Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel
+++BASELLAND
Neu in der Nordwestschweiz: Jobvermittlung für Menschen mit Flüchtlingshintergrund
Ein neues, regionales Onlineportal vermittelt Jobs für Menschen mit Flüchtlingshintergrund. Leicht ist das nicht.
https://www.bzbasel.ch/basel/baselbiet/neu-in-der-nordwestschweiz-jobvermittlung-fuer-menschen-mit-fluechtlingshintergrund-139810065
Corona und Asyl – Baselland schliesst Asylzentrum trotz Engpass wegen Corona
Wegen Corona dürfen Asylzentren nur zur Hälfte belegt sein. Der Platz wird knapp. Trotzdem schliesst ein Zentrum in Baselland.
https://www.srf.ch/news/schweiz/corona-und-asyl-baselland-schliesst-asylzentrum-trotz-engpass-wegen-corona
+++GRIECHENLAND
Neu, neuer, uralt
Nach dem Brand im Flüchtlingslager Moria sprechen die griechische
Regierung und die EU-Kommission von „neuen Ansätzen“ in der
Flüchtlingspolitik. Wer genau hinsieht, entdeckt etwas anderes.
https://www.amnesty.de/informieren/amnesty-journal/griechenland-neu-neuer-uralt
Flüchtlinge auf Lesbos: „Das Lager macht krank“
Kein warmes Wasser, keine Heizung, kein Strom – die Bewohner des
Flüchtlingslagers Kara Tepe auf der griechischen Insel Lesbos haben
Angst vor dem Winter.
https://www.tagesschau.de/ausland/lesbos-lager-karatepe-101.html
+++MITTELMEER
Bootsunglück im Mittelmeer: Kind ertrunken
Zahl der Geflüchteten, die aus der Türkei zu den griechischen Inseln übersetzen, dieses Jahr deutlich zurückgegangen
Ein sechs Jahre altes Kind ist ertrunken, als am Sonntag vor der
griechischen Insel Samos ein Boot mit Migranten verunglückte. An Bord
waren Menschen, die von der türkischen Ägäisküste gestartet waren, um in
die EU zu kommen.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1144156.samos-bootsunglueck-im-mittelmeer-kind-ertrunken.html
+++EUROPA
Illegale Rücküberweisung von Migranten – Tagesschau
Die EU-Kommission wird sich am Dienstag mit der illegalen
Rücküberweisung von Menschen auf offenem Meer befassen. Es geht um
Menschen, die von der Türkei aus nach Griechenland fliehen wollen.
https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/illegale-rueckueberweisung-von-migranten?urn=urn:srf:video:b660fde7-1a15-4bfa-a374-9aa773d99e90
-> https://www.srf.ch/news/international/migrationspakt-illegale-push-backs-von-migranten-in-bruessel-am-pranger
„Navi e aerei davanti la Tunisia per fermare le barche dei migranti“
Bei einem Zwischenstopp in Rom hat die italienische Innenministerin
Luciana Lamorgeseihrem französischen Kollegen den Vorschlag
unterbreitet, dass Italien Schiffe und Flugzeuge vor der tunesischen
Küste positioniert, um der tunesischen Küstenwache Boote mit
Migrant*innen zu signalisieren. Deren Aufgabe wäre es dann, die Boote zu
stoppen und die Boat-people nach Tunesien zurückzubringen. So setzt
sich Italien nicht dem Vorwurf rechtswidriger Push-Backs aus. Den neuen
Vorschlag rechtfertigt Lamorgese vor dem Hintergrund des Anschlags von
Nizza mit der Notwendigkeit, potentiellen Terroristen die Einreise nach
Europa zu verwehren.
https://ffm-online.org/navi-e-aerei-davanti-la-tunisia-per-fermare-le-barche-dei-migranti/
+++ATLANTIK
Mehr als 2.000 Geflüchtete erreichen Kanarische Inseln
Die Migrantinnen und Migranten sind in Holzbooten auf Gran Canaria
angekommen. Seit Januar flüchten wieder mehr Menschen über den Atlantik
auf die Kanaren.
https://www.zeit.de/gesellschaft/2020-11/migration-kanarische-inseln-gefluechtete-afrika-spanien
+++GASSE
Immer mehr Menschen nutzen Essenshilfen
https://www.tele1.ch/nachrichten/immer-mehr-menschen-nutzen-essenshilfen-139809220
+++DROGENPOLITIK
Regierungsratsantwort auf Interpellation 208-2020 Geissbühler-Strupler
(Herrenschwanden, SVP) Menschenversuche mit dem Rauschgift Cannabis.
https://www.gr.be.ch/gr/de/index/geschaefte/geschaefte/suche/geschaeft.gid-0cacdfcce99043cb91affcd4a48cfb6c.html
+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Statement der RJG Bern zur Auflösung der Gruppe
Nach mehr als 12 Jahren müssen wir unseren Weg neu definieren – die RJG Bern löst sich auf.
