Medienspiegel 28. Oktober 2020

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

++++AARGAU
Postulat eingereicht: Stadt soll mindestens neun Flüchtlinge aus Moria aufnehmen
Die Brugger Einwohnerräte Björn Bürkler und Pascal Ammann reichen ein Postulat ein – für dringlich erklärt worden ist es aber nicht.
https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/brugg/postulat-eingereicht-stadt-soll-mindestens-neun-fluechtlinge-aus-moria-aufnehmen-139630428


An Covid-19 erkrankte Asylbewerber kommen wieder nach Frick
Der Kanton Aargau hat die Corona-Isolierstation im Werkhof wieder in Betrieb genommen. Die Anlage soll maximal 50 Personen betreuen.
https://telebasel.ch/2020/10/28/an-covid-19-erkrankte-asylbewerber-kommen-wieder-nach-frick/?channel=105100


+++BASEL
Schaufenster-Rundgang «Securitas-Gewalt im Bundesasyllager Basel»
Eine Aktivist*innen-Gruppe hat eine Ausstellung zur Securitas-Gewalt im Camp 50 Basel aus Zitaten aus der Dokumentationsbroschüre «Sie finden immer einen Grund, uns zu schlagen» (Basel, Mai 2020) zusammengestellt:
Im November rufen uns deswegen einige Schaufenster in Basel dazu auf, kurz innezuhalten. Wahrnehmen können wir in ihnen Stimmen von gewaltbetroffenen Asylsuchenden aus dem Bundesasyllager Basel.
https://3rgg.ch/schaufenster-rundgang/


++++ZÜRICH
Prix Courage: Markus Fritzsche könnte Zulassung verlieren – Arzt rettet coronakranke Geflüchtete – und wird dafür bestraft
Markus Fritzsche bekämpft Covid-19 in der Asylunterkunft. Soll er den diesjährigen Prix Courage erhalten?
https://www.blick.ch/news/prix-courage-markus-fritzsche-koennte-zulassung-verlieren-arzt-rettet-coronakranke-gefluechtete-und-wird-dafuer-bestraft-id16109358.html


+++ÄRMELKANAL
Flucht nach Großbritannien: Tod im Ärmelkanal
Vier Menschen sind bei ihrer Überfahrt im Meer ertrunken, darunter zwei Kinder. Über 7.000 Menschen kamen 2020 auf Booten nach Großbritannien.
https://taz.de/Flucht-nach-Grossbritannien/!5724525/


+++EUROPA
Studie zur EU-Asylpolitik: Migration: Das Menschenrechts-Dilemma der EU
Überfüllte Flüchtlingslager, zerstrittene Mitgliedsstaaten: seit Jahren sucht die EU nach einer gemeinsamen Asylpolitik. Ob und wie diese mit den Prinzipien der Menschenrechte einhergeht, hat nun eine Studie untersucht.
https://www.dw.com/de/migration-das-menschenrechts-dilemma-der-eu/a-55401177


+++JENISCHE/SINTI/ROMA
Halteplatz für FahrendeProvisorischer Transitplatz in Gampelen ist Geschichte
Der Transitplatz für Fahrende in Gampelen wird geschlossen. Beim Kanton hofft man, dass Gampelen anderen Gemeinden als Vorbild dienen könnte.
https://www.derbund.ch/provisorischer-transitplatz-in-gampelen-ist-geschichte-353448136972
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/der-transitplatz-fuer-fahrende-in-gampelen-ist-geschichte?id=11865561



bernerzeitung.ch 28.10.2020

Ruhiger Sommer in Gampelen: Die Fahrenden sorgten nur einmal für Schlagzeilen

Vor zehn Tagen hat Gampelen den provisorischen Transitplatz geschlossen. Die Behörden ziehen ein mehrheitlich positives Fazit.

Stephan Künzi

Gleich  mehrere schwere Betonelemente versperren die Zufahrt zum Kiesplatz  ausserhalb von Gampelen. Sie machen klar, dass hier ein geordneter  Betrieb herrschen soll. An einer Tafel hängen die Hausordnung sowie ein  Plan mit dem Rayon, in dem nicht hausiert werden darf – genau: Hier,  mitten im Grossen Moos, können ausländische Fahrende ganz legal  haltmachen.

Oder  besser konnten – denn seit zehn Tagen ist der auf 25 bis 30 Gespanne  ausgelegte Platz fast leer. Nur die Container mit den Toiletten und  Duschen sowie zwei Waschmaschinen, die etwas verloren in der Landschaft  stehen, erinnern an das Leben in den letzten viereinhalb Monaten. Und  natürlich ein letzter Wohnwagen, das Zuhause jener Schweizer Fahrenden,  die hier im Auftrag der Gemeinde sauber gemacht haben.

Direkt  am Eingang steht, ebenfalls in massive Betonelemente gegossen, ein  Joch. Es ist eine weitere Sicherheitsmassnahme – denn nur wenn der  Querbalken aufgeschlossen und zur Seite geschwenkt wird, können  Wohnwagen auf den Platz rollen.

Konsequenz ist alles

Unter  diesem Joch haben sich drei Männer versammelt, Alfred Dähler, Andreas  Geringer und Eric Dietrich. Es regnet in Strömen, doch das schlechte  Wetter kann die aufgeräumte Stimmung nicht trüben. Kein Wunder,  schliesslich blicken der Platzwart, der Fahrende und der Gemeinderat auf  eine ruhige zweite Saison auf dem Platz zurück.

