Fadenscheinige Aufarbeitungen, Kriminalisierung Betroffener, Terrorismus als Abschottungsvorwand

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Rückblick auf eine Woche voller Rassismus: Antimuslimischer Schulterschluss gegen „islamistischen Terrorismus“ | Griechische Behörden kriminalisieren Vater eines ertrunkenen Jungen | Lamorgese will Push-backs an tunesische Küstenwache auslagern | Europäische Grenzpolitik überlässt über 100 Menschenleben dem Mittelmeer | Strafanzeige gegen Mario Fehr bleibt folgenlos | Veröffentlichte Studie zu Polizeigewalt in Deutschland, erfolgreiches Gerichtsurteil gegen Racial Profiling in Hamburg, Gesetz in Frankreich könnte die Verbreitung von Filmaufnahmen von Polizistinnen unter Strafe stellen | Deutschland nimmt Sammelabschiebungen nach Afghanistan wieder auf | Pushbacks in der Ägäis und am Grenzfluss Evros, EU-Kommission befragt Frontex-Chef Leggeri | Ja zur Züri City Card I Migrantische Arbeiterinnen in Sizilen liefern durch Direktbezug in die Schweiz | Senegal: Aktivist*innen rufen nationalen Trauertag aus, um der Menschen zu gedenken, die auf dem Weg zu den Kanarischen Inseln ertrunken sind | Credit Suissse kassiert Farbangriff für Investitionen in die türkische Panzerproduktion

Die Wochenschau als Podcast

Was ist neu?

Antimuslimischer Schulterschluss gegen „islamistischen Terrorismus“
Nach den islamistischen Attentaten fordern europäische Herrschende die Zunahme von verdachtsunabhänigen Kontrollen, die letztlich nur zu antimuslimischem Racial Profiling führen werden. Somit werden alle Menschen kriminalisiert, die in dieses Raster fallen. Im Namen von Sicherheit und Demokratie sollen Behörden Menschen frei einschränken dürfen. Auch dann, wenn es nicht annähernd zu einem Urteil für islamistischen Gewaltextremismus bzw. Terrorismus reichen würde.
Um die Hetze gegen ein diffus gehaltenes antimuslimisches Feindbild zu diskutieren, trafen sich vergangene Woche der französische Präsident Macron und der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz in Paris. Gemeinsam fordern sie eine strengere Kontrolle der EU-Aussengrenze. Beide vermitteln das Bild eines angegriffenen Europas, das sie dringend besser schützen müssen. Die Gefahr von Aussen werde sonst unmittelbar zur Gefahr von Innen. Davon ist der österreichische Bundeskanzler Kurz überzeugt. Er sprach von “Tausenden ausländischen terroristischen Kämpfern. (…) Viele von ihnen sind im Gefängnis. Einige von ihnen sind bereits freigelassen worden, und die traurige Wahrheit ist, dass viele von ihnen in den kommenden Jahren freigelassen werden. Sie sind Zeitbomben, und wenn wir unsere gesamte Freiheit schützen wollen, müssen wir die Freiheit dieser Menschen einschränken”.
Ähnlich wie in der Schweiz wird nun europaweit die präventive Verfolgung und Bestrafung von sogenannten „Gefährder*innen“ – Personen, die kein gewaltextremistisches Delikt begangen haben, doch in den Augen der Behörden dazu neigen könnten – vorangetrieben. Das Strafrecht, das nach einer Verurteilung bestraft, soll durch eine präventives Strafrecht ersetzt werden, das straft, obwohl kein Urteil vorliegt.
Wohl weil sich Macron und Kurz rasch einig waren, hielten sie anschliessend noch eine Telefonkonferenz mit anderen herrschenden Europäer*innen ab. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel meinte, dass “dies kein Kampf des Christentums gegen den Islam sei, sondern die Notwendigkeit eines demokratischen Gesellschaftsmodells zur Bekämpfung terroristischen und antidemokratischen Verhaltens”. Der niederländische Premierminister Mark Rutte sprach vom «Kampf zwischen Zivilisation und Barbarismus». Mitdiskutiert haben auch der Präsident des Europäischen Rates Charles Michel und die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen. Doch niemand kritisierte das Gerede vom Angriff oder gar vom Krieg der eindeutig „gefährlichen Bösen“ gegen die eindeutig „Guten“. Macron versprach konkretisierte Vorschläge, die er dem Europarat am 10. Dezember unterbreiten werde.
https://www.srf.ch/news/international/allianz-gegen-terrorismus-macron-und-kurz-wollen-strengere-kontrolle-der-eu-aussengrenzen
https://www.srf.ch/play/radio/echo-der-zeit/audio/oesterreich-aktivismus-im-kampf-gegen-den-terror?id=15bd548e-de1d-4c2d-b741-2912ba76ede9
https://www.24heures.ch/macron-appelle-a-une-reponse-rapide-contre-le-terrorisme-263716192011
https://netzpolitik.org/2019/der-begriff-des-gefaehrders-hat-immer-auch-eine-rassistische-komponente/

Griechische Behörden kriminalisieren Vater eines ertrunkenen Jungen
Am vergangenen Wochenende ertrank der 6-jährige Yahya auf der Flucht von der Türkei auf die griechsiche Insel Samos. Im Schutz der Nacht versuchten 25 Menschen, sich nach Europa zu retten. Ihr Boot schlug kurz vor der Küste an einen Felsen und kenterte. Dem empfangenen Notruf folgte erst Stunden später eine Aktivität der griechischen Küstenwache. Bis dahin ist der Junge in der Ägais ertrunken, wurde dem Ertrinken überlassen. Er wurde an den Strand der Insel gespült.
Was dann folgt, ist die nächste grosse Steigerung an Grausamkeit gegenüber Flüchtenden. Der Vater des verstorbenen Jungen, Nadir, wird von der griechischen Polizei verhaftet. Ihm wird vorgeworfen, seinen Sohn unnötigen Gefahren ausgesetzt zu haben. Ihm drohen bis zu zehn Jahre Haft. Damit statuieren die griechischen Behörden ein Exempel. Es ist eine weitere Gewalttat gegen geflüchtete Menschen, ein weiterer Akt zur Abschreckung, ein direkter Angriff auf das Recht, Asyl zu beantragen. Ein Hohn gegen die Menschen, die durch die europäische Stacheldrahtpolitik auf diese lebensgefährlichen Fluchtrouten gezwungen werden, um Schutz zu finden. “Man könnte den Vorwurf der Fahrlässigkeit verstehen,” sagt Nadirs Anwalt, “wenn ein Vater seinen Sohn trotz eines Unwetters für einen Angelausflug mit aufs Meer genommen hätte, aber doch nicht bei Flüchtenden.”
Ebenfalls festgenommen wurde der Mensch, der als Bootsführer gelesen wurde. Er wird wegen Menschenschmuggels angeklagt werden.
https://www.spiegel.de/politik/ausland/haft-nach-bootsunglueck-in-der-aegaeis-flucht-als-verbrechen-a-59f796dd-f012-4b06-97ed-7d5b50804555?fbclid=IwAR2Q-u2_8rB4Y6S28IOto1P–3KFtl07DJUy65cTLSGNkTJMrNX9q55JNa4https://aegeanboatreport.com/blog-posts/

