Medienspiegel 14. Oktober 2020

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++BASEL
Basel soll sich in Bern für Flüchtlingsaufnahmen einsetzen
Die Basler Regierung soll sich beim Bund für eine Aufnahme von Flüchtlingen aus Griechenland starkmachen. Der Grosse Rat hat der Exekutive einen Vorstoss für eine entsprechende Standesinitiative überwiesen.
https://www.bzbasel.ch/basel/basel-stadt/basel-soll-sich-in-bern-fuer-fluechtlingsaufnahmen-einsetzen-139493500


+++LUZERN
luzernerzeitung.ch 14.10.2020

Asylzentren zur Hälfte leer: Immer weniger Asylsuchende im Kanton Luzern

Die Belegung der Luzerner Asylzentren erreicht einen rekordverdächtigen Tiefstand. Während die Stadt die Bereitschaft signalisiert, mehr Asylsuchende aufzunehmen, gibt sich der Kanton zurückhaltend.

Niels Jost und Pascal Studer

Die Anzahl der Asylsuchenden im Kanton Luzern nimmt rapide ab. Wie aktuelle Zahlen der Dienststelle Asyl- und Flüchtlingswesen (DAF) zeigen, befinden sich per 30. September noch 261 Asylsuchende im Kanton. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr waren ebenfalls im September mehr als doppelt so viele – nämlich 642. Im September 2016 waren es sogar 1799. Seither nimmt die Zahl kontinuierlich ab

Silvia Bolliger, Leiterin der DAF, kennt die Gründe für diesen Tiefststand: «Aufgrund der Grenzschliessungen bedingt durch die Covid-19-Situation gingen in ganz Europa die Asylgesuchszahlen zurück», erklärt sie. Tatsächlich betont auch das Staatssekretariat für Migration (SEM), dass die Coronapandemie für die Asylmigration eine Zäsur bedeutet. So wurden schweizweit in den ersten sechs Monaten dieses Jahres 4592 Asylgesuche eingereicht, was im Vergleich zur gleichen Vorjahresperiode einem Rückgang von 34,7 Prozent entspricht.

Jeder zwanzigste Asylsuchende kommt nach Luzern

Dies hat unmittelbare Auswirkungen auf den Kanton Luzern. Gemäss Schweizerischen Asylgesetzes nimmt nämlich der Bund die Zuweisung der Asylsuchende auf die Kantone vor. Dies geschieht anhand eines bevölkerungsproportionalen Verteilschlüssels, welcher in der Asylverordnung 1 festgelegt ist. Während der Kanton Luzern 4,8 Prozent der vom SEM anerkannten Asylsuchenden aufnehmen muss, haben die einwohnerstarken Kantone Zürich (17,8 Prozent), Bern (12,1 Prozent) und Waadt (9,4 Prozent) eine bedeutend grössere Verantwortung zu schultern. Dennoch dürften sämtliche Kantone weniger ausgelastet sein. Bolliger sagt dazu: «Die Coronapandemie macht sich im Kanton Luzern insofern bemerkbar, als dass in dieser Zeit deutlich weniger Personen durch den Bund zugewiesen wurden.»

Doch Covid-19 reicht nicht als alleiniger Grund, um die stark sinkenden Zahlen zu erklären. Die Lage im Asylwesen habe sich nach der Flüchtlingskrise im Jahr 2015 generell verändert, führt Bolliger aus. «Seit der Schliessung der Balkanroute und dem Abkommen der EU mit der Türkei hat sich die Situation stark beruhigt», erklärt sie. Entsprechend seien die Gesuchszahlen in der Schweiz kontinuierlich gesunken.

Kantonale Asylzentren sind zur Hälfte ausgelastet

Logischerweise hat diese Entwicklung Auswirkungen auf die Auslastung hiesiger Asylzentren. So liegt diese gemäss Bolliger derzeit bei rund 50 Prozent. Zum Vergleich: Im Juli 2019 war sie noch 20 Prozent höher, im Januar 2019 belief sie sich auf 79 Prozent und im Sommer 2018 gar auf 85 Prozent.

Auch hier verzeichnet die DAF also eine sukzessive Abnahme – und begründet diese wiederum mit dem Coronavirus. «Die reduzierte Belegung in den Zentren ist eine der Schutzmassnahmen in Bezug auf Covid-19», sagt Bolliger. Dies bedeutet: Die Behörden wenden derzeit ein Schutzkonzept an, welches die Kapazitäten der Asylzentren limitiert. «Solange sich die Situation nicht ändert, werden wir weiterhin an diesem Schutzkonzept festhalten und die Belegung in den Zentren zum Schutz der Klientel und der Mitarbeitenden reduziert halten», stellt Bolliger klar.