Sofern  sie das Ende und den Anfang ausblenden. Denn eigentlich, sagt Dietrich,  hätte die Saison etwas länger dauern sollen. Die drei hatten allerdings  die Rechnung ohne die letzten Gäste gemacht: «Sie führten sich nicht  gut auf», sagt Dietrich und berichtet von liegen gebliebenen Abfällen  und Fäkalien. Deshalb habe die Familie vorzeitig abreisen müssen.

Noch heikler war die Situation kurz nach dem coronabedingt verspäteten Start im Juni. Es war die Zeit, in der der Autobahnrastplatz bei Wileroltigen von Fahrenden komplett in Beschlag genommen und für die Passanten geschlossen war. Um ihn wieder eröffnen zu  können, leitete die Polizei einen Teil der Familien auf andere Plätze  um. Eine brachte sie nach Gampelen – es war ausgerechnet jene, «mit der  wir schon letztes Jahr Probleme hatten», so Dietrich.

Diesmal  war es nicht anders, die Familie weigerte sich, die Platzgebühr und die  Kaution zu den genannten Bedingungen zu zahlen. Dietrich zog die  Reissleine, drückte jedem und jeder zuerst eine Wegweisungsverfügung in  die Hand, musste später gar mit einer Anzeige drohen. Erst jetzt zog  auch der harte Kern weiter – Gampelen sorgte mit seinem Transitplatz das erste und einzige Mal in diesem Jahr für Schlagzeilen.

«Man  muss konsequent sein», sagt Dietrich, und Platzwart Dähler pflichtet  ihm bei. Die Fahrenden müssten zwar ihren Raum haben, «ihre Lebensweise  ist Kultur». Ebenso klar sei aber auch, dass sie sich an die Regeln der  Gastgeber zu halten hätten, «genau wie in einem Hotel».

Regeln wie im Hotel

Unüberhörbar  schwingen in diesen Worten die Erfahrungen aus der ersten Saison im  letzten Jahr mit. Schon der Start ging gründlich schief, der Platz war  noch gar nicht offen, als die ersten Fahrenden auftauchten. Dummerweise  war an diesem Sonntag in Murten Slow-up, und der ganze Umleitungsverkehr  rollte über die Strassen rund um Gampelen.

«Sie  griffen von zwei Seiten an», erinnert sich Dietrich an die beiden  Konvois, die auf sein Dorf zurollten. Sie kamen den ohnehin schon vielen  Autos in die Quere, und weil die Situation zu eskalieren drohte,  mussten die Behörden den Platz vorzeitig aufmachen. «Damit hatten wir  schon verloren.» Sobald die eigene Autorität infrage gestellt sei, werde  es mit den Fahrenden schwierig.

Die  Probleme rissen nicht ab. Die Gras- und Maisstreifen rund um den Platz  wurden zwar wie vorgesehen von den Frauen und Kindern als  Freilufttoilette benutzt. Die Männer dagegen machten auf den Weg, «sie  wollten sich die Schuhe nicht schmutzig machen». Als es Dietrich zu bunt  wurde, rückte er mit Schaufel und Karrette aus und putzte den Dreck  eigenhändig weg.

Für zusätzliche Unruhe sorgte, dass es unter den Fahrenden selber Spannungen gab.

Spannungen unter Fahrenden

Nicht  jede Familie kann es mit jeder gleich gut. Kaum einer weiss es so gut  wie Andreas Geringer, der als Fahrender seit Jahr und Tag Brücken zu den  Ansässigen schlägt und unter den Fahrenden selber vermittelt. In dieser  Funktion war er dieses Jahr auch in Gampelen tätig: «Er hat uns Tipps  gegeben, welche Familie zu welcher passt», so Dietrich. Das habe  wesentlich zur Ruhe in der zweiten Saison beigetragen.

Dazu  kamen die verschärften Regeln. Dietrich erwähnt, dass die Gemeinde  lückenlos alle Anwesenden registrierte. An jedes Fahrzeug wurde eine  spezielle Nummer geklebt, die eine eindeutige Identifikation zuliess.  Dann vergleicht er wieder mit dem Hotel: Ein Halt in Gampelen sei nur zu  einem vorgängig vereinbarten Termin möglich gewesen, eben, wie beim  Check-in.
Wer  das Zeitfenster verpasste, zog unverrichteter Dinge weiter.

Schliesslich musste die Gemeinde jedes Mal die massiven Betonelemente  beiseiteschieben und daher mit schwerem Gerät bereitstehen.

Seine Erleichterung

Finanziell  geht die Rechnung für Gampelen nicht zuletzt deshalb auf, weil der  Kanton für die Kosten für den Aufbau und Unterhalt des Platzes  geradesteht. Dies gälte auch für die Defizite aus dem laufenden Betrieb.  Dietrich geht allerdings davon aus, dass die Einnahmen aus den  Platzgebühren reichen werden.

Nicht  mit einberechnet ist da Dietrichs Aufwand. Er habe ja als Gemeinderat  und damit ehrenamtlich gearbeitet, sagt er. Und etwas präziser: Er sei  täglich für den Transitplatz unterwegs gewesen, neben seiner Arbeit auf  dem familieneigenen Gemüsebaubetrieb und als Schulbuschauffeur.