Lamorgese will Push-backs an tunesische Küstenwache auslagern

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Italienische Innenministerin Luciana Lamorgese (r) und französischer Innenminister Gerald Darmanin (l)

Während weiterhin Menschen im Mittelmeer sterben, macht Italien sich daran, sich elegant dem Vorwurf illegaler Pushbacks nach Tunesien zu entziehen. Die Idee von Innenministerin Lamorgese ist es, italienische Schiffe und Flugzeuge vor der tunesischen Küste zu stationieren, die wiederum Boote mit Flüchtenden an die tunesische Küstenwache melden. Diese sollen die Migrant*innen schliesslich nach Tunesien zurückschaffen, sodass sich Italien selbst nicht die Finger schmutzig macht und juristisch nicht angreifbar ist. Ein populistisch gut platziertes Argument für die Abschottung gegen Tunesien ist der Anschlag von Nizza, dessen Täter von dort über Italien nach Frankreich gelangt war. Migrationsabwehr getarnt als Schutz vor Terrorismus, womit in einem Satz tausende Menschen auf der Flucht mit einem islamistischen Gewalttäter in einen Topf geworfen werden. Tunesien muss diesem Vorhaben, das natürlich wieder an sogenannte Wirtschaftshilfen aus Europa gekoppelt ist, noch zustimmen.
Der Plan wird von Frankreich unterstützt. Die Zusammenarbeit zwischen Italien und Frankreich bei der Grenzkontrolle betrifft auch ein weiteres Projekt, das nun in eine sechsmonatige Testphase starten soll. An der italienisch-französischen Grenze soll in Bardonecchia ein Grenzpolizeibüro eröffnet werden. Natürlich nur gegen “Terrorismus und illegale Einwanderung”, wie der französische Innenminister Darmanin betont, nicht gegen die Personenfreizügigkeit für Europäer*innen und den freien Warenverkehr.
https://ffm-online.org/navi-e-aerei-davanti-la-tunisia-per-fermare-le-barche-dei-migranti/
https://www.infomigrants.net/en/post/28404/ships-airplanes-to-search-for-migrant-boats-off-tunisia

Europäische Grenzpolitik überlässt über 100 Menschenleben dem Mittelmeer
Es gehen Bilder um die Welt von einem sechsjährigen Jungen auf einem Schlauchboot, dessen Mutter gerade ertrunken ist. Es gingen die Bilder einer schreienden Mutter um die Welt, deren sechsmonatiges Baby gerade gestorben war. Über einhundert Menschen verloren in der vergangenen Woche ihr Leben auf der Flucht über das Mittelmeer. Es ist kaum zu überblicken, wie viele Boote kenterten und auch, wie viele Todesfälle ohne Zeug*innen blieben. Bei unzähligen Abfahrten vor allem aus Libyen treffen die Menschen auf ein Europa, das weg sieht. Eines der am besten überwachten Gebiete der Welt, voller Frontex-Flugzeuge und Militärschiffe – aber niemand da, um zu handeln, sollte ein Boot in Seenot geraten. In vielen Fällen hat das Alarmphone versucht, Rettung zu organisieren. Keine Antwort der zuständigen Stellen. Keine staatliche Seenotrettungsmission, die zur Stelle ist. Dafür eine blockierte zivile Rettungsflotte, von der einzig die Open Arms im Einsatz war. Sie hat in drei Rettungseinsätzen über 250 Menschen aus Seenot geholt. Sechs Menschen, darunter die Mutter des sechsjährigen Bangaly und der halbjährige Yusuf Ali Kanneh, konnten nur noch tot geborgen werden.
https://taz.de/Flucht-ueber-das-Mittelmeer/!5728330/
https://www.derbund.ch/mindestens-74-menschen-bei-bootsunglueck-vor-libyen-ertrunken-761009211232
https://www.infomigrants.net/en/post/28474/six-migrants-dead-after-boat-capsizes-off-libya

Kopf der Woche

Strafanzeige gegen Mario Fehr bleibt folgenlos

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Es war eine Eskalation mit Ansage, was sich vor einigen Wochen in der Notunterkunft (NUK) Urdorf zugetragen hat. Unter den Bewohnenden der Unterkunft für abgewiesene Geflüchtete kam es Anfang Oktober zu einem umfangreichen Corona-Ausbruch. Innert weniger Tage wurden im jahrzehntealten Luftschutzbunker, der vom Kanton Zürich als Massenschlag für mehrere Dutzend geflüchtete Menschen genutzt wird, insgesamt 16 Covid-19-Fälle registriert. Das entspricht fast der Hälfte der im Bunker lebenden Menschen. Den Behörden blieb daraufhin nichts anderes übrig, als den Bunker vorübergehend zu räumen und die gut 35 betroffenen Menschen in ein temporäres Ersatzquartier nach Zürich zu bringen.

Apelle verhallten wirkungslos

Zu dem Zeitpunkt hatten Bewohnende und solidarische Menschen die kantonalen Verantwortlichen bereits seit Monaten lautstark darauf hingewiesen, dass unter den engen Platzverhältnissen im Bunker an eine Einhaltung der Schutzmassnahmen nicht zu denken sei. Doch während die Politiker*innen in der Öffentlichkeit stets betonten, dass in der Pandemie alle im gleichen Boot sässen, zeigten weder das Migrations- noch das Gesundheitsamt eine nennenswerte Reaktion. Lange vor dem Corona-Ausbruch im Bunker reichten deshalb im letzten Mai die Vereine «Solidarité sans Frontières» und «Demokratische Juristinnen und Juristen Schweiz» sowie Bewohnende aus den verschiedenen Notunterkünften im Kanton Zürich eine Strafanzeige gegen die Verantwortlichen beim Kanton ein. Ihr Vorwurf: Dadurch, dass die Behörden während der gesamten ersten Pandemie-Welle keine Anstalten machten, den beengten und hygienisch desolaten Verhältnissen in den Notunterkünften ein Ende zu bereiten, setzten diese die Gesundheit der dort wohnenden Menschen auf grob fahrlässige Weise aufs Spiel.