Nach dem Statement der RJG Frauen, Lesben, inter-, nonbinären- und trans
Personen (FLINT Personen) folgt hiermit das Statement der gesamten
Gruppe zur Auflösung der Revolutionären Jugend Gruppe (RJG).
https://revolutionär.ch/?p=5497
-> Statement der RJG FLINT Personen zur Auflösung der RJG Bern: https://revolutionär.ch/?p=5493
Aktivist*innen beflaggen Syngenta
Am frühen Montagmorgen kam es zu einer symbolischen Guerilla-Aktion von
Aktivist*innen für die Konzernverantwortungsinitiative. Nach zwei
Stunden waren alle Verdachtsmomente wieder beseitigt.
https://bajour.ch/a/COClJK1cXwEoFk9X/aktivistinnen-beflaggen-syngenta
Briefkasten von Thales Defence gesprengt
In der Nacht auf den 6.November haben wir an der Binzstrasse 18 in
Zürich den Briefkasten der hiesigen Defence-Abteilung der Thales Gruppe,
dem 8. grössten Rüstungskonzern der Welt, gesprengt.
https://barrikade.info/article/3989
-> https://www.toponline.ch/news/zuerich/detail/news/hintergruende-zum-anschlag-auf-thales-noch-ungeklaert-00144635/
+++AUSLÄNDER*INNEN-RECHT
Kantonsrat will mehr Klarheit bei Ausschaffungen
Zürcher Richter seien zu nachlässig bei Ausschaffungen von straffällig
gewordenen Ausländern: Das kritisierten SVP und andere Parteien heute im
Zürcher Kantonsrat. Die Regierung soll jetzt mit einem Bericht für mehr
Übersicht sorgen.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/kantonsrat-will-mehr-klarheit-bei-ausschaffungen?id=11872740
-> https://www.limmattalerzeitung.ch/limmattal/kantonsrat-will-wissen-wie-haertefallklausel-angewendet-wird-verlangt-bericht-von-regierungsrat-139805705
-> https://www.zsz.ch/anwendung-der-haertefallklausel-wird-analysiert-166533208194
-> https://www.landbote.ch/anwendung-der-haertefallklausel-wird-analysiert-166533208194
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tagesanzeiger.ch 09.11.2020
Härtefallklausel im VisierAL unterstützt Zürcher SVP-Vorstoss zu kriminellen Ausländern
Die Mehrheit der delinquierenden Ausländer wird nicht ausgewiesen. Die
Zürcher SVP macht Druck auf die Gerichte und verlangt eine Analyse – mit
Erfolg.
Pascal Unternährer
Seit dem Ja zur SVP-Ausschaffungsinitiative vor zehn Jahren tobt der
Streit um Härtefälle. Seit 2016 gilt: Kriminelle Ausländerinnen und
Ausländer müssen nicht zwingend des Landes verwiesen werden, wenn dies
einen schweren persönlichen Härtefall bewirken würde und das private
Interesse am Verbleib das öffentliche Interesse an der Ausschaffung
überwiegt.
Zuvor hatte der damalige FDP-Präsident Philipp Müller angekündigt, die
Initiative «pfefferscharf» umzusetzen. Damals war von maximal 5 Prozent
Ausnahmefällen die Rede.
Nun haben Zahlen des Bundesamts für Statistik die SVP auf den Plan
gerufen. 2018 sind im Kanton Zürich 29 Prozent der Delinquenten ohne
Schweizer Pass trotz Katalogtat nicht ausgeschafft worden, 2019 55
Prozent. Auch wenn es hinter diesen Zahlen Fragezeichen gebe, sei die
Tendenz klar, sagte René Truninger (SVP) am Montag im Kantonsrat. Er
verlangt zusammen mit der FDP und der EDU vom Regierungsrat eine
Berichterstattung und Analyse über die Anwendung der Härtefallklausel.
«Die Klausel soll nur in absoluten Ausnahmefällen zum Tragen kommen», so
Truninger.
Linda Camenisch (FDP) meinte, die Initiative werde nicht einmal
ansatzweise pfefferscharf umgesetzt. «Die Gerichte müssen ihre Praxis
ändern», forderte sie. Andrea Gisler (GLP) sagte, der Gesetzgeber habe
eine harte Umsetzung gefordert.
Deliktkatalog als untauglich outen
Support für den Vorstoss gab es überraschend auch von der AL.
Anne-Claude Hensch Frei sagte: «Wir vertrauen darauf, dass unsere
politisch gerecht zusammengesetzten Gerichte angemessen urteilen.»
Am Rande der Sitzung erklärte AL-Fraktionschef Markus Bischoff den
Hintergrund der Zustimmung. Er will den Deliktkatalog als untauglich
outen, und dafür brauche es Transparenz. Heute müsse ein ausländischer
Sozialhilfebezüger ausgewiesen werden, der den Behörden einen
Nebenverdienst von 600 Franken in drei Monaten nicht angegeben hat.
Gemäss Bischoff gebe es zahlreiche weitere Beispiele für Katalogdelikte,
welche mit weniger als sechs Monaten Gefängnis bestraft werden. «Liegen
die Zahlen und die Begründungen der Staatsanwaltschaften und Gerichte
auf dem Tisch, diskutiere ich gerne mit der SVP über Sinn und Unsinn des
Katalogs.»
SP, Grüne, CVP und EVP wehrten sich gegen den Vorstoss. Janine Vannaz
(CVP) sah keinen Bedarf an genaueren Zahlen, ausserdem seien unter den
547 Straftaten im Jahr 2019 viele Bagatelldelikte. Davide Loss (SP)
sagte, das Problem sei der Katalog und sprach von Verhältnismässigkeit:
«Es gibt nun einmal viele Härtefälle.» Und wenn jedes Mal die genauen
Gründe rapportiert werden müssten, entstehe ein Bürokratiemonster.