Umso  wichtiger ist ihm, dass das Wissen, das sich Gampelen mit dem  Transitplatz erarbeitet hat, nun an jene Gemeinden weitergeht, die die  Fahrenden nächstes Jahr allenfalls aufnehmen (siehe Kasten). Nach zwei  Saisons ist in seiner Gemeinde nämlich Schluss, so war es mit dem Kanton  von Anfang an abgemacht. Für ihn sei es eine Entlastung, stellt  Dietrich fest. Das habe auch seine Frau bemerkt: «Sie sagte mir, ich sei  wieder viel entspannter.»



Letztes Jahr zwei Plätze, heuer einer – und dann?

Die  Vorgabe des Kantons ist klar. Bis der definitive Transitplatz bei  Wileroltigen gebaut ist, sollen die ausländischen Fahrenden auf zwei  provisorischen Plätzen haltmachen können. Letztes Jahr war das möglich:  Neben Gampelen bot auch Brügg diese Möglichkeit an.

Brügg  betrieb seinen Platz damals in der zweiten und letzten Saison, Gampelen  in der ersten. Weil sich in der Folge für Brügg kein Ersatz fand, blieb  Gampelen heuer die einzige Gemeinde mit einem offiziellen Angebot für  ausländische Fahrende.

Mit  dem Ende der zweiten Saison ist nun auch in Gampelen Schluss. Noch hat  keine Gemeinde dem Kanton zugesagt, doch in der zuständigen Direktion  von Regierungsrätin Evi Allemann (SP) betont Jürg Schertenleib: Die  beiden Statthalterämter im Seeland hätten Schritte eingeleitet, um  Plätze zu finden.

Schertenleib  sagt noch, dass der definitive Rastplatz bei Wileroltigen statt 2023  erst 2024 fertig wird. Verantwortlich sei das Referendum gegen das  Vorhaben. Bis zum Urnengang im letzten Februar seien die Arbeiten  unterbrochen worden.

In  die Bresche springt wohl auch in Zukunft der Bund: Schertenleib geht  davon aus, dass den Fahrenden weiterhin ein Teil des Autobahnrastplatzes  Wileroltigen zur Verfügung steht. (skk)
(https://www.bernerzeitung.ch/die-fahrenden-sorgten-nur-einmal-fuer-schlagzeilen-274467687236)


+++GASSE
Drogen-Party-Szene am Bahnhof Langnau?
Dass sich am Bahnhof Langnau Jugendliche versammeln und Alkohol und Drogen konsumieren, das ist schon länger ein Problem.
https://www.neo1.ch/news/news/newsansicht/datum/2020/10/28/drogen-party-szene-am-bahnhof-langnau.html


+++KNAST
Gefängnisse: Den Knast abschaffen?
Sollte man weniger Menschen einsperren? „Vox Pop“ blickt nach Schweden, wo es keine überfüllten Gefängnisse gibt und das Strafsystem als eines der liberalsten und humansten der Welt gilt. In diesem Königreich ist die Haft nur das letzte Mittel, Haftdauern sind kurz und Rückfallquoten doppelt so niedrig wie in Frankreich. Was sind die Schlüssel zum Erfolg?
https://www.arte.tv/de/videos/091151-030-A/vox-pop/


+++RASSISMUS
Titel seiner Biografie stösst Leser vor den Kopf: Zoff um Gölas «Zigeunerherz»
Göläs Biografie gefällt nicht allen: Grund dafür ist der Titel «Zigeunerherz». Denn der Begriff «Zigeuner» gilt heute als diskriminierend.
https://www.blick.ch/people-tv/titel-seiner-biographie-stoesst-leser-vor-den-kopf-zoff-um-goelas-zigeunerherz-id16165686.html


+++RECHTSPOPULISMUS
Falsches Goebbels-Zitat gepostet: Kampf ums Polizeigesetz eskaliert nach Beitrag von SVP-Kantonsrat
Rémy Wyssmann hat in der Diskussion zum Polizeigesetz ein vermeintliches Zitat von Joseph Goebbels, Reichspropagandaführer im Dritten Reich, auf Facebook gepostet. Die Reaktionen sind heftig.
https://www.solothurnerzeitung.ch/solothurn/kanton-solothurn/falsches-goebbels-zitat-gepostet-kampf-ums-polizeigesetz-eskaliert-nach-beitrag-von-svp-kantonsrat-139621330


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Anti-Corona-Massnahmen: Unbewilligte Demonstration für Samstag geplant
Anonyme Organisatoren planen am Samstag eine unbewilligte Demonstration auf dem Bundesplatz gegen die Corona-Massnahmen. Ziel der Aktion: Alle Sportanlagen sollen wieder öffnen dürfen.
https://www.telebaern.tv/telebaern-news/anti-corona-massnahmen-unbewilligte-demonstration-fuer-samstag-geplant-139637262


Demo gegen Corona-Massnahmen: Polizei lässt in Bern keine Demonstranten ohne Maske zu
Eine Gruppe von Corona-Skeptikern wollte am Mittwoch in Bern gegen die Massnahmen vom Bund demonstrieren. Sie wurde von der Polizei auf die Maskentragpflicht aufmerksam gemacht.
https://www.bernerzeitung.ch/polizei-laesst-in-bern-keine-demonstranten-ohne-maske-zu-594953753650
-> https://www.20min.ch/story/polizei-setzt-maskenpflicht-bei-skeptiker-demo-auf-bundesplatz-durch-267838055894
-> https://www.blick.ch/news/schweiz/aktuelle-news-zum-coronavirus-ticker-zum-sars-aehnlichen-virus-aus-china-id15715896.html



derbund.ch 28.10.2020

Demonstrationen in Bern: Die Masken-Gegner halten Polizei auf Trab

Mit den schärferen Corona-Massnahmen kehren auch deren Gegner vor das Bundeshaus zurück. Die für Samstag angekündigte und unbewilligte Kundgebung steht unter Beobachtung der Polizei.