Dennoch habe man noch keine Obergrenze erreicht. Auch wenn gemäss Bolliger klar ist, dass eine vollständige Auslastung derzeit nicht möglich ist, hätte der Kanton Luzern theoretisch noch Platz. Dies ist allerdings davon abhängig, in welchen Konstellationen die Asylsuchenden um Schutz ersuchen. «Kommen beispielsweise viele Einzelpersonen, können wir aufgrund der Schutzbestimmungen weniger Personen aufnehmen, als wenn ganze Familien Asyl erhalten haben», erklärt Bolliger. Wie fest die Asylzentren maximal ausgelastet werden könnten, sei daher schwer einzuschätzen, so Bolliger weiter.

Klar ist jedoch, dass der Bund dem Kanton Luzern in den nächsten Wochen sogenannte Resettlement-Flüchtlinge zuweisen wird – also Personen, die vom UNO-Flüchtlingswerk UNHCR gemäss Flüchtlingskonvention bereits als Flüchtling anerkannt und besonders schutzbedürftig sind. Gemäss SEM nimmt die Schweiz für die Periode 2020/2021 insgesamt 1600 Resettlement-Flüchtlinge auf. «Dies wird unsere Auslastung weiter erhöhen», erklärt Bolliger. Insgesamt 21 Resettlement-Flüchtlinge sind in den letzten Tagen bereits nach Luzern gekommen.

Kein grünes Licht vom Bund: Stadt Luzern blitzt ab

Laut Schweizerischen Bundesverfassung ist die Gewährung von Asyl Sache des Bundes. Kantone und Gemeinden können also ohne Bundesbeschluss nicht selbstständig Schutzsuchende aufnehmen. Trotzdem sind als Reaktion auf die Brände in Moria viele Schweizer Städte – neben Zürich und Bern unter anderem auch Luzern – vorgeprescht und haben ein «sofortiges Handeln» verlangt. Der Luzerner Sicherheitsdirektor Martin Merki fordert in Anbetracht der «dramatischen Situation», die Direktaufnahme von Flüchtlingen aus Moria zuzulassen.

Das SEM hält sich diesbezüglich jedoch bedeckt. Reto Kormann, stellvertretender Leiter Stabsbereich Information und Kommunikation, bestätigt zwar, dass entsprechende Gespräche stattgefunden hätten. «Der Bund ist regelmässig mit den Städten zu diesem Thema in Austausch», sagt er. Ob ein von den Städten geforderter Bundesbeschluss in absehbarer Zeit realistisch ist, lässt er allerdings offen. Er fügt aber an: «Die Schweiz wurde von Deutschland angefragt, sich bei der Evakuierung zu beteiligen. Sie hat eine Beteiligung mit der Aufnahme von rund zwanzig Minderjährigen in Aussicht gestellt.»

Gemäss Martin Merki hat der Bund das Angebot der Städte, zusätzliche Geflüchtete aus Griechenland aufzunehmen, «klar abgelehnt». Für den FDP-Stadtrat ein stossender Entscheid. Er sagt: «Die Schweiz kann und muss mehr tun.» Die aufnahmebereiten Städte würden sich deshalb weiter gemeinsam dafür einsetzen, dass die direkte Aufnahme durch die Städte möglich werde. Wie viel das explizit seien, lässt er jedoch offen. Er sagt allerdings: «Die Stadt Luzern hat 2015 und 2016 gezeigt, dass sie innert Monaten die Unterbringung und Betreuung vieler Geflüchteter organisieren kann.» Die Stadt Luzern hält also den Druck auf den Bund aufrecht.



Luzerner Sans-Papiers-Stelle: «Wir mussten Anwälte einschalten.»

Auf die Anzahl Asylgesuche hat die Coronapandemie massive Auswirkungen. Doch was bedeutet dies für die Geflüchteten selber – etwa für Migrantinnen und Migranten ohne geregelten Aufenthaltsstatus? «Ein grosses Problem ist die Krankenversicherung», sagt Nicola Neider, Präsidentin der Sans-Papiers-Stelle in Luzern. «Die meisten Sans-Papiers sind nicht versichert. Da mussten wir viel Aufklärungsarbeit leisten», so Neider, die bei der Katholischen Kirche Luzern den Bereich Migration und Integration leitet. Ein Krankheitsfall ist der Theologin nicht bekannt.

Ein weiteres Problem sei die Unterbringung. So mussten Sans-Papiers, welche einen negativen Asylentscheid erhalten haben, in Notunterkünfte untergebracht werden – für unbestimmte Zeit. Denn Flüge in die Heimatländer gab es während des Höhepunkts der Pandemie keine. «Unsere Gesuche um eine Fristverlängerung für den Aufenthalt in der Schweiz wurden vom Amt für Migration erst bewilligt, als wir Anwälte einschalteten», so Neider. Diesbezüglich hätte sie sich mehr Kulanz seitens der Behörden gewünscht.