«Hören Sie auf, Richter spielen zu wollen», rief Loss in den Saal.
«Lassen Sie die Gerichte entscheiden», forderte auch Tobias Mani (EVP).
Trotz des Widerstands wurde das dringliche Postulat mit 99:67 Stimmen
überwiesen. Der Regierungsrat hatte sich nicht gewehrt und muss nun
innerhalb eines Jahres einen Bericht liefern.
(https://www.tagesanzeiger.ch/al-unterstuetzt-zuercher-svp-vorstoss-zu-kriminellen-auslaendern-671932505277)
+++JUSTIZ
StPO-Gebastel
Die Schweizerische Strafprozessordnung ist noch keine zehn Jahr in Kraft
und wurde bereits in ca. 75 Bestimmungen geändert. Für weitere
Anpassungen (Sicherheitshaft, Übernahme der EMRK- und gesetzwidrigen
bundesgerichtlichen Praxis) läuft zurzeit noch eine Referendumsfrist.
https://www.strafprozess.ch/stpo-gebastel/
+++POLIZEI SO
Mehr Sicherheit zu welchem Preis?
In etwa drei Wochen stimmen die Solothurnerinnen und Solothurner über
das neue Polizeigesetz ab. Das Gesetz ist stark umstritten. Für die
einen bringt es mehr Sicherheit. Für die anderen schränkt es die
persönliche Freiheit zu stark ein. Pro und Contra.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-aargau-solothurn/mehr-sicherheit-zu-welchem-preis?id=11872965
Verdeckte Fahndung: Unverzichtbar oder unzulässig? – das Pro und Contra zum Polizeigesetz
Wer ist für, wer gegen das neue Polizeigesetz, über das am 29. November
abgestimmt wird? Teil zwei der kontradiktorischen Beiträge.
https://www.solothurnerzeitung.ch/solothurn/kanton-solothurn/verdeckte-fahndung-unverzichtbar-oder-unzulaessig-das-pro-und-contra-zum-polizeigesetz-139774075
+++POLIZEI DE
Wie vom Blitz getroffen
Die Bundespolizei setzt seit Montag probeweise sogenannte Taser als Waffe ein
Die offizielle Bezeichnung klingt harmlos: Distanz-Elektroimpulsgerät.
Doch Organisationen wie Amnesty International halten Taser für
lebensgefährlich. Dennoch testet die Bundespolizei ihren Einsatz jetzt
an drei Orten in der Praxis.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1144188.taser-wie-vom-blitz-getroffen.html
Polizeigewalt als kleines Geheimnis: Aufnahmen unerwünscht
Polizei geht mit kreativen Argumenten gegen Dokumentation von Einsätzen vor. Juristische Klärung steht noch aus
https://www.jungewelt.de/artikel/390149.polizeigewalt-als-kleines-geheimnis-aufnahmen-unerw%C3%BCnscht.html
+++POLICE FR
Frankreich: „Keine Bilder mehr von Polizisten und Gendarmen auf sozialen Netzwerken“
Ein neuer Gesetzesvorschlag droht Filmern von Polizeigewalt mit einer
Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr, wenn sie das Filmmaterial
„böswillig nutzen“
https://www.heise.de/tp/features/Frankreich-Keine-Bilder-mehr-von-Polizisten-und-Gendarmen-auf-sozialen-Netzwerken-4952312.html
+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Tumulte in Leipzig: Polizei lässt «Corona-Rebellen» freie Hand
Mitten in der Pandemie haben in Leipzig 45’000 Menschen ohne Masken und
Abstand demonstriert. Neonazis griffen Polizisten, Linke und
Journalisten an.
https://www.derbund.ch/polizei-laesst-corona-rebellen-freie-hand-298092014668
-> https://www.neues-deutschland.de/artikel/1144154.leipzig-aufarbeitung-nach-querdenken-demo-in-leipzig-gefordert.html
-> https://www.zeit.de/politik/deutschland/2020-11/querdenken-demo-bundesinnenminister-horst-seehofer-polzei
-> https://taz.de/Demo-von-Corona-Skeptikerinnen/!5726919/
-> https://taz.de/Corona-Protest-nach-Leipzig-Demo/!5724075/
-> https://taz.de/Corona-Demo-in-Leipzig/!5724035/
-> https://taz.de/Gewalt-gegen-JournalistInnen/!5724074/
-> https://www.neues-deutschland.de/artikel/1144160.querdenken-leipzig-vier-minuten-schiere-fassungslosigkeit.html
-> https://www.jungewelt.de/artikel/390142.coronaleugner-in-sachsen-sie-wollte-vom-eigenen-versagen-ablenken.html
-> https://www.deutschlandfunk.de/querdenken-bewegung-kritik-und-konsequenzen-nach-leipziger.1766.de.html?dram:article_id=487215
-> https://www.zdf.de/nachrichten/politik/coronavirus-leipzig-querdenken-demonstration-reaktionen-100.html
-> https://mmm.verdi.de/beruf/corona-proteste-erschreckende-bilanz-69477
-> https://www.deutschlandfunk.de/nach-ausschreitungen-in-leipzig-langsam-wird-es-eng-fuer.720.de.html?dram:article_id=487258
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nzz.ch 09.11.2020
Biedermann und Brandstifter: Der «Querdenker» Michael Ballweg will Oberbürgermeister von Stuttgart werden
Geschickt wie kein Zweiter kanalisiert der 46-Jährige den Unmut gegen
das Pandemie-Management in Deutschland. Ein ungeklärtes Verhältnis zu
Antisemitismus und Rechtsextremismus bestreitet er vehement. Seine
Financiers will Ballweg nicht namhaft machen – trotz der Transparenz,
die er selbst stets vom Staat einfordert. Ein Porträt.
Christoph Prantner, Berlin
Im März hat sich Michael Ballweg noch vor dem Coronavirus gefürchtet.
Statt wie geplant auf Weltreise zu gehen, erzählt er, habe er sich zu
Hause in Stuttgart mit seiner Familie zwei Wochen lang eingeschlossen.
In dieser Quarantäne habe er zu zweifeln begonnen – am Umgang mit dem
Virus und vor allem daran, ob dieser rechtmässig sei. Heute sagt der
46-Jährige Sätze wie diesen: «Die Pandemie ist dann vorbei, wenn die
Bevölkerung entscheidet, dass sie vorbei ist.»
Die Wandlung des Michael Ballweg vom IT- zum Protestunternehmer, vom
Bürger zum Demagogen, dauerte nur wenige Monate. Er ist der Kopf hinter
der Plattform «Querdenken», die Unzufriedene aller Couleur,
Verschwörungstheoretiker und mitunter auch rabiate Reichsbürger auf
ihren Demos versammelt. Ballweg kanalisiert geschickt wie kein Zweiter
den wachsenden Unmut gegen das Pandemie-Management in Deutschland.
Dieser Groll soll ausgerechnet ihn, der dauernd über
ausserparlamentarische Opposition spricht, nun auch in die Politik
tragen. Am Sonntag trat er als parteiloser Kandidat für das Amt des
Oberbürgermeisters in Stuttgart an. Er erreichte 2,6 Prozent der
Stimmen.
Grundgesetz, Tempo 50, Tierliebhaber
Auf seinen Wahlplakaten ist er als Verteidiger des Grundgesetzes, als
Hundefreund oder als Befürworter von Tempo 50 (statt 40) zu sehen. Bei
Wahlversammlungen spricht er über Radwege, das Tiny-House-Konzept oder
Bürgerbeteiligung. Es ist ein wildes Sammelsurium von Sachverhalten. Er
und seine Mitarbeiter, erklärt Ballweg im Gespräch mit der NZZ, hätten
diese aus Diskussionen mit Teilnehmern von Querdenken-Demos
herausdestilliert. Dass sie kaum zusammenhängen, stört ihn wenig. Sein
alles überstrahlendes Thema ist ohnehin Corona.
Noch vor wenigen Wochen fragte er in einer Rede: «Wo ist die Pandemie?»
Er sehe nachweislich keine steigende Infektionsrate, keine sich
füllenden Intensivbetten und keine zunehmende Zahl von Corona-Toten.
Schon damals stellte sich die Faktenlage für die meisten Menschen
anders dar. Auf die derzeit tatsächlich exponentiell wachsenden Zahlen
angesprochen, erwidert Ballweg, positive Tests bedeuteten noch keine
Infektionen. Er glaube eher den Zahlen der Helios-Kliniken (86
Standorte in Deutschland) als jenen des Registers der Deutschen
Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin, dem
1286 Krankenhäuser Daten über die intensivmedizinische Versorgung von
Covid-19-Patienten melden.
An der Quelle nachfragen
Warum? Erstere seien transparent, sagt Ballweg. Bei Letzteren müsse
«man erst mal gucken, wer das finanziert». Ausserdem habe es da ja
immer wieder einmal Probleme mit Meldungen gegeben. Und ganz
grundsätzlich: Querdenken habe es sich zur Aufgabe gemacht, «an der
Quelle nachzufragen». Das Ergebnis solcher «Nachforschungen» ist in den
meisten Fällen eine Mischung aus Mutmassungen, Unterstellungen und
einem scheinbar eingeweihten Raunen. Aber das bleibt das alleinige
Problem der Gegner der «Querdenker».
Ballweg ficht Kritik wenig an. Er tritt mit dem Habitus des sanften,
zuweilen biederen Rebellen auf. Zum mitreissenden Volkstribunen fehlt
ihm Verve, rhetorische Kadenzen hat er nicht im Repertoire. Stattdessen
hat er eine adrette Frisur, ein Querdenken-T-Shirt, Jeans und
Turnschuhe zu bieten. Würde der Prototyp des netten Kumpeltyps unter
den Verschwörungsmystikern gesucht, die Wahl fiele auf den 46-Jährigen.
In seinem weissen Kapuzenpulli wirkt er beinahe so, als wäre er noch
immer der computerbegeisterte Student, der vor 25 Jahren «vom Dorf»
(Ballweg) nach Stuttgart kam, um BWL zu studieren.