Jael Amina Kaufmann

Mehrere Polizeiwagen und Absperrschranken stehen auf dem Bundesplatz bereit. Denn die Gruppe «Neuer Weltfrieden» hat für Mittwochnachmittag zu einer Protestaktion auf dem Bundesplatz aufgerufen. Dabei will die Gruppierung gegen die «Corona-Diktatur» ankämpfen, wie sie auf ihrer Facebook-Seite verkündet: «Wir sind der Souverän und wir haben das Sagen im Land. Darum schliesst euch an und kommt alle mit.»

Dem Aufruf gefolgt sind am Mittwoch rund 40 Personen. Unter den Demonstrierenden befinden sich auch Kinder und Betagte. Neben dem Rufen von Parolen verzichten die meisten ausserdem auf das Tragen einer Maske. Auf einem der wenigen sichtbaren Transparente steht «Corona-Politik = Machtmissbrauch». Auskunft darüber geben, um was es ihnen heute geht, möchte auf Nachfrage des «Bund» aber keiner der Teilnehmenden.

Die Berner Kantonspolizei versucht derweil zu verhindern, dass die Gegner der Corona-Massnahmen ohne Masken vor dem Bundeshaus demonstrieren können. Polizisten sprechen auf dem Bärenplatz und am Rand des Bundesplatzes Einzelpersonen an, die aufgrund ihrer Kleidung oder mitgeführten Flugblätter als Demonstrationswillige zu erkennen sind. Man werde die Situation laufend beobachten und das Vorgehen entsprechend anpassen, erklärt Christoph Gnägi, Sprecher der Berner Kantonspolizei.

Nächste Demonstration am Samstag

Doch der Aufruf der «Neuer Weltfrieden»-Gruppe ist nicht der einzige. Am Samstag folgt bereits die nächste Kundgebung auf dem Bundesplatz. Organisiert wird diese von der Mitte Oktober gegründeten «Fick Dich Partei». Auf Facebook erklärt Gründer Christian Weber, mit seiner Partei ein Zeichen setzen zu wollen, «dass wir nicht alles mit uns machen lassen». Inspiriert zur Gründung habe ihn dabei die unbewilligte «Mahnwache» gegen die Corona-Massnahmen am 18. Oktober in Bern, an welcher der 35-jährige Familienvater jedoch selbst nicht teilgenommen hat.

Für Samstag plant die «Fick Dich Partei» neben einer Demonstration auf dem Sechseläutenplatz in Zürich auch eine Kundgebung auf dem Bundesplatz in Bern. Bei der Berner Protestaktion scheint das Ziel dabei speziell die Öffnung aller Sportanlagen zu sein, wie aus einer Ankündigung auf der Parteiseite hervorgeht: «Sportler gemeinsam gegen die rechtswidrige Corona-Diktatur.»

Berner Polizei steht bereit

Die Demonstration am Samstag sei nicht bewilligt, sagt Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) auf Anfrage. Kundgebungen sind zwar unter dem geltenden Covid-19-Gesetz grundsätzlich möglich. Doch aufgrund der momentanen epidemiologischen Lage sei die Maskentragpflicht dabei das absolute Minimum, so Nause: «Die Polizei hat daher den klaren Auftrag, fehlbare Personen am Samstag vom Platz zu verweisen.»

Ob sich die Lage nach den vom Bundesrat neu verkündeten Massnahmen in den kommenden Wochen wieder verschärfen wird, dazu will sich Sicherheitsdirektor Nause nicht äussern. In den vergangenen Monaten sei es aber samstags bereits vermehrt zu Aktionen auf dem Bärenplatz und vor dem Bundeshaus gekommen. «Immer wieder haben sich dort kleinere Gruppen versammelt, um gegen die geltenden Corona-Massnahmen zu demonstrieren», so Nause. Auch in der nächsten Zeit werde daher das Augenmerk der Berner Kantonspolizei auf diesen Orten liegen.
(https://www.derbund.ch/die-masken-gegner-halten-polizei-auf-trab-764134892939)



Corona-Proteste: „Die Radikalen gehen jetzt erst recht auf die Straße“
Die Corona-Demos werden kleiner, aber extremer. Politikwissenschaftler Josef Holnburger über prominente Unterstützer, Kinder als Symbol und das Paradox der Prävention
https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2020-10/corona-proteste-radikalisierung-josef-holnburger


QAnon: Mit dem Virus verbreitet sich die Verschwörungserzählung
Pandemie befördert die bizarren Behauptungen der Bewegung aus den USA
https://www.derstandard.at/story/2000121239283/qanon-und-comit-dem-virus-verbreitet-sich-die-verschwoerung?ref=rss


„Unrichtige Gesundheitszeugnisse“: Polizei durchsucht Praxis von „Querdenken“-Wortführer Bodo Schiffmann
Bodo Schiffmann ist eine Leitfigur der Corona-Verschwörungstheoretiker. Nun wurde die Praxis des HNO-Arztes durchsucht – er könnte Patienten ohne Untersuchung von der Maskenpflicht befreit haben.
https://www.spiegel.de/panorama/bodo-schiffmann-polizei-durchsucht-praxis-von-querdenken-wortfuehrer-in-sinsheim-a-5e24206a-9b73-4065-955f-4e113b4da3e1


Anti-Lockdown-Song: Van Morrison hat eine selten infantile Botschaft
Der irische Sänger kritisiert in einem Lied die Corona-Massnahmen als Sklaverei und Faschismus. Das Lied ist grossartig, der Text einfältig.
https://www.tagesanzeiger.ch/van-morrison-hat-eine-selten-infantile-botschaft-318918278740



tagesanzeiger.ch 28.10.2020

So argumentieren Corona-Skeptiker«Eines Tages wird es wieder verschwinden»

Wer den menschengemachten Klimawandel leugnet oder das Coronavirus verharmlost, greift oft auf ähnliche Argumente zurück. Das ist irrational, aber menschlich.

Sandro Benini

In einem Tweet hat der ETH-Klimatologe Reto Knutti auf die Parallelen in der Argumentation von Leugnern des menschengemachten Klimawandels und Verharmlosern des Coronavirus hingewiesen.

Gemeinsam ist den beiden Strategien, dass deren Verfechter stufenweise verblüffend ähnliche Ausreden ins Feld führen, um Untätigkeit oder halbherzige Gegenmassnahmen zu rechtfertigen. Die Schnittmenge zwischen den beiden Gruppierungen ist beträchtlich, finden sich doch viele Klimaleugner in den Reihen der sogenannten Corona-Skeptiker wieder und umgekehrt.

Argumente wie jene der SVP

Übereinstimmend lehnen sie staatliche Eingriffe und kollektives Handeln, wie sie in der überwiegenden Mehrzahl der Länder während der ersten Welle der Pandemie erfolgten, als übertrieben und freiheitsgefährdend ab.

Was sie ferner verbindet, ist die Skepsis gegenüber wissenschaftlichen Institutionen und Erkenntnissen. Sie empfinden Experten oft als elitär und bezichtigen die angeblichen Mainstream-Medien, einseitig zu berichten und abweichende Positionen zu unterdrücken.

Die Rede ist hier notabene nicht nur von Verschwörungstheoretikern, die 5G-Strahlung für die wahre Ursache der Corona-Pandemie halten oder Bill Gates beschuldigen, der Menschheit durch Impfungen Mikrochips einpflanzen zu wollen. Wir sprechen auch von Positionen, wie sie parteipolitisch in milderer oder extremerer Form hierzulande vorwiegend Teile der SVP vertreten, in den USA Exponenten der Republikaner oder der rechte Fernsehsender Fox News, in Deutschland die AfD. Es sind Argumente, die einige Protagonisten in Reto Brennwalds kürzlich erschienenem Film «Unerhört!» verfechten und die auf jeder Corona-Demo fallen, ob in Zürich, Bern oder Berlin.

Während die Leugnung des Klimawandels eine typisch rechtspopulistische Position ist, erscheint die Frontlinie bei Corona gewunden. Denn zum Lager der Virusverharmloser gehören auch Impfskeptiker, Esoteriker, Naturmystiker. Und, zumal in Deutschland, Reichsbürger und Neonazis.

Es gibt jedoch einen wichtigen Unterschied, den in einem Telefongespräch auch Knutti betont: «Bei der Klimaforschung liegen mittlerweile eine Viertelmillion wissenschaftlicher Arbeiten in Fachzeitschriften vor, und jedes Jahr kommen 30’000 dazu.» Ausserdem blicke man zurück auf 50 Jahre Klimaforschung und Modelle, 30 Jahre internationale Klimaberichte des IPCC, 160 Jahre Bodenbeobachtungen, 40 Jahre Satellitenbeobachtungen. «Natürlich weiss man noch nicht jedes Detail, aber die Datengrundlage ist unglaublich robust und von verschiedensten Gruppen dutzendfach analysiert», sagt Knutti.

Beim Coronavirus ist die wissenschaftliche Ungewissheit hingegen noch gross, und demzufolge sind die Meinungsverschiedenheiten auch zwischen seriösen Experten noch zahlreich. Es wäre deshalb falsch, jeden auf dieselbe Stufe wie die Leugner der Klimawandels zu stellen, der an der Wirksamkeit von im Freien getragenen Masken zweifelt. Oder der aus Verzweiflung über die wirtschaftlichen Folgen eines Lockdown auf die Strasse geht. Und in beiden Bereichen, Klima und Corona, ist es legitim, über politische, ökonomische und gesellschaftliche Vor- und Nachteile von Massnahmen zu streiten.

Inspiriert von der Sterbeforschung

Klimatologen sehen sich seit Jahrzehnten mit «steps of denials» konfrontiert, aufeinanderfolgenden Stufen der Verleugnung. Laut dem Klimatologen Michael E. Mann sind es sechs Stufen, andere Autoren kommen auf eine geringfügig tiefere oder höhere Zahl.

Das Konzept lehnt sich an die Arbeit der Sterbeforscherin Elisabeth Kübler-Ross an, die bei Sterbenden bestimmte Phasen der psychischen und intellektuellen Auseinandersetzung mit dem bevorstehenden Tod ausgemacht hat. Im Unterschied zu den Leugnern des menschengemachten Klimawandels folgt als letzte Phase allerdings die Akzeptanz.

