Medienspiegel 15. November 2020

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++ZÜRICH
«Der schwierige Alltag der Sans-Papier wird erleichtert»
Eine Identitätskarte für Papierlose. Die Stadt Zürich will sie nun doch einführen. Die Sans Papier-Anlaufstelle mit ihrer Leiterin Bea Schwager freut sich, dass Zürich diesen Schritt gehen will. Auch wenn das grosse Ziel, eine Legalisierung dieser Menschen, noch nicht erreicht ist.  (ab 02:58)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/der-schwierige-alltag-der-sans-papier-wird-erleichtert?id=11876517


+++MITTELMEER
Sea-Eye und United4Rescue: Seenotretter schicken weiteres Schiff
Zuletzt nahm die Zahl der Überfahrten von Migranten über das Mittelmeer wieder zu. Deshalb wollen Seenotretter ein weiteres Schiff dorthin schicken. Die “Sea-Eye 4” wird gerade in Mecklenburg-Vorpommern umgebaut.
https://www.tagesschau.de/inland/seenotrettung-sea-watch-109.html


Boot vor Lampedusa umgekippt: 31 Personen gerettet
Weitere 186 Geflüchtete sind auf der Insel eingetroffen. Die Seenotrettungsorganisation Sea-Eye ein weiteres Schiff neben der “Alan Kurdi” einsetzen
https://www.derstandard.at/story/2000121717195/boot-vor-lampedusa-umgekippt-31-personen-gerettet?ref=rss


+++ATLANTIK
Demonstration auf den Kanaren für die Rechte von Immigranten
Auf Gran Canaria kam es am Samstag zu einer Demonstration für mehr Rechte für Immigranten aus Afrika. Ihr Motto: «Papiere für alle, kein Mensch ist illegal!»
https://www.nau.ch/news/europa/demonstration-auf-den-kanaren-fur-die-rechte-von-immigranten-65820301


+++GASSE
Wegen Corona: Pfuuszelt statt Pfuusbus
Der «Pfuusbus» der Sozialwerke Pfarrer Sieber gibt es diesen Winter wegen der Corona-Pandemie in einer anderen Form. Da der traditionelle Bus zu klein ist, um die Schutzmassnahmen einzuhalten, wurde beim Ablisgüetli ein grosses Zelt errichtet. Es bietet ab heute einen warmen Zufluchtsort für Obdachlose und Randständige.
https://www.telezueri.ch/zuerinews/wegen-corona-pfuuszelt-statt-pfuusbus-139879798
-> https://www.toponline.ch/news/zuerich/detail/news/trotz-corona-pandemie-eroeffnet-heute-der-pfuusbus-00145064/


Bahnhof Weinfelden: «Bürger werden belästigt, nächtliche Übergriffe und Überfälle häufen sich»
In einem offenen Brief beschweren sich SVP-Politiker über «inakzeptable Missstände» am Weinfelder Bahnhof. Sie fordern die Stadt und den Kanton auf, zu handeln.
https://www.20min.ch/story/buerger-werden-belaestigt-naechtliche-uebergriffe-und-ueberfaelle-haeufen-sich-403456340554
-> https://www.toponline.ch/news/thurgau/detail/news/der-bahnhof-als-ghetto-von-weinfelden-00145065/


+++REPRESSION DE
Zurück auf der Parkbank
Das Gericht hat die drei Gefährt*innen zu Haftstrafen ohne Bewährung verurteilt. Die beiden Gefährten, die bis zur Urteilsverkündung 16 Montae in U-Haft saßen wurden zu 22 und 19 Monaten verurteilt und die Gefährtin, die unter Meldeauflagen stand, zu 20 Monaten. Alle drei sind auf freiem Fuß, sprich die zwei eingesperrten Gefährten wurden aus der Haft entlassen.
Nach der Urteilsverkündung wurde erst die Gefährtin von vielen solidarischen Menschen vorm Gerichtsgebäude in Emfang genommen und zwei Stunden später auch die beiden Gefährten mit einer Kundgebung vorm Knast abgeholt nach ihrer Entlassung.
https://barrikade.info/article/4006
-> https://jungle.world/artikel/2020/46/benzin-plastikflaschen


+++BIG BROTHER
Wie die Maskenpflicht die Videoüberwachung erschwert
https://www.tvo-online.ch/aktuell/wie-die-maskenpflicht-die-videoueberwachung-erschwert-139879045


