienmitteilungen/aktuell_ptk/ansammlungen-meiden-maske-tragen-abstand-halten
-> https://www.telebaern.tv/telebaern-news/antifa-vs-coronaskeptiker-zwei-unbewilligte-demonstrationen-in-bern-139951415
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/aufeinandertreffen-von-linken-und-corona-skeptiker-in-bern-65823428
-> https://twitter.com/Megafon_RS_Bern/status/1330172295315329029
-> https://twitter.com/ag_bern
-> https://twitter.com/edi_schwarz
-> Demo-Aufruf: https://barrikade.info/article/4017
—
bernerzeitung.ch 21.11.2020
Corona-Skeptiker und die Antifa: Die Chronik zweier Samstags-Demonstrationen
Der Umzug der Linksautonomen zog am Samstag an einer Handvoll Corona-Skeptikern auf dem Bundesplatz vorbei.
Cedric Fröhlich
Seit Wochen steht ein seltsamer Mix vor dem Bundeshaus. Immer
samstags. Nachdem die Marktfahrer ihr Gemüse, das Obst und die leeren
Kisten in ihre Lieferwagen gepackt haben und von dannen gezogen sind.
Dann kommen sie, die Skeptiker. Es sind Gegnerinnen und Gegner der
bundesrätlichen Corona-Massnahmen. Besorgte Bürgerinnen und Bürger.
Aber auch Verschwörungstheoretiker, und ja, manche von ihnen sind
aufgebracht (sehr sogar).
Unschön an der Sache ist einiges. Zum Beispiel, dass sich viele
weigern, eine Maske zu tragen. Oder dass einige doch recht heftigen
Verschwörungsunsinn von sich geben. Am bedenklichsten aber ist die
Tatsache, dass sie wiederholt Personen aus der rechtsradikalen Szene
Anschluss an ihren Protest gewährt hatten.
Bescheidener «Widerstand»
Auch vor diesem Samstag kursierten wieder Kundgebungsaufrufe in den
Kreisen des selbst ernannten «Widerstands». Gekommen sind letztlich
rund ein Dutzend Personen. Vielleicht hat der bescheidene Aufmarsch
damit zu tun, dass eine ähnliche Veranstaltung im Kanton Schwyz,
genauer in Lachen, Teile des Berner «Widerstands» angezogen hat.
Vielleicht auch nicht.
Rechtsradikale scheinen heute keine dabei zu sein, zumindest reckt
niemand die Hand zu einem hässlichen Gruss, läuft keiner in der
hinlänglich bekannten Mode herum. Einige Polizeibeamte nehmen die
Personalien auf und verweisen die kleine Gruppe vom Bundesplatz.
Der Grossteil des beachtlichen Aufgebots der Staatsmacht bleibt
abseits. Männer hinter Schildern, unter Helmen, in Uniformen, die das
gleiche Blau haben wie der Wasserwerfer, der kurzzeitig durch die
Altstadt fährt. Sie alle halten sich zurück. Oder in den Worten eines
Beamten, der in sein Funkgerät spricht: «Laufen lassen! Einfach laufen
lassen.»
Seine Worte gelten zu diesem Zeitpunkt wohl einem Kollegen an einem
anderen Schauplatz. Denn während unter den Lauben der Altstadt
Hochbetrieb herrscht, liegt Anspannung in der Luft. Die ist auf die
Gemengelage zurückzuführen, die an diesem Samstag eine spezielle ist.
Da sind die Massen: flanierende Menschen, volle Beizen, gut besuchte
Läden. Gleich nebenan die Corona-Besorgten. Und für 14 Uhr hat sich die
linksautonome Szene angekündigt.
Antifaschistischer Spaziergang
«Bern bleibt nazifrei», lautet deren Slogan an diesem Tag. Es ist eine
Solidaritätskundgebung für einige Basler Mitstreiterinnen und
Mitstreiter. Die waren vor zwei Jahren in ihrer Stadt in grosser Zahl –
laut eigenen Angaben mit an die 2000 Leuten – auf der Strasse. Es gab
Festnahmen, Strafbefehle und Verurteilungen.
Zugleich richtet sich diese Demo auch gegen die Exponenten der rechten
Szene, die sich in Bern hatten blicken lassen. Und damit auch gegen
die Corona-Skeptiker.
Der Demonstrationszug versammelt sich um 14 Uhr auf dem Bahnhofplatz.
Dann setzt er sich in Bewegung. Es geht die Spitalgasse hinunter,
vorbei an all den Menschen mit Einkaufstaschen und an Glühweinständen.
Antifaschistische Parolen und antikapitalistische Rufe hallen durch
die Gassen. Etwa zehn Minuten später kommen die rund 100
Demonstrantinnen und Demonstranten beim Zytglogge an – im Schlepptau:
ein Kastenwagen, der 12er-Bus und zwei Trams.
Im Demo-Zug sind alle vermummt. Einige im Stil der Klassenkämpfer des
21. Jahrhunderts – aber sie sind in der Unterzahl. Der Rest hat fast
ausnahmslos die vom Staat empfohlene (ja, angeordnete) Variante
gewählt: die Einwegmaske.
Bislang alles friedlich
Über den Kornhaus- geht es zum Waisenhausplatz, der ÖV rollt wieder.
Dann via Bärenplatz zum Bundesplatz. Vorbei an den Corona-Skeptikern
vor dem Café Fédéral. Die Sache bleibt friedlich – einzig die
bereitstehenden Beamten in Vollmontur müssen sich Animositäten anhören.
