Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel
+++BERN
„Wir alle sind Bern!“ – RaBe-Info 17.11.2020
Ein Viertel aller Berner*innen können bei den Gemeinde- und
Regierungsratswahlen Ende November nicht wählen gehen, weil sie keinen
Schweizer Pass haben. In der heutigen Sendung besuchen wir das Wahlbüro
im PROGR, das allen Menschen eine Stimme gibt. Zudem werfen wir einen
Blick auf die Corona-Schutzmassnahmen in Rückkehrzentren für
Asylsuchende – diese werden nämlich von Betroffenen und
Asylorganisationen scharf kritisiert.
https://rabe.ch/2020/11/17/wir-sind-alle-bern/
+++AARGAU
Bis zu 230 männliche Asylsuchende werden im neuen Bundesasyl-Zentrum untergebracht
Um einen reibungslosen Betrieb zu gewährleisten und die Sorgen der
Bevölkerung aufzufangen, wird eine Begleitgruppe für das Brugger
Bundesasylzentrum in den militärischen Hallen eingesetzt. Und so setzt
sich diese zusammen.
https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/brugg/bis-zu-230-maennliche-asylsuchende-werden-im-neuen-bundesasyl-zentrum-untergebracht-139892625
+++GENF
Incendie du foyer des Tattes, il y a six ans déjà…
Il y a six ans déjà, dans la nuit du 16 au 17 novembre 2014, un incendie
se déclarait au foyer des Tattes, le plus grand lieu d’hébergement pour
requérant.e.s d’asile de Suisse. Dans cet incendie, Fikre Seghid, un
Érythréen de 29 ans, trouvait la mort par intoxication et des dizaines
d’habitant.e.s étaient gravement blessé.e.s.
https://renverse.co/infos-locales/article/incendie-du-foyer-des-tattes-il-y-a-six-ans-deja-2822
+++ST. GALLEN
tagblatt.ch 17.11.2020
Ohne Angst zur Polizei: Während St.Gallen einen Ausweis für Sans-Papiers prüft, spurt die Stadt Zürich vor
Der Stadtrat muss ein Postulat beantworten, wie Personen ohne
Aufenthaltsbewilligung Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen
ermöglicht werden kann. Dabei kann er auf Vorarbeiten der Stadt Zürich
aufbauen. Trotzdem gibt es Knacknüsse.
Johannes Wey-Eberle
Sie arbeiten in Restaurants, auf dem Bau oder in Privathaushalten und
bleiben doch unsichtbar: Sans-Papiers, Menschen, die sich illegal in der
Schweiz aufhalten, sind eine schwer greifbare Realität, auch in St.
Gallen.
250 bis 500 von ihnen leben hier, vermutet der Stadtrat. Dass die
Verwaltung die Zahl nur sehr vage schätzen kann, liegt auf der Hand. Die
meisten von ihnen gehen einer Arbeit nach. Schwarz, auch das liegt in
der Natur der Sache. Sie können kein Konto eröffnen, keine Wohnung
mieten und keinen Fahrausweis beantragen. Sie zahlen keine Steuern und
keine Prämien und sind in Notlagen auf sich allein gestellt.
Bloss nicht zur Polizei
Die grösste Gruppe stammt aus Zentral- und Südamerika, gefolgt von
Osteuropäerinnen und -europäern. Auch Asylsuchende mit
Nichteintretensentscheid werden zu den Sans-Papiers gezählt.
Das Schicksal von Sans-Papiers hängt davon ab, bloss nicht in Kontakt
mit den Behörden zu kommen. Werden sie Opfer einer Gewalttat, droht
ihnen bei einer Strafanzeige selber die Abschiebung. Und bei
gesundheitlichen Beschwerden gehen sie nicht ins Spital, aus Sorge um
die Kosten.
Zürich macht es wie New York
Um solch prekäre Lagen zu mildern, führt die Stadt Zürich nun nach New
Yorker Vorbild eine City Card ein: ein städtischer Identitätsnachweis,
der unbesehen des Aufenthaltsstatus ausgestellt wird.
Der Stadtrat teilte das vergangene Woche mit und stellte einen Bericht
zu Möglichkeiten und Grenzen einer solchen City Card vor – und zu den
Fallstricken, die mit der Lancierung verbunden sind. Die Grundidee
dahinter: Fragen städtische Stellen nicht nach dem Aufenthaltsstatus,
sind sie auch nicht verpflichtet, illegale Aufenthalter anzuzeigen.
St. Gallen kann auf Vorarbeit aufbauen
Der Bericht wurde auch in St. Gallen mit Spannung erwartet. Auch hier
trägt sich der Stadtrat mit der Frage, was es für die Einführung einer
städtischen Identitätskarte bräuchte. Ein entsprechendes Postulat hat
das Stadtparlament im September für erheblich erklärt.
Die Postulanten Jenny Heeb (SP) und Christian Huber (Junge Grüne) haben
den Bericht der Stadt Zürich mit Interesse gelesen. «Es ist eine sehr
komplexe Materie, die beleuchtet wird. Die Stadt St. Gallen kann darauf
aufbauen», sagt Huber.
Allerdings macht der Zürcher Bericht auch ernüchternde Aussagen. Die
Stadt könne die Akzeptanz des Ausweises nur bei städtischen
Dienststellen und Unternehmen vorschreiben. Privatunternehmen müssten
freiwillig mitmachen und sie akzeptieren. Auch von der Kantonspolizei
könnte die Stadt nicht verlangen, eine City Card als Ausweisdokument zu
akzeptieren.
Oft braucht es die Karte nicht – oder sie nützt nichts
Weiter sind Erleichterungen für Sans-Papiers in einigen Bereichen selbst
mit einer City Card nicht möglich, in anderen hingegen auch ohne: So
führt der Zürcher Bericht aus, dass das Mieten einer Wohnung, eine
Heirat, der Bezug von Sozialhilfe oder der Antritt einer Lehrstelle
Sans-Papiers auch künftig versperrt bleiben.
Der Zugang zu Prämienverbilligungen, subventionierten Krippenplätzen,
städtischen Stipendien oder Notunterkünften wäre hingegen auch ohne City
Card möglich. Weil das Überprüfen von Name und Wohnort – zumindest in
Zürich – nicht durch übergeordnetes Recht verlangt wird, besteht
Spielraum.
So oder so soll die Stadt ihren Spielraum nutzen
Und diesen Spielraum soll auch St. Gallen, wo möglich, so bald als
möglich nutzen, findet Jenny Heeb: «Gerade die Coronakrise hat den
Bedarf offengelegt.»
Und die Einführung einer City Card wäre ein langwieriges Unterfangen. In Zürich rechnet man mit vier bis fünf Jahren.
Sie hoffe zudem, dass sich durch das Engagement, das andere Schweizer
Städte betreiben, auch auf Bundes- und Kantonsebene bald etwas tue. Für
Christian Huber ist es unumgänglich, den Status von Sans-Papiers, wenn
auch nicht zu legalisieren, wenigstens zu regulieren: «Sie gehören
einfach zur Realität und dem muss man Rechnung tragen. Ihre Zahl wird
sicher nicht abnehmen.»
City Card funktioniert nur, wenn nicht nur Sans-Papiers mitmachen
Das Konzept einer City Card birgt noch einen weiteren Stolperstein: Ein
Ausweis, den nur Illegale verwenden, kann zu einem Anfangsverdacht
beitragen, dem die Polizei zwingend nachgehen müsste.
Dem wollen die Postulanten entgegenwirken, indem sich der Ausweis an die
ganze Bevölkerung richten soll. Dabei helfen sollen Vergünstigungen,
etwa für öffentliche Bäder und andere Einrichtungen.
Vergünstigungen für zentralörtliche Leistungen
«Viele Gemeinden haben heute schon solche Vergünstigungen für ihre
Bevölkerung, einfach ohne einen Ausweis», sagt Heeb. Und Huber pflichtet
dem bei: Die City Card könnte auch ein Weg sein, die St. Galler
Steuerzahlerinnen und Steuerzahler bei den Kosten für zentralörtliche
Angebote etwas zu entlasten: «Wer in der Stadt wohnt, darf ja auch
Vorteile daraus haben.»
St. Gallen hat andere Voraussetzungen als Zürich
Auch für Stadträtin Sonja Lüthi sind der Bericht und insbesondere zwei
Rechtsgutachten der Stadt Zürich eine wertvolle Vorarbeit. «Auf diesen
Resultaten können wir aufbauen. Aber der Teufel steckt im Detail.»
Beispielsweise sei die Kriminalpolizei in Zürich bei der Stadt, in St.
Gallen beim Kanton angesiedelt. Für sie sei klar, dass in grösseren
Städten die Zahl der Sans-Papiers und damit der Bedarf nach einem
Angebot wie beispielsweise der City Card wesentlich grösser sei als in
St. Gallen. Bislang habe man den Bedarf auf einem sehr tiefen Niveau
eingeschätzt, auch wenn verlässliche Zahlen fehlten. «Mit Corona hat
sich die Situation für die Bevölkerungsgruppe der Sans-Papiers aber sehr
ungünstig entwickelt.»
In diesem Zusammenhang seien die Erfahrungen der IG Sans-Papiers äusserst wertvoll.
–
IG Sans-Papiers begrüsst St. Galler City Card
Seit zwei Jahren setzt sich die IG Sans-Papiers St.Gallen für Personen
ohne Aufenthaltserlaubnis im Kanton St.Gallen ein. Gianluca Cavelti von
der IG begrüsst die Bestrebungen für eine St.Galler City Card. «Wir
erhoffen uns einen diskriminierungsfreien Zugang zu städtischen
Dienstleistungen und zu Bibliotheken, Prämienverbilligungen oder zur
Grundversicherung.» Bei einer Einführung wäre wichtig, dass sich
möglichst viele Stadtbewohnerinnen und Stadtbewohner solidarisch zeigen
und den neuen Ausweis nutzen würden.
Den Start ihrer Beratungsstelle hatte sich die IG anders vorgestellt.
Just im März eröffnet, standen im Lockdown Nothilfe und nicht Beratung
im Vordergrund. «Die meisten Sans-Papiers arbeiten im Stundenlohn und
waren sehr schnell betroffen vom Lockdown», sagt Cavelti. Die IG
Sans-Papiers habe Mieten übernommen oder Lebensmittelpakete
bereitgestellt. Über 100 Personen hätten sich im Lockdown gemeldet, die
meisten davon Frauen. (jw)
(https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/stgallen/ohne-angst-zur-polizei-waehrend-stgallen-einen-ausweis-fuer-sans-papiers-prueft-spurt-die-stadt-zuerich-vor-ld.1280162)
-> Postulat: https://www.stadt.sg.ch/home/verwaltung-politik/demokratie-politik/stadtparlament/geschaefte.geschaeftDetail.html?geschaeftGUID=88d9cdbae1ea4af49ffbac50d59367a5
+++ZÜRICH
Ein Jahr BAZ Duttweilerareal
Seit einem Jahr ist das Bundesasylzentrum auf dem Zürcher Duttweilerareal in Betrieb. Zeit, wieder einmal hinzusehen.
https://daslamm.ch/ein-jahr-baz-duttweilerareal/
+++SCHWEIZ
Entscheid des Europäischen Gerichtshofs: Homosexueller weggewiesen – Schweiz verstösst gegen Folterverbot
Die Schweiz wird nach der Rückweisung eines homosexuellen Gambiers
gerügt. Sie habe nicht genügend abgeklärt, was dem Mann in seinem
Heimatland drohe.
https://www.derbund.ch/homosexueller-weggewiesen-schweiz-verstoesst-gegen-folterverbot-932448154023
-> Urteil EGMR: https://hudoc.echr.coe.int/app/conversion/pdf?library=ECHR&id=003-6855350-9186720&filename=Judgment%20B%20and%20C%20v.%20Switzerland%20-%20failure%20to%20assess%20risks%20for%20gay%20man%u2019s%20return%20to%20the%20Gambia%20.pdf
+++DEUTSCHLAND
Staatsanwaltschaft akzeptiert Scheitern ihrer Klage gegen Bamf-Stelle
In der Bremer Außenstelle des Bamf sollen massenhaft Asylanträge
unberechtigt bewilligt worden sein. Diese Vorwürfe lassen sich aber
nicht mehr halten.
https://www.zeit.de/politik/deutschland/2020-11/bremen-staatsanwaltschaft-bamf-anklage-scheitern-akzeptanz-asylbescheide-missstaende
Das Ende des angeblichen »BAMF-Skandals«
Über den Verdacht auf systematischen Betrug bei Asylbescheiden in Bremen
berichtete der Rechercheverbund der SZ, NDR und Radio Bremen im April
2018. Der angebliche »Bremer BAMF-Skandal« bracht sich daraufhin Bahn
und beherrschte monatelang die Schlagzeilen. Nach mehr als zwei Jahren
zeigt sich: Die Vorwürfe waren haltlos.
https://www.proasyl.de/news/das-ende-des-angeblichen-bamf-skandals/
+++FRANKREICH
Flüchtlinge in Frankreich: Polizei räumt Elendscamp in Banlieue
In Paris sind Tausende obdachlos, die meisten von ihnen sind Migranten.
Einigen Afghanen ermöglicht Frankreich nun eine Pause vom Leben auf der
Strasse. Gelöst ist das Problem aber nicht.
https://www.derbund.ch/polizei-raeumt-elendscamp-in-banlieue-848674701810
+++GROSSBRITANNIEN
UK asylum translators are so anti-LGBT+ that even Home Office staff are worried
Official report reveals that interpreters let their anti-LGBT+ views affect their work, harming asylum fairness.
https://www.gaystarnews.com/article/uk-asylum-translators-are-so-anti-lgbt-that-even-home-office-staff-are-worried/
+++ATLANTIK
Dramatische Situation auf den Kanaren – Rendez-vous
Nicht Touristen kommen in diesen Tagen auf den Kanarischen Inseln an,
sondern Tausende von Bootsflüchtlingen – in überfüllten,
see-untauglichen Booten. Die Behörden sind überfordert, die
Einheimischen fühlen sich im Stich gelassen. Die Journalistin Christina
Teuthorn-Mohr schildert die momentane Lage.
https://www.srf.ch/play/radio/rendez-vous/audio/dramatische-situation-auf-den-kanaren?id=f016bfbc-7806-4b4c-8a3f-eda3bb15913c
+++FREIRÄUME
derbund.ch 17.11.2020
Nach Angriffen in der Berner Lorraine: Take-away zieht ins Hassobjekt der Gentrifizierungsgegner
Der vorherigen Mieterin wurden die Vandalenakte zu viel. Nun übernimmt
ein indisches Restaurant das Lokal an der Lorrainestrasse 25.
Sven Niederhäuser
Eingeschlagene Scheiben und verschmierte Glasfassaden durch ein
Teergemisch: Damit erreichen die, die militante Gentrifizierungskritik
üben, einen Mieterwechsel in der Berner Lorraine. Der früheren Mieterin
und Geschäftsführerin von Bestswiss Anita Di Domenico wurde der
Vandalismus zu viel, wie «Der Bund» berichtete. Nun übernimmt ein
indisches Restaurant die Räumlichkeiten an der Lorrainestrasse 25. Ist
das neue Take-away sicher vor solchen Attacken?
Die Liegenschaftsverwaltung Von Graffenried sowie der Eigentümer
Stefan Berger hoffen jedenfalls dank dem Geschäftswechsel auf eine
Beruhigung der Situation. Berger bedauert, dass die Personen hinter
Bestswiss dermassen leiden mussten. «Hinter jeder Attacke sind immer
auch persönliche Schicksale.» Zum Mietpreis halten sich beide bedeckt.