+++POLIZEI SO
Furcht vor Schnüffelstaat
Verkehrte Welt im Kanton Solothurn: Ein mehrheitlich bürgerliches Komitee wehrt sich gegen das neue Polizeigesetz.
https://www.infosperber.ch/Artikel/FreiheitRecht/Furcht-vor-Schnuffelstaat


+++RECHTSEXTREMISMUS
Nach dem Anschlag in Wien: Rechtsextreme machen nun Stimmung gegen Juden und Jüdinnen
Wie Boulevardmedien veröffentlichten auch Rechtsextremisten Videos und Fotos vom Attentäter im Netz
https://www.derstandard.at/story/2000121716078/nach-dem-anschlag-in-wien-rechtsextreme-machen-nun-stimmung-gegen?ref=rss


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Demonstration in Sitten VS gegen Covid-19-Massnahmen
Aus Protest gegen die Walliser Corona-Massnahmen haben sich am Sonntag in Sitten nach Polizeiangaben rund hundert Personen versammelt.
https://www.nau.ch/news/schweiz/demonstration-in-sitten-vs-gegen-covid-19-massnahmen-65820341
-> https://www.polizeiwallis.ch/medienmitteilungen/sion-unerlaubte-demonstration-gegen-die-richtlinien-im-zusammenhang-mit-dem-kampf-gegen-covid19/


Corona-Skeptiker Marco Rima: Repost von Reichsbürger sorgt für Unmut
Er ist gerade erst auf Facebook zurückgekehrt und schon sorgt Marco Rima für Stirnrunzeln. Ein geteiltes Video aus fragwürdiger Quelle wirft Fragen auf.
https://www.nau.ch/people/aus-der-schweiz/corona-skeptiker-marco-rima-repost-von-reichsburger-sorgt-fur-unmut-65820100



Sonntagszeitung 15.11.2020

Skeptiker und Verschwörungstheoretiker: Die Impfgegner wappnen sich für den Glaubenskrieg

Seit  der Corona-Impfstoff angekündigt wurde, rüsten die Impfgegner auf. Ihr  Spektrum reicht von durchaus seriös – bis völlig verrückt.

Cyrill Pinto

Donnerstagabend  im Gesellschaftshaus Ennenda, Kanton Glarus. Rund 50 Corona-Skeptiker  haben sich in dem grossen Saal versammelt – trotz Vorgabe der kantonalen  Gesundheitsbehörden trägt fast niemand eine Maske. Unter  den Rednern: Der im Kanton Neuenburg praktizierende Allgemeinmediziner  Björn Riggenbach. Der Homöopath und Mitbegründer der Vereinigung  «Aletheia – Medizin und Wissenschaft für Verhältnismässigkeit» ist als  Impfkritiker bekannt. Dem Publikum rät er an diesem Abend explizit von  einer Impfung ab: «Überlegen Sie sich gut, ob Sie an einem Menschenexperiment teilnehmen wollen – ich tue das jedenfalls nicht!»

Impfgegner  sind derzeit hoch im Kurs. Die Unsicherheit im Land ist gross, wie  verschiedene Umfragen zeigen. Das Spektrum reicht von berechtigter  Kritik und Skepsis – bis hin zu verrückten Verschwörungstheorien:

1) Die Impfkritiker

Es  gibt sie, die seriösen Studien über Nebenwirkungen bei Impfungen, die  von impfkritischen Gruppen gern zitiert werden. Etwa die Berichte über  den Impfstoff gegen die Schweinegrippe-Pandemie von 2009. Um das  Gegenmittel schnell in grosser Menge zur Verfügung stellen zu können,  drückte der britische Pharmakonzern GlaxoSmithKline (GSK) aufs Tempo und  mischte eine höhere Menge Hilfsstoffe bei, um die Wirkung zu  verstärken.

So  traten beim Wirkstoff Pandemrix häufiger Nebenwirkungen auf als beim in  Kanada hergestellten Pendant. Gut dokumentiert ist etwa die  Schlafkrankheit Narkolepsie, die bei 1300 geimpften Personen auftrat.  GSK und die Zulassungsbehörde EMA bestreiten jedoch einen Zusammenhang  der Krankheit mit ihrem Impfstoff. Insgesamt wurden damals 30 Millionen  Menschen in Europa mit dem Stoff geimpft. Die allermeisten zeigten keine  Nebenwirkungen – dafür einen guten Schutz gegen das Virus, das bereits  die verheerende Pandemie von 1918 ausgelöst hatte.