Aber auch hier nur von einer Minderheit.
Um 15 Uhr ist dieser Demo-Samstag in Bern dann auch wieder vorbei. Der
«Corona-Widerstand» ist abgezogen und der antifaschistische
Spaziergang mittlerweile auf der Schützenmatte angelangt. Im Vorfeld
hatten einige ihre Bedenken: zwei unbewilligte Demos, die Polizei, die
Masse unter den Berner Lauben. Am frühen Abend dann das vorläufige und
gegenteilige Fazit: alles halb so wild. Alles friedlich.
(https://www.bernerzeitung.ch/die-chronik-zweier-samstags-demonstrationen-200217425928)
—
(@basel@nazifrei)
#Aktenleak Videos aus den Ermittlungsakten gegen #baselnazifrei wurden
uns zugesendet. Diese Videos verdeutlichen nochmals, dass die Polizei
mit Gummischrot in die Menge schoss (und dabei Menschen ernsthaft
verletzte) um den Neonazis einen ungestörten Abzug zu ermöglichen.
https://twitter.com/i/status/1329797406909734913
—
(FB Basel Nazifrei)
Aktenleak: Gummischrot gegen #baselnazifrei
Videos aus den Ermittlungsakten gegen #baselnazifrei wurden uns
zugesendet. Diese Videos verdeutlichen nochmals, dass die Polizei mit
Gummischrot in die Menge schoss (und dabei Menschen ernsthaft verletzte)
um den Neonazis einen ungestörten Abzug zu ermöglichen.
Damals wurde eine Person vom Gummi schwer am Auge verletzt, mit
bleibenden Schäden. Sie wird dennoch vor Gericht gezerrt, wo ihr der
Prozess wegen der Teilnahme an der Demo gemacht wird. Der Prozess ist am
kommenden Monntag 23.11.2020. Kommt um 07:30Uhr vor das Strafgericht um
den Angeklagten zu unterstützen!
Unsere Solidarität gegen ihre Repression!
https://fb.watch/1UIIpEANHX/
+++KNAST
Thun: Mann leblos in Zelle aufgefunden
Am Freitagmorgen ist in einer Zelle im Regionalgefängnis Thun ein
Insasse leblos aufgefunden worden. Die Todesursache wird untersucht. Ein
medizinisches Problem steht im Vordergrund der laufenden Ermittlungen.
https://www.police.be.ch/de/start/themen/news/medienmitteilungen.html?newsID=6cd343c6-350a-4c9f-9d64-e612abeaa60a
-> https://www.derbund.ch/57-jaehriger-tot-in-zelle-gefunden-493964921062
-> https://www.bernerzeitung.ch/57-jaehriger-schweizer-stirbt-in-gefaengniszelle-in-thun-175155616923
-> https://www.jungfrauzeitung.ch/artikel/186298/
-> https://www.neo1.ch/news/news/newsansicht/datum/2020/11/21/thun-mann-leblos-in-zelle-aufgefunden.html
+++POLICE BE
derbund.ch 21.11.2020
Gestiegene Terrorgefahr: Berner Kantonspolizei rüstet ihren Geheimdienst auf
Der Bund bezahlt dem Kanton Bern zehn neue Staatsschutz-Stellen Sie
dürften zur Überwachung der islamistischen Szene eingesetzt werden.
Adrian Hopf-Sulc
Wer beim Schweizer Geheimdienst arbeitet, kennt sich nicht unbedingt mit
Waffen, Beschattungen und Verfolgungsjagden aus. Viele Angestellte des
Nachrichtendienstes des Bundes (NDB) arbeiten im Büro, am Hauptsitz des
Dienstes in der Berner Papiermühlestrasse. Die Feldarbeit delegieren die
Geheimdienstler gerne an ihre Kollegen in den Kantonen.
So auch an die Angehörigen des kantonalen Nachrichtendienstes Bern. Sie
bilden den «Fachbereich Staatsschutz» der Kantonspolizei – und erhalten
nun Verstärkung. Das ist dem Budget 2021 des Kantons Bern zu entnehmen,
über das der Grosse Rat kommende Woche berät.
Gegen die Aufstockung bei den Berner Schlapphüten wird es im Rat kaum
Opposition geben. Denn sie ist kostenneutral. Gemäss dem Voranschlag
2021 kauft der Nachrichtendienst des Bundes beim Kanton Leistungen im
Umfang von zehn Vollzeitstellen ein.
Drei der neuen Stellen werden direkt beim Staatsschutz angesiedelt, wie
die kantonale Sicherheitsdirektion auf Anfrage bekannt gibt. Damit wird
die Abteilung künftig 18 Vollzeitstellen zählen. Bei den restlichen
sieben neuen Stellen handle es sich um den «Einkauf von zusätzlichen
polizeilichen Observationsleistungen durch den Bund».
Eine Million Franken mehr
Bereits dieses Jahr hat der NDB seinen jährlichen Beitrag um 300’000
Franken auf 1,75 Millionen Franken erhöht. Mit diesem Betrag finanziert
der Bund die künftig 18-köpfige Staatsschutzabteilung bei der
Kantonspolizei praktisch vollständig. Für die sieben neuen
Observationsstellen fliesst nun zusätzlich eine Million Franken pro Jahr
an den Kanton. Auch andere Kantone kommen neu in den Genuss solcher
Beiträge.
Die Berner Kantonspolizei verfügt bereits über eine Abteilung für
Observationen. «Es handelt sich dabei um ein Dezernat, welches innerhalb
der Kriminalpolizei in einer der vier Spezialfahndungen angesiedelt
ist», schreibt die Medienstelle der Polizei auf Anfrage. Wie viele
Personen dort beschäftigt sind, bleibt «aus polizeitaktischen Gründen»
geheim. Es handle sich «grossmehrheitlich um Mitarbeitende mit
Polizeistatus und mehrjähriger Berufserfahrung».
Und wer oder was soll künftig observiert werden? Darüber schweigt sich
die Sicherheitsdirektion aus. NDB-Sprecherin Isabelle Graber verweist
lediglich auf die gesetzlichen Aufgaben des Nachrichtendienstes,
darunter die Früherkennung und Bekämpfung von Terrorismus und von
gewalttätigem Extremismus.
Den einzigen konkreten Hinweis liefert das kantonale Budget 2021: Die
vom NDB eingekauften Leistungen befänden sich «im Bereich Antiterror».
Das erstaunt Reto Müller, Lehrbeauftragter für Sicherheits- und
Polizeirecht an der Universität Basel, nicht: In den letzten Jahren habe
der Nachrichtendienst seine Einschätzung der Sicherheitslage in der
Schweiz geändert. «Lange standen hier eher die Terrorismusfinanzierung
und logistische Aktivitäten von Islamisten im Vordergrund.» Inzwischen
schliesse der NDB jihadistisch motivierte Terroranschläge in der Schweiz
nicht mehr aus.
Besonders die Jihad-Rückkehrer, die etwa in Syrien für den sogenannten
Islamischen Staat (IS) gekämpft hatten, würden als problematisch
eingestuft, sagt Sicherheitsexperte Müller. Und: «Die Überwachung
solcher Personen ist sehr personalintensiv.» Für die
Rund-um-die-Uhr-Überwachung einer Person benötigten die Behörden bis zu
20 Beteiligte.
Bieler Jihad-Hotspot
Mit den islamistischen Kreisen in Biel verfüge der Kanton Bern über
einen «radikalen Hotspot», schrieb der Szenekenner und Tamedia-Reporter
Kurt Pelda Anfang Monat in der «SonntagsZeitung». Bekannt ist, dass der
Bieler Prediger Abu Ramadan die Aufmerksamkeit des NDB auf sich gezogen
hatte. Zudem standen junge Männer aus der Region Biel in Kontakt mit dem
mutmasslichen Deutschlandchef des IS. Weiter ist wohl auch die Zentrale
des Islamischen Zentralrats in Bümpliz auf dem Radar des
Geheimdienstes.
Das 2016 vom Stimmvolk angenommene neue Nachrichtendienstgesetz gibt dem
NDB neue Möglichkeiten im Bereich der Telefon- und Datenüberwachung.
Die entsprechenden Abhöraktionen finden zentral beim nationalen
Nachrichtendienst statt. Dort wird der Stellenbestand in den nächsten
Jahren um 100 auf über 400 Stellen erhöht.
Die kantonalen Geheimdienst-Ableger hingegen erledigen Rechercheaufträge
für den NDB. Dafür können sie die Datenbanken von Kantonspolizei und
Kantonsverwaltung durchforsten. Die Schnittstelle zu den Kantonen sei
für den Nachrichtendienst durchaus wichtig, sagt Jurist Reto Müller: Die
dortigen Beamten könnten die Verhältnisse vor Ort besser einschätzen
und den Austausch mit lokalen Behörden wie etwa Migrationsämtern
intensiver pflegen.
(https://www.derbund.ch/berner-kantonspolizei-ruestet-ihren-geheimdienst-auf-282299705300)
+++POLIZEI SO
Ist die Abstimmung über das Polizeigesetz ungültig?: Stimmrechts-beschwerde wurde eingereicht
Polizeidirektorin Susanne Schaffner sieht sich mit einer Stimmrechtsbeschwerde konfrontiert.
https://www.solothurnerzeitung.ch/solothurn/kanton-solothurn/ist-die-abstimmung-ueber-das-polizeigesetz-ungueltig-stimmrechts-beschwerde-wurde-eingereicht-139941883
+++POLICE FR
Fotos von Polizisten verboten! Proteste gegen Sicherheitsgesetz in Frankreich
Seit Wochen gibt es Kritik am Artikel 24 des geplanten „globalen
Sicherheitsgesetzes“, der die Polizei in Frankreich schützen soll. Am
Samstag haben in Paris, Lille und Montpellier mehrere tausend Menschen
gegen das umstrittene Gesetz demonstriert, das künftig eine Strafe dafür
vorsieht, Bilder von Polizisten zu zeigen und zu verbreiten.
Journalistenverbände und Bürgerrechtsorganisationen befürchten
Einschränkungen für die Pressefreiheit.
https://de.euronews.com/2020/11/21/fotos-von-polizisten-verboten-proteste-gegen-sicherheitsgesetz-in-frankreich
+++RASSISMUS
Der Anwalt, der Rassismusopfern hilft
Blaise Francis El Mourabit hat schon VW-Manager verteidigt. Doch nach
Feierabend widmet der Anwalt sich einer anderen Mission: Er vertritt
Betroffene von Rassismus.
https://www.sueddeutsche.de/meinung/profil-der-anwalt-der-rassismusopfern-hilft-1.5120581
+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Bündner Jurist stellt Skeptikern wertloses Attest aus: Mit diesem Zettel die Maske loswerden? Geht nicht!
Der Bündner Jurist Heinz Raschein stellt ein Attest aus, das von der
Maskenpflicht befreien soll. Ein wertloses -Papier, sagt eine
Rechtsprofessorin.
https://www.blick.ch/politik/buendner-jurist-stellt-skeptikern-wertloses-attest-aus-mit-diesem-zettel-die-maske-loswerden-geht-nicht-id16206415.html
Der Corona-Film ist ein Hit – so richtig wohl ist dem Regisseur dabei aber nicht
Der Film «Unerhört» wurde in drei Wochen über 400’000 Mal angesehen. Weitere Aufführungen finden nicht statt.
https://www.watson.ch/!560433913
LACHEN:
1000 Personen an Anti-Corona-Demo in Lachen mehrheitlich ohne Maske – Polizei greift nicht ein
Am Samstag hat in Lachen eine Corona-Demo stattgefunden. Der Veranstalter muss mit einer Anzeige rechnen.
https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/schwyz/1000-personen-ohne-schutzmasken-an-corona-demo-in-lachen-polizei-greift-nicht-ein-ld.2066716
-> https://www.telezueri.ch/zuerinews/coronademo-in-lachen-139952038
-> https://www.tele1.ch/nachrichten/coronademo-in-lachen-139952334
„#Coronakundgebung in Lachen/Kanton Schwyz. Es versammelten sich etwa
400 Personen trotz #Maskenpflicht ohne #MNS. Ein Poizist sagte auf
Nachfrage nach einer Durchsetzung der Maskenpflicht: „Was sollen wir
machen ? Alle verhaften ?“ Die Polizei war sowieso nur mit vier P. vor
Ort
Es kam auch bei dieser Veranstaltung, wie leider bei Coronaprotesten in
der #Schweiz üblich, zu #Holocaustrelativierungen. Es zeigt einmal mehr
wie wichtig Holocaustrelativierungen und antisemitische Narrative in der
Szene sind. Mehr dazu später.“
(https://twitter.com/__investigate__/status/1330196738024599553)
SCHAFFHAUSEN:
«Die schwarze Wahrheit»: Corona-Proteste in der Schaffhauser Altstadt
In Schaffhausen kam es am Samstag zu einem Protest gegen die
Corona-Bestimmungen des Bundes. Der Protest wurde Live auf Facebook
übertragen und dauerte ungefähr eineinhalb Stunden. Unter dem Motto «Die
schwarze Wahrheit» waren mehrere in weisse Schutzanzüge gekleidete
Personen dabei, die über den Kirchhofplatz in Richtung Fronwagplatz
zogen. Laut dem Video sei der Marsch bewilligt worden. Die Schaffhauser
Stadtpolizei begleitete die Vermummten auf ihrem Weg. «Es gab einige
Kompromisse», heisst es im Video von einer Frau, die von sich selbst
sagt, sie halte den Zug «fest für die neuen Medien». Gestreamt wurde er
auf der Corona-Leugner-Plattform ProtestMedia, welche hauptsächlich
Live-Videos von Corona-Demonstrationen veröffentlicht.
https://www.shn.ch/region/stadt/2020-11-21/corona-proteste-in-der-schaffhauser-altstadt
-> https://www.toponline.ch/news/schaffhausen/detail/news/corona-demo-in-der-schaffhauser-altstadt-00145437/
LEIPZIG:
„Querdenker“-Protest in Leipzig: Ohne gültiges Attest
Für einen erneuten „Querdenker“-Aufmarsch fand sich am Samstag kein
Anmelder, dafür gingen mehr als tausend Gegendemonstranten auf die
Straße.
https://taz.de/Querdenker-Protest-in-Leipzig/!5730298/
-> https://www.spiegel.de/politik/deutschland/leipzig-akzeptiert-maskenbefreiungs-attest-von-demo-veranstalter-nicht-a-8c154b9a-ebdf-498a-8ee7-14a2bde0735b
-> https://www.stern.de/panorama/weltgeschehen/leipzig–gegner-der-coronavirus-politik-demnstrieren—-katz-und-maus-spiel–9500574.html
-> https://www.zdf.de/nachrichten/politik/corona-demo-leipzig-100.html
-> https://www.mdr.de/sachsen/leipzig/leipzig-leipzig-land/ticker-corona-demos-querdenken-100.html
-> https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2020-11/querdenken-demo-leipzig-corona-verbot-polizei
-> https://www.spiegel.de/politik/deutschland/keine-zweite-chaosnacht-in-leipzig-a-609b57c2-29dc-4b3f-905c-adc8d0cb9a65?utm_source=dlvr.it&utm_medium=%5Bfacebook%5D&utm_campaign=%5Bspontop%5D#ref=rss
Linke über „Querdenken“-Demo in Leipzig: „Keine Konsequenzen erkennbar“
Am Samstag demonstrieren schon wieder selbsternannte „Querdenker“ in
Leipzig. Haben die Behörden versagt? Ja, meint Kerstin Köditz,
Linken-Abgeordnete in Sachsen.
https://taz.de/Linke-ueber-Querdenken-Demo-in-Leipzig/!5730210/
-> https://www.stern.de/panorama/weltgeschehen/leipziger-polizei-bereitet-sich-auf-corona-demo-vor—sehr-ungewiss–was-kommt–9500392.html
-> https://www.tagesspiegel.de/politik/tausende-teilnehmer-erwartet-polizei-bei-corona-demos-in-leipzig-im-grosseinsatz/26646226.html
-> RT: https://youtu.be/UDm4J1cpvwk
BERLIN 18.11.2020:
-> https://www.berliner-zeitung.de/news/corona-demo-berliner-polizei-mit-klavier-angegriffen-li.120497
-> Stern TV: https://youtu.be/ceAHc6xDsH4
-> https://taz.de/Demo-gegen-Infektionsschutzgesetz/!5727685/
+++HISTORY
Wenn das Private politisch ist: «Ich zahle Steuern, aber heiraten darf ich nicht»
Der Berner Daniel Frey kämpft seit 30 Jahren denselben Kampf: Er setzt
sich für Rechtsgleichheit und Akzeptanz queerer Menschen ein.
https://www.bernerzeitung.ch/ich-zahle-steuern-aber-heiraten-darf-ich-nicht-381691055529
—
tagesanzeiger.ch 21.11.2020
Erinnerungen an Platzspitz und Letten: Der Chronist aus dem tiefsten Kreis der Hölle
Jahrelang hat der Arzt André Seidenberg für eine liberale Drogenpolitik
gekämpft. Die Protagonisten seiner Autobiografie erlebten, was in der
Schweiz niemand für möglich gehalten hätte.
Sandro Benini
Auf einem der Holzbänke beim Rondell am Zürcher Bellevue ist sein
Grossvater Moses gestorben. Es ist der 28. Dezember 1968, eine kalte
Nacht, André Seidenberg hat LSD genommen, sieht seinen Grossvater da
sitzen und spricht ihn an. «Geh weg, ich will sterben», ist dessen
Antwort.
52 Jahre später steht Seidenberg an einem trüben Novembernachmittag an
genau dieser Stelle, mit Winterjacke, Schal und grauer Schirmmütze, der
Blick hinter der dunkelrandigen Brille ist blau und lebhaft.
Er sagt, er denke jedes Mal an ihn, wenn er hier vorbeigehe: Moses
Seidenberg, Ukrainer, geflohen aus der zaristischen Armee und vor dem
russisch-japanischen Krieg, nach einem unendlichen Fussmarsch durch
China und Russland in die Schweiz gelangt. «Er ist einer von den vielen
Menschen, die mir nahestanden und die gestorben sind. Die Stadt ist voll
von ihnen.»
Über die Verstorbenen, die Davongekommenen und über sein Leben hat André
Seidenberg ein Buch geschrieben. Es trägt den Titel «Das blutige Auge
des Platzspitzhirschs». Jedes Kapitel ist einer Figur gewidmet, vom
Grossvater handelt eines der ersten.
Sie sollen «verräbeln»
Die Porträts verbindet Seidenberg zu einem grossen Panorama, sich an
andere erinnernd erzählt er seine eigene Biografie und ein halbes
Jahrhundert Zeitgeschichte: 68er, Globuskrawalle, die kiffenden Hippies
an den Ufern der Limmat, Züri brännt in den frühen 80ern, das AJZ. Und
der tiefste Kreis der Hölle, die sich am Platzspitz und später am
Bahnhof Letten aufgetan hatte – bis zu 2000 Menschen in der grössten
offenen Drogenszene Europas. Laut Seidenberg ist sie entstanden, weil
die Polizei irgendwann beschlossen hatte, am Platzspitz den regulären
Ordnungsdienst einzustellen. «Die Süchtigen sollten dort ‹verräbeln›.»
Der junge Arzt Seidenberg leistete Nothilfe, wenn jemand wegen einer
Überdosis in Lebensgefahr geriet. Er hat eitrige Geschwüre und Abszesse
behandelt und Hefepilze, die am Gaumendach von HIV-Infizierten
klebten. Und er setzte sich dafür ein, Drogenabhängigen saubere
Spritzen, Heroin und Methadon abgeben zu dürfen. Er focht einen
medienwirksamen Kampf gegen den damaligen Kantonsarzt, der den Ärzten
mit dem Entzug ihrer Praxisbewilligung drohte, wenn sie Fixern saubere
Spritzen abgaben. Er stritt gegen die repressive Strategie bürgerlicher
Politiker. Und gegen Psychiater, die behaupteten, einzig das Ziel
einer völligen Abstinenz sei mit ärztlicher Ethik überhaupt vereinbar.
Der Platzspitz liegt an diesem Nachmittag herbstlich und nahezu
menschenleer da. «Abgesehen von den Gittern am Eingang hat sich fast
nichts verändert», sagt Seidenberg. Er deutet auf die Skulptur des
Hirsches, die ihn zum Titel seines Buches inspiriert hat. «Jemand hat
damals sein linkes Auge mit roter Farbe beschmiert. Es sah aus, als
würde es ausbluten.» Wenn man genau hinschaut, kann man noch Spuren der
Farbe erkennen.
Vielleicht sei es ein Versuch gewesen, den Platzspitz-Hirsch in ein
Mahnmal umzufunktionieren für die junge Frau, die ein Auge verlor, als
sie bei einer Demonstration in den frühen 80er-Jahren ein Gummigeschoss
der Polizei traf.
Die Skulptur erinnert auch an einen Protagonisten in Seidenbergs Buch,
einen Schulkollegen, der Hirsch hiess und am Auge ein Feuermal hatte.
Hirsch verfiel den Drogen. «Einmal habe ich gesehen, wie er vom
Universitätsspital halb nackt an den Platzspitz hetzte, mit hinten
offenem Nachthemd. Er zog einen Infusionsständer mit sich und hatte
eine Zigarette in der Hand.»
Verzweifelte Suche nach einer Vene
Mit etwas geistiger Verrenkung könnte man die bemalte Skulptur auch
als Symbol deuten: Der Hirsch stünde für die politische Freiheit, die
sich die Jugendbewegungen der späten 60er- und frühen 80er-Jahre
erträumt hatten. Oder für die private Befreiung von bürgerlicher
Spiessigkeit, die sie im Drogenrausch zu zelebrieren glaubten. Das
blutig auslaufende Auge stünde dann für die Konsequenzen.
André Seidenberg verströmt Heiterkeit, selbst wenn er vom Grauen
spricht. Da drüben, beim Denkmal für den Schweizer Komponisten und
Pianisten Wilhelm Baumgartner, habe jeweils ein Süchtiger gesessen, der
mit der Spritze in seiner Leiste herumgestochert habe, auf der
verzweifelten Suche nach einer Vene. Seidenberg setzt sich auf eine
Treppenstufe, lehnt nach hinten und ahmt die Bewegungen des Fixers
nach, der vor einem Vierteljahrhundert an derselben Stelle sass.
Weiter oben, am Letten unter der Kornhausbrücke, habe sich einmal
nachts eine Hochschwangere im Licht der Strassenlaternen einen Schuss
gesetzt. «Als ich sie fragte, ob ich etwas für sie tun könne, sagte sie:
‹Geh mir aus dem Licht.› Ob sie wohl die Geschichte von Diogenes
gekannt hat?Ȭ
Der Psychiater und Suchtexperte Marco Olgiati war zu jener Zeit
Oberarzt an der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich. Er hatte
Seidenberg während des Studiums kennen gelernt. In einem
Telefongespräch sagt er: «Wenn Seidenberg von etwas überzeugt war,
setzte er alles in Bewegung.» Er sei ein Pionier gewesen, er habe sich
dem Zeitgeist widersetzt.
Die kantonalen Richtlinien und die Vorgaben von Krankenkassen und IV
waren laut Olgiati zunächst derart streng, dass es jeweils Tage
dauerte, ehe jemand am Universitätsspital mit Methadon behandelt wurde.
«Als Seidenberg versuchsweise mit einer niederschwelligen Abgabe ohne
Vorbedingungen begann, bekamen die Süchtigen den Stoff oft noch am
selben Tag.» Olgiati sagt, er sei froh gewesen, dass jemand ausserhalb
des staatlichen Gesundheitsapparates derart vorpreschte. «André
Seidenberg hat dadurch viel Elend und viele Tote verhindert.»
Seidenberg und die anderen Ärzte, die mit ihm für Spritzenabgabe und
Methadonprogramm kämpften, haben recht bekommen. Doch damals sahen das
viele anders. In seinem Buch schildert Seidenberg, wie er im Tram in
das böse Gesicht eines Mannes blickt. «‹So, du Saujud, hast noch nicht
genug Geld mit deinem Heroin verdient›, giftete er laut und
überdeutlich. Dann spuckte er mir ziemlich gekonnt ins Gesicht.»
Die offene Drogenszene und Aids, sagt Seidenberg, «waren die grösste
gesellschaftspolitische Krise, die Zürich seit dem Ende des Zweiten
Weltkriegs heimgesucht hat.» Ein Prozent der Personen, die 1968 in der
Schweiz zur Welt kamen, sei heroinsüchtig geworden. «Ein Drittel ist an
den Folgen des Drogenkonsums gestorben, an Atemstillstand, Eitersepsis,
Hepatitis oder Aids», sagt Seidenberg.
Fühlt er sich als Bezwinger dieses Elends, als Retter? Er klingt nicht
triumphalistisch, aber wie jemand, der sich seiner Leistung sehr
bewusst ist, wenn er sagt: «Nicht ich als Person habe dieses Problem
gelöst. Aber die Massnahmen, die ich zusammen mit anderen Ärzten
vertreten und durchgesetzt habe, die schon.»
Josef Estermann, Zürichs Stadtpräsident von 1990 bis 2002, sagt im
Gespräch mit dieser Zeitung: «Seidenberg hat damals eine entscheidende
Rolle gespielt.» Dank seiner praktischen Erfahrung sei er eine Stimme
gewesen, die man in der ganzen Schweiz gehört habe. Er habe viele davon
überzeugt, dass es sinnlos ist, einen Heroinabhängigen zur Abstinenz
zu zwingen.
Wetteifern um Schmerz
Es gibt schöne Sätze in Seidenbergs Buch. Über eine Figur namens
Maribelle heisst es: «Kurzatmig wartete sie auf das Glück – oder
wenigstens ein bisschen davon.» Oder: «Die Sucht ist der Nebenbuhler,
den ein Paar nicht loswird.» Oder, über zwei süchtige Freundinnen: «Sie
wetteiferten um jeden Schmerz.» Als Seidenberg einmal einen
Selbstversuch mit einer Droge namens Ibogain unternimmt, erlebt er einen
Horrortrip: «Mein Kopf lag im weiblichen Schoss, der mich verschlang
wie eine Boa constrictor das Lamm.»
Bis zu seiner Pensionierung vor drei Jahren war Seidenberg
Allgemeinpraktiker. Auch nachdem es Mitte der 1990er-Jahre gelungen
war, die offene Drogenszene zu schliessen, habe er ein Drittel der
Arbeitszeit in seiner Praxis in Altstetten und später am Central für
die Behandlung von Drogensüchtigen aufgewendet. «Ich hätte selber so
enden können», sagt Seidenberg. «Das ist einer der Gründe, weshalb ich
mich für die Junkies einsetzte.»
Es gebe kaum eine Droge, die er in seiner Jugend nicht ausprobiert
habe. Wegen Drogen und seiner Aufmüpfigkeit sei er vom Gymnasium
geflogen. Später machte er die eidgenössische Matur. Zwei oder dreimal
sei er ernsthaft süchtig nach Speed gewesen, während seines
Medizinstudiums habe er ein paar Wochen lang das Aufputschmittel
exzessiv gebraucht, um sich auf Prüfungen vorzubereiten.
Warum ist André Seidenberg nicht selber zum Junkie geworden? «Mich hat
so vieles interessiert, dagegen waren Drogen dann doch zu wenig
spannend. Ich habe früh gesehen, was ein Absturz bedeutet. Und ich habe
Glück gehabt.» In Seidenbergs Buch steht der Satz: «Der Rausch ist
nicht die Freiheit, der Rausch zeigt uns Freiheit.»
Aus historischen Gründen setzen sich Juden laut Seidenberg oft an den
Rändern für soziale Gerechtigkeit ein. «Ich wollte den Leuten wirklich
helfen. Man sollte dafür kämpfen, dass niemand aus der Gesellschaft
herauskatapultiert wird und liegen bleibt.» Doch auf die Frage, ob er
ein Menschenfreund sei, bricht er in lautes Gelächter aus. Es sei auch
einfach spannend gewesen, aufreibend, intensiv. Ein Powergame, auch
politisch.
In seiner Autobiografie schreibt Seidenberg: «Jeden Tag sind mir
Menschen in existenziellen Situationen begegnet, jeden Tag! Was für ein
Geschenk! Du schaust deinem Gegenüber in die Augen und weisst, was es
heisst, zu leben, jeden Tag! Du schaust auf das pralle Leben, und du
darfst das nur, weil du deiner Rolle als Arzt immer und jederzeit
gerecht wirst!»
Seidenberg ist ein guter Beobachter und – wenn er nicht gerade vier
Ausrufezeichen hintereinandersetzt – ein sicherer Stilist. Die Namen
seiner Protagonisten hat er geändert, Einzelheiten ihrer Geschichten
sind genügend verfremdet, um ihre Identifikation zu verunmöglichen.
Von wenigen Ausnahmen abgesehen, überzeugen seine Porträts durch ihre
Prägnanz.
Etwa jenes von Florentine, fleissige Gymnasiastin von der Goldküste,
die der Tochter eines Gärtnermeisters befiehlt, Drogen zu beschaffen.
Oder der gutmütige Arzt, der allen Junkies jedes Medikament gibt, das
sie von ihm verlangen. Irgendwann ziehen zwei junge Fixerinnen bei ihm
ein und benehmen sich in seiner Praxis, als wären sie Arzthelferinnen.
Oder die zierliche Violette aus der französischen Schweiz: «Sie nahm
alles, was durch Nase, Venen oder irgendwie in ihren Körper gelangen
konnte, Lust zu jedem Preis, Schmerz war dabei noch das Geringste.»
Seidenberg schreibt viel von Elend, Siechtum und Tod, aber er tut es
dort, wo es nicht deplatziert wirkt, mit subtilem Humor. Und er ist als
Schreibender so selbstironisch wie im Gespräch. Keine Larmoyanz, kein
Schwelgen in nachtschwarzem Horror, sondern die gelassene Schilderung
einer grossen Tragi-comédie humaine.
Lungenarzt mit Zigarette
Neben Tragischem und Traurigem erzählt Seidenberg auch skurrile
Episoden. In den 60er-Jahren, als rauchen und atmen fast dasselbe war,
geht ein Lungenarzt mit brennender Zigarette auf Visite, legt den Arm
um die Schulter eines todkranken Patienten mit Lungenkrebs und sagt:
«Ja, so ist das Leben, die einen erwischt es.»
Oder die Aussprache, die Mitte der 80er-Jahre zwischen den beiden
rivalisierenden sozialdemokratischen Stadträtinnen Ursula Koch und
Emilie Lieberherr im Hotel Trümpy stattfindet. Lieberherr habe sich
dermassen über ihre Kollegin aufgeregt, dass sie nach dem Gespräch kurz
vor Mitternacht kollabiert sei. Notfalldienst hat in jener Nacht André
Seidenberg. Die Vorsteherin des Sozialdepartements will keinesfalls
ins Spital, um Aufsehen zu vermeiden. Sie legt sich in einem
Hotelzimmer hin, Seidenberg bleibt bei ihr, um sie zu überwachen.
Lieberherr ist damals eine drogenpolitische Hardlinerin. An Süchtige
Spritzen abzugeben, hält sie für falsch. «Ich packte die Gelegenheit
beim Schopf, und sie wollte alles ganz genau wissen. Sie liess sich
überzeugen und wollte mich etwas später als ärztlichen Berater des
Sozialamtes anstellen.»
Und die heutige verdeckte Drogenszene? Junge Heroinabhängige, sagt
Seidenberg, gebe es fast keine mehr, weil die Droge ihren Freiheits-
und Rebellionsmythos verloren habe. Ausserdem sei dank der
kontrollierten Methadonabgabe der illegale Heroinmarkt nahezu
verschwunden.
Über die Substanzen, die heute «in» sind – Kokain, Amphetamine,
synthetische Drogen, Beruhigungsmittel – sagt Seidenberg: «Sie sind
gefährlich, aber nicht so gefährlich wie Heroin. Keine dieser Drogen
bewirkt eine derartige individuelle und gesellschaftliche Verelendung.»
In seinem Buch steht der erhellende Satz: «Nach der Jahrtausendwende
haben Mobiltelefone und Smartphones zur öffentlichen Unsichtbarkeit des
Drogenhandels mehr beigetragen als zuvor die ganze Drogenpolitik.»
Im Niederdorf zeigt Seidenberg auf ein Haus an der Spitalgasse. Hier
habe er mit seinen Eltern und seinem Bruder gelebt. «Das Niederdorf war
damals ein verruchtes Viertel.» Der Vater führte die Buchhandlung «Das
gute Buch», André durfte sich jeweils drei Bücher pro Woche ausleihen.
«Ich war ein lesender Nerd.»
Linkes Sektierertum
Seidenberg hat sein Leben lang in Zürich gelebt, und das hört man: «Miir
Tökktrr», sagt er. Soeben habe ihn jemand wiedererkannt, der damals auf
dem Platzspitz gefixt habe. Der Ex-Junkie habe sich abgewandt. «Das
passiert noch immer fast täglich. Viele wollen nicht an damals erinnert
werden.»
Medizinisch ist Seidenberg seit seiner Pensionierung nicht mehr tätig.
Er schreibe einen Roman und lerne Sprachen, Russisch, Hebräisch,
Spanisch. Aber während der ersten Welle der Corona-Krise bat ihn das
Universitätsinstitut für medizinische Virologie, im Testlabor die
Anrufe von Ärzten entgegenzunehmen, um ihnen die Resultate von
Corona-Tests mitzuteilen. «Die Wirkung der Ärzte und staatlicher
Massnahmen wird eher überschätzt. Wir haben etwas das Bewusstsein
verloren, dass es auch schlecht kommen kann. Dass eine Situation
schwierig ist und sich nicht von heute auf morgen lösen lässt.»
Seidenbergs biografischer Rundgang durch Zürich endet an der
Waffenplatzstrasse 6 vor einem weissen Haus. Hier arbeitete er als
junger Arzt in einer Gemeinschaftspraxis, in Verballhornung der
martialischen Adresse «Plaffenwatz» genannt. «Wir rückten die
Bedürfnisse der Patienten ins Zentrum, wir nahmen sie ernst.» Im
Plaffenwatz erlebt Seidenberg aber auch linkes Sektierertum. Häufig
gibt es Sitzungen, bei denen Ärzte oder Angestellte wegen Abweichlertum
ausgeschlossen werden. Die angeblich Fehlbaren müssen an den Tribunalen
teilnehmen. Irgendwann trifft es auch Seidenberg. «Ich hatte die
informelle Hierarchie unter den Ärzten als verlogen bezeichnet.»
Er erzählt auch diese Episode mit der Gelassenheit desjenigen, der
alles gesehen hat und den nichts Menschliches mehr wirklich erschüttern
kann.
–
Erinnerungen an den Drogenkrieg
André Seidenberg (1951) ist Arzt und gründete 1991 die
Arbeitsgemeinschaft für risikoarmen Umgang mit Drogen (Arud), die er
bis 1996 leitete. Er hat massgeblich dazu beigetragen, dass in der
Schweiz die Abgabe von Methadon und Heroin an Süchtige juristisch
möglich und gesellschaftlich akzeptiert wurde. Nun ist seine
Autobiografie erschienen: «Das blutige Auge des Platzspitzhirschs.
Meine Erinnerungen an Menschen, Seuchen und den Drogenkrieg.» Salis,
2020.
–
Die Szenen in Bern und Basel
Ab Mitte der 1980er-Jahre entstanden auch in anderen Schweizer Städten
offene Drogenszenen. In Bern konsumierten die Süchtigen im Kocherpark
beim Bundeshaus, in Basel im Rheingassequartier. Die drogenpolitischen
Auseinandersetzungen waren allerdings in der übrigen Schweiz nicht so
erbittert und ideologisch geprägt wie in Zürich. Bereits 1985 eröffnete
in der Bundeshauptstadt der Verein Contact ein Fixerstübli, in dem
sich Ärzte und Sozialarbeiter um die Süchtigen kümmerten.
Damit wurde Bern landesweit zum Vorbild für die Errichtung von
Anlaufstellen und Gassenzimmern. Ab 1990 entwickelte der Platzspitz
für Drogenkonsumenten in der ganzen Schweiz eine grosse Sogwirkung, was
die Situation in anderen Städten entspannte.
Die niederschwellige Abgabe von Methadon, die in Zürich 1992 begann,
übernahm die übrige Deutschschweiz zwei bis drei Jahre später. Die von
André Seidenberg initiierten Methadonprogramme fanden europaweit
Beachtung. «Zu Beginn der 90er-Jahre waren Besuche ausländischer
Delegationen in Zürich sehr häufig», sagt der Zürcher Arzt. Die
ausländischen Politiker und Gesundheitsexperten kamen vor allem aus
Deutschland, Holland und Grossbritannien. (ben)
(https://www.tagesanzeiger.ch/der-chronist-aus-dem-tiefsten-kreis-der-hoelle-606254634342)