Untersuchung wird zur Farce

Im Zentrum der Vorwürfe stand dabei der zuständige Regierungsrat und Vorsteher des kantonalen Migrationsamtes, Mario Fehr. Der SP-Politiker, der sich mit seinem rassistischen und repressiven Umgang gegenüber abgewiesenen Geflüchteten längst einen Namen gemacht hat (mehr dazu weiter unten), bezeichnete die Vorwürfe erwartungsgemäss als Fake News. Wie in der Vergangenheit schon des Öfteren, beschönigte Fehr die Zustände in den Notunterkünften haltlos und versicherte sogar allen Ernstes, der Schutz der Bewohnenden sei gewährleistet.
Fünf Monate später müssen wir feststellen, dass nicht nur Mario Fehr die Fakten unter den Tisch kehren will. Wie Anfang Woche bekannt wurde, sieht die Staatsanwaltschaft keinen Anlass für eine Schuld des SP-Regierungsrates und seiner Entourage von Kaderbeamt*innen im Migrationsamt. Grundlage dieser Einschätzung sind absolut unbrauchbare Abklärungen, die sich hauptsächlich auf eine Stellungnahme von Mario Fehr selbst stützen. Die Geschäftsleitung des Kantonsrats, die in diesem Fall entscheidende Instanz ist, hat diese glasklar politisch motivierte Einschätzung nun völlig unkritisch übernommen und dementsprechend entschieden, gar nicht erst auf die Anklage einzutreten.
Gefährdung ist politisch gewollt
Für die Menschen in den Nothilfeunterkünften ist dieser Entscheid nicht nur eine schallende Ohrfeige. Er kommt schlichtweg einer moralischen Bankrotterklärung gleich. Denn dass Staatsanwaltschaft und Parlamentsleitung gar nicht erst auf die Vorwürfe eingetreten sind, obwohl die 70 Seiten starke Anklage mit einer juristisch fundierten Begründung aufwartet und der Vorwurf der mutwilligen Gefährdung durch den Corona-Ausbruch vor wenigen Wochen in der Realität bestätigt wurde, macht deutlich: Es ist offensichtlich politisch gewollt, dass die Isolation und Zermürbung von Menschen mit abgewiesenem Asylgesuch selbst dann Priorität hat, wenn das die körperliche Gesundheit der betroffenen Menschen direkt aufs Spiel setzt. Dazu passt, dass während der Hochphase der ersten Pandemie-Welle die schikanierende Unterschriftenregel angepasst wurde. Statt zwei Mal täglich mussten die Menschen in den Notunterkünften nun nur noch einmal in der Woche ihre Anwesenheit mittels Unterschrift bestätigen. Aus dem einfachen Grund, dass es dem Kanton als Auftraggeber offensichtlich zu heikel war, die dafür zuständigen Mitarbeitenden der privaten Sicherheitsfirma ORS jeden Tag dem Ansteckungsrisiko der beengten Unterkünfte auszusetzen. Die Anfälligkeit der Unterkünfte als Übertragungs-Hotspot war den Verantwortlichen also von Anfang an vollkommen bewusst.
Trotzdem haben die Verantwortlichen des kantonalen Migrationsamts dafür gesorgt, dass inzwischen wieder alle Bewohnenden der NUK Urdorf ihr räumlich besser ausgestattetes Zwischenquartier in Zürich verlassen und in den Bunker in Urdorf zurückkehren mussten. Auch die Unterschrift zweimal täglich wird wieder eingefordert. Damit lassen es die Behörden tatsächlich darauf ankommen, dass sich im Laufe des noch langen Winters womöglich auch noch die andere Hälfte der Bewohnenden mit dem Virus infiziert.

Nur die Spitze des Eisbergs

Die geschilderten Vorgänge zeigen auf, dass die Behörden des Kantons Zürich nicht mit-, sondern hauptverantwortlich für die desolaten Lebensbedingungen von abgewiesenen Geflüchteten sind. Die erschreckende Behandlung der Menschen in den Notunterkünften während der Corona-Pandemie ist dabei nur die Spitze des Eisbergs. Die Kantone und der Bund haben in den letzten Jahren immer mehr Instrumente eingeführt, mit denen der Alltag der betroffenen Menschen weiter erschwert wird: Die Praxis der Eingrenzung, die Beschränkung der finanziellen Unterstützung auf die völlig ungenügende Nothilfe, der Status des «illegalen Aufenthalts», durch den die Menschen selbst in ihrer Unterkunft jederzeit willkürlich verhaftet werden können, die jahrelangen Haftstrafen infolge aufenthaltsrechtlicher Vergehen, die Begrenzung der medizinischen Versorgung auf absolute Notfälle, die Gewalt und Willkür durch das Personal in den Unterkünften.

Gemeinsam für die Bunkerschliessung!

Die Liste der tiefgreifenden Rechtsverletzungen, die den rund 7’000 geflüchteten Menschen mit negativem Asylentscheid in der Schweiz tagtäglich widerfahren, ist viel zu lang und einer solidarischen Gesellschaft nicht würdig. Es braucht die Zivilcourage von allen, damit sich daran etwas ändert. Die Unterstützung von Kämpfen, die von den Betroffenen selbst geführt werden, ist dabei eine besonders wertvolle Möglichkeit, um im Kampf gegen das repressive Migrationsregime und das dahinter liegende rassistische und nationalistische Gedankengut in die Offensive zu gehen. Der von Geflüchteten und solidarischen Menschen gemeinsam getragene Einsatz für die Schliessung des Bunkers Urdorf kann dafür ein lokaler Ansatzpunkt sein.
https://www.tagesanzeiger.ch/strafanzeige-gegen-mario-fehr-bleibt-folgenlos-877157267834
-> https://al-zh.ch/artikel/news/strafanzeige-gegen-mario-fehr-geschaeftsleitung-des-kantonsrates-verhindert-vertiefte-abklaerung/
-> https://www.zsz.ch/staatsanwaltschaft-entlastet-regierungsrat-mario-fehr-448642533508


Was ist aufgefallen?