Die amerikanische Denkfabrik Yale Climate Connections (YCC) hat die argumentativen Parallelen zwischen der Leugnung des menschengemachten Klimawandels und der Verharmlosung des Coronavirus in einer fünfstufigen Tabelle mit exemplarischen Beispielen erfasst. Wir geben sie hier als Liste wieder und ergänzen sie zusätzlich mit Zitaten und Anmerkungen. Prominent zitieren die Experten von YCC den gegenwärtig einflussreichsten Vertreter beider Denkschulen der Verleugnung: den amerikanischen Präsidenten Donald Trump.

1 Das Problem gibt es gar nicht.

Klimawandel

«Es ist ein Scherz. Ich glaube, die Wissenschaftler haben gerade eine Menge Spass.»
– Donald Trump im Januar 2014 bei einem Interview mit Fox News. Die Aussage wiederholt er in zahlreichen Tweets.

Coronavirus

«Die Demokraten politisieren das Coronavirus. Es ist ihre neuste Erfindung (hoax).»
– Donald Trump bei einer Rede in South Carolina am 29. Februar 2020.

Anmerkung: Wer die Existenz des Coronavirus heute noch bestreitet, gehört definitiv ins Lager der Verschwörungstheoretiker.


2 Okay, das Problem gibt es. Aber wir sind nicht dafür verantwortlich.

Klimawandel

«Das Märchen vom menschengemachten Klimawandel glauben wir nicht. Kalt- und Warmzeiten hat es in der Erdgeschichte immer gegeben. Der Klimawandel ist natürlich.»
– Alexander Gauland, Fraktionsvorsitzender der AfD im deutschen Bundestag, im Januar 2019.

Coronavirus

«China ist schuld, weil in einer Kultur, in der Fledermäuse, Schlangen, Hunde und solche Dinge gegessen werden, diese Viren von Tieren auf die Menschen übertragen werden.»
– John Cornyn, republikanischer Senator aus Texas.


3 Okay, wir sind verantwortlich oder mitverantwortlich. Aber das Problem ist gar nicht so schlimm. Vielleicht ist es sogar ein Vorteil.

Klimawandel

«Die Erde erwärmt sich langsamer als erwartet. Die prophezeiten Katastrophen bleiben aus. Doch eines ist gewiss: Die Welt wird immer grüner. Dank dem Treibhausgas CO₂.»
– Die Weltwoche, 3. Juli 2019.

Coronavirus

«Falls ich mit meiner Vergangenheit als Athlet jemals infiziert werde, macht mir das Virus nicht mehr aus als ein Grippchen oder eine kleine Erkältung.»
– Der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro im März 2020.

«Eines Tages wird es wie durch ein Wunder wieder verschwinden.»
– Donald Trump, im Februar 2020.

Anmerkung: Wie die These von den segensreichen Auswirkungen des CO₂-Ausstosses einzuschätzen ist, lesen Sie unter anderem bei «Skeptical Science». Der Satz von Trump wird mittlerweile auf satirische Weise gegen ihn selbst verwendet, etwa hier auf «Reddit».


4 Okay, vielleicht ist das Problem tatsächlich schlimmer als gedacht. Aber es zu lösen oder wirksam zu bekämpfen, ist zu teuer.

Klimawandel

«Das neue CO₂-Gesetz kostet Schweizerinnen und Schweizer Milliarden, mittels höherer Steuern und Abgaben und im Gegenzug wird sich unser Klima kein bisschen verändern. Die Lenkungswirkung tendiert gegen null.»
– SVP-Positionspapier 2020

Coronavirus

«Wir haben nicht noch einmal 30 Milliarden.»
– Bundesrat Ueli Maurer bei der Delegiertenversammlung der SVP am 24. Oktober 2020.

«Die Massnahmen dürfen nicht schlimmer sein als die Krankheit.»
– Donald Trump im März 2020.

Anmerkung: Das Coronavirus richtet auch ohne Lockdown grosse wirtschaftliche Schäden an. Sie können sogar grösser sein als jene, die bei einem Lockdown eintreten, wie Sie in dieser Analyse zum Thema nachlesen können. Und die Kosten des Klimawandels sind langfristig viel höher als jene für seine Bekämpfung, nachzulesen auf der Website «Klimafakten».


5 Jetzt ist eh alles zu spät. Oder: Manchmal muss man sich ins Unausweichliche fügen.

Klimawandel

«Die Klima-Apokalypse ist unausweichlich. Um uns darauf vorzubereiten, müssen wir uns eingestehen, dass wir sie nicht mehr aufhalten können.»
– Jonathan Franzen, amerikanischer Schriftsteller.
Coronavirus

«Es wird sich weiterverbreiten. Viele Familien werden ihre Liebsten vorzeitig verlieren.»
– Boris Johnson, britischer Premierminister, im März 2020.

«So ist das Leben. Wir alle sterben eines Tages.»
– Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro Ende März 2020.

Anmerkung: Hier geht es zu einem lesenswerten Artikel über jene, die den Kampf gegen den Klimawandel verloren geben.


Oh boy!

Isabella Eckerle, Virologin und Leiterin der Abteilung Infektionskrankheiten an der Universität Genf, greift die gemeinsamen Erfahrungen von Klimaforschern und Virologen in einem Tweet auf.

Der Klimatologe Michael E. Mann schreibt im US-Magazin «Newsweek», die Klimaleugner hätten Jahrzehnte gebraucht, um die Stufen der Verleugnung zu durchschreiten, bei den Corona-Skeptikern sei dies binnen weniger Wochen geschehen.

Die Vorstellung, dass die Leugnung wissenschaftlicher Erkenntnisse etwas mit Intelligenz oder Bildung zu tun hat, ist falsch. Das sogenannte Informationsdefizit-Modell hat sich als untauglich erwiesen. Stattdessen zeigen psychologische Studien und Experimente, dass Fakten oft keinen oder nur einen geringen Einfluss auf Meinungen haben, wenn diese erst einmal gefasst sind.

Um zu erklären, weshalb viele Menschen wissenschaftliche Tatsachen leugnen, gibt es verschiedene Ansätze. Einige seien hier kurz umrissen:

Kognitive Dissonanz

Die Theorie der kognitiven Dissonanz hat der amerikanische Psychologe Leon Festinger Mitte des 20. Jahrhunderts entwickelt. Als kognitive Dissonanz bezeichnet Festinger einen Zustand, bei dem sich eine Person mit Informationen oder Wahrnehmungen konfrontiert sieht, die ihrem Weltbild oder tiefen persönlichen Überzeugungen widersprechen. Diese Spannung wird als unangenehm erlebt, weshalb die Person sie aufzulösen versucht. Eine Möglichkeit besteht darin, die eigene Überzeugung den neuen Informationen anzupassen. In bestimmten Fällen – etwa, wenn die Überzeugung sehr tief verankert ist oder wenn eine Änderung mit materiellen oder sonstigen Nachteilen verbunden wäre – weichen Menschen jedoch auf eine zweite Variante aus: Sie leugnen, verharmlosen oder ignorieren die unangenehmen Tatsachen.

Einfluss von Identifikationsgruppen

Laut Adrian Bardon, amerikanischer Philosoph und Verfasser des Buches «The Truth About Denial» (Die Wahrheit über Verleugnung), waren innerhalb der kleinen Gruppen, in denen Urzeitmenschen lebten, Kooperation und Überzeugungskraft für die Reproduktion mindestens so wichtig wie zutreffende Erkenntnisse über die Welt. «Die Assimilation in eine Stammesstruktur setzte die Übernahme von deren ideologischem Glaubenssystem voraus, unabhängig davon, ob sich dieses auf Wissenschaft oder Aberglauben stützte», schreibt Bardon. Eine instinktive Voreingenommenheit zugunsten der eigenen Gruppe und ihrer Weltanschauung ist laut Bardon «tief in der menschlichen Psychologie verankert». Mit anderen Worten: Wer sich in einem familiären, beruflichen oder politischen Umfeld bewegt, in dem der Leugnung des Klimawandels oder der Verharmlosung des Coronavirus eine identitätsstiftende Bedeutung zukommt, hat aus psychologischer Sicht kein Interesse, sich davon loszusagen.

Bewusstsein der eigenen Sterblichkeit

Anthropologisch ist auch die These des kalifornischen Arztes und Molekularbiologen Ajit Varki. Er geht davon aus, dass das Bewusstsein der eigenen Sterblichkeit und die damit zusammenhängende Todesangst einen reproduktiven Nachteil darstellt. Diesen Nachteil habe die menschliche Spezies kompensiert, indem sie die Neigung entwickelt habe, Gefahren zu verleugnen und zu verdrängen. Falls dies einst ein evolutionärer Vorteil war, könnte es nun laut Varki «ironischerweise der Keim unseres Untergangs sein».

Übertriebener Optimismus

Der deutsche Kognitionspsychologe Christian Stöcker sieht eine verzerrte, weil allzu optimistische Risikoeinschätzung, die sich auch in anderen Bereichen niederschlägt, als Grund für die Verharmlosung des Coronavirus.

Der Staat macht alles falsch

Eine Erklärung dafür, dass Klimaleugner fast ausschliesslich und Corona-Verharmloser vorwiegend im rechtskonservativen politischen Spektrum angesiedelt sind, liefert Paul Krugman, Nobelpreisträger für Ökonomie, Publizist und Kolumnist der «New York Times». Seine These lautet: Konservative hegen ein tiefgreifendes Misstrauen gegen den Staat. Aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse – sei es über den Klimawandel oder das Coronavirus – fällt dem Staat manchmal die Ermächtigung zu, im Interesse des Gemeinwohls einschneidende Massnahmen zu ergreifen. Da Rechtskonservative dies ablehnen, weisen zumindest einige von ihnen zugleich die zugrunde liegenden wissenschaftlichen Tatsachen zurück.
(https://www.tagesanzeiger.ch/eines-tages-wird-es-wieder-verschwinden-665694595845)


+++SEXISMUS
Prozess vor Obergericht: War der Rickli-Rap Verleumdung?
2019 sprach das Obergericht Berner Rapper vom Vorwurf der sexuellen Belästigung von Natalie Rickli frei. Nun muss das Gericht entscheiden, ob nicht allenfalls Verleumdung vorliegt.
https://www.derbund.ch/war-der-rickli-rap-verleumdung-576894779993
-> https://www.20min.ch/story/der-rickli-rap-beschaeftigt-erneut-die-justiz-598194215081
-> https://www.watson.ch/schweiz/musik/172581713-berner-obergericht-befasst-sich-erneut-mit-rickli-rap



bernerzeitung.ch 28.10.2020

Klage gegen Rickli-Rapper: Gericht urteilt über abstruse Sex-Vorwürfe gegen die SVP

In einem Song behaupten fünf Berner Rapper, dass Natalie Rickli ihren Erfolg sexuellen Gefälligkeiten mit Parteikollegen verdanke. Kann diese Aussage objektiv unwahr sein?

Quentin Schlapbach

Es war eine absurde Fragestellung, mit der sich am Mittwochmorgen vier Rechtsanwälte, eine Staatsanwältin und ein Richter in fast schon satirisch anmutender Seriosität auseinandersetzten: Hat die heutige Zürcher SVP-Regierungsrätin Natalie Rickli ihren politischen Erfolg sexuellen Gefälligkeiten zugunsten ihrer Parteikollegen Christoph Blocher und Christoph Mörgeli zu verdanken? Diese Frage muss das Berner Obergericht ernsthaft bis am kommenden Freitag beantworten.

Um verstehen zu können, wie es so weit kommen konnte, muss man die Vorgeschichte kennen. Im Oktober 2014 nahmen fünf Rapper – vier Männer und eine Frau, vier davon Mitglieder des Berner Rap-Kollektivs Chaostruppe – einen Song auf. Darin wird die Zürcher SVP-Politikerin Natalie Rickli übel beschimpft, zu sexuellen Handlungen aufgefordert und in ihrer Person herabgewürdigt. Der Songtext ist so primitiv, dass er hier nicht zitiert werden kann.

Die Aufnahme luden die Rapper auf ihre Website hoch. Von dort gelangte der Song über die sozialen Medien an ein breiteres Publikum. Schliesslich bekam auch Natalie Rickli Wind davon. Über ihren damaligen Nationalratskollegen und Anwalt Thierry Burkhart reichte sie Strafanzeige ein. Die Berner Staatsanwaltschaft verurteilte die fünf Rapper in der Folge per Strafbefehl wegen Beschimpfung, Verleumdung und sexueller Belästigung.

Das Veto des Bundesgerichts

Die Geschichte hätte da eigentlich schon zu Ende sein können, und die Öffentlichkeit hätte gar nie von dem Vorfall erfahren. Aber die fünf Rapper fühlten sich zu Unrecht verurteilt und zogen das Verdikt weiter. Und tatsächlich: Zwei darauffolgende Gerichtsverhandlungen gaben ihnen – zumindest teilweise – recht. Sowohl das Regionalgericht als auch später das Obergericht sprachen sie von den Vorwürfen der sexuellen Belästigung und der Verleumdung frei. Es blieb nur bei der Beschimpfung – das mildeste der drei Vergehen.

Dieser richterliche Entscheid sorgte in den Medien und in der breiten Öffentlichkeit für einen Aufschrei. Wie kann ein so expliziter Song keine sexuelle Belästigung sein, fragten sich viele. Auch die Berner Staatsanwaltschaft war mit der Begründung des Gerichts unzufrieden und zog das Urteil deshalb ans Bundesgericht weiter. Dieses bestätigte Ende 2019 zwar den Freispruch bezüglich der sexuellen Belästigung, rügte das Obergericht allerdings beim Strafbestand der Verleumdung.

Im Song behaupten die Rapper nämlich, der politische Erfolg von Natalie Rickli basiere auf sexuellen Gefälligkeiten an ihre Parteikollegen Christoph Blocher und Christoph Mörgeli. Des weiteren soll ihre ständige sexuelle Verfügbarkeit 2012 ein Burn-out bei ihr verursacht haben. Laut dem Bundesgericht handelt es sich bei diesen Songzeilen um eine Tatsachenbehauptung. Diese kann objektiv unwahr sein, und damit wäre der Strafbestand der Verleumdung erfüllt.

Das Berner Obergericht muss nun also ernsthaft darüber befinden, ob die von den Rappern gemachten Aussagen – Rickli verdanke ihren Aufstieg dem Sex mit Blocher und Mörgeli – widerlegt werden kann. In ihren damaligen Einvernahmen gaben die fünf Angeklagten – mittlerweile alle im Alter zwischen 29 und 32 Jahren – zwar an, dass ihr Songtext völlig übertrieben sei und die Aussagen darin nicht ernst gemeint seien. «Das sagt aber nichts über den Wahrheitsgehalt aus», so der Anwalt eines der Angeklagten. Um diesen Wahrheitsgehalt zu überprüfen, hätten die entsprechenden Personen befragt werden müssen, führte er weiter aus.

Rapper zeigen sich reuig

Die Berner Staatsanwaltschaft verzichtete aus Pietätsgründen aber, Rickli, Blocher und Mörgeli mit den Aussagen zu konfrontieren. Aus ihrer Sicht haben die Rapper – die sich mittlerweile übrigens alle reuig zeigen – auch bereits zugegeben, dass ihre Aussagen im Songtext wider besseres Wissen erfolgt seien. Die fünf im Gerichtssaal anwesenden Rapper verzichteten auf eine erneute Aussage. Ihnen drohen im Fall einer Verurteilung wegen Verleumdung Geldstrafen von einigen Hundert Franken.

Nach zwei Stunden wurde die Verhandlung bereits geschlossen. Das Berner Obergericht muss nun bis am Freitag darüber befinden, ob die vorhandenen Beweismittel ausreichen, um die im Songtext gemachten Aussagen objektiv zu widerlegen.
(https://www.bernerzeitung.ch/gericht-urteilt-ueber-abstruse-sex-vorwuerfe-gegen-die-svp-291068950066)