Von Graffenried richtet nur aus, dass es keine Anpassung gegeben habe.
«Das Restaurant hat bessere Chancen»
SP-Stadtrat und Quartierbewohner Johannes Wartenweiler glaubt ohnehin,
dass die Phase mit den Attacken vorbei ist. «Ich habe schon länger
nichts mehr gehört oder gesehen.» Der Vandalismus sei ja auch nicht
gegen das Geschäft per se gewesen, sondern gegen das Haus als Ganzes.
Und trotzdem: «Das indische Restaurant hat in der Lorraine bessere
Chancen, nicht angegriffen zu werden.»
Den freien Platz mietet Indiankitchen. Nach dem Restaurant in Köniz
eröffnet das Familienunternehmen eine zweite Filiale in der Lorraine.
Derzeit findet allerdings ein Umbau statt. Es ist noch unklar, wann
das Restaurant seinen Betrieb aufnimmt. Die Geschäftsführerin ist
hochschwanger, sagt ihr Mann. Deswegen stand sie für eine kurzfristige
Auskunft nicht zur Verfügung.
Der Neubau in der Lorraine gilt bei militanten Gentrifizierungsgegnern
als Hassobjekt. Mehrmals wurde es bereits als Symbol für steigende
Mieten und Verdrängung der alteingesessenen Quartierbevölkerung
attackiert. Neben der Gewerbefläche werden auf dem ehemaligen
Serini-Areal ein Dutzend Wohnungen im Hochpreissegment vermietet.
(https://www.derbund.ch/take-away-zieht-ins-hassobjekt-der-gentrifizierungsgegner-445958793449)
+++SEXWORK
Corona erschwert Sexarbeit
Die Corona-Pandemie sorgt bei vielen Menschen und Branchen für
Existenzängste. Stark betroffen ist auch das Sexgewerbe. Viele Frauen
versuchen der Armut zu entfliehen und suchen einen Job als Putzfrau.
https://www.toponline.ch/news/zuerich/detail/news/corona-erschwert-sexarbeit-00145201/
+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Nazifrei-Demo: Mitgegangen, mitgehangen?
Knapp zwei Jahre nach der Basel «Nazifrei-Demo» stand am Dienstag ein
weitere Teilnehmer vor Gericht. Die Strafverfolgung ist weiterhin
umstritten.
https://telebasel.ch/2020/11/17/nazifrei-demo-mitgegangen-mitgehangen
-> https://www.bzbasel.ch/basel/basel-stadt/mit-megaphon-an-vorderster-front-der-basel-nazifrei-demo-28-jaehriger-wird-verurteilt-139901000
+++REPRESSION DE
»Ein Bedrohungsszenario wird aufgebaut«
Rote-Hilfe-Bundesvorstandsmitglied Anja Sommerfeld zum 129er-Verfahren gegen die Antifaschistin Lina E.
»Hier wird mal wieder ein Bedrohungsszenario von links aufgebaut, indem
schwere Tatvorwürfe erhoben werden«. Rote-Hilfe-Bundesvorstandsmitglied
Anja Sommerfeld zum 129er-Verfahren gegen die Antifaschistin Lina E.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1144570.antifaschismus-ein-bedrohungsszenario-wird-aufgebaut.html
++++KNAST
Obergericht entscheidet: Psychisch Kranker erhält 35’000 Franken Genugtuung
Das Zürcher Obergericht hat einem psychisch schwer kranken Mann 35’000
Franken Genugtuung für 487 Tage in Gefängnissen und psychiatrischen
Kliniken zugesprochen. Weil das Opfer seinen Strafantrag gegen den Mann
nach anderthalb Jahren zurückgezogen hatte, löste sich der Grund für
dessen Inhaftierung in Luft auf.
https://www.limmattalerzeitung.ch/limmattal/zuerich/obergericht-entscheidet-psychisch-kranker-erhaelt-35000-franken-genugtuung-139902350
+++ANTITERRORSTAAT
Sollen Geheimdienste bei WhatsApp mitlesen dürfen? – Echo der Zeit
Nach dem Terroranschlag in Wien wurde einmal mehr offenbar: Der Täter
nutzte zur Kommunikation mit seinen extremistischen Kollegen
Nachrichten-Apps mit Verschlüsselungstechnologie. Behörden fordern
deshalb immer wieder, die Verschlüsselung von Anbietern wie WhatsApp
oder Threema zu schwächen. Der tatsächlich mögliche Nutzen für die
Terrorermittlung ist jedoch fragwürdig.
https://www.srf.ch/play/radio/echo-der-zeit/audio/sollen-geheimdienste-bei-whatsapp-mitlesen-duerfen?id=4dda928c-5b33-44e4-9e77-84e80d38da45
+++BIG BROTHER
Schweiz soll bei Vernetzung von Schengen-Datenbank mitmachen
Die Behörden sollen künftig mit einem Mausklick alle Schengen- und
Dublin-Datenbanken gleichzeitig abfragen können – auch in der Schweiz.
Die vorberatende Kommission des Nationalrats trat einstimmig auf die
Vorlage des Bundesrats ein.
https://www.parlament.ch/de/services/news/Seiten/2020/20201117184932827194158159041_bsd183.aspx
-> https://www.parlament.ch/de/services/news/Seiten/2020/20201117175644037194158159041_bsd172.aspx
-> https://www.parlament.ch/press-releases/Pages/mm-sik-n-2020-11-17.aspx
+++POLIZEI AG
68-Jähriger bei Polizeieinsatz erschossen – Anwohnerin: «Er sagte zum Polizisten, er werde ihn umbringen»
Mit fünf Schüssen tötete ein Polizist in einer Wohnsiedlung am
Montagabend in Suhr einen 68-jährigen Mann. Die Anwohner sind
erschüttert.
https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/aarau/68-jaehriger-bei-polizeieinsatz-erschossen-anwohnerin-er-sagte-zum-polizisten-er-werde-ihn-umbringen-139900639
-> https://www.tagesanzeiger.ch/polizei-erschiesst-mit-messer-bewaffneten-mann-780444211696
-> https://www.20min.ch/story/polizei-muss-schuesse-abgeben-mit-messer-bewaffneter-mann-stirbt-481930738192
-> Schweiz Aktuell: https://www.srf.ch/play/tv/schweiz-aktuell/video/suhr-ag-polizist-erschiesst-bewaffneten-mann?urn=urn:srf:video:972af9a3-6e10-423a-bf42-eceb9018b3ab
-> https://www.telezueri.ch/zuerinews/mit-messer-auf-polizisten-gestuermt-68-jaehriger-stirbt-nach-fuenf-schuessen-139904486
-> https://www.telebaern.tv/telebaern-news/mit-messer-bewaffneter-mann-verstirbt-nach-polizeieinsatz-in-suhr-ag-139903389
-> https://www.telem1.ch/aktuell/suhr-polizist-erschiesst-mit-messer-bewaffneten-senior-139904667
-> https://www.telem1.ch/aktuell/toedlicher-polizeieinsatz-suhr-war-beamten-schussabgabe-verhaeltnismaessig-139904640
https://www.telem1.ch/aktuell/svp-grossrat-roland-vogt-im-interview-zu-toedlicher-schussabgabe-in-suhr-139904692
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-aargau-solothurn/polizei-erschiesst-in-suhr-einen-68-jaehrigen-mann?id=11877174
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-aargau-solothurn/warum-schoss-ein-polizist-fuenf-mal?id=11877423
-> https://www.20min.ch/story/sondereinheit-nimmt-partnerin-von-erschossenem-c-t-68-fest-704103459917
-> https://www.derbund.ch/polizei-erschiesst-mit-messer-bewaffneten-mann-780444211696
-> https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/aarau/erneuter-polizeieinsatz-nach-amokdrohungen-sondereinheit-argus-ausgerueckt-139905322
-> https://www.aargauerzeitung.ch/blaulicht/mit-messer-gedroht-68-jaehriger-bei-polizeieinsatz-erschossen-verfahren-gegen-polizisten-eroeffnet-139894337
-> https://www.aargauerzeitung.ch/blaulicht/svp-grossrat-und-polizist-roland-vogt-jeder-polizist-hofft-dass-er-nie-auf-jemanden-schiessen-muss-139901711
-> https://www.20min.ch/story/sondereinheit-nimmt-partnerin-von-erschossenem-c-t-68-fest-704103459917
-> https://www.20min.ch/story/die-polizei-kam-regelmaessig-vorbei-wir-hatten-angst-419016799136
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/erschossener-von-suhr-ag-war-schwangeren-attackierer-65821109
-> https://www.blick.ch/schweiz/mittelland/er-war-mit-einem-messer-bewaffnet-polizisten-erschiessen-mann-in-suhr-ag-id16198687.html
+++POLIZEI SG
St. Galler SVP will Polizeikosten bei unbewilligten Demonstrationen auf die Verursacher abwälzen – die Regierung hat Einwände
Im Coronajahr 2020 wird in der Schweiz mehr demonstriert denn je – und
die Kosten für die Polizeieinsätze geben zu reden. Die St. Galler SVP
fordert, dass auch Veranstalter illegaler Proteste zur Kasse gebeten
werden. Die Regierung hält das für kaum möglich.