Tatsächlich gab es gemäss Staatssekretariat für Migration (SEM) ab der ausserordentlichen Lage am 17. März fast keine Rückführungen mehr. Haben die Behörden im März noch insgesamt 182 durchgeführt, waren es im April nur noch 11, im Mai immerhin 26. Gründe dafür sind gemäss SEM einerseits die temporären Grenzschliessungen vieler Länder, andererseits aber vor allem die fast vollständig wegfallenden Flüge. Laut SEM-Sprecher Reto Kormann hat sich die Lage inzwischen aber wieder geändert: «Die Situation in der Luftfahrt hat sich in den letzten Wochen wieder verbessert, Rückführungen können wieder stattfinden», sagt er. So ist die Anzahl Rückführung inzwischen wieder im dreistelligen Bereich: Im Juli waren es 256, im August 228. (jon/stp)
(https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/luzern/kanton-luzern-immer-weniger-asylsuchendeasylzentren-zur-haelfte-leer-immer-weniger-asylsuchende-im-kanton-luzern-asylzentren-zur-haelfte-leer-ld.1262095)


+++ST. GALLEN
St. Galler Asylzentrum Thurhof unter Quarantäne
Im Asylzentrum Thurhof wurden elf Personen positiv auf das Coronavirus getestet. Die St. Galler Asylunterkunft wurde unter Quarantäne gestellt.
https://www.nau.ch/news/schweiz/st-galler-asylzentrum-thurhof-unter-quarantane-65800851
-> https://www.dieostschweiz.ch/artikel/asylzentrum-thurhof-steht-unter-quarantaene-qGv4koK
-> https://www.toponline.ch/news/stgallen/detail/news/gesamtes-asylzentrum-in-oberbueren-sg-in-quarantaene-00143271/
-> https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/wil/wegen-mehrerer-coronakranken-oberbuerer-asylzentrum-thurhof-unter-quarantaene-ld.1267578


+++ZÜRICH
Geflüchtete nach Urdorf zurückverlegt
Sonntag Abend haben sich die die Zürcher Behörden still und heimlich daran gemacht, die rund 36 geflüchteten Menschen aus dem Notspital Erlenhof gegen ihren Willen in den Bunker Urdorf zurück zu transportieren. An genau jenen Ort also, wo zuvor eine grosse Anzahl an Geflüchteten sich mit dem Coronavirus infiziert hatte.
https://barrikade.info/article/3928


+++SCHWEIZ
derbund.ch 14.10.2020

Mängel im neuen Asylsystem: Sie haben die Hölle überlebt – jetzt sollen sie zurück

Der Bund will Opfer von Menschenhandel ohne Schutz in jene Länder abschieben, in denen sie ausgebeutet wurden. Die Fälle häufen sich mit dem neuen Asylsystem. Das zuständige Gericht rügt die Migrationsbehörden scharf.

Raphaela Birrer

Sie hat eine qualvolle Zeit hinter sich, als sie in der Schweiz ankommt: Die 26-jährige Caroline (Name geändert) entflieht in ihrer Heimat Togo einer Zwangsehe. Auf der Flucht verkaufen die Schlepper sie an eine reiche Familie in Marokko, wo sie als Haushaltssklavin schuften muss. In Italien, ihrer nächsten Station, wird sie in einem Bordell eingesperrt und zur Prostitution gezwungen.

Bei einer Polizeikontrolle stellt Caroline ein Asylgesuch. Weil sie sich im Asylzentrum vor ihren Peinigern fürchtet, flieht sie erneut – in die Schweiz. Hier entscheidet das Staatssekretariat für Migration (SEM), nicht auf ihr Gesuch einzutreten, weil sie bereits im Dublin-Erstaufnahmestaat Italien registriert wurde. Als Caroline von der Rückführung nach Italien erfährt, bricht sie zusammen und wird in die Psychiatrie eingeliefert.

Ihre Anwältin rekurriert beim Bundesverwaltungsgericht – und erhält recht: Das SEM muss Carolines Asylgesuch in der Schweiz behandeln. Die Behörde hat gemäss Gerichtsentscheid den Gesundheitszustand unzureichend abgeklärt. Vor allem aber hat das SEM nicht sichergestellt, dass Caroline in Italien adäquat untergebracht und vor ihren Peinigern geschützt wird.

Caroline ist bei weitem kein Einzelfall: Dieser Zeitung liegen mehrere Urteile aus dem aktuellen und dem vergangenen Jahr vor, in denen das Bundesverwaltungsgericht das SEM harsch rügt. Immer geht es bei den gutgeheissenen Beschwerden um Opfer von Menschenhandel, immer werden die – trotz dringendem Verdacht – mangelhaften Abklärungen scharf angemahnt, und immer verweist das Gericht auf völkerrechtliche Verpflichtungen, die der Schweiz einen besseren Opferschutz vorschreiben.