2) Die Naturheiler

Bereits  vor Corona war der Ostschweizer Naturheilpraktiker Daniel Trappitsch  als Impfgegner bekannt. Nun schwimmt er mit seinem «Netzwerk  Impfentscheid» auf der Corona-Welle mit. Zu Beginn der Pandemie reichte  er mit Verbündeten beim Bundesverwaltungsgericht eine Beschwerde gegen  die Massnahmen des Bundes ein – sie wurde abgewiesen.

Trappitsch  behauptet etwa, die Pandemie sei harmlos. Behörden und Medien würden  «Panik und Hysterie» verbreiten. Das Virus sei nicht nachgewiesen. Auf  von ihm eingerichteten Telegram-Kanälen werden Verschwörungstheorien  über Impfungen verbreitet. Die Naturheiler misstrauen den  «Genimpfstoffen» mit den darin enthaltenen «Nanopartikeln» und lehnten  schon vor Corona Impfungen ab – etwa gegen die Masern. Dasselbe  Publikum spricht die Gruppe Aletheia von Anthroposoph Björn Riggenbach  an. Bei seinem Auftritt in Glarus verbreitete er etwa die  Verschwörungstheorie, dass vor dem Ausbruch der aktuellen Epidemie in  Bergamo 30’000 Menschen gegen Meningitis geimpft worden seien, und suggeriert damit, dass der schwere Covid-Verlauf in Norditalien etwas mit der Impfung zu tun haben könnte.

3) Die Verschwörungstheoretiker

Durchaus  in die Kategorie «Durchgeknallt» kann man jene Impfkritiker zählen,  welche die bevorstehenden Impfungen als Programm einer Elite sehen, um  die Bevölkerung zu dezimieren. Tote durch Nebenwirkungen des Impfstoffs  würden bewusst in Kauf genommen werden. Diese Theorien werden unter  anderem in Schweizer Telegram-Gruppen weiterverbreitet – meist stammen  die Urheber aus Deutschland. Bei unserem nördlichen Nachbarn glaubt auch ein Teil der Corona-Skeptiker daran, dass das Coronavirus  über Funkwellen übertragen wird. Wie viele Krankheitswellen habe auch  die Spanische Grippe mit der Einführung einer neuen Technologie  begonnen. Damals waren es die Radiowellen. Und weil die aktuelle  Pandemie mit 5G begonnen habe, helfe dagegen auch kein Impfstoff.
(https://www.derbund.ch/vom-skeptiker-bis-zum-verschwoerungstheoretiker-573397583855)1



Sonntagszeitung 15.11.2020

Maskenpflicht: Esoterik-Guru verteilt Atteste per Post

Wer der Anti-5G-Gruppe des Reiki-Meisters beitritt, erhält gratis ein Maskenattest.

Cyrill Pinto

Ob im  Zug oder beim Einkaufen: Regelmässig zücken Corona-Skeptiker ein  Zeugnis, das sie von der Maskenpflicht befreien soll. Doch nicht alle  davon sind seriös. Gegen Ärzte, die solche Atteste per Post verschickten  – ohne ihre Patienten überhaupt konsultiert zu haben –, laufen derzeit verschiedene Verfahren.

Doch gewisse Maskengegner sind erfinderisch. Seit neustem bestellen sie sich ihre Dispens bei Andreas G.* aus Morgarten ZG,  einem ehemaligen Scientology-Anhänger, der sich heute als Reiki-Meister  betitelt und esoterische Lebensenergie-Konzepte propagiert. Im Internet  liess Andreas G. die Seite Maskenattest.ch eintragen, wo man sich  bequem ein Zeugnis bestellen kann, das per Post geliefert wird. Als  Gegenleistung erwartet Andreas G. nichts anderes als eine Mitgliedschaft  in seinem Verein 5Gfrei – 50 Franken kostet dort der Jahresbeitrag.

Kanton prüft Anzeige

Laut  dem Masken-Guru sind die 50 Franken gut investiertes Geld. Denn in  seiner Telegram-Gruppe warnt er vor der angeblichen Gefahr, die von den  Masken ausgeht: Diese enthielten Teflon oder Formaldehyd und könnten im  schlimmsten Fall Krebs verursachen.

Der  Zuger Gesundheitsdirektion ist die Seite seit ein paar Tagen bekannt,  wie deren Sprecher auf Anfrage sagt. Die so ausgestellten Atteste hätten  keine Grundlage – «weil der Aussteller keine medizinischen Qualifikationen besitzt». Nun prüft das Amt,  ob es gegen den Mann eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft einreichen  wird. Auf Anfrage wollte sich G. nicht zu seinen Aktivitäten äussern.
(https://www.derbund.ch/esoterik-guru-verteilt-atteste-per-post-306915298708)



Aluhüte fetzen sich untereinander
“Querdenken ist gelenkte Opposition”- Die Verschwörungsszene fetzt sich wieder
Nach einem kurzen Waffenstillstand geht der unterhaltsame Verschwörungsbeef wieder weiter: Atilla Hildmann teilt wieder einmal gegen seine Aluhut-Kollegen aus, und das nicht zu knapp. Ein kleiner Vorgeschmack:
https://www.volksverpetzer.de/glosse/beef-verschwoerungszene-2/


Qanons Zukunft ohne Trump: So verarbeiten die Verschwörungsgläubigen die Niederlage
Jahrelang stand Donald Trump im Zentrum der Qanon-Verschwörungserzählung. Jetzt muss Trump das Weiße Haus verlassen. Das Ende der gefährlichen und unbelegten Verschwörungserzählung bedeutet das jedoch nicht.
https://www.rnd.de/politik/qanon-so-gehen-die-verschworungs-glaubigen-mit-der-abwahl-trumps-um-3ZWE5X2M2JCUZDAZ2E37RYGWIQ.html


Gewaltdrohungen in „Querdenker“-Chats:  Corona-Skeptiker wollen Bundestag blockieren
Die sogenannten „Querdenker“ wollen am Mittwoch aufmarschieren. Rechtsextreme sehen den „Tag X“ gekommen – und drohen mit Gewalt.
https://www.tagesspiegel.de/berlin/gewaltdrohungen-in-querdenker-chats-corona-skeptiker-wollen-bundestag-blockieren/26626538.html


Agitprop mit Donald Trump: Lenin wäre beeindruckt
Der amtierende US-Präsident unterhöhlt mit Verschwörungstheorien die demokratischen Institutionen – -prominente Schweizer wie Roger Köppel applaudieren. Warum nur?
https://www.blick.ch/politik/agitprop-mit-donald-trump-lenin-waere-beeindruckt-id16195974.html


+++HISTORY
Als sich die führenden Sozialisten Europas im Berner Zimmerwald getroffen haben
1915 mietete ein «Ornithologischer Verein» die Pension Beau Séjour in Zimmerwald. Aber die Vereinsmitglieder hatten von Vögeln keine Ahnung.
https://www.higgs.ch/als-sich-die-fuehrenden-sozialisten-europas-im-berner-zimmerwald-getroffen-haben/37770/



Sonntagszeitung 15.11.2020

Drogenszene in Samaden: Der Filmemacher Ivo Zen verfilmt eine kaum bekannte Tragödie im Bündner Bergparadies

Ivo  Zen bringt eine Geschichte ins Kino, von der kaum jemand wusste: Im  Oberengadin verfielen in den neunziger Jahren Jugendliche dem Heroin.

Anja Burri

Anfangs  waren es bloss Gerüchte. Im Oberengadin, im Dorf Samaden, soll in den  achtziger und neunziger Jahren eine Drogenszene entstanden sein. Die  Süchtigen waren keine Randständigen, sondern Kinder des Dorfes, Schüler,  Lehrlinge, talentierte Snowboarder oder Kletterer.

Weit  weg von der Drogenszene am Zürcher Letten starben Jugendliche, die  nicht mehr zu retten waren. Sie hätten Ivo Zens Freunde sein können.  Zen, heute 50 Jahre alt, ist ein Tal weiter im Val Müstair aufgewachsen,  er war zur selben Zeit jung und rebellisch. Doch selbst er hatte zuvor  noch nie von den Drogensüchtigen aus Samaden gehört. Er beschloss,  dieses Stück Zeitgeschichte aufzuarbeiten.

Nächste  Woche läuft Ivo Zens Film «Suot tschêl blau» («Unter blauem Himmel») in  den Deutschschweizer Kinos an. Am Ursprung der Geschichte steht eine  Gruppe Jugendlicher, die sich gegen die konservative Gesellschaft  auflehnten.

Zen  schätzt, dass am Ende über zwanzig von ihnen an den Drogen starben.  Ganz genau weiss das niemand. Denn ausser einem Zeitungsartikel, der  Mitte neunziger Jahre in der «Engadiner Post» erschien, und einem kurzen  Eintrag im Drogenbericht des Kantons Graubünden gibt es kaum  schriftliche Zeugnisse dieses Dramas.

Zuerst Schweigen

Das  Leiden der Süchtigen, die Trauer der Hinterbliebenen, die Angst der  Familien um ihre Kinder: All das ist in den Erinnerungen der Menschen  von Samaden verborgen. Der Film ist auch eine Geschichte über diese  Erinnerungen geworden.

Anfangs  wollte kaum jemand mit Ivo Zen sprechen. «Die Menschen in dieser  Dorfgemeinschaft sind eng miteinander verbunden. Es ist enorm wichtig,  was die anderen denken. Die Menschen scheuen sich davor, offen zu reden,  weil sie niemanden vor den Kopf stossen wollen», sagt Zen. Er blieb  Stunden, Tage, Wochen in Samaden.

Erst  als ehemalige Süchtige und deren Freunde zu reden begannen, bewegte  sich etwas. Sie erzählten von ihren Träumen, ihren Ideen, aus der  Gesellschaft auszubrechen. Aber auch, wie schnell sie dem Heroin  verfielen.

«Es  war bei uns in der Stube, die Mutter war nicht daheim. Wir wussten  nichts, wir benutzten alle dieselbe Nadel. Ich war mit 14 der Jüngste,  mein Bruder war auch dabei. Einer der Kollegen traf seine Vene nicht,  und dann gab er mir das Zeugs, und ich machte es ihm», erzählt einer der  Protagonisten im Film.

Die  sozialen Kontrollmechanismen der Dorfgemeinschaften zu dieser Zeit  kennt Ivo Zen selber gut. Auch im Val Müstair gab es den «Sain da not»:  Wenn abends die Kirchenglocken läuteten, durften Schulkinder nicht mehr  auf der Strasse sein.

Flucht aus dem Dorf

Zens  Eltern waren «sicher keine Hippies», aber eben auch nicht ganz  angepasst: Der Vater, ein katholischer Einwanderer aus Italien, und die  Mutter, eine reformierte Einheimische, liessen den Sohn gewähren, als er  mit 15 zuerst nach Chur ging, um das Gymnasium zu besuchen, später in  Zürich ein Architekturstudium begann und schliesslich nach Genf zog, um  Filmemacher zu werden.

«Ich  flüchtete aus meinem Dorf», sagt Zen. «Es gab so wenige Menschen, die  mir ähnlich waren.» Ivo Zen beschäftigten ähnliche Dinge wie die  Jugendlichen in Samaden. Doch er wählte für sich einen anderen Ausweg  aus den engen Schranken der Gesellschaft, den des Filmemachens. «Es geht  im Leben darum, eine Balance zwischen der Freiheit und den Zwängen der  Gesellschaft zu finden», sagt er.

Ivo  Zen ist bürgerlich verheiratet, lebt mit seinen zwei Kindern und der  Frau in Zürich. Beruflich leiste er sich die Freiheit, Filme zu drehen,  die vor allem ihm und nicht zwingend dem Massenpublikum gefallen müssen.  Für das stabile Einkommen sorgt seine Frau, Heilpädagogin und  Künstlerin.

Selbstversuch mit Heroin

Ein  einziges Mal rauchte Zen selber Heroin in der Folie, als junger  Erwachsener mit einem seiner besten Freunde. Das war Anfang der  neunziger Jahre verbreitet. Ihm wurde speiübel. «Es war zum Glück  einfach nichts für mich.»

Sein  Freund blieb bei den Drogen. Und starb mit 34. Vor einigen Jahren hat  Zen einen Film über die Geschichte dieser verlorenen Freundschaft  gemacht.

«Man  ist eine verschworene Gemeinschaft, will zusammen erwachsen werden, und  dann kann man einander plötzlich nicht mehr helfen», sagt Zen. «Wieso  kann man jemanden, der in den Dämmerzustand der Drogen abtaucht, kaum  retten?» Es ist auch die grosse Frage, die sich die Angehörigen der  Verstorbenen in Samaden heute, bald 30 Jahre später, noch stellen.

Kinostart in der Deutschschweiz: 19. November 2020
(https://nzzas.nzz.ch/hintergrund/ivo-zen-kinofilm-ueber-die-tragoedie-im-buendner-bergparadies-ld.1587038)
-> Trailer: https://youtu.be/KYYGftCnDIg



Belgien und Kongo: Lange Schatten der Geschichte
60 Jahre nach der Unabhängigkeit von Belgien versinkt Kongo-Kinshasa in Armut und Gewalt. Welche Verantwortung trägt Belgien dafür? Und wie geht das Land mit seiner Vergangenheit als Kolonialmacht um?
https://www.srf.ch/audio/international/belgien-und-kongo-lange-schatten-der-geschichte?id=11874438