Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel
+++ZÜRICH
«Der schwierige Alltag der Sans-Papier wird erleichtert»
Eine Identitätskarte für Papierlose. Die Stadt Zürich will sie nun doch
einführen. Die Sans Papier-Anlaufstelle mit ihrer Leiterin Bea Schwager
freut sich, dass Zürich diesen Schritt gehen will. Auch wenn das grosse
Ziel, eine Legalisierung dieser Menschen, noch nicht erreicht ist. (ab
02:58)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/der-schwierige-alltag-der-sans-papier-wird-erleichtert?id=11876517
+++MITTELMEER
Sea-Eye und United4Rescue: Seenotretter schicken weiteres Schiff
Zuletzt nahm die Zahl der Überfahrten von Migranten über das Mittelmeer
wieder zu. Deshalb wollen Seenotretter ein weiteres Schiff dorthin
schicken. Die „Sea-Eye 4“ wird gerade in Mecklenburg-Vorpommern
umgebaut.
https://www.tagesschau.de/inland/seenotrettung-sea-watch-109.html
Boot vor Lampedusa umgekippt: 31 Personen gerettet
Weitere 186 Geflüchtete sind auf der Insel eingetroffen. Die
Seenotrettungsorganisation Sea-Eye ein weiteres Schiff neben der „Alan
Kurdi“ einsetzen
https://www.derstandard.at/story/2000121717195/boot-vor-lampedusa-umgekippt-31-personen-gerettet?ref=rss
+++ATLANTIK
Demonstration auf den Kanaren für die Rechte von Immigranten
Auf Gran Canaria kam es am Samstag zu einer Demonstration für mehr
Rechte für Immigranten aus Afrika. Ihr Motto: «Papiere für alle, kein
Mensch ist illegal!»
https://www.nau.ch/news/europa/demonstration-auf-den-kanaren-fur-die-rechte-von-immigranten-65820301
+++GASSE
Wegen Corona: Pfuuszelt statt Pfuusbus
Der «Pfuusbus» der Sozialwerke Pfarrer Sieber gibt es diesen Winter
wegen der Corona-Pandemie in einer anderen Form. Da der traditionelle
Bus zu klein ist, um die Schutzmassnahmen einzuhalten, wurde beim
Ablisgüetli ein grosses Zelt errichtet. Es bietet ab heute einen warmen
Zufluchtsort für Obdachlose und Randständige.
https://www.telezueri.ch/zuerinews/wegen-corona-pfuuszelt-statt-pfuusbus-139879798
-> https://www.toponline.ch/news/zuerich/detail/news/trotz-corona-pandemie-eroeffnet-heute-der-pfuusbus-00145064/
Bahnhof Weinfelden: «Bürger werden belästigt, nächtliche Übergriffe und Überfälle häufen sich»
In einem offenen Brief beschweren sich SVP-Politiker über «inakzeptable
Missstände» am Weinfelder Bahnhof. Sie fordern die Stadt und den Kanton
auf, zu handeln.
https://www.20min.ch/story/buerger-werden-belaestigt-naechtliche-uebergriffe-und-ueberfaelle-haeufen-sich-403456340554
-> https://www.toponline.ch/news/thurgau/detail/news/der-bahnhof-als-ghetto-von-weinfelden-00145065/
+++REPRESSION DE
Zurück auf der Parkbank
Das Gericht hat die drei Gefährt*innen zu Haftstrafen ohne Bewährung
verurteilt. Die beiden Gefährten, die bis zur Urteilsverkündung 16
Montae in U-Haft saßen wurden zu 22 und 19 Monaten verurteilt und die
Gefährtin, die unter Meldeauflagen stand, zu 20 Monaten. Alle drei sind
auf freiem Fuß, sprich die zwei eingesperrten Gefährten wurden aus der
Haft entlassen.
Nach der Urteilsverkündung wurde erst die Gefährtin von vielen
solidarischen Menschen vorm Gerichtsgebäude in Emfang genommen und zwei
Stunden später auch die beiden Gefährten mit einer Kundgebung vorm Knast
abgeholt nach ihrer Entlassung.
https://barrikade.info/article/4006
-> https://jungle.world/artikel/2020/46/benzin-plastikflaschen
+++BIG BROTHER
Wie die Maskenpflicht die Videoüberwachung erschwert
https://www.tvo-online.ch/aktuell/wie-die-maskenpflicht-die-videoueberwachung-erschwert-139879045
+++POLIZEI SO
Furcht vor Schnüffelstaat
Verkehrte Welt im Kanton Solothurn: Ein mehrheitlich bürgerliches Komitee wehrt sich gegen das neue Polizeigesetz.
https://www.infosperber.ch/Artikel/FreiheitRecht/Furcht-vor-Schnuffelstaat
+++RECHTSEXTREMISMUS
Nach dem Anschlag in Wien: Rechtsextreme machen nun Stimmung gegen Juden und Jüdinnen
Wie Boulevardmedien veröffentlichten auch Rechtsextremisten Videos und Fotos vom Attentäter im Netz
https://www.derstandard.at/story/2000121716078/nach-dem-anschlag-in-wien-rechtsextreme-machen-nun-stimmung-gegen?ref=rss
+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Demonstration in Sitten VS gegen Covid-19-Massnahmen
Aus Protest gegen die Walliser Corona-Massnahmen haben sich am Sonntag
in Sitten nach Polizeiangaben rund hundert Personen versammelt.
https://www.nau.ch/news/schweiz/demonstration-in-sitten-vs-gegen-covid-19-massnahmen-65820341
-> https://www.polizeiwallis.ch/medienmitteilungen/sion-unerlaubte-demonstration-gegen-die-richtlinien-im-zusammenhang-mit-dem-kampf-gegen-covid19/
Corona-Skeptiker Marco Rima: Repost von Reichsbürger sorgt für Unmut
Er ist gerade erst auf Facebook zurückgekehrt und schon sorgt Marco Rima
für Stirnrunzeln. Ein geteiltes Video aus fragwürdiger Quelle wirft
Fragen auf.
https://www.nau.ch/people/aus-der-schweiz/corona-skeptiker-marco-rima-repost-von-reichsburger-sorgt-fur-unmut-65820100
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Sonntagszeitung 15.11.2020
Skeptiker und Verschwörungstheoretiker: Die Impfgegner wappnen sich für den Glaubenskrieg
Seit der Corona-Impfstoff angekündigt wurde, rüsten die Impfgegner auf.
Ihr Spektrum reicht von durchaus seriös – bis völlig verrückt.
Cyrill Pinto
Donnerstagabend im Gesellschaftshaus Ennenda, Kanton Glarus. Rund 50
Corona-Skeptiker haben sich in dem grossen Saal versammelt – trotz
Vorgabe der kantonalen Gesundheitsbehörden trägt fast niemand eine
Maske. Unter den Rednern: Der im Kanton Neuenburg praktizierende
Allgemeinmediziner Björn Riggenbach. Der Homöopath und Mitbegründer der
Vereinigung «Aletheia – Medizin und Wissenschaft für
Verhältnismässigkeit» ist als Impfkritiker bekannt. Dem Publikum rät er
an diesem Abend explizit von einer Impfung ab: «Überlegen Sie sich
gut, ob Sie an einem Menschenexperiment teilnehmen wollen – ich tue das
jedenfalls nicht!»
Impfgegner sind derzeit hoch im Kurs. Die Unsicherheit im Land ist
gross, wie verschiedene Umfragen zeigen. Das Spektrum reicht von
berechtigter Kritik und Skepsis – bis hin zu verrückten
Verschwörungstheorien:
1) Die Impfkritiker
Es gibt sie, die seriösen Studien über Nebenwirkungen bei Impfungen,
die von impfkritischen Gruppen gern zitiert werden. Etwa die Berichte
über den Impfstoff gegen die Schweinegrippe-Pandemie von 2009. Um das
Gegenmittel schnell in grosser Menge zur Verfügung stellen zu können,
drückte der britische Pharmakonzern GlaxoSmithKline (GSK) aufs Tempo
und mischte eine höhere Menge Hilfsstoffe bei, um die Wirkung zu
verstärken.
So traten beim Wirkstoff Pandemrix häufiger Nebenwirkungen auf als beim
in Kanada hergestellten Pendant. Gut dokumentiert ist etwa die
Schlafkrankheit Narkolepsie, die bei 1300 geimpften Personen auftrat.
GSK und die Zulassungsbehörde EMA bestreiten jedoch einen Zusammenhang
der Krankheit mit ihrem Impfstoff. Insgesamt wurden damals 30 Millionen
Menschen in Europa mit dem Stoff geimpft. Die allermeisten zeigten
keine Nebenwirkungen – dafür einen guten Schutz gegen das Virus, das
bereits die verheerende Pandemie von 1918 ausgelöst hatte.
2) Die Naturheiler
Bereits vor Corona war der Ostschweizer Naturheilpraktiker Daniel
Trappitsch als Impfgegner bekannt. Nun schwimmt er mit seinem
«Netzwerk Impfentscheid» auf der Corona-Welle mit. Zu Beginn der
Pandemie reichte er mit Verbündeten beim Bundesverwaltungsgericht eine
Beschwerde gegen die Massnahmen des Bundes ein – sie wurde abgewiesen.
Trappitsch behauptet etwa, die Pandemie sei harmlos. Behörden und
Medien würden «Panik und Hysterie» verbreiten. Das Virus sei nicht
nachgewiesen. Auf von ihm eingerichteten Telegram-Kanälen werden
Verschwörungstheorien über Impfungen verbreitet. Die Naturheiler
misstrauen den «Genimpfstoffen» mit den darin enthaltenen
«Nanopartikeln» und lehnten schon vor Corona Impfungen ab – etwa gegen
die Masern. Dasselbe Publikum spricht die Gruppe Aletheia von
Anthroposoph Björn Riggenbach an. Bei seinem Auftritt in Glarus
verbreitete er etwa die Verschwörungstheorie, dass vor dem Ausbruch der
aktuellen Epidemie in Bergamo 30’000 Menschen gegen Meningitis geimpft
worden seien, und suggeriert damit, dass der schwere Covid-Verlauf in
Norditalien etwas mit der Impfung zu tun haben könnte.
3) Die Verschwörungstheoretiker
Durchaus in die Kategorie «Durchgeknallt» kann man jene Impfkritiker
zählen, welche die bevorstehenden Impfungen als Programm einer Elite
sehen, um die Bevölkerung zu dezimieren. Tote durch Nebenwirkungen des
Impfstoffs würden bewusst in Kauf genommen werden. Diese Theorien
werden unter anderem in Schweizer Telegram-Gruppen weiterverbreitet –
meist stammen die Urheber aus Deutschland. Bei unserem nördlichen
Nachbarn glaubt auch ein Teil der Corona-Skeptiker daran, dass das
Coronavirus über Funkwellen übertragen wird. Wie viele Krankheitswellen
habe auch die Spanische Grippe mit der Einführung einer neuen
Technologie begonnen. Damals waren es die Radiowellen. Und weil die
aktuelle Pandemie mit 5G begonnen habe, helfe dagegen auch kein
Impfstoff.
(https://www.derbund.ch/vom-skeptiker-bis-zum-verschwoerungstheoretiker-573397583855)1
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Sonntagszeitung 15.11.2020
Maskenpflicht: Esoterik-Guru verteilt Atteste per Post
Wer der Anti-5G-Gruppe des Reiki-Meisters beitritt, erhält gratis ein Maskenattest.
Cyrill Pinto
Ob im Zug oder beim Einkaufen: Regelmässig zücken Corona-Skeptiker ein
Zeugnis, das sie von der Maskenpflicht befreien soll. Doch nicht alle
davon sind seriös. Gegen Ärzte, die solche Atteste per Post
verschickten – ohne ihre Patienten überhaupt konsultiert zu haben –,
laufen derzeit verschiedene Verfahren.
Doch gewisse Maskengegner sind erfinderisch. Seit neustem bestellen sie
sich ihre Dispens bei Andreas G.* aus Morgarten ZG, einem ehemaligen
Scientology-Anhänger, der sich heute als Reiki-Meister betitelt und
esoterische Lebensenergie-Konzepte propagiert. Im Internet liess
Andreas G. die Seite Maskenattest.ch eintragen, wo man sich bequem ein
Zeugnis bestellen kann, das per Post geliefert wird. Als Gegenleistung
erwartet Andreas G. nichts anderes als eine Mitgliedschaft in seinem
Verein 5Gfrei – 50 Franken kostet dort der Jahresbeitrag.
Kanton prüft Anzeige
Laut dem Masken-Guru sind die 50 Franken gut investiertes Geld. Denn
in seiner Telegram-Gruppe warnt er vor der angeblichen Gefahr, die von
den Masken ausgeht: Diese enthielten Teflon oder Formaldehyd und
könnten im schlimmsten Fall Krebs verursachen.
Der Zuger Gesundheitsdirektion ist die Seite seit ein paar Tagen
bekannt, wie deren Sprecher auf Anfrage sagt. Die so ausgestellten
Atteste hätten keine Grundlage – «weil der Aussteller keine
medizinischen Qualifikationen besitzt». Nun prüft das Amt, ob es gegen
den Mann eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft einreichen wird. Auf
Anfrage wollte sich G. nicht zu seinen Aktivitäten äussern.