Veröffentlichte Studie zu Polizeigewalt in Deutschland, erfolgreiches Gerichtsurteil gegen Racial Profiling in Hamburg, Gesetz in Frankreich könnte die Verbreitung von Filmaufnahmen von Polizist*innen unter Strafe stellen
Der Kriminologie-Professor Tobias Singelnstein und die Forscherinnen Laila Abdul-Rahman, Hannah Espín Grau und Luise Klaus von der Ruhr-Uni Bochum haben gemeinsam mit dem Mediendienst Integration den Zwischenstand einer Studie zu „Rassismus und Diskriminierungserfahrungen im Kontext polizeilicher Gewaltausübung“ veröffentlicht. Bei einer Online-Pressekonferenz erläuterten sie die Befragung von über 3.000 Betroffenen von Polizeigewalt, die sich per anonymem Online-Formular hatten melden können. Zudem hatten sie knapp 65 qualitative Interviews mit Polizist*innen, Staatsanwält*innen, Anwält*innen und Vertreter*innen von Opferberatungsstellen geführt. Hierbei wurden mehrere Dinge deutlich:
1. Die Diskriminierungserfahrung von Menschen mit Migrationsgeschichte und von BIPoC (Black Indigenous and People of Color) ist deutlich höher als die von Menschen ohne Migrationsgeschichte oder weissen Menschen. So gaben 48 Prozent der befragten BIPoC an, das Verhalten der Polizei ihnen gegenüber habe mit der Zuschreibung ihrer Herkunft zu tun gehabt, hingegen nur 3 Prozent der weissen Menschen. Andere Formen der Diskriminierung, die abgefragt wurden, beinhalteten Geschlecht, Bildungsstand, sexuelle Identität sowie den finanziellen oder sozialen Status. Auch aufgrund dieser Kategorien gaben 61 Prozent der BIPoC an, von Polizei-Beamt*innen diskriminiert worden zu sein. Deutlich mehr als die 31 Prozent der weissen Menschen, die Angaben dazu machten.
2. Die psychologischen Folgen der Diskriminierungserfahrung sind für BIPoC stärker als für weisse Menschen. Vermutlich aufgrund der Mehrfachbelastung durch die gesamtgesellschaftliche rassistische Diskriminierung.
3. 80 Prozent der BIPoC gaben an, bereits mehr als einmal von Polizei-Beamt*innen diskriminierend behandelt worden zu sein.
4. Verdachtsunabhängige Kontrollen spielen hierbei eine besondere Rolle. Personenkontrollen ohne erkennbaren Anlass treffen vor allem BIPoC. Der Ausdruck hierfür lautet Racial Profiling. Weisse Menschen gaben hingegen an, vor allem bei Grossveranstaltungen oder im Umfeld von Schlägereien oder Ruhestörungen kontrolliert worden zu sein.
5. Mehr als ein Viertel (28 Prozent) der befragten BIPoC und 14 Prozent der befragten weissen Menschen gaben an, Gewalt erfahren zu haben. 21 Prozent der BIPoC gaben an, die Polizei hätte sich daraufhin geweigert ihre Anzeige anzunehmen, bei den weissen Personen haben 10 Prozent die gleiche Erfahrung gemacht.
6. Polizei-Beamt*innen stufen ihr eigenes Verhalten häufig nicht als rassistisch ein. Das kreiere laut Singelnstein eine „Wahrnehmungsdiskrepanz“, die „Verständigung schwierig“ macht.
Der Anwalt Blaise Francis El Mourabit, der ehrenamtlich Betroffene von Polizeigewalt und Rassismus berät, sagte während der Pressekonferenz, autoritäres und respektloses Verhalten von Polizei-Beamt*innen gegenüber BIPoC und dass diese einfach geduzt würden, sowie das Vorenthalten von rechtlichen Informationen zu Personenkontrollen seien an der Tagesordnung. Singelnstein gab an, Rassismus im Polizeiapparat sei ein strukturelles Problem. Rassistische Vorurteile würden durch die Sozialisation der Beamt*innen im Apparat, der „Binnenkultur“ und der Art des Umgangs mit Fehlern gefördert. Es gebe zwar einerseits „unbewusste Stereotype“, aber auch „bewusst rassistische Einstellungen und intendiert rassistisches Handeln“.
Er sagte zudem, die Studie sei zwar nicht repräsentativ, sie bilde vor allem die Perspektive der Betroffenen ab. Genau darum ginge es ihnen jedoch, da diese in der Forschung bisher zu kurz gekommen sei. Die Selbstauskunft der Betroffenen sei ausserdem sehr zuverlässig, schliesslich hätten sie regelmässig Erfahrung mit Rassismus. Dass die Perspektive der Betroffenen von (rassistischer) Polizeigewalt einmal mehr von der Polizei abgetan und nicht ernst genommen wird, zeigt die Reaktion des Bundesvorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft Rainer Wendt. Er bezeichnet die Studie als „üble Stimmungsmache“, die „angebliche Hinweise auf Rassismus in der Polizei“ liefern würde. Hier wird die Wahrnehmungsdiskrepanz sehr deutlich.
In Hamburg gab es hingegen ein Urteil zu Racial Profiling, nachdem Anani Kassim (Name geändert) vor dem Hamburger Verwaltungsgericht klagte. Er war im Stadtteil St. Pauli unzählige Male Opfer von Racial Profiling geworden. Letzte Woche bekam er Recht. Das Gericht stufte die Personalienfeststellung als rechtswidrig ein. Die Hamburger Polizei wird somit ermahnt, aber ob sich tatsächlich etwas ändern wird, bleibt zweifelhaft. Die Befugnisse von Polizei-Beamt*innen werden im Gegenteil ausgeweitet. Zum einen wurde die deutsche Bundespolizei in Berlin, Frankfurt am Main und Kaiserslautern mit Tasern ausgestattet. Offiziell gehe es darum, den Einsatz von Schusswaffen zu vermindern, doch auch Taser können tödliche Waffen sein. In den USA gab es zwischen 2001 und 2016 mindestens 700 Tote durch den Einsatz von Tasern. Zum anderen wird nächste Woche in Frankreich über einen Gesetzesentwurf abgestimmt, der das Veröffentlichen und Verbreiten von Videoaufnahmen von Polizist*innen unter Strafe stellen könnte – mit einer Gefängnisstrafe von bis zu einem Jahr oder einer Geldstrafe bis zu 45.000 Euro. Vorausgesetzt, die Absicht dahinter sei „böswillig“ und könne der körperlichen und geistigen Unversehrtheit der gefilmten Beamt*innen schaden. Aber wie bitteschön will man diese Absicht erkennen? Und wer entscheidet darüber, wann diese Absicht vorhanden ist? In Deutschland greifen Polizei-Beamt*innen gerne auf den Paragraph 201 des Strafgesetzbuches zurück: die „Vertraulichkeit des nichtöffentlich gesprochenen Wortes“, um zu verhindern, dass sie gefilmt werden. So werden in Bezugnahme auf den Artikel Handys weggenommen und beschlagnahmt und Anzeige gegen die Filmenden erstatten. Ach Welt, dein Polizeiproblem!
https://www.zeit.de/hamburg/2020-11/racial-profiling-prozess-polizei-klage-schwarzer-hamburg
https://www.spiegel.de/panorama/justiz/studie-zu-polizeigewalt-polizei-erkennt-eigenen-rassismus-oft-nicht-forscher-warnen-a-8d7a05fc-d1f5-4a2a-a21c-14740011ed73
-> https://www.jungewelt.de/artikel/390295.rassismus-r%C3%BCck-lieber-gleich-die-drogen-raus.html
-> https://www.neues-deutschland.de/artikel/1144308.studie-zu-polizeigewalt-hautfarbe-entscheidend.html
-> https://www.dpolg.de/aktuelles/news/angebliche-studie-zu-rassismus-bei-der-polizei-ist-stimmungsmache/
-> https://www.nw.de/nachrichten/nachrichten/22897223_Studie-liefert-Hinweise-auf-rassistische-Polizisten.html
-> https://www.tagesspiegel.de/politik/diskriminierung-durch-die-deutschen-polizei-nicht-weisse-werden-doppelt-so-haeufig-kontrolliert-wie-weisse/26612150.html
-> https://taz.de/Studie-zu-Rassismus-in-der-Polizei/!5723836/
https://kviapol.rub.de
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1144188.taser-wie-vom-blitz-getroffen.html
https://www.jungewelt.de/artikel/390149.polizeigewalt-als-kleines-geheimnis-aufnahmen-unerw%C3%BCnscht.html
https://www.heise.de/tp/features/Frankreich-Keine-Bilder-mehr-von-Polizisten-und-Gendarmen-auf-sozialen-Netzwerken-4952312.html