Auch internationale Kritik an der Schweiz

Der Tenor der Urteile: Die Schweizer Migrationsbehörden dürfen Personen, die auf der Flucht zum Beispiel als Zwangsprostituierte oder Haushaltssklaven gehandelt wurden, nicht ohne speziellen Schutz in die Länder zurückschicken, in denen sie ausgebeutet wurden. Sie müssen entweder Garantien einholen, dass sie dort angemessen betreut werden, oder selber auf das Asylgesuch eintreten.

Dieselbe Kritik übt die Expertengruppe des Europarats zur Bekämpfung von Menschenhandel (Greta). Bereits zweimal hat das Gremium die Schweizer Migrationsbehörden schriftlich aufgefordert, Opfer im Asylbereich besser zu identifizieren und zu schützen. Dazu ist die Schweiz verpflichtet, weil sie vor acht Jahren die Europaratskonvention gegen Menschenhandel ratifiziert hat. Demnach haben potenzielle Opfer ein Anrecht auf spezialisierte Beratung, sichere Unterbringung sowie psychologische und medizinische Betreuung.

Auch das UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge kommt in einer neuen Studie zur Rechtslage und Praxis in der Schweiz zum Schluss, hier sei «nicht gewährleistet», dass Asylsuchende mit besonderen Bedürfnissen – wie Menschenhandels- oder Folteropfer – frühzeitig identifiziert und gezielt unterstützt würden, etwa mit psychologischer Hilfe. Momentan hänge es «weitgehend von den einzelnen Mitarbeitenden des SEM sowie der Rechtsvertretung ab», ob solche Personen überhaupt erkannt würden, heisst es in der UNHCR-Analyse. Es fehlten Standardabläufe und Handlungsvorgaben.

Über 500 Betroffene – und eine hohe Dunkelziffer

Das Problem wird in der Schweiz umso dringlicher, als die Zahl der Betroffenen stark gestiegen ist. In den vergangenen sieben Jahren hat das SEM insgesamt 556 potenzielle Opfer von Menschenhandel im Asylverfahren identifiziert, wie Sprecher Lukas Rieder sagt. «Die Dunkelziffer dürfte allerdings um ein Vielfaches höher sein», sagt Oliver Lüthi von der Flüchtlingshilfe. Auch die Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration (FIZ) verzeichnet eine starke Zunahme von Menschenhandelsfällen aus dem Asylbereich. Letztes Jahr betreute sie 94 Fälle – im laufenden Jahr sind es bereits 97, wie Sprecherin Doro Winkler sagt.

Gemäss SEM sind 44 der 556 potenziellen Opfer von Menschenhandel direkt in einen Dublin-Erstaufnahmestaat zurückgeschickt worden. Wie häufig zudem die Rechtsvertretung per Rekurs eine vom SEM geplante Rückführung verhindert hat, ist nicht statistisch erfasst. Bei der FIZ war dies laut Winkler letztes Jahr bei 21 der 94 betreuten Personen der Fall, 4 Personen wurden trotzdem überstellt – trotz teils erheblicher Suizidgefahr, wie Winkler sagt. Die Zahlen lassen sich jedoch nicht linear hochrechnen.

Zu rasche Dublin-Entscheide?

Für sämtliche Fachstellen steht fest: Die gerichtlich gerügten «voreiligen Entscheide» des SEM hängen mit der Neuorganisation des Asylsystems zusammen. Per 1. März 2019 wurden in der Schweiz beschleunigte Verfahren in Bundesasylzentren eingeführt. Diese dauern gemäss SEM im Schnitt 59 Tage. Fälle, die weitere Abklärungen benötigen, kommen in ein erweitertes Verfahren in den Kantonen mit einer durchschnittlichen Dauer von 158 Tagen. Dublin-Fälle wie jener von Caroline werden neu bereits in 45 Tagen erledigt.

Die Organisationen kritisieren, besonders die Dublin-Entscheide würden neu «viel zu schnell» gefällt. «Die traumatisierten Opfer von Menschenhandel werden ohne die nötigen Schutzgarantien direkt an den Ort zurückgebracht, an dem sie ausgebeutet wurden. So ist die Gefahr gross, dass sie den Tätern wieder in die Hände fallen», sagt Winkler. «Potenzielle Opfer sollten zwingend in die erweiterten Verfahren kommen, um eine bessere Abklärung zu ermöglichen», fordert auch Oliver Lüthi von der Flüchtlingshilfe. «In der Regel wird jedoch der Tatbestand Menschenhandel von den Behörden noch immer als nicht asylrelevant betrachtet.»

Das hohe Tempo widerspiegelt sich in den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts: Seit Einführung der neuen Verfahren hat es mehr als doppelt so viele Beschwerden zur Neubeurteilung ans SEM zurückgewiesen wie im alten System. Die Rückweisungsquote ist von 6,5 auf 15 Prozent gestiegen. Das hat eine Bilanz nach einem Jahr ergeben. Im laufenden Jahr liegt der Wert bei 13 Prozent. In den weitaus meisten Fällen hatte das SEM die Asylgründe sowie die medizinischen Probleme der Asylsuchenden nicht ausreichend abgeklärt. Wie viele davon Menschenhandelsopfer sind, lässt sich gemäss einem Gerichtssprecher statistisch nicht aufzeigen.