1996 hat er dort seine Firma, die Media Access GmbH, gegründet. Sie
bietet Software an und hat sich auch an einer App zur Überwachung von
Kindern versucht. Ein paar Tage vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie
hat Ballweg sein Hauptprodukt, ein Programm zum Projektmanagement mit
pensionierten Experten, verkauft. Auf der Website des Unternehmens ist
er noch in Anzug, Hemd mit Manschettenknöpfen und mit dicker Uhr zu
sehen. Heute steht er den neuen Eigentümern noch einige Zeit für die
Übergabe zur Verfügung, muss aber nicht mehr für Geld arbeiten.
Inzwischen interessiert er sich mehr für die spirituelle Seite des
Lebens. Den Eindruck zu erwecken, er ruhe in sich und müsse niemandem
mehr etwas beweisen, ist ihm wichtig. Er sei gern in der Natur und
brauche weder ein grosses Auto noch ein Boot, sagt Ballweg über sich.
Religiös sei er nicht. Aber er meditiere viel, trinke keinen Alkohol
und lebe sehr gesund. Bis vor wenigen Monaten sei er ausserdem völlig
unpolitisch gewesen. Auch das hat sich geändert. Neben den
Querdenken-Hoodies trägt er heute ganz leger Polohemden mit seinem
Wahlkampf-Logo – MB20, Michael Ballweg 2020.
Klage um den «Goldenen Aluhut»
Eine besondere Art von Entspanntheit manifestiert sich auch
inhaltlich: Ballweg fordert die Abdankung der Bundesregierung so ruhig,
als würde er Apfelschorle bestellen. Ganz nebenbei lädt er Donald
Trump und Wladimir Putin zu Demos nach Deutschland ein, damit diese den
Europäern Friedenspolitik erklären. Dann will er unbedingt seinen
angeblichen Sieg bei der Verleihung des Negativpreises «Der goldene
Aluhut» einklagen. Und schliesslich wundert er sich, dass sich niemand
darüber Gedanken mache, ob achtlos weggeworfene Mundschutzmasken für
ausgeführte Hunde gefährlich sein könnten.
Mögen seine Themen auch variieren, die Redefiguren sind immer die
gleichen. Es geht stets um die Andeutung einer grossen Verschwörung.
Um Hintermänner, die den Menschen ihr selbstverantwortliches Leben und
die Demokratie wegnehmen wollen. Wenn Ballweg so raunt, scheint hinter
dem Biedermann auch der Brandstifter durch.
Den ruhigen, kontrollierten Chef-Querdenker bringt erst aus der Ruhe,
wer ihn unnachgiebig «an der Quelle» befragt, wie er es selbst gerne
propagiert. Wer etwa seinen OB-Wahlkampf mit finanziellen Zuwendungen
in Form von Schenkungen unterstützt, will Ballweg partout nicht sagen.
Seine Bewegung unterliege ja auch nicht dem Parteiengesetz. Hat die
Öffentlichkeit im Sinne seiner Forderung nach Transparenz nicht dennoch
das Recht, das zu wissen? Nein, man gebe nur das bekannt, wozu man
auch verpflichtet sei.
Antisemitismus- und Rechtsextremismusvorwürfe
Seinem Pressesprecher Stephan Bergmann, der Mitbegründer eines vom
Landesverfassungsschutz Baden-Württemberg als rechtsextrem eingestuften
Vereins ist, attestiert Ballweg, «ein herzensguter Mensch» zu sein.
Antisemitische Tendenzen, die der baden-württembergische
Antisemitismusbeauftragte Michael Blume bei Querdenken feststellt,
führt Ballweg auf dessen «Wahrnehmungsschwäche» zurück. Auch über den
umstürzlerischen Verschwörungsapostel Ken Jebsen, der wegen
Antisemitismusvorwürfen aus dem öffentlichrechtlichen Rundfunk entfernt
wurde, lässt er nichts kommen. Schliesslich war Jebsen im Mai einer
der prominentesten Redner bei einer Querdenken-Demo in Stuttgart und
bietet dem OB-Kandidaten heute über seine Online-Kanäle grosse
Publizität.
Auch über seine genaue Herkunft hält sich Ballweg bedeckt: Er sei aus
Wertheim am Main, der nördlichsten Stadt in Baden-Württemberg. In
welchem Dorf genau er mit seinen vier Brüdern aufgewachsen ist, will er
nicht sagen. Denn dann müssten sich die Leute dort von neugierigen
Reportern bedrängen lassen. Die Mainstream-Medien liessen ja
üblicherweise kein gutes Haar an seiner Bewegung. Bis vor kurzem wollte
Querdenken deshalb Journalisten vor Interviews eine «Erklärung zur
journalistischen Arbeit» unterzeichnen lassen. Inzwischen ist Ballweg
davon abgerückt. In Wahlkämpfen, so scheint es, ist schlechte
Mainstream-Presse immer noch besser als keine Mainstream-Presse.
(https://www.nzz.ch/international/querdenker-michael-ballweg-will-ob-in-stuttgart-werden-ld.1585590)
+++KNAST
Kinder von Eltern im Freiheitsentzug: Das Schweigen der Schweizer Behörden
Wenn Eltern strafrechtlich verfolgt werden, sind die sozialen und
menschlichen Folgen für ihre Kinder meist gravierend. Von offizieller
Seite wird von diesem Umstand jedoch keine Notiz genommen: Von der
Verhaftung eines Elternteils bis zur Vollstreckung der Strafe werden
betroffene Kinder von der Politik marginalisiert und ihre Rechte von den
Strafverfolgungsbehörden missachtet. Bereits 2015 schlug der
UNO-Ausschuss für Kinderrechte Alarm. Fünf Jahre später hat sich die
Situation immer noch nicht verbessert, obwohl Kinder durch die
Inhaftierung ihrer Eltern besonderen Risiken ausgesetzt sind.
https://www.humanrights.ch/de/ipf/menschenrechte/kinder/kinder-eltern-freiheitsentzug-schweizer-schweigen
—
tagesanzeiger.ch 09.11.2020
TV abgestellt, Arrest im Bunker: So werden Häftlinge im Gefängnis schikaniert
Viele Gefangene erleben Machtspiele und Gewalt durch Aufseher.
Bankräuber Hugo Portmann sagt: «Damit macht man die Leute kaputt.»
Fachleute fordern mehr Rechtsschutz.
Liliane Minor
Der dunkelhäutige Gefangene A. kommt fünf Minuten zu spät aus dem
Ausgang zurück. Der Bus sei verspätet gewesen, gibt er an. Doch der
Aufseher glaubt Alkohol zu riechen. «Lügen Sie nicht», sagt er zu A.,
«wir sind hier nicht in Afrika!» Als sich A. beschwert, kassiert er drei
Tage Arrest im sogenannten Bunker. Begründung: Er habe einen Aufseher
zu Unrecht beschuldigt.
Der Gefangene B. wird in der Werkstatt immer wieder von einem
Mitgefangenen beleidigt. Schliesslich schmeisst B. seinem Peiniger
verärgert einen Schraubenschlüssel vor die Füsse. Der Vorfall wird in
der Akte von B vermerkt – ohne Vorgeschichte, angehört wird B. nicht.
Die Akte dient später als Grundlage, um die Rückfallgefahr des
Gefangenen zu beurteilen.
Extremes Machtgefälle im Vollzug
Das sind zwei leicht verfremdete Beispiele aus dem Alltag in hiesigen
Gefängnissen. Zwei Beispiele, die für ein Grundproblem im Strafvollzug
stehen, das Stephan Bernard so umschreibt: «Im Vollzug herrscht ein
extremes Machtgefälle. Die Gefahr, dass diese Macht missbraucht wird,
ist sehr gross.» Stephan Bernard ist einer der wenigen Anwälte, die auch
verurteilte Straftäter vertreten. Und er ist ein pointierter Kritiker
des Vollzugs, den er als «Blackbox» bezeichnet: «Die öffentliche
Kontrolle ist absolut ungenügend.»
Zum Gespräch in seinem Büro in Zürich hat Bernard auch David Mühlemann
von der Menschenrechtsorganisation Humanrights.ch zugezogen, die eine
Beratungsstelle für Gefangene betreibt. Mühlemann hat wie nur wenige
Aussenstehende Einblick in den Vollzugsalltag. Er sagt: «Wir hören von
unzähligen Formen des Machtmissbrauchs, von blöden Sprüchen über
verweigerte Literatur bis zum Arrest.» Disziplinierung mit Gewalt sei
nach wie vor ein zentrales Element im Strafvollzug.
Der harsche Umgang mit dem junge Straftäter Brian alias Carlos hat in
den vergangenen Monaten ein grelles Schlaglicht auf solche Praktiken
geworfen (lesen Sie hier mehr dazu). Und so extrem der Einzelfall Brian
ist: Für seine Anwälte ebenso wie für Bernard und Mühlemann ist der
25-Jährige auch ein Beispiel für das, was im Kleinen und unbeobachtet
von der Öffentlichkeit tagtäglich in Zürcher Gefängnissen passiert.
Sicherheit über allem
Einer, der all diese Spielarten aus eigener Anschauung kennt, ist Hugo
Portmann. Portmann, einst einer der bekanntesten Bankräuber der Schweiz,
hat sich immer wieder gegen Missstände hinter Gittern aufgelehnt. Er
lebt heute in Freiheit. Portmann sagt: «Der Vollzug ist in den letzten
Jahren repressiver geworden. Damit macht man die Leute kaputt.» Vor
lauter Bemühen, die Sicherheit zu wahren, werde jede Individualität
unterdrückt. Fairer werde der Vollzug so nicht.
Eigenständiges Denken sei nicht gefragt, es zähle nur eins: gutes
Benehmen gleich Unterordnung. «Und was das ist, definieren die
Aufseher.» Zwar seien die meisten Aufseher korrekt. «Aber einige sind es
nicht. Und diese haben x Möglichkeiten, die Gefangenen zu schikanieren:
TV wegnehmen, Zellen durchsuchen, das Joghurt zum Frühstück
‹vergessen›, einen beim Zellaufschluss warten lassen, und und und.»
Andere Gefangene, mit denen diese Zeitung gesprochen hat, bestätigen
Portmanns Einschätzung. Einer sagt es so: «Da reden sie gross davon,
dass wir auf das Leben draussen vorbereitet werden sollen, aber die
rigiden Regeln führen genau zum Gegenteil.» Ständig stehe man unter
Beobachtung, alles werde notiert. Freundschaften seien suspekt. Nur
schon wer einem anderen eine Tasse Kaffee spendiere, werde bestraft,
weil so etwas als unerlaubtes Rechtsgeschäft gilt.
Die Folgen beschreiben vor allem langjährige Gefangene so: «Man fühlt
sich ausgeliefert, wird extrem empfindlich auf Schikanen und
Ungerechtigkeit. Ein angeblich vergessenes Joghurt mag draussen
Kleinkram sein, hier drinnen aber ist das schlimm.»
Viele wehren sich nicht
Wehren könnten sich die Gefangenen kaum, kritisieren Bernard und
Mühlemann. «Viele Schikanen sind subtil, kaum beweis- und schon gar
nicht strafbar», sagt Mühlemann. Wohl können Gefangene, die sich nicht
korrekt behandelt fühlen, per Hausbrief an die Direktion gelangen – aber
davor schreckten viele aus Angst vor Vergeltung oder einem Eintrag in
der Akte zurück. Denn die Einträge sind etwa für Vollzugslockerungen
relevant. «Und wem glaubt man, wenn der Gefangene das eine sagt, zwei
Aufseher aber das andere?», fragt Mühlemann lakonisch.
Gegen härtere Sanktionen wie Arreststrafen sind zwar formell Einsprachen
möglich – nur haben diese keine aufschiebende Wirkung. «Es bringt
wenig, sich zu wehren», sagt Bernard, «im Bunker sitzt man trotzdem.»
Kommt hinzu: Viele Gefangene kennen ihre Rechte kaum, und ist das Urteil
einmal gefällt, steht ihnen auch kein Pflichtverteidiger mehr zur
Seite. «Es ist absurd», sagt Bernard, «da treiben wir zu Recht einen
riesigen Aufwand, dass Gerichtsverfahren fair sind – aber sobald das
Urteil gefällt ist, ist der Rechtsschutz kaum mehr existent.» Mühlemann
sieht das ähnlich: «Es gibt einen unendlichen Bedarf an Rechtsberatung
im Gefängnis. Aber kaum jemand fühlt sich zuständig – obwohl es sich
dabei um einen zentralen menschenrechtlichen Anspruch der Insassen
handelt.»
Anwälte, die sich in der Materie auskennen, gibt es landesweit
vielleicht ein Dutzend. Bernard sagt: «Die Materie ist extrem komplex.
Es gibt unzählige Erlasse, Gesetze, Hausordnungen und so weiter, die
eine Rolle spielen.» Wer sich wehre, verliere sich oft im Dickicht
unklarer Kompetenzen und ewig langer Verfahren. So musste ein Gefangener
bis vor Bundesgericht prozessieren, nur um die Frage zu klären, ob im
Kanton Zürich das Verwaltungs- oder das Obergericht über sein Gesuch zu
entscheiden hat, in eine andere Anstalt verlegt zu werden. Bis der
Entscheid des höchsten Gerichts endlich vorlag, war das Verlegungsgesuch
längst obsolet geworden.
Für Bernard und Mühlemann ist deshalb klar: Es braucht eine unabhängige,
institutionalisierte Rechtsberatung, einen kostenlosen Rechtsbeistand
sowie eine Ombudsstelle für Gefangene. Und es braucht eine öffentliche,
unabhängige Kontrolle in den Gefängnissen. Zwar besuchen die nationale
und die EU-Folterkommission die Gefängnisse alle paar Jahre. Ihre
Beobachtungen und Empfehlungen werden in einem Bericht veröffentlicht,
aber Verbesserungen durchsetzen können die Kommissionen nicht. «Das
reicht nicht», sagen Mühlemann und Bernard.
Rigide Regeln haben guten Grund
Jérôme Endrass und Andreas Naegeli weisen die Kritik zurück. Naegeli ist
Direktor der Zürcher Justizvollzugsanstalt Pöschwies, die unter
Gefangenen in der Deutschschweiz als sehr streng gilt. Endrass ist
Forensiker und stellvertretender Leiter des Zürcher Amts für
Justizvollzug und Wiedereingliederung.
Die beiden Männer sind überzeugt, dass der Schweizer Justizvollzug im
Allgemeinen und die Zürcher Gefängnisse im Speziellen hoch professionell
arbeiten. Natürlich sei der Gefängnisalltag rigiden Regeln unterworfen:
«Mit gutem Grund. Wir haben es mit teils gefährlichen Straftätern zu
tun, viele sind psychisch angeschlagen.»
Sicherheit und Ordnung seien nicht verhandelbar – es gehe um den Schutz
von weniger wehrhaften Gefangenen, aber auch um den Schutz der
Angestellten. «Sie werden manchmal aufs Übelste beschimpft und bedroht»,
sagt der Direktor, «und müssen dennoch immer die Ruhe bewahren.» Von
Schikanen seiner Mitarbeiter will er nichts wissen: «Das sind Profis.»
Das Beschwerdesystem für Gefangene funktioniere und werde rege genutzt.
Eine Rechtsberatung könne zwar aus verschiedenen Gründen sinnvoll sein,
sagt Jérôme Endrass: «Wenn es allerdings nur darum geht, dass die
Gefangenen ihre Anliegen besser vertreten können, bringt eine weitere
Formalisierung der Abläufe keinen zusätzlichen Gewinn. Wir behandeln
jede Beschwerde, es reicht, wenn erkennbar ist, was der Betroffene
meint.» Natürlich gebe es immer Ansätze für Verbesserungen, «diese
wollen wir dort einleiten, wo sie konkreten Nutzen haben.» Als Beispiel
nennt er das, was die Gefangenen als Gleichmacherei kritisieren: «Es ist
erwiesen, dass die Zufriedenheit höher ist, wenn man das Zusammenleben
natürlicher und individueller gestaltet.» Die Pöschwies versuche, in
diese Richtung zu gehen.
Erfolgreiches Justizsystem – aber nicht ohne Mängel
Eine etwas andere Sicht vertritt Thomas Manhart, bis vor einem Jahr
Leiter des Zürcher Amtes für Justizvollzug. Er hat unlängst einen
bemerkenswerten Aufsatz über das Verhältnis zwischen Justizvollzug und
Gefängnisseelsorge geschrieben. Darin kritisiert er, dass der
Sicherheitsanspruch im Vollzug heute zu hoch gewichtet werde (eine
Sichtweise, die er als Amtschef nicht vertreten habe, wie er einräumt).
Im Gespräch weist auch er auf die Erfolge des Schweizer Justizsystems
hin. Der steigende Anspruch an die Sicherheit führe aber dazu, dass
gerade unbequeme Gefangene öfter disziplinarische Probleme bekämen – mit
Folgen für die Haftdauer. Das geht zulasten einer wichtigen
Errungenschaft, nämlich dass Gefangene abschätzen können, wann sie mit
Vollzugslockerungen und der Freilassung rechnen können.
Dennoch: Der Umgang mit den Gefangenen sei im Grossen und Ganzen
respektvoller als früher. «An systematische Schikanen glaube ich nicht –
aber zu behaupten, dass nie etwas Derartiges passiert, widerspräche
jeder Menschenkenntnis.» Es liege in der Natur des Strafvollzugs, dass
sich Gefangene machtlos fühlten: «Umso mehr muss sichergestellt werden,
dass diese Ohnmächtigen korrekt behandelt werden. Da hilft vor allem
eines: Ausbildung, Ausbildung, Ausbildung.»
Die Kritik am Rechtsschutz für Gefangene und den Ruf nach mehr
öffentlicher Kontrolle kann er nachvollziehen: «Das Justizsystem hat
eine Tendenz zur Abschottung. Vollzugsinstitutionen empfinden es nicht
selten als Desavouierung oder persönliche Niederlage, wenn ein
Rechtsmittel gegen ihre Entscheide gutgeheissen wird.» Dass dieselbe
Justizdirektion, welche die Gefängnisse betreibt, auch über Beschwerden
entscheide, sei im Lichte der Gewaltentrennung nicht optimal. Eine
unabhängige Ombudsstelle für den Strafvollzug hält er deshalb für eine
gute Idee, ebenso eine ausgebaute Aufsicht. «Hier bräuchte es mehr
Ressourcen.».
Für die Gefangenen sind solche Diskussionen letztlich abgehoben. «Alles,
was wir verlangen», sagt einer, «ist, dass man uns anständig behandelt.
Wir sind nicht alle einfach nur Lügner, Betrüger und Gewalttäter. Wir
sind Menschen.»
(https://www.tagesanzeiger.ch/wir-sind-nicht-alle-einfach-nur-luegner-betrueger-und-gewalttaeter-362753202671)
+++HISTORY
Die Buchenwald-Kinder – Eine Schweizer Hilfsaktion
Diese Dokumentation begleitet die fiktionale SRG-Serie «Frieden» mit
historischen Fakten. Im Fokus steht eine Schweizer Hilfsaktion für Opfer
des Nazi-Regimes, die sogenannte Buchenwald-Aktion. Eine gut gemeinte
Hilfsaktion der Schweiz, die aber mangelhaft geplant und umgesetzt
wurde.
https://www.srf.ch/play/tv/dok/video/die-buchenwald-kinder—eine-schweizer-hilfsaktion?urn=urn:srf:video:2b4e3ccf-3ba1-4ad7-83da-261a39ea29fd&aspectRatio=16_9
Zeichnungen aus dem 2. Weltkrieg – 10vor10
Kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges kamen Kinder und Jugendliche
aus dem befreiten Konzentrationslager Buchenwald in die Schweiz. Einige
unter ihnen drückten ihre Erlebnisse in Zeichnungen aus. Diese lagern
heute im ETH-Archiv für Zeitgeschichte.
https://www.srf.ch/play/tv/10vor10/video/zeichnungen-aus-dem-2–weltkrieg?urn=urn:srf:video:747bc981-4f46-4cec-88cc-50a5ddcec504
Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen: Die umfassende Aufarbeitung staatlichen Unrechts
Die fürsorgerischen Zwangsmassnahmen sind eines der dunkelsten Kapitel
der Schweizer Sozialgeschichte. Die nun beschlossenen
Wiedergutmachungsmassnahmen sind aus menschenrechtlicher Sicht nicht
ausreichend. Auch auf der politischen Bühne haben sie grosse
Diskussionen ausgelöst.
https://www.humanrights.ch/de/ipf/menschenrechte/zugang-zum-recht/opfer-fuersorgerische-zwangsmassnahmen-wiedergutmachung