Deutschland nimmt Sammelabschiebungen nach Afghanistan wieder auf

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Mitten in der Covid-19-Pandemie fängt die deutsche Regierung wieder an, Abschiebungen durchzuführen. Für heute, Montag, den 16. November ist eine Sammelabschiebung nach Afghanistan geplant. Das, obwohl Afghanistan von der Organisation Global Peace Index als das gefährlichste Land der Welt eingestuft wurde. Im ersten Halbjahr 2020 starben 1.282 Zivilist*innen in kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen dem IS und den US-Streitkräften. In der Hauptstadt Kabul, wohin die Menschen abgeschoben werden, wird zudem die Corona-Infektionsrate auf 50% geschätzt. Die Pandemie hat das ohnehin von Krieg zerrüttete Land wirtschaftlich weiter geschwächt. Steigende Lebensmittelpreise und erschwerter Zugang zu Arbeit und Wohnraum sind die Folge. Dass die afghanische Regierung der Sammelabschiebung erneut zustimmt, nachdem sie in Folge der Pandemie um eine Aussetzung von Abschiebungen gebeten hatte (die letzte Ausschaffung von Deutschland nach Afghanistan fand am 11. März 2020 statt), könnte damit zusammenhängen, dass am 23./24. November eine Konferenz stattfindet, bei der konkrete Geldzusagen für Afghanistans Entwicklungsfinanzierung für den Zeitraum 2021–2024 verhandelt werden. Seit Beginn der Sammelabschiebungen im Dezember 2016 wurden insgesamt 907 Menschen von Deutschland nach Afghanistan abgeschoben.
Ende Oktober waren bereits zehn Männer im Alter von 24 bis 58 von München, Deutschland, nach Addis Ababa, Äthiopien, in einem von Frontex gecharterten Flugzeug abgeschoben worden.
https://www.proasyl.de/news/mitten-in-der-pandemie-drohende-wiederaufnahme-von-abschiebungen-nach-afghanistan/
https://www.infomigrants.net/en/post/28309/germany-deports-ethiopian-asylum-seekers

Pushbacks in der Ägäis und am Grenzfluss Evros, EU-Kommission befragt Frontex-Chef Leggeri
Der Verein Mare Liberum veröffentlichte letzte Woche Informationen bezüglich der illegalen Push-Backs in der Ägäis. Demzufolge wurden seit März 2020 mindestens 8.521 Menschen in 266 Push-Backs illegal von Griechenland in die Türkei zurückgeschleppt oder so blockiert, dass sie griechische Gewässer nicht erreichen konnten. Zudem vermutet der Verein eine hohe Dunkelziffer, da viele geflüchtete Menschen, die sich mit ihren Erfahrungen an die Öffentlichkeit gewandt haben, verhaftet oder schikaniert wurden. Auch ist die griechische Küstenwache besonders sorgfältig damit, geflüchteten Menschen ihre Telefone abzunehmen, sodass diese keine Informationen weitergeben können. Hinzu kommt, dass in den Grenzzonen keine zivilen Zeug*innen präsent sind und die Möglichkeiten der Dokumentation durch die Militarisierung der Grenzzonen erschwert werden.
Nicht nur in der Ägais finden Push- und Pull-Backs statt, sondern auch am Grenzfluss Evros. So wurden am 7. November ungefähr siebzig Menschen ohne Wasser und Nahrung von der griechischen Küstenwache auf einer Insel im Fluss ausgesetzt. Sie werden sowohl von griechischen als auch von türkischen Grenz-Soldat*innen davon abgehalten, die Insel zu verlassen, u.a. mit scharfer Munition. Vor dem Push-Back waren die Menschen 24h in griechischer Polizeigewahrsam gewesen, wo ihnen Wasser und Nahrung verwehrt wurde. Bereits im Mai war ein Minderjähriger auf der Insel ausgesetzt worden, der heute als vermisst gilt und tot geglaubt wird. Er hatte seine Mutter ein letztes Mal von der Insel aus kontaktiert. Auch im Juli wurde eine Gruppe von Menschen auf der Flucht auf der Insel ausgesetzt. Die Insel befindet sich in jenem Gebiet, in welchem auch Frontex-Beamt*innen eingesetzt werden.
Dass in die Praxis der Push-Backs auch die europäische Grenzschutz-Agentur Frontex involviert ist, wurde in mindestens sechs Fällen belegt. Die griechischen Behörden und Frontex decken sich jedoch gegenseitig. Zuerst wies Frontex die Verantwortung von sich und leitete die Vorwürfe einfach an die griechischen Behörden weiter. Diese leiteten schliessliche eine interne Untersuchung gegen die griechische Küstenwache ein. Die griechische Regierung leugnet jedoch seit Anbeginn der Anschuldigungen beharrlich die Existenz von Push-Backs – obwohl diese vielfach dokumentiert sind. So war es auch kein Wunder, dass bei den Untersuchungen nichts herauskam. Frontex-Chef Fabrice Leggeri äusserte sich daraufhin in einem Interview, nach der Untersuchung der griechischen Behörden seien seine Zweifel ausgeräumt. Dass auch eine Untersuchung der Frontex-internen Dokumente wenig bringen könnte, legen vertrauliche Aussagen von Frontex-Beamt*innen nahe. Sie würden Berichte schönen, bevor diese an die Frontex-Zentrale in Warschau weitergeleitet werden. Die deutsche Regierung räumte auf Nachfrage der Linken zumindest ein, dass deutsche Frontex-Beamt*innen im Mai 2020 untätig zusahen, wie die griechische Küstenwache gemeinsam mit der türkischen Küstenwache einen Pull-Back organisierte. Es wurden jedoch keine Konsequenzen daraus gezogen. Die ersten Schritte, die von Frontex aufgrund der Vorwürfe eingeleitet wurden, sind, eine Kommission zu gründen, die sich mit rechtlichen Fragen zu Einsätzen an den Seegrenzen beschäftigt. Eine klägliche und vage Massnahme. Zudem solle der Fundamental Rights Officer gestärkt werden.
Alle Untersuchungen verbleiben jedoch wieder einmal in der Behörde und die internen Überwachungsmechanismen sind extrem begrenzt. (zu einer Übersicht über den Aufbau der Frontex-Behörde und ihre unzureichenden Kontrollinstanzen s. antira-Wochenschau vom 24. August 2020. In dem Statement von Frontex werden Menschenrechtsverletzungen nicht mit einem Wort erwähnt und es werden auch keine klaren Massnahmen aufgezeigt, wie diese in Zukunft verhindert werden sollen. Vielleicht liegt das daran, dass Frontex schlicht und einfach kein Interesse daran hat, Menschenrechte zu schützen. Schliesslich ist ihr Hauptziel, Menschen davon abzuhalten, Europa zu erreichen. Und für die Umsetzung dieses Zieles sind ihnen alle Mittel recht. Am nächsten Dienstag wird sich Frontex-Chef Leggeri ein weiteres Mal vor der EU-Kommission verantworten müssen. Dass hierbei etwas von Belang herauskommen wird, ist fraglich. Schliesslich fliessen jährlich Milliarden an EU-Geldern in die Grenzschutz-Agentur. Die einzig mögliche Forderung lautet: Frontex abschaffen!
https://www.spiegel.de/politik/ausland/pushback-vorwuerfe-eu-kommission-stellt-frontex-chef-fabrice-leggeri-ultimatum-a-6218b87d-21ec-4788-b73a-2ac07a0257e9?sara_ecid=soci_upd_KsBF0AFjflf0DZCxpPYDCQgO1dEMph
https://www.heise.de/meinung/Best-of-Informationsfreiheit-Frontex-Eine-EU-Agentur-ausser-Kontrolle-4950661.html
https://mare-liberum.org/en/news/the-daily-horror-of-pushbacks/
https://www.statewatch.org/news/2020/november/pullback-to-turkey-organised-by-greek-official-on-german-boat-as-part-of-frontex-operation/
https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/illegale-rueckueberweisung-von-migranten?urn=urn:srf:video:b660fde7-1a15-4bfa-a374-9aa773d99e90
https://www.josoor.net/post/breaking-pushed-back-and-abandoned-on-island-in-middle-of-evros

Was war eher gut?

Ja zur Züri City Card

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Nach zweijähriger Beratung zur Züri City Card hat der Stadtrat entschieden, diese einzuführen. Geschätzt leben 10’000 Menschen ohne Aufenthaltsstatus in Zürich. Viele von ihnen leben unter prekären Bedingungen, weil sie ihre Grundrechte nicht wahrnehmen können. Menschen ohne die richtigen Papiere können – wenn sie betroffen von Gewalt, Diskriminierung oder Ausbeutung sind – keine Anzeige erstatten und sich nur unter schwierigen Bedingungen ärztlich behandeln lassen. Zudem leben viele in ständiger Angst, von der Polizei kontrolliert und in der Folge inhaftiert oder ausgeschafft zu werden. Der Verein Züri City Card forderte deshalb im Herbst 2018 eine städtische Identitätskarte. Mit dieser Züri City Card sollten sich alle Zürcherinnen und Zürcher ausweisen können, auch Menschen ohne Aufenthaltsbewilligung. Der Stadtrat verfolgt dabei das Konzept einer Urban Citizenship, in der alle hier lebenden Menschen ungeachtet ihrer individuellen Voraussetzungen am öffentlichen Leben teilhaben und von den städtischen Dienstleistungen und Angeboten profitieren sollen.
Grundlage für den Entscheid des Stadtrates bilden unter anderem zwei von ihm in Auftrag gegebene Rechtsgutachten der Universität Zürich. Die Rechtsexpert*innen halten darin fest, dass die Einführung einer Züri City Card weder Bundes- noch kantonalem Recht widerspricht. Sofern die Züri City Card notwendige Angaben wie beispielsweise Name, Geburtsdatum und Foto enthält, reiche sie der Stadtpolizei zur Identitätsfeststellung und kann deshalb künftig bei Polizeikontrollen vorgewiesen werden. Davon ausgenommen ist die Kantonspolizei, auch wenn diese auf städtischem Boden operiert (beispielsweise am Hauptbahnhof Zürich). Die Stadtpolizei kann zudem auch zukünftig «ausländerrechtliche» Kontrollen durchführen, braucht dafür aber einen Tatverdacht. Dieser ist bei Vorweisen einer Züri City Card nicht gegeben.
Mit einem solchen Stadtausweis kann sich die Lebenssituation der betroffenen Menschen mitunter erheblich verbessern, weil sie ihre Identität und den Wohnsitz auch gegenüber Behörden nachweisen können. Die Rechtsgutachten zeigen weiter, dass es somit auch für andere Städte problemlos möglich wäre, eine solche Identitätskarte einzuführen, um Menschen ohne die richtigen Papiere wenigstens in gewissen Bereichen Zugang zu Dienstleistungen zu ermöglichen, die ihnen bisher verwehrt werden.
Der Aufenthaltsstatus wird durch die City Card nicht legalisiert. Insbesondere verhindert der Stadtausweis nicht, dass bei Polizeikontrollen möglicherweise der Aufenthaltsstatus abgeklärt wird. Die jederzeit lauernde Gefahr einer Inhaftierung oder Ausschaffung bleibt bestehen. Der Ball liegt nun beim Gemeinderat, der über den Umsetzungsvorschlag des Stadtrates beraten und damit die rechtliche Grundlage einer Züri City Card schaffen muss.
https://www.zuericitycard.ch/stadtrat

https://www.stadt-zuerich.ch/prd/de/index/ueber_das_departement/medien/medienmitteilungen/2020/november/201111a.html

Was nun?

Migrantische Arbeiter*innen in Sizilen liefern durch Direktbezug in die Schweiz
Die Lage der migrantischen (Land)Arbeiter*innen in Italien und anderen Ländern Europas ist desaströs. Seit Jahren werden ihnen die grundlegendsten Rechte wie Zugang zu Wasser, angemessene Unterbringung oder Arbeitsverträge verwehrt. Die Olivenernte 2020 ist in vollem Gang, spätestens jetzt ist es Zeit, genauer hinzusehen.
Vor 10 Jahren gründete sich in Kalabrien SOS Rosarno, ein Projekt, das für bessere Bedingungen für alle Beteiligten wie den migrantischen (Land)Arbeiter*innen, Kleinbäuer*innen, den Kleinstproduzent*innen, den Illegalisierten kämpft. Auch sie wurden hart vom ersten Lockdown in Italien getroffen. Die geschlossenen Restaurants nahmen ihnen keine Waren mehr ab. Die Olivenölhersteller*innen hatten kein Geld mehr, um die Container zu kaufen, in denen sie das Öl verkaufen.
Diese Nachrichten erreichten im März die Schweiz. Dort setzten sich ein paar Menschen zusammen und gründeten die SolRosa Kampagne. Mittlerweile ist es ein Verein in Solidarität mit/für SOS Rosarno. 
Und nun ist der zweite Lockdown da. Kalabrien ist zur roten Zone erklärt worden. Deshalb läuft derzeit die mittlerweile dritte Bestellrunde – bis zum 22.11. können die Lebensmittel von SOS Rosarno bestellt werden. Mehr Infos siehe Links.
https://www.borderlinesicilia.it/de/monitoring/diakites-lektion/https://www.sosrosarno.org/chi-siamo.html
https://solirosarno.wordpress.com/2020/03/27/sos-rosarno/https://solirosarno.wordpress.com/2020/11/07/neue-bestellrunde/http://www.ilgirovago.com/selva-cronache-impero/

Wo gabs Widerstand?

Senegal: Aktivist*innen rufen nationalen Trauertag aus, um der Menschen zu gedenken, die auf dem Weg zu den Kanarischen Inseln ertrunken sind
“In den letzten Wochen sind mindestens 480 Menschen beim Versuch, vom Senegal aus die kanarische Küste zu erreichen, gestorben oder im Meer verschwunden. Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration stirbt auf 20 Personen, die es schaffen, auf den Inseln anzulanden, ein Mensch.” Die jüngsten Schiffsbrüche haben senegalesische Jugendliche und Aktivist*innen dazu veranlasst, einen nationalen Trauertag über soziale Netzwerke zu organisieren und dabei Hashtags wie #Senegalendeuil (Senegal in Trauer) oder #Whatshappeninginsenegal (Was ist los im Senegal?) zu verwenden. Sie wollen damit der Menschen gedenken, die ihr Leben auf See verloren haben und von Macky Sall, seit 2012 Präsident des Senegals, eine Lösung für die Zunahme der Migration unter senegalesischen Jugendlichen fordern.
Viele vor allem junge Menschen sehen im ausgebeuteten Senegal keine Perspektive. Der Fisch vor der Küste wird von grossen europäischen Flotten aus dem Meer gezogen. Die Lebensmittel kommen durch Zollabbau und europäische Subventionen aus dem Ausland, statt aus der lokalen Landwirtschaft. Vieles davon ist der Preis, um sogenannte “Entwicklungsgelder” aus Europa zu erhalten. Die Bevölkerung hat von diesen nichts. Wesentlich bedeutsamer für die Familien sind die Gelder aus der Diaspora, die aus Europa geschickt werden. Und so schrecken die 1.600 Kilometer lebensgefährlicher Weg in einem Holzkahn mit Aussenbordmotor über das offene Meer nicht ab, um die zu Spanien gehörenden kanarischen Inseln zu erreichen.
Auch im Senegal kam es, wie in Griechenland, zur Anklage eines Vaters, dessen 15-jähriger Sohn Mitte Oktober bei der Flucht auf die Kanaren starb.

No photo description available.
#Senegalendeuil

https://www.zeit.de/gesellschaft/2020-11/migration-kanarische-inseln-gefluechtete-afrika-spanien
https://www.infomigrants.net/en/post/28482/man-arrested-in-senegal-over-son-s-death-at-sea
https://www.youtube.com/watch?v=IeOYIoPPk9g&pbjreload=101

Credit Suissse kassiert Farbangriff für Investitionen in die türkische Panzerproduktion
Aktivist*innen zeigen sich mit Aktionen gegen die Credit Suisse solidarisch mit den Kämpfen in Rojava. In ihrem Communiquw heisst es: “Im Rahmen der internationalen Aktionswoche gegen den türkischen Faschismus und seine Expansions-Kriege, sowie insbesondere auch gegen die Unterstützung derselben durch europäisches Kapital, haben wir in der Nacht auf den gestrigen Donnerstag zeitgleich in Zürich und Winterthur die Credit Suisse angegriffen. Diese selbst nach Bankenstandards notorisch unmoralisch investierende Schweizer Grossbank, hat diesen Sommer durch eine 400-Mio-Dollar-Kreditlinie massgeblich dazu beigetragen, dass eines der wichtigsten Unternehmen der türkischen Panzer-Produktion, Hema Endüstri, nicht Konkurs anmelden musste. […] Immer wieder gab es in der jüngeren Vergangenheit teils vehementen Widerstand gegen die zahlreichen Investments der Credit Suisse in Rüstungs- und Ölkonzerne. Wir sind uns sehr bewusst, dass auch unsere heutigen Farbflaschen nicht einen Abzug der 400 Millionen auslösen werden, zu profitträchtig sind die Geschäfte gerade in diesen Bereichen. Wir hoffen aber, dass die Scherben und Farbflecken bei der wachsenden hiesigen Solidaritätsbewegung mit der kurdischen Freiheitsbewegung einen Beitrag leisten kann, real das Bewusstsein dafür zu stärken, dass der Kampf zur Verteidigung Rojavas nicht nur auf syrischem Boden ausgetragen wird. Dass die Profiteure und UnterstützerInnen des türkischen Faschismus auch und gerade hier in Europa sitzen. Und vorallem dass sie angereifbar sind.”
Weiterhin wurden im Rahmen der internationalistischen Aktionswoche gegen den türkischen Faschismus und seine europäischen Sponsor*innen die Credit Suisse-Filiale in Biel sowie der Zürcher Sitz des Rüstungskonzerns Thales, dem die Briefkästen gesprengt wurden.
https://barrikade.info/article/3986
https://barrikade.info/article/3989
https://www.tagesanzeiger.ch/pyro-anschlag-auf-ruestungsfirma-231424762060

Was steht an?

Basel Nazifrei: Demo!
28.11.20 I 16.00 Uhr I Theaterplatz Basel
Genau zwei Jahre ist es her, dass die Neonazis von der PNOS aus Basel verjagt wurden – durch eine riesige Gegendemonstration mit rund 2‘000 Menschen. Im Nachgang der Basel Nazifrei Demo rollte eine riesige Repressionswelle an: über 60 Strafverfahren wurden eröffnet und etliche Hausdurchsuchungen durchgeführt. Seit Juli 2020 laufen die Prozesse und Demonstrierende wurden – teilweise aufgrund der schlichten Anwesenheit an der Demo – zu mehrmonatige Gefängnisstrafen verurteilt.Wir sehen die laufenden Prozesse als massiven politischen Angriff, als autoritären Einschüchterungsversuch. Dagegen wollen wir uns jetzt wehren – und zwar alle gemeinsam! Es gilt zu verhindern, dass sich neue Repressions-Standards durchsetzen und damit Protest auf der Strasse erschwert wird. Lassen wir die Kriminalisierung von sozialen Bewegungen nicht zu!
https://barrikade.info/article/3918

Lesens -/Hörens -/Sehenswert

Sklaverei und Kolonialismus erhalten derzeit eine nie gekannte Aufmerksamkeit in der deutschsprachigen Öffentlichkeit. Afrika rückt dabei in seiner historischen Dimension, aber nicht in seiner Vielfalt in den Blick. Aber was ist „Afrika“ überhaupt, wenn nicht ein durch und durch koloniales Konzept?
https://geschichtedergegenwart.ch/afrika/

Schweizer machen
Doku über die Einbürgerungsverfahren in der Schweizhttps://www.srf.ch/play/tv/dok/video/schweizer-machen?urn=urn:srf:video:afa84b9e-7bac-4220-a4c6-5141d36fced6

Benito Mussolini et l’Université de Lausanne
Nous reproduisons ici la première partie de l’article de Claude Cantini “Benito Mussolini et l’Université de Lausanne” (1987), des notes jugées inutiles ont été supprimées, d’autres ont été ajoutées par nos soins. Le texte en entier, ainsi que l’ensemble des notes est disponible dans le pdf joint plus bas.
https://renverse.co/analyses/article/benito-mussolini-et-l-universite-de-lausanne-2810

Nach Aussage einer Kollegin: Berliner Polizist für Misshandlung von Gefangenen verurteilt
Der Prozess ist zwar bereits einen Monat her, aber die Aufmerksamkeit, die ihm gebührt, wurde ihm nicht zuteil. Am 10. Oktober wurde der Polizist Tony A. vor dem Berliner Amtsgericht zu einem Jahr Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Angeklagt war der Hobby-Bodybuilder und Hundenarr wegen drei Körperverletzungen im Amt, gerichtet jeweils gegen Gefangene seiner Einsatzhundertschaft. In zwei Fällen wurde er verurteilt, in einem erging ein Freispruch – da der Geschädigte mittlerweile verstorben war.
https://lowerclassmag.com/2020/11/12/nach-aussage-einer-kollegin-berliner-polizist-fuer-misshandlung-von-gefangenen-verurteilt/

Lost in Transit: How Hungary Scrapped Asylum
Forced to close detention centres on its border with Serbia, Hungary has created new bureaucratic barriers to asylum far outside its own territory and in the process cast aside internationally accepted principles for the protection of those fleeing war and persecution.
https://balkaninsight.com/2020/11/10/lost-in-transit-how-hungary-scrapped-asylum/

Die externalisierte, tödliche EU-Außengrenze in der Sahara IV
https://www.youtube.com/watch?v=ok5KnId6Vvo

Bräuche der Liebe: Frauenfeindlichkeit der Anastasia-Bücher
Die „Anastasia“-Bewegung ist mittlerweile bekannt als rechtsesoterische Siedler*innen-Bewegung mit klaren Verbindungen in verschwörungsideologische und rechtsextreme Milieus. Durch die eigene Darstellung der Anhängerschaft als vermeintlich friedfertige Selbstversorger*innen, gelten sie mit ihrem Konzept der Familienlandsitze und kulturellem Angebot als besonders anschlussfähig im ländlichen Raum. Doch im Kern ihrer Ideologie steht ein antifeministisches und antisemitisches Weltbild. Eine Analyse.
https://www.belltower.news/braeuche-der-liebe-frauenfeindlichkeit-der-anastasia-buecher-106743/