Auch im Parlament wächst der Unmut über den mangelhaften Opferschutz in den neuen Asylverfahren. Mehrere Vorstösse verlangen Sicherheit für die Betroffenen. Der neueste stammt von SP-Nationalrätin Priska Seiler Graf. «Hier geht es nicht um Bagatellgeschichten – das sind gravierende Verbrechen. Es ist beschämend für die Schweiz, dass wir diese Opfer zu wenig schützen», sagt die Zürcherin. Nun müsse eine Lücke geschlossen werden: Das Opferhilfegesetz mit den entsprechenden Unterstützungsleistungen greife bislang nur, wenn der Tatort in der Schweiz war. «Betroffene aus dem Asylbereich, die im Ausland ausgebeutet wurden, fallen gesetzlich durch die Maschen», so Seiler Graf.

Das Staatssekretariat für Migration wehrt sich gegen die Vorwürfe: «Gibt es Hinweise auf Menschenhandel, wird systematisch eine spezielle Anhörung mit den potenziellen Opfern durchgeführt. Zudem gewähren wir eine Erholungs- und Bedenkzeit», sagt Sprecher Lukas Rieder. In Dublin-Verfahren werde der Erstaufnahmestaat zweifach über die Problemlage informiert. «Für diese Praxis haben wir seit Anfang Jahr einen klar definierten internen Prozess», betont Rieder. Die Prozesse würden laufend an die Fortschritte bei der Bekämpfung des Menschenhandels angepasst.

Die 26-jährige Caroline, die über Italien in die Schweiz geflohen war, befindet sich immer noch hier. Sie wartet auf den neuen Entscheid der Migrationsbehörden. Sie ist weiterhin in psychologischer Betreuung.
(https://www.derbund.ch/sie-haben-die-hoelle-ueberlebt-jetzt-sollen-sie-zurueck-842004011000)


+++DEUTSCHLAND
Human Rights Film Festival Berlin: Flucht ohne Ende
Erst zum dritten Mal fand 2020 das Human Rights Film Festival Berlin statt, dieses Jahr unter der Schirmherrschaft von Nadia Murad. Dabei hat sich das von der NGO Aktion gegen den Hunger initiierte Festival in kürzester Zeit zu einem spannenden Event im deutschen Filmkalender entwickelt.
https://de.qantara.de/inhalt/human-rights-film-festival-berlin-flucht-ohne-ende


+++GRIECHENLAND
Moria – Wo Europa versagt
Das Lager Moria auf Lesbos ist ein exemplarisches Beispiel für die desaströse Flüchtlingspolitik in Europa. Nach den dramatischen Bildern und Berichten vom Brand in Moria wächst der Druck auf die EU-Kommission, nun endlich einen Flüchtlingspakt vorzulegen, der in die verfahrene Lage Bewegung bringt. Schließlich sind die Probleme der Flüchtlingspolitik seit Jahren bekannt: Viele Asylverfahren dauern extrem lange, die anerkannten Flüchtlinge werden nur von einem Teil der EU-Mitgliedsländer aufgenommen, und abgelehnte Asylbewerber können oft nicht in ihre Herkunftsländer zurückgeschickt werden. Doch wer hat eigentlich Schuld an dem Drama in Moria? Ist es die EU oder sind es einzelne Mitgliedstaaten, die jeden Kompromiss verweigern? Und gibt es jetzt eine Chance darauf, nach Jahren des Stillstands eine Lösung in der Flüchtlingsfrage zu finden?
https://www1.wdr.de/fernsehen/die-story/sendungen/moria-wo-europa-versagt-104.html


Eine Stimme aus Moria
Linda kam mit ihrer Familie – ihrem Mann und fünf Kindern – nach Griechenland, in der Hoffnung “im Land von Sokrates” eine Zukunft zu finden. Linda hat acht Monate in Moria gelebt, nachdem das Camp Anfang September abgebrannt ist und sie mehrere Tage auf der Straße lebte, ist sie nun im neuen Camp untergekommen. Sie wünscht sich eine Perspektive für ihre Kinder, will sie herausholen aus dem Elend des Flüchtlingslagers. “Als ich gesehen habe, dass unbegleitete Minderjährige aufs Festland gebracht werden, habe ich an Suizid gedacht”, erklärt sie. Sie habe zu ihrem Mann gesagt, lass uns Suizid begehen, dann werden sie sich um unsere Kinder kümmern.
https://youtu.be/sJReJ4ddgHk