(https://www.derbund.ch/esoterik-guru-verteilt-atteste-per-post-306915298708)
—
Aluhüte fetzen sich untereinander
“Querdenken ist gelenkte Opposition”- Die Verschwörungsszene fetzt sich wieder
Nach einem kurzen Waffenstillstand geht der unterhaltsame
Verschwörungsbeef wieder weiter: Atilla Hildmann teilt wieder einmal
gegen seine Aluhut-Kollegen aus, und das nicht zu knapp. Ein kleiner
Vorgeschmack:
https://www.volksverpetzer.de/glosse/beef-verschwoerungszene-2/
Qanons Zukunft ohne Trump: So verarbeiten die Verschwörungsgläubigen die Niederlage
Jahrelang stand Donald Trump im Zentrum der
Qanon-Verschwörungserzählung. Jetzt muss Trump das Weiße Haus verlassen.
Das Ende der gefährlichen und unbelegten Verschwörungserzählung
bedeutet das jedoch nicht.
https://www.rnd.de/politik/qanon-so-gehen-die-verschworungs-glaubigen-mit-der-abwahl-trumps-um-3ZWE5X2M2JCUZDAZ2E37RYGWIQ.html
Gewaltdrohungen in „Querdenker“-Chats: Corona-Skeptiker wollen Bundestag blockieren
Die sogenannten „Querdenker“ wollen am Mittwoch aufmarschieren.
Rechtsextreme sehen den „Tag X“ gekommen – und drohen mit Gewalt.
https://www.tagesspiegel.de/berlin/gewaltdrohungen-in-querdenker-chats-corona-skeptiker-wollen-bundestag-blockieren/26626538.html
Agitprop mit Donald Trump: Lenin wäre beeindruckt
Der amtierende US-Präsident unterhöhlt mit Verschwörungstheorien die
demokratischen Institutionen – -prominente Schweizer wie Roger Köppel
applaudieren. Warum nur?
https://www.blick.ch/politik/agitprop-mit-donald-trump-lenin-waere-beeindruckt-id16195974.html
+++HISTORY
Als sich die führenden Sozialisten Europas im Berner Zimmerwald getroffen haben
1915 mietete ein «Ornithologischer Verein» die Pension Beau Séjour in
Zimmerwald. Aber die Vereinsmitglieder hatten von Vögeln keine Ahnung.
https://www.higgs.ch/als-sich-die-fuehrenden-sozialisten-europas-im-berner-zimmerwald-getroffen-haben/37770/
—
Sonntagszeitung 15.11.2020
Drogenszene in Samaden: Der Filmemacher Ivo Zen verfilmt eine kaum bekannte Tragödie im Bündner Bergparadies
Ivo Zen bringt eine Geschichte ins Kino, von der kaum jemand wusste:
Im Oberengadin verfielen in den neunziger Jahren Jugendliche dem
Heroin.
Anja Burri
Anfangs waren es bloss Gerüchte. Im Oberengadin, im Dorf Samaden, soll
in den achtziger und neunziger Jahren eine Drogenszene entstanden sein.
Die Süchtigen waren keine Randständigen, sondern Kinder des Dorfes,
Schüler, Lehrlinge, talentierte Snowboarder oder Kletterer.
Weit weg von der Drogenszene am Zürcher Letten starben Jugendliche,
die nicht mehr zu retten waren. Sie hätten Ivo Zens Freunde sein
können. Zen, heute 50 Jahre alt, ist ein Tal weiter im Val Müstair
aufgewachsen, er war zur selben Zeit jung und rebellisch. Doch selbst
er hatte zuvor noch nie von den Drogensüchtigen aus Samaden gehört. Er
beschloss, dieses Stück Zeitgeschichte aufzuarbeiten.
Nächste Woche läuft Ivo Zens Film «Suot tschêl blau» («Unter blauem
Himmel») in den Deutschschweizer Kinos an. Am Ursprung der Geschichte
steht eine Gruppe Jugendlicher, die sich gegen die konservative
Gesellschaft auflehnten.
Zen schätzt, dass am Ende über zwanzig von ihnen an den Drogen
starben. Ganz genau weiss das niemand. Denn ausser einem
Zeitungsartikel, der Mitte neunziger Jahre in der «Engadiner Post»
erschien, und einem kurzen Eintrag im Drogenbericht des Kantons
Graubünden gibt es kaum schriftliche Zeugnisse dieses Dramas.
Zuerst Schweigen
Das Leiden der Süchtigen, die Trauer der Hinterbliebenen, die Angst
der Familien um ihre Kinder: All das ist in den Erinnerungen der
Menschen von Samaden verborgen. Der Film ist auch eine Geschichte über
diese Erinnerungen geworden.
Anfangs wollte kaum jemand mit Ivo Zen sprechen. «Die Menschen in
dieser Dorfgemeinschaft sind eng miteinander verbunden. Es ist enorm
wichtig, was die anderen denken. Die Menschen scheuen sich davor, offen
zu reden, weil sie niemanden vor den Kopf stossen wollen», sagt Zen.
Er blieb Stunden, Tage, Wochen in Samaden.
Erst als ehemalige Süchtige und deren Freunde zu reden begannen,
bewegte sich etwas. Sie erzählten von ihren Träumen, ihren Ideen, aus
der Gesellschaft auszubrechen. Aber auch, wie schnell sie dem Heroin
verfielen.
«Es war bei uns in der Stube, die Mutter war nicht daheim. Wir wussten
nichts, wir benutzten alle dieselbe Nadel. Ich war mit 14 der Jüngste,
mein Bruder war auch dabei. Einer der Kollegen traf seine Vene nicht,
und dann gab er mir das Zeugs, und ich machte es ihm», erzählt einer
der Protagonisten im Film.
Die sozialen Kontrollmechanismen der Dorfgemeinschaften zu dieser Zeit
kennt Ivo Zen selber gut. Auch im Val Müstair gab es den «Sain da
not»: Wenn abends die Kirchenglocken läuteten, durften Schulkinder
nicht mehr auf der Strasse sein.
Flucht aus dem Dorf
Zens Eltern waren «sicher keine Hippies», aber eben auch nicht ganz
angepasst: Der Vater, ein katholischer Einwanderer aus Italien, und die
Mutter, eine reformierte Einheimische, liessen den Sohn gewähren, als
er mit 15 zuerst nach Chur ging, um das Gymnasium zu besuchen, später
in Zürich ein Architekturstudium begann und schliesslich nach Genf zog,
um Filmemacher zu werden.
«Ich flüchtete aus meinem Dorf», sagt Zen. «Es gab so wenige Menschen,
die mir ähnlich waren.» Ivo Zen beschäftigten ähnliche Dinge wie die
Jugendlichen in Samaden. Doch er wählte für sich einen anderen Ausweg
aus den engen Schranken der Gesellschaft, den des Filmemachens. «Es
geht im Leben darum, eine Balance zwischen der Freiheit und den Zwängen
der Gesellschaft zu finden», sagt er.
Ivo Zen ist bürgerlich verheiratet, lebt mit seinen zwei Kindern und
der Frau in Zürich. Beruflich leiste er sich die Freiheit, Filme zu
drehen, die vor allem ihm und nicht zwingend dem Massenpublikum
gefallen müssen. Für das stabile Einkommen sorgt seine Frau,
Heilpädagogin und Künstlerin.
Selbstversuch mit Heroin
Ein einziges Mal rauchte Zen selber Heroin in der Folie, als junger
Erwachsener mit einem seiner besten Freunde. Das war Anfang der
neunziger Jahre verbreitet. Ihm wurde speiübel. «Es war zum Glück
einfach nichts für mich.»
Sein Freund blieb bei den Drogen. Und starb mit 34. Vor einigen Jahren
hat Zen einen Film über die Geschichte dieser verlorenen Freundschaft
gemacht.
«Man ist eine verschworene Gemeinschaft, will zusammen erwachsen
werden, und dann kann man einander plötzlich nicht mehr helfen», sagt
Zen. «Wieso kann man jemanden, der in den Dämmerzustand der Drogen
abtaucht, kaum retten?» Es ist auch die grosse Frage, die sich die
Angehörigen der Verstorbenen in Samaden heute, bald 30 Jahre später,
noch stellen.
–
Kinostart in der Deutschschweiz: 19. November 2020
(https://nzzas.nzz.ch/hintergrund/ivo-zen-kinofilm-ueber-die-tragoedie-im-buendner-bergparadies-ld.1587038)
-> Trailer: https://youtu.be/KYYGftCnDIg
—
Belgien und Kongo: Lange Schatten der Geschichte
60 Jahre nach der Unabhängigkeit von Belgien versinkt Kongo-Kinshasa in
Armut und Gewalt. Welche Verantwortung trägt Belgien dafür? Und wie geht
das Land mit seiner Vergangenheit als Kolonialmacht um?
https://www.srf.ch/audio/international/belgien-und-kongo-lange-schatten-der-geschichte?id=11874438