https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/stgaller-svp-will-polizeikosten-bei-unbewilligten-demonstrationen-auf-die-verursacher-abwaelzen-die-regierung-hat-einwaende-ld.1280521
+++POLIZEI FR
Polizei in Frankreich: Keine Fotos, keine Beweise?
Er sorgt bereits im Vorfeld für Kontroversen: Der Gesetzentwurf zur
allgemeinen Sicherheit, mit dem sich die französische
Nationalversammlung ab dem 17. November beschäftigen wird. Besonders
umstritten ist Artikel 24: Das Verbreiten von Bildmaterial von
Polizeibeamten soll verboten werden, wenn es ihre physische und
psychische Integrität verletzen könnte. Eine Behinderung der
Pressefreiheit? Einschätzungen von Rechtsanwalt Raphaël Kempf.
https://www.arte.tv/de/videos/094279-008-A/polizei-in-frankreich-keine-fotos-keine-beweise/
+++RECHTSEXTREMISMUs
«Junge Tat»: Rechtsextreme trainieren und posieren vermummt in Luzern
In einem Video sind Vermummte im Raum Luzern zu sehen, die gemeinsam
trainieren und mit Pyros posieren. Ein Experte ordnet sie rechtsextremen
Kreisen zu.
https://www.20min.ch/story/rechtsextreme-trainieren-und-posieren-vermummt-in-luzern-592796758826
+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
«Wie kann so ein Arzt noch arbeiten?»: St.Galler Amtsarzt und
Coronaskeptiker Rainer Schregel verbreitet auf Facebook weiterhin
fragwürdige Inhalte
Gegen den Amtsarzt Rainer Schregel läuft beim Kanton St.Gallen ein
Verfahren, weil er die Pandemie in den sozialen Medien verharmlost und
eine Journalistin beleidigt hat. Jetzt macht er sich über den Tod eines
101-jährigen Coronapatienten lustig – und erntet heftige Kritik.
https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/wie-kann-so-ein-arzt-noch-arbeiten-stgaller-amtsarzt-und-coronaskeptiker-rainer-schregel-verbreitet-auf-facebook-weiterhin-fragwuerdige-inhalte-ld.1297646
-> https://www.tagblatt.ch/meinung/kommentare/rainer-schregels-absetzung-war-und-ist-richtig-ld.1319407
-> https://twitter.com/Blocher_Perlen/status/1328276602749399040
Extremismusexpertin: Verschwörungstheorien seit Corona „wirklich virulent“
Man braucht Strategien gegen die exponentielle Steigerung von
Verschwörungserzählungen, sagt Verena Fabris, Leiterin der
Beratungsstelle Extremismus
https://www.derstandard.at/story/2000121405130/extremismusexpertin-verschwoerungstheorien-seit-corona-wirklich-virulent?ref=rss
Villa von Attila Hildmann durchsucht
Die Polizei beschlagnahmt mehrere Laptops, Handys und Speichermedien.
Die Durchsuchung ist laut eines Polizeisprechers zur Gefahrenabwehr
erfolgt – nicht auf Initiative der Staatsanwaltschaft.
https://www.sueddeutsche.de/politik/hildmann-coronavirus-durchsuchung-brandenburg-1.5118817
-> https://www.tagesspiegel.de/berlin/polizei-justiz/vor-geplanten-corona-protesten-durchsuchung-bei-verschwoerungstheoretiker-attila-hildmann/26633498.html
-> https://twitter.com/affeu2/status/1328738422769455104
-> https://www.morgenpost.de/berlin/polizeibericht/article230936524/Staatsschutz-durchsucht-Wohnung-von-Attila-Hildmann.html
-> https://www.spiegel.de/panorama/justiz/attila-hildmann-staatsschutz-durchsucht-wohnung-von-vegan-koch-und-verschwoerungsideologe-a-d4504ad3-3768-4510-8977-a5a3bf950eac
„Berlin muss brennen“: Querdenker & Nazis möchten Bundestag stürmen, Regierung töten
In den letzten Wochen und Monaten kommen wir aus dem Kopfschütteln nicht
mehr raus und es wird schlimmer. Und tatsächlich auch dramatischer. Als
Attila Hildmann in seinem Telegram-Kanal mit Waffen posierte und sich
als möglichen Märtyrer aufspielte, beobachteten wir das mit zunächst
etwas belustigt, aber dann auch mit Sorge um seinen psychischen Zustand.
Das war im Frühjahr.
https://www.volksverpetzer.de/social-media/berlin-demo-querdenker-18-11/
-> https://www.badische-zeitung.de/deutschland-1/corona-kritiker-und-radikale-gruppen-rufen-zur-blockade-des-bundestags-auf
-> https://www.spiegel.de/politik/deutschland/berlin-dutzend-demos-gegen-infektionsschutzgesetz-direkt-vor-bundestag-verboten-a-844c50f4-8d5f-4769-a71d-31872f69f196
-> https://www.jungewelt.de/artikel/390629.rechte-mobilisierung-voller-posteingang.html
Holocaustrelativierungen tolerieren – Gegenproteste kriminalisieren
Proteste gegen Corona-Massnahmen in St. Gallen
Am Samstag, 14. November nahmen rund 150 Menschen an einer Demonstration
namens „«Stiller Protest» teil, der sich gegen die COVID19-Verordnungen
richtete, die zum Schutz unserer Gesellschaft vor den schlimmsten
Folgen der aktuellen Pandemie eingeführt wurden.
https://barrikade.info/article/4013
Jetzt radikalisieren sich die Impfgegner
Die großen Fortschritte bei der Entwicklung von Corona-Impfstoffen
mobilisieren die Impfgegner in Deutschland. Jetzt mehren sich in der
Szene Zweifel an der grundsätzlichen Glaubwürdigkeit des Staats. Auch
die AfD mischt munter mit.
https://www.welt.de/politik/deutschland/article220259232/Verschwoerungsideologien-Jetzt-radikalisieren-sich-die-Impfgegner.html
Soziale Netzwerke wie „Parler: “Neue digitale Heimat für Trump-Anhänger
Tweets mit Warnhinweisen, gelöschte Profile oder gesperrte Gruppen –
seit der US-Wahl gehen Facebook und Twitter massiv gegen
Falschinformationen vor. Die Anhänger von Wahlverlierer Trump wechseln
deshalb zu alternativen Sozialen Netzwerken. Experten warnen vor neuen
Gefahren.
https://www.deutschlandfunk.de/soziale-netzwerke-wie-parler-neue-digitale-heimat-fuer.2907.de.html?dram:article_id=487638
+++HISTORY
Emil Bührle: Enge Verflechtung zwischen Kunst und Geschäft – Rendez-vous
Das Zürcher Kunsthaus erhält mit den Bildern von Emil Bührle eine
Sammlung von Weltrang. Weil Bührle aber sein Geld mit Waffengeschäften
verdiente, haben Stadt und Kanton Zürich einen Bericht über Bührle in
Auftrag gegeben. Doch um das Papier entstand eine Polemik. Von
Einflussnahme der Auftraggeber war die Rede. Heute wurde der Bericht
vorgestellt.
https://www.srf.ch/play/radio/rendez-vous/audio/emil-buehrle-enge-verflechtung-zwischen-kunst-und-geschaeft?id=0e48eb72-033c-40eb-bcf9-c28f82119671
-> Echo der Zeit: https://www.srf.ch/play/radio/echo-der-zeit/audio/die-dunkle-vergangenheit-der-buehrle-kunstsammlung?id=0171bc13-153d-4c6e-bbba-97a12a880903
-> Schweiz Aktuell: https://www.srf.ch/play/tv/schweiz-aktuell/video/studie-enthuellt-geschichte-von-kunstsammler-emil-buehrle?urn=urn:srf:video:a961bdb5-e943-4a1c-9c3c-a43762dc59f5
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/nazi-gelder-und-die-buehrle-sammlung?id=11877390
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/kanon-und-kunsthaus-studie-zur-buehrle-sammlung?id=11877819
-> https://www.srf.ch/kultur/kunst/kunsthaus-zuerich-die-buehrle-sammlung-unter-der-lupe-was-man-wissen-muss
https://www.srf.ch/kultur/kunst/problematische-geschichte-studie-deckt-auf-wie-emil-buehrle-seine-kunstsammlung-finanzierte
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tagesanzeiger.ch 17.11.2020
Zürcher Sammlung von Emil Bührle – Waffen, Geld und Kunst: Der umstrittene Bührle-Bericht ist da
Eine Studie über den Waffenfabrikanten hat für Aufsehen gesorgt. Heute
wird sie mit zwei externen Gutachten veröffentlicht. Wie unabhängig war
sie?
Annik Hosmann
Gut zwei Jahre hat es gedauert, bis die rund 200-seitige Studie über den
Industriellen Emil Georg Bührle und seine Kunstsammlung veröffentlicht
wurde. Historiker der Universität Zürich untersuchten erstmals die
Verflechtungen zwischen Bührles Waffengeschäften, dem daraus gewonnenen
Geld und der damit erworbenen Kunst. Die Studie geht somit über die
bisherige Provenienzforschung, also die Besitzerwechsel der Kunstwerke,
hinaus. Am Dienstag wurde nun der Forschungsbericht veröffentlicht –
zusammen mit zwei externen Gutachten, die ihn untersuchten.
Relevante Ergebnisse und eine fundierte Grundlage zu einem umfassenden
Werk Bührles liefere die Studie, schreibt Esther Tisa Francini,
Historikerin und Leiterin der Provenienzforschung des Museums Rietberg.
«Der vorliegende Bericht ist inhaltlich substanziell und insgesamt
gelungen», schreibt auch der emeritierte Geschichtsprofessor Jakob
Tanner in einem 24-seitigen Gutachten über die Untersuchung
«Kriegsgeschäfte, Kapital und Kunsthaus – Die Entstehung der Sammlung
Bührle im historischen Kontext».
Tanner schreibt allerdings auch: «Es war zu erwarten und hat sich längst
angekündigt, dass sich der chronische Konflikt um die Sammlung Bührle
mit der Eröffnung des Kunsthaus-Annexbaus nochmals zuspitzt. Unter
solchen Bedingungen muss ein Forschungsprojekt, das zur Klärung
wichtiger und heikler Fragen beitragen soll, institutionell unabhängig
durchgeführt werden können. Das war hier nicht der Fall.»
Kritik am Bericht schon vor der Veröffentlichung
Dass es überhaupt so weit kam, dass Tanner und Tisa Francini als externe
Gutachter die Qualität und die Forschungsfreiheit der 2017 von Stadt
und Kanton Zürich in Auftrag gegebenen Studie untersuchen mussten, hat
auch mit dem Historiker Erich Keller zu tun. Keller war als Forscher und
Autor ebenfalls an der Studie beteiligt, hat sich aber aufgrund eines
Konflikts mit Matthieu Leimgruber, Studienleiter und Professor für
Geschichte der Neuzeit, vorzeitig zurückgezogen. Keller hatte sich
bereits im Januar aus dem Projekt zurückgezogen, nachdem es zu
Meinungsverschiedenheiten bezüglich Autorenschaft und Abgabeterminen
mit Leimgruber gekommen war, wie dieser an einer Medienkonferenz am
Dienstag sagte.
Im Sommer, also noch vor der Veröffentlichung, berichtete die
Wochenzeitung WOZ über das Forschungsprojekt. Sie schrieb, der
Steuerungsausschuss, der das Projekt begleitete, habe «zahlreiche
Änderungsvorschläge» angebracht. Die WOZ warf in ihrem Artikel die
Frage auf, wie unabhängig die Untersuchungen seien. Es ging unter
anderem um eine Stelle, an der Lukas Gloor, Steuerungsausschussmitglied
und Direktor der Bührle-Sammlung, das Forschungsteam bat, das Wort
«Freicorps» wegzulassen, da es «ein zutiefst belasteter Begriff» sei und
Emil Bührle in die Nähe der äussersten Rechten rücke.
Zudem wollte Gloor auf den Ausdruck «antisemitischer Ausfall»
verzichten, den die Historiker für eine Beschreibung Bührles einer
Karikatur in der Satirezeitschrft «Nebelspalter» verwendeten. Das
Forschungsteam um Leimgruber war den Anmerkungen des
Steuerungsausschusses teilweise nachgekommen. Erich Keller sagte im
Sommer gegenüber der WOZ, er wolle nicht an einer Studie mitarbeiten,
«die nicht Ergebnis einer freien und offenen Forschung ist». (Lesen Sie
hier mehr dazu.)
Nach den Vorwürfen, die Anpassungen würden die Vergangenheit Bührles und
damit den Bericht beschönigen, gab die Universität Zürich zwei externe
Gutachten bei Tanner und Tisa Francini in Auftrag.
Politisch belastete Sammlung
Anlass für eine erneute und vertiefte Aufarbeitung von Emil Bührles
Vergangenheit ist der Erweiterungsbau des Zürcher Kunsthauses. Denn in
diesem wird die Bührle-Sammlung mit einem geschätzten Wert zwischen
zwei und drei Milliarden Franken ab Ende 2021 hängen. Das Problem: Die
Sammlung gilt als politisch belastet.
Bührle war ein Waffenfabrikant und hat ab 1924 einen grossen Teil seines
Vermögen mit dem Verkauf von Waffen und der verdeckten Aufrüstung des
nationalsozialistischen Deutschland gemacht. Er wurde so zum reichsten
Mann in der Schweiz, kaufte ab 1936 über 600 Kunstwerke, für die er rund
39 Millionen Franken aufwendete. Zur Sammlung gehören Gemälde von
Monet, van Gogh, Gaugin, Degas und Renoir. Die rund 200 Werke, die ab
kommendem Jahr im neuen Kunsthaus zu sehen sein werden, machen das
Museum zu einem internationalen Zentrum für impressionistische Kunst
aus Frankreich.
Der 200-seitige Forschungsbericht beleuchtet nun erstmals detailliert
und mit neu erschlossenen Quellen besagte Verflechtung von Waffen, Geld
und Kunst. In drei Hauptteilen beschreiben Leimgruber und sein Team
Bührles Werdegang vom jungen Fabrikdirektor zum Unternehmer der
bedeutendsten Schweizer Rüstungsfirma, den damit einhergehenden
gesellschaftlichen Aufstieg und die Entstehung seiner Sammlung.
Bis heute ist Emil Bührle umstritten, auch weil ihm Antisemitismus
vorgeworfen wird. Davon, schreibt Matthieu Leimgruber im Bericht, «kann
man Bührle nicht reinwaschen, auch wenn die bisher erschlossenen
Dokumente nur eine belastende Äusserung enthalten». Bührle habe aber die
Lage der flüchtenden und verfolgten Juden opportunistisch ausgenutzt,
schreibt Leimgruber. Der Unternehmer soll unter anderem von der
Zwangsarbeit profitiert haben; ins Konzentrationslager Ravensbrück
deportierte Jüdinnen haben Waffen für Bührles Unternehmen gefertigt.
Bührle gehörte nach dem Zweiten Weltkrieg zu Zürichs Elite. 1953 wurde
der Industrielle Vizepräsident der Zürcher Kunstgesellschaft und
Hauptmäzen des Kunsthauses. 1954 übernahm er die Kosten für einen
Kunsthaus-Erweiterungsbau, der 6 Millionen Franken kostete. Die
Eröffnung erlebte Bührle selber nicht mehr, er verstarb 1956. Auch diese
Verflechtungen sind im neuen Bericht detailliert aufgearbeitet.
Überschattet wird nun die Arbeit des Forschungsteams der Universität
Zürich vom Konflikt zwischen Erich Keller und Matthieu Leimgruber. Das
schreiben Jakob Tanner wie auch Esther Tisa Francini in ihren
Gutachten. Tisa Francini hält fest: «Der Forschungsauftrag zur
Kontextualisierung der Sammlung Bührle endete in einem Zerwürfnis, das
auch dem Bericht geschadet hat.»
Anpassungen nach externen Gutachten
Die Gutachten von Tanner und Tisa Francini beruhen auf einem Entwurf
des Forschungsberichts. Nach den Empfehlungen der beiden Fachpersonen
wurden zwei auf Anregung des Steuerungsrates geänderte Stellen erneut
angepasst und umformuliert – unter anderem die Passage über den
«antisemitischen Ausfall» Bührles, der nun im abschliessenden Bericht
als «antisemitische Spitze» bezeichnet wird.
Erich Keller schreibt dazu auf Anfrage des Tages-Anzeigers, dass
aufgrund der externen Gutachten die Abschwächungen weitgehend
wiederhergestellt wurden. Dies zeige, dass er sich zu Recht gewehrt
habe. Sein Pauschalvorwurf, Leimgruber habe «die wissenschaftlich
unhaltbaren, politisch teilweise brisanten Kommentare und
Sprachregelungen willfährig übernommen», lässt sich laut Tanners
Einschätzungen aber nicht erhärten.
(https://www.tagesanzeiger.ch/waffen-geld-und-kunst-der-bericht-ueber-emil-buehrle-ist-da-310762235626)
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nzz.ch 17.11.2020
Forschung mit Störfeuer – die Universität Zürich legt den umstrittenen Bührle-Bericht vor
Die Geschichte des Waffenfabrikanten und Kunstsammlers Emil Georg
Bührle sollte neu aufgearbeitet werden. Doch das Projekt geriet selbst
in Turbulenzen. Nun zeigt sich, was an der Kritik dran war.
Marc Tribelhorn, Fabian Baumgartner
Vor 64 Jahren starb Emil Georg Bührle an Herzversagen. Doch noch immer
sorgen seine Persönlichkeit und sein Erbe für Kontroversen. Der
gebürtige Deutsche war Waffenfabrikant, Multimillionär und Kunstmäzen,
ein begnadeter Netzwerker und eiskalter Opportunist. Seine
Rüstungsgeschäfte insbesondere mit Nazi-Deutschland gaben schon zu
Lebzeiten Anlass zu scharfer Kritik.
Weil ab nächstem Jahr im Kunsthaus-Erweiterungsbau des Stararchitekten
David Chipperfield die Schätze der Sammlung Bührle ausgestellt werden,
wollten Stadt und Kanton Zürich Klarheit schaffen über deren
Entstehungskontext. Das ambitionierte Ziel der historischen
Aufarbeitung: ein «international vorbildhaftes Projekt zum Umgang mit
einer politisch belasteten Kunstsammlung zu präsentieren». Tabus sollte
es keine geben. Doch kurz vor Abschluss kam es wegen des Inhalts des
Forschungsberichts zum Eklat; der wichtigste Mitarbeiter überwarf sich
mit dem Projektleiter. Aus dem Prestigeprojekt drohte ein
Scherbenhaufen zu werden.
Am Dienstagmorgen haben nun die Zürcher Stadtpräsidentin Corine Mauch
und Regierungsrätin Jacqueline Fehr den Bericht mit dem Titel
«Kriegsgeschäfte, Kapital und Kunsthaus» sowie zwei Gutachten den
Medien vorgestellt.
1) Worum geht es in der Kontroverse?
Emil Georg Bührle (1890–1956) stieg mit Waffengeschäften zum reichsten
Mann der Schweiz auf. Ein beträchtlicher Teil der Erträge
erwirtschaftete seine Firma, die Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon, mit
Lieferungen an das Nazi-Regime während des Zweiten Weltkriegs.
Mit einem Forschungsprojekt sollten die Geschäfte des Industriellen,
aber auch seine Tätigkeit als Kunstsammler und Mäzen aufgearbeitet
werden. So lautete ein Mandat, das Stadt und Kanton Zürich im Sommer
2017 Matthieu Leimgruber, Geschichtsprofessor an der Universität
Zürich, übertrugen.
Doch das Projekt ist in diesem Jahr selbst Teil einer Kontroverse
geworden. Der Historiker Erich Keller, der einen Grossteil der
Forschungsarbeit zu Bührle leistete, stieg im Frühjahr vorzeitig aus.
Er übte scharfe Kritik und tat diese auch in den Medien kund. Als Erste
berichtete die «Wochenzeitung» («WOZ») über den Fall. Keller
kritisierte, durch die Eingriffe des Steuerungsausschusses werde die
Forschungsfreiheit missachtet.
Es seien vonseiten der Stadt und der Bührle-Stiftung «verharmlosende»
Änderungsvorschläge eingebracht worden, die Leimgruber übernommen habe.
Schlüsselbegriffe wie Zwangsarbeit, Antisemitismus oder Freikorps
seien dem Rotstift zum Opfer gefallen. Eingebracht hatten die
Anpassungen Peter Haerle, der Kulturdirektor der Stadt Zürich, und
Lukas Gloor, der Direktor der Stiftung Bührle. Keller erklärte
daraufhin, er könne und wolle nicht mit seinem Namen für eine Studie
stehen, die nicht Ergebnis einer offenen Forschung sei.
Als Folge des Streits zogen sich das Kunsthaus, die Zürcher
Kunstgesellschaft und die Stiftung Sammlung Emil Bührle, die allesamt
im Steuerungsausschuss des Forschungsprojekts vertreten waren, aus dem
Gremium zurück. Dieses bestand danach noch aus den Vertretungen der
Stadt und des Kantons. Das Rektorat der Universität Zürich gab zudem
zwei Gutachten in Auftrag, welche die Vorwürfe abklären sollten. Sie
liegen seit Ende September vor.
2) Was steht in dem neu erschienenen Bericht?
Der 228-seitige Forschungsbericht ist wissenschaftlich fundiert und
auch für ein breites Publikum gut lesbar. Er gliedert sich in drei
Teile und beschreibt die eng verzahnte Geschichte von Emil Bührles
Aufstieg als Industrieller, Zürcher Grossbürger und Kunstsammler.
Im ersten Kapitel «Transformationen» wird gezeigt, wie der Deutsche
Emil Georg Bührle von der Magdeburger Werkzeug- und Maschinenfabrik
nach Zürich geschickt wurde, um die Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon
(WO) zu reorganisieren. In der Folge konzentrierte sich Bührle auf die
Entwicklung und den Export von 20-mm-Flugabwehrkanonen und stand mit
der WO im Dienste der verdeckten Aufrüstung Deutschlands. Als
Offshore-Produktionsstandort eignete sich die Schweiz besonders, da die
Ausfuhr von Kriegsmaterial lange Zeit nicht behördlich kontrolliert
wurde.
Die WO stieg unter Bührle innert weniger Jahre zum grössten Schweizer
Rüstungsbetrieb auf. Mithilfe seines vermögenden Schwiegervaters gelang
es Bührle 1938, das gesamte Aktienkapital zu übernehmen. Bei seinen
Kunden war er wenig wählerisch: Wer zahlte, dem wurde geliefert. Als
die Schweiz im Sommer 1940 von den Achsenmächten umzingelt war,
bediente er fast ausschliesslich Nazi-Deutschland und dessen Verbündete
– mit dem Segen der Bundesbehörden. Auch erhielt Bührle
Lizenzzahlungen der deutschen Firma Ikaria, die für ihre Produktion
Zwangsarbeiter einsetzte.
Als sich Hitlers Niederlage abzeichnete, knüpfte Bührle rasch Kontakte
zu den Alliierten, und sein Unternehmen verschwand nach 1945
erstaunlich schnell von der schwarzen Liste der USA. Doch erst der
Koreakrieg brachte Bührle wieder gross ins Geschäft. Sein
Verkaufsschlager waren neu Pulverraketen, die er im grossen Stil an die
Amerikaner lieferte und die «mit Leichtigkeit» Panzer durchlöchern
konnten. Auch die Schweizer Armee setzte bei ihrer Rüstungsoffensive in
den 1950er Jahren auf die Produkte Bührles.
Das zweite Kapitel «Netzwerke» zeichnet anhand der wenigen
überlieferten biografischen Zeugnisse die Persönlichkeit Bührles sowie
dessen gesellschaftliche Kontakte nach. Bei seinem rasanten Aufstieg
kamen dem ehemaligen Frontsoldaten sein Opportunismus und seine
Anpassungsfähigkeit zugute. Er nutzte auch nach der Übersiedlung in die
Schweiz die «revanchistischen und militaristischen Netzwerke» aus der
Zeit nach dem Ersten Weltkrieg.
In seinem Betrieb beschäftigte er vor, während und nach dem Zweiten
Weltkrieg deutsche Kader und Waffentechniker und pflegte intensive
Kontakte zu Entscheidungsträgern im Ausland und Inland. Um an Aufträge
zu kommen, wurden nicht selten Provisionen und Schmiergelder gezahlt.
Bemerkenswert ist, wie Bührle, der 1937 in der Schweiz eingebürgerte
Parvenü aus Deutschland, durch seine Kunstsammlung und sein
Mäzenatentum Aufnahme in die Zürcher Elite fand, etwa als Mitglied der
altehrwürdigen Kunstgesellschaft. Sein immenser Reichtum – sein
Vermögen stieg von 8 Millionen im Jahr 1938 auf 162 Millionen 1945 –
brachte ihm beste Kontakte zum Bankenplatz. Später sah sich der
Unternehmer Bührle «in vorderster Front dieses Kalten Krieges» und
seine Waffen als Beitrag zur Verteidigung der freien Welt.
Das dritte Kapitel beschreibt sodann die Entstehung der Sammlung
Bührle. Der Titel «Translokationen» verweist auf einen Schlüsselbegriff
der Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy. Damit soll die «territoriale
Verlagerung von Kulturgütern» aufgrund von «Gewalt oder asymmetrischen
Machtverhältnissen» umschrieben werden. Im Kontext von Bührle handelt
es sich um 633 hochwertige Werke, die der «Kanonenkönig» zwischen 1936
und 1956 für rund 39 Millionen Franken erwarb.
Der Bericht beinhaltet keine eigene Provenienzforschung, listet aber
auf, wann und von welchen Händlern die Bilder in den Besitz Bührles
übergingen. Im Zuge der nationalsozialistischen Judenverfolgung kam es
zu Beschlagnahmungen, Enteignungen und Zwangsverkäufen. Die Schwemme
von Kunstwerken auf dem Markt half auch Bührle beim Aufbau seiner
Sammlung. Klar ist, dass Bührle bei seinen Ankäufen die Lage verfolgter
und geflüchteter Juden ausnutzte. Er «zögerte nicht, teilweise
erhebliche Risiken einzugehen», heisst es im Bericht. 13 Raubkunstwerke
musste er später zurückgeben. Drei Viertel seiner Sammlung erwarb
Bührle indes erst nach dem Zweiten Weltkrieg.
3) Welche neuen Erkenntnisse bringt der Bericht?
Der Bericht ordnet die bisherige Forschung zum Thema souverän ein und
bietet eine neue wissenschaftliche Synthese zu Emil Georg Bührle und
seiner Sammlung. Diese Geschichte ist in den Grundzügen zwar seit
längerem bekannt, doch konnte sie durch die Erschliessung neuer Quellen
partiell erweitert und in eine kompakte Studie gepackt werden. Vor
allem sind in der Studie die Verflechtungen und Wechselwirkungen von
Waffen, Geld, Kunst und sozialem Prestige hervorragend herausgearbeitet
worden.
Die Analyse ist betont nüchtern gehalten, was dem politisch
aufgeladenen Gegenstand nur dienlich sein kann. Einen substanziellen
Mehrwert bietet der Bericht für den Zeitraum nach 1945: Bührle suchte
in den unmittelbaren Nachkriegsjahren fieberhaft nach neuen
Absatzmärkten und sie schliesslich im Koreakrieg. Auch werden wenig
bekannte Aspekte ausgeleuchtet, zum Beispiel die Streiks in der WO
während des Zweiten Weltkriegs oder die gescheiterte Expansion Bührles
in die USA in den 1950er Jahren.
Wenig nachvollziehbar ist hingegen, dass im Kapitel über die
Sammeltätigkeit Bührles der Begriff Fluchtgut zwar eingeführt wird,
dann aber nicht angewandt wird. So heisst es schliesslich nur: «Es ist
durchaus plausibel, dass einige von Bührles Erwerbungen in diese
Kategorie fallen würden. Im vorliegenden Bericht sehen wir aber davon
ab, direkt in diese Debatte einzugreifen, um stattdessen den Kontext
dafür zu schärfen.»
4) Zu welchem Schluss kommen die beiden Gutachter?
Mit der Begutachtung beauftragt wurden die Historikerin und Leiterin
der Provenienzforschung im Museum Rietberg, Esther Tisa Francini, und
der emeritierte Zürcher Geschichtsprofessor Jakob Tanner. Ihnen wurden
eine noch nicht finale Version des Forschungsberichts, datiert auf den
20. Juli 2020, sowie vorangehende Berichte und weitere Dokumente zur
Begutachtung vorgelegt.
Tanner und Tisa Francini kommen in ihren separat abgefassten Gutachten
zu dem Schluss, dass der Forschungsbericht insgesamt solide gearbeitet
sei, interessante neue Erkenntnisse präsentiere und alle heiklen Punkte
von Bührles Wirken thematisiere. Erich Kellers Kritik, der
Projektleiter Leimgruber habe wissenschaftlich unhaltbare, politisch
teilweise brisante Kommentare willfährig übernommen, lasse sich nicht
erhärten, schreibt Tanner in seinem 24-seitigen Gutachten.
Die beiden Experten schreiben deshalb, der pauschale Vorwurf eines
beschönigten Forschungsberichts sei haltlos. Tisa Francini bilanziert:
«Die Studie leistet trotz einiger Versäumnisse eine sehr fundierte
Grundlage zu einem umfassenden Werk über Emil Georg Bührle als
Unternehmer und Sammler.»
Doch: Einige Textstellen im jetzt publizierten Bericht hat Leimgruber
erst nach Kellers Kritik und der darauffolgenden öffentlichen Debatte
überarbeitet. Es sind Punkte, die auch Tanner und Tisa Francini
kritisieren. Sie empfahlen beispielsweise, zwei Umformulierungen, die
Leimgruber auf Anregung von Mitgliedern des Steuerungsausschusses
vorgenommen hatte, erneut abzuändern.
Im einen Fall geht es um den Begriff «Freikorps», den Leimgruber im
Entwurf an mehreren Stellen ersetzte. So hiess es beispielsweise nicht
mehr, dass sich Bührle dem «Freikorps des Generals von Roeder»
angeschlossen habe, sondern dem «Freiwilligen Landschützenkorps». Für
Tanner steht fest, dass die Umformulierungen inhaltlich vertretbar
gewesen seien und sie nicht zu einer Beschönigung führten. Dennoch sei
in diesem Fall ein sensitives Wort aufgrund einer Aufforderung von
Seiten der Bührle-Stiftung aus dem Bericht entfernt worden. Das
widerspreche der best practice der historischen Auftragsforschung.
Im anderen Fall geht es um das Thema Antisemitismus. Im Archiv für
Zeitgeschichte entdeckten die Forscher einen Brief, den Bührle der
Satirezeitschrift «Nebelspalter» gesandt hatte. Bührle beschwerte sich
darin, dass ihn ein Karikaturist schlafend zwischen Geldsäcken
gezeichnet habe. Er schrieb, die Zeichnung stamme aus der «Rumpelkammer
des Marxismus». Der «Nebelspalter» solle besser in Bührles Fabrik nach
Oerlikon kommen, «vielleicht vergeht dir dann die fratzenhafte
jüdische Vorstellung, die du von einem Industriellen zu haben
scheinst».
Für Keller war die Quelle eindeutig, weshalb er Bührles Wortwahl als
«antisemitischen Ausfall» bezeichnete. Auf Anregung von Lukas Gloor,
dem Direktor der Stiftung Bührle, wurde die Textstelle jedoch
gestrichen. Matthieu Leimgruber argumentierte, Bührle habe den
«Nebelspalter» mit seiner Ausdrucksweise auf die antisemitische
Ikonografie der Karikatur hinweisen wollen. Tanner hingegen kommt im
Gutachten zu dem Schluss, dass in diesem Fall tatsächlich von einem
«antisemitischen Ausfall» gesprochen werden müsse. Er empfahl deshalb,
die Feststellung solle bei der Überarbeitung des Berichts wieder
eingefügt werden. Leimgruber kam dem nach, allerdings ist nun
abgeschwächt von einer «antisemitischen Spitze» Bührles die Rede.
Tanner stützt Erich Keller noch in einem anderen zentralen Kritikpunkt:
der Einmischung der Steuerungsgruppe an sensitiven Stellen des
Berichts. Es sei ein Fehler gewesen, für das Projekt eine
Steuerungsgruppe einzurichten. Ein Forschungsprojekt, das zur Klärung
wichtiger und heikler Fragen beitragen solle, müsse institutionell
unabhängig durchgeführt werden. «Das war hier nicht der Fall.»
5) Wie äussern sich die Beteiligten?
Bei der Vorstellung des Forschungsberichts unterstrichen die Zürcher
Stadtpräsidentin Corine Mauch, Regierungsrätin Jacqueline Fehr und
Christian Schwarzenegger, Prorektor der Universität, am Dienstag dessen
Wert. Mauch sprach von einem «Meilenstein». Die beeindruckende Arbeit
sei zustande gekommen, obwohl es in den letzten Monaten öffentlich
ziemlich «gerumpelt» habe. Fehr ergänzte, der Bericht bringe zum
Ausdruck, dass sich die Behörden ihrer Verantwortung im Umgang mit der
Vergangenheit bewusst seien. «Die öffentliche Hand muss dafür bürgen,
dass eine fundierte und wissenschaftliche einwandfreie Aufarbeitung der
Geschichte stattfindet.»
Prorektor Schwarzenegger wiederum ging auch auf die im Raum stehenden
Vorwürfe ein. «Aus der Sicht der Universität sind die Vorwürfe nicht
haltbar.» Die Gutachten zeigten, dass sehr sauber gearbeitet worden
sei. «Der Bericht bildet nun die Grundlage für eine kritische
Auseinandersetzung mit der Sammlung Bührle.»
Auch Projektleiter Matthieu Leimgruber nahm Stellung zum Streit. Für
ihn sei die Forschungsfreiheit immer gewährleistet gewesen. Die gegen
ihn und das Projekt erhobenen Vorwürfe seien durch die beiden
Gutachter entkräftet worden. Sie hätten die wissenschaftliche
Integrität des Berichts bestätigt. Leimgruber sagt: «Ich habe keine
Zensur erlebt. Es gab kritisches Feedback, aber gutes Feedback. Es ging
darum, Fehler zu vermeiden». Die inhaltlichen Vorwürfe Kellers seien
erst im Mai 2020 erhoben worden, mehrere Monate nach dessen Ausstieg
aus dem Projekt.
Ganz anders sieht es Erich Keller. Er schreibt auf Anfrage der NZZ,
auch die Gutachter hätten festgestellt, dass es zur Einflussnahme beim
Forschungsbericht gekommen sei und dass das Forschungsprojekt nicht
institutionell unabhängig habe durchgeführt werden können. «Auch halten
die Gutachter fest, dass es richtig von mir war, mich gegen diese
Eingriffe zu wehren. Hätte ich dies nicht getan, würden wir im Bericht
die Begriffe Freikorps oder Antisemitismus nicht lesen.»
Keller hält zwar fest, mit dem Forschungsbericht erfahre man einiges
über den Akteur Emil Bührle und über die Rolle der wirtschaftlich
erfolgreichen und politisch mächtigen Rüstungsindustrie während des
Kalten Krieges. Ungenügend herausgearbeitet sei der Bericht aber in der
Frage der Kunstsammlung. «Ohne den Zweiten Weltkrieg gäbe es keine
Sammlung Bührle. Der Krieg machte Bührle zum reichsten Schweizer – und
er spülte diejenigen Kunstwerke auf den Markt, die Bührle mit seinen
unbegrenzten Geldmitteln kaufen konnte.»
Auch das Kunsthaus Zürich würde, schreibt Keller, in seiner heutigen
Form nicht existieren ohne die Profitmaschine Rüstungsindustrie. Hier
müsse endlich mehr als nur das Minimum getan werden. «Wer diese
Kunstsammlung übernimmt, übernimmt auch Verantwortung. Dieser müssen
sich die Stadt und das Kunsthaus viel deutlicher stellen, als dies
bisher der Fall gewesen ist.»
6) Wie geht es weiter?
Sowohl die Universität als auch Stadtpräsidentin Corine Mauch und
Regierungsrätin Jacqueline Fehr haben an der Pressekonferenz erklärt,
dass der vorliegende Bericht die Grundlage für weitere
Forschungsarbeiten sein solle. Mauch umriss zudem auch die Erwartungen
an das Kunsthaus, in dem die Kunstsammlung zu sehen sein wird. «Wir
wollen, dass diese Sammlung in den Kontext ihrer Entstehung gesetzt
wird, wenn sie ins Kunsthaus kommt», sagte Mauch. Das sei nun aber
Aufgabe des Kunsthauses. «Wir haben die Erwartung klar formuliert und
werden sehr genau verfolgen, wie sie umgesetzt wird.»
Auch Erich Keller bleibt nicht untätig. Im nächsten Frühjahr will er
ein Buch veröffentlichen, das sich ausgehend von der Geschichte der
Sammlung Bührle kritisch mit Themen wie Provenienz, Fluchtgut und
Erinnerungspolitik beschäftigt. Der Titel lautet: «Das kontaminierte
Museum».
(https://www.nzz.ch/zuerich/waffenhaendler-buehrle-uni-zuerich-legt-umstrittenen-bericht-vor-ld.1587259)