+++EUROPA
Permanenter Rechtsbruch an Europas Grenzen? – Echo derZeit
Die neue Migrationspolitik der EU im Umgang mit Flüchtenden sieht vor allem eines vor: besseren Grenzschutz. Gerald Knaus ist Migrationsexperte. Mit der Frage des richtigen Grenzschutzes setzt sich Knaus in seinem neusten Buch «Welche Grenzen brauchen wir?» auseinander. Hat er Antworten?
https://www.srf.ch/play/radio/echo-der-zeit/audio/permanenter-rechtsbruch-an-europas-grenzen?id=a420b62c-597a-4e0e-bd43-85fa0b663ab9


+++LIBYEN
Menschen unter katastrophalen Zuständen in libyschen Internierungslagern eingesperrt
Rund 60 Personen, unter ihnen 24 Kinder, werden zurzeit in Sabratah, Libyen, unter schrecklichen Bedingungen festgehalten, nachdem sie in der Nacht vom 27. September bei einer gewaltsamen Razzia verschleppt worden waren. Sie gehörten zu einer Gruppe von 350 vorwiegend aus Westafrika stammenden Menschen.
https://www.msf.ch/de/neueste-beitraege/artikel/menschen-unter-katastrophalen-zustaenden-libyschen-internierungslagern


Libyen: Ärzte ohne Grenzen fordert Rückführungen zu beenden
Die Europäische Union unterstützt und finanziert die libysche Küstenwache seit rund drei Jahren, um Flüchtlinge, Migrantinnen und Migranten auf See abzufangen und sie gewaltsam nach Libyen zurückzubringen. Nicht zuletzt anlässlich des jüngsten EU-Migrationspakts fordert Ärzte ohne Grenzen erneut, dass Leben gerettet anstatt dass Schutzsuchende in ein Bürgerkriegsland zurückgezwungen werden. Allein am vergangenen Wochenende wurden 390 Menschen nach Libyen zurückgebracht, obwohl Flüchtlinge, Migrantinnen und Migranten dort in ständiger Gefahr leben.
https://www.aerzte-ohne-grenzen.at/article/libyen-aerzte-ohne-grenzen-fordert-rueckfuehrungen-zu-beenden


+++FREIRÄUME
Holliger – Wohnlabor im Westen Berns
In Holligen, im «mittleren Westen Berns», hat der Bau eines völlig neuen Stadtteils begonnen. Sechs verschiedene gemeinnützige Bauträger realisieren am Warmbächliweg rund 330 preisgünstige Wohnungen für rund 800 bis 1000 BewohnerInnen. Das künftige Zusammenleben will geplant sein.
http://www.journal-b.ch/de/082013/alltag/3715/Holliger-%E2%80%93-Wohnlabor-im-Westen-Berns.htm


+++GASSE
Verliebt in der Gassenküche: Heiko, Lilian und die Armut in Basel
«Leben und Liebe auf der Gasse»: Das Werk der zwei Filmstudenten Miguel Burger und Robert Ziska aus der Region berührt.
https://www.bazonline.ch/heiko-lilian-und-die-armut-in-basel-116796612055


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
«Krawall-Tourist» – Basler Strafgericht verurteilt Luzerner Steinewerfer von Nazifrei-Demo
Luzerner Demonstrant erhält vom Basler Strafgericht sieben Monate aufgebrummt.
https://www.bzbasel.ch/basel/basel-stadt/basler-strafgericht-verurteilt-luzerner-steinewerfer-von-nazifrei-demo-139494770


Credit-Suisse-Fassade verunreinigt: Gericht spricht Genfer Klimaaktivist in zweiter Instanz wegen «rechtfertigendem Notstand» frei
In Genf ist ein Klimaaktivist in zweiter Instanz freigesprochen worden, nachdem er die Fassade einer Credit-Suisse-Filiale mit roten Händen beschmiert hatte. Das Berufungsgericht sah den rechtfertigenden Notstand als gegeben.
https://www.nzz.ch/schweiz/genfer-klimaaktivist-in-zweiter-instanz-freigesprochen-ld.1581602
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/credit-suisse-unterliegt-genfer-kantonsgericht-gibt-klimaaktivist-recht
-> https://www.derbund.ch/genfer-klimaaktivist-in-zweiter-instanz-freigesprochen-312017200653


effy29 Besetzung
Die ehemalige Hausbesetzung an der Effingerstrasse 29, auch liebevoll effi29 oder effy29 genannt, war aus vielerlei Hinsicht ein besonderes Haus. Medial sorgte die militante Verteidigung für viele Schlagzeilen. In Bern gab es zahlreiche Solidaritätsaktionen für den Verbleib des Haues. Sogar internatioal wurde Bezug auf die effy29 genommen. Am 09. November 2020 beginnen nun die Prozesse gegen 16 Angeklagte. Eine Chronologie der Besetzung:
https://bernaktiv.ch/effy29/?fbclid=IwAR0p8D2BI4lxl36qN5hvZwHIr_iblmW_09pI7ZHDakg1Qc_V4MGeS9kWOvY


Le Laboratoire Autogéré de création (L.A.C) occupe un bâtiment de l’Etat
Le Collectif du L.A.C. (Laboratoire Autogéré de Création) occupe la rue des Crêtets 91 à La Chaux-de-Fonds. Les échanges avec le Conseil communal n’ayant amené aucune solution pérenne vis-à-vis de la situation d’urgence et précaire du Collectif et le Conseil d’Etat n’ayant pas donné suite aux demandes de dialogue à ce jour, le Collectif a pris la décision d’occuper un bâtiment vacant ce vendredi 09 octobre 2020, afin de permettre la survie de son offre culturelle et sociale. Le bâtiment appartenant à l’Etat, le Collectif est dans l’espoir d’entamer un dialogue direct avec ce dernier.
https://renverse.co/infos-locales/article/communique-de-presse-du-l-a-c-2785


+++REPRESSION DE
Security-Angestellte bedrohen Unterstützerin: Staatsschutz ermittelt nach Vorfall am geräumten Hausprojekt Liebig 34
Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma sind am Dienstagabend auf Unterstützer der Liebig-34 losgegangen. Der Staatsschutz ermittelt wegen Körperverletzung.
https://www.tagesspiegel.de/berlin/security-angestellte-bedrohen-unterstuetzerin-staatsschutz-ermittelt-nach-vorfall-am-geraeumten-hausprojekt-liebig-34/26271752.html


+++BIG BROTHER
Verdacht auf illegale Exporte: Razzia bei Spionage-Firma FinFisher
Die Staatsanwaltschaft München hat nach Informationen von BR und NDR die Firma FinFisher durchsuchen lassen. Der Hersteller von Überwachungsprogrammen steht im Verdacht, illegal Software exportiert zu haben.
https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr/spaehsoftware-finfisher-101.html
-> https://www.br.de/nachrichten/bayern/razzia-bei-muenchner-spionage-firma,SDJtroG
-> https://netzpolitik.org/2020/unsere-strafanzeige-razzia-bei-staatstrojaner-firma-finfisher-in-muenchen/


Massenhafte Handydaten-Abfrage durch Staatsanwälte: Die Blackbox öffnen!
Täglich greifen Staatsanwälte in der Schweiz tief in das Leben und die Privatsphäre von Bürgern ein. Es braucht mehr Aufsicht und Transparenz.
https://www.limmattalerzeitung.ch/schweiz/massenhafte-handydaten-abfrage-durch-staatsanwaelte-die-blackbox-oeffnen-139462230


+++POLICE BE
derbund.ch 14.10.2020

Ausländische Aktivisten: Polizei wegen Ausreiseformular in der Kritik

Nach der Räumung der Klimademo auf dem Bundesplatz hat die Kantonspolizei ausländischen Protestierenden die sofortige Ausreise nahegelegt. Ein Jurist wirft der Polizei Kompetenzüberschreitung vor.

Calum MacKenzie

Bei der Klimacamp-Räumung auf dem Bundesplatz landeten 85 Personen auf dem Polizeiposten. Obwohl alle kurz darauf wieder entlassen wurden, gibt das Geschehene in Aktivistenkreisen immer noch zu reden. Denn was in Polizeigewahrsam geschah, wirft Fragen auf.

David Furger ist Rechtsanwalt und Mitglied der Demokratischen Juristinnen und Juristen Bern. Er hat sich mit dreien der festgenommenen Aktivistinnen und Aktivisten austauschen können. «Mehrere ausländische Personen wurden mündlich dazu aufgefordert, die Schweiz umgehend zu verlassen», sagt er. Für ihn ist klar: «Die Kantonspolizei hat ihre Kompetenz überschritten. Das kommt einer Aufforderung zur Ausreise gleich. Das darf sie nicht.»

Diese Aufforderungen wurden offenbar nicht nur mündlich erteilt. Dem «Bund» liegt eine sogenannte Ausreisemeldung vor, die von der Polizei an ausländische Demonstrierende abgegeben wurde. Diese Formulare werden für gewöhnlich von den Grenzbehörden ausgefüllt, um das Ausreisedatum der betroffenen Person festzuhalten. In diesem Fall hat die Kantonspolizei das Ausreisedatum bereits auf den Tag der Festnahme festgelegt. Gemäss Formular wurde also der Nachweis gefordert, die Schweiz noch am selben Tag verlassen zu haben.

Nachträglich gemeldet

Laut Berner Kantonspolizei liegen Landesverweise grundsätzlich nicht in ihrer Kompetenz. Christof Scheurer, Informationsbeauftragter der bernischen Staatsanwaltschaft, ergänzt: «Eine Wegweisungsverfügung kann erlassen werden, wenn eine Ausländerin oder ein Ausländer eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt.» Die zuständige Behörde sei die Fremdenpolizei der Stadt Bern.

Die Fremdenpolizei hat durchaus ein solches Formular ausgestellt. Jedoch erst am Tag nach der Bundesplatzräumung, wie Alexander Ott, Co-Leiter des Stadtberner Polizeiinspektorats, bestätigt. Wie er nach internen Abklärungen feststellt, hat die Kantonspolizei aber tatsächlich einige Ausreisemeldekarten ausgehändigt. «Sie verfügt über eine bestimmte Anzahl von der Stadtberner Fremdenpolizei gestempelter Karten», sagt Ott. «Sie kann diese ausländischen Personen aushändigen, wenn die Fremdenpolizei der Stadt Bern dies anordnet.» Im vorliegenden Fall sei dies seiner Behörde aber erst nachträglich gemeldet worden.

Ott teilt jedoch Furgers Ansicht nicht, dass das Formular einer Aufforderung zur Ausreise gleichkommt. Die Aushändigung einer Ausreisemeldekarte verpflichte niemanden rechtlich dazu, die Schweiz zu verlassen, sagt Ott. Vielmehr diene die Karte der betroffenen Person als Ausreisebestätigung. Ausländerrechtliche Wegweisungsverfügungen habe man keine erlassen, auch nicht mündlich.

Globales Thema

Die Besetzung des Bundesplatzes zog aus bürgerlichen Kreisen heftige Reaktionen auf sich. Dazu gehörte die Behauptung, der Protest sei «mehrheitlich aus dem Ausland gesteuert» worden – wofür bislang keine Beweise vorgebracht worden sind.

Dass bei Demonstrationen in der Schweiz auch Aktivistinnen und Aktivisten aus dem Ausland dabei sind, ist nichts Neues. Für Anti-WEF-Demos etwa reisen jährlich Teilnehmende aus ganz Europa an; auch beim letztjährigen Klimaprotest vor dem Credit-Suisse-Hauptsitz in Zürich wurden deutsche, französische und österreichische Staatsangehörige festgenommen. In der Regel machen die ausländischen Aktivisten allerdings einen Bruchteil der Demonstrierenden aus – wie auch auf dem Bundesplatz. Eine Ausnahme bildete ein Protest in Basel 2019, bei dem unter neunzehn Angehaltenen nur fünf Schweizer waren.

Das Phänomen transnationaler Demonstrierender sei in der Klimabewegung normal, sagt Frida Kohlmann. Sie ist die Sprecherin des Kollektivs Climate Justice, das die Besetzung des Bundesplatzes mitorganisiert hat. «Das Thema ist ja auch grenzübergreifend – unsere Atmosphäre geht um den ganzen Globus», sagt sie. «Das brennt den Leuten auf den Nägeln, und sie reisen an die Aktionen, die für sie erreichbar sind.» So hätten auch schweizerische Aktivisten an Demos in Deutschland teilgenommen.

Die Vorwürfe zu schattigen ausländischen Drahtziehern findet Kohlmann «lächerlich». «Viele Schweizer haben das Gefühl, sie würden fremdbestimmt. Das wird hier ausgelebt.»
(https://www.derbund.ch/polizei-wegen-ausreiseformular-in-der-kritik-456191985394)


+++POLICE USA
Versuche, die US-amerikanische Polizei zu reformieren, scheitern häufig am Einfluss ihrer Gewerkschaften
Eine Bruderschaft in Uniform
Die Gewerkschaften und andere Interessenvertretungen der US-amerikanischen Polizei sind mächtig. Reformversuche, etwa zur Eindämmung von Polizeigewalt, scheitern häufig an ihrem Einfluss.
https://jungle.world/artikel/2020/41/eine-bruderschaft-uniform


+++RASSISMUS
Rassismus: Was hat das mit mir zu tun?
Sie werden grundlos von der Polizei kontrolliert, seltener zum Vorstellungsgespräch eingeladen, seltener eine Empfehlung für das Gymnasium bekommen.
Von solchen und anderen rassistischen Erfahrungen berichten viele Menschen in Deutschland. Aber lässt sich gegen rassistische Strukturen in unserer Gesellschaft wirklich nichts unternehmen? Und wie schwer ist es für weiße Menschen, Rassismus-Erfahrungen nachzuvollziehen?
https://www1.wdr.de/mediathek/video/sendungen/unterwegs-im-westen/video-rassismus-was-hat-das-mit-mir-zu-tun-102.html


«Manche glauben, dass man Krankheiten loswird, wenn man mit einer schwarzen Frau schläft» – weshalb Tunesien sich mit dem Kampf gegen Rassismus so schwertut
Seit zwei Jahren gibt es in Tunesien ein Antirassismusgesetz, das erste in der arabischen Welt. Doch die Anwendung gestaltet sich schwierig, und im Alltag bleiben zahlreiche Hürden bestehen.
https://www.nzz.ch/international/kampf-gegen-rassismus-weshalb-tunesien-sich-so-schwertut-ld.1575037


+++RECHTSPOPULISMUS
US-Wahlkampf: Twitter sperrt Konten angeblicher schwarzer Trump-Unterstützer
Twitter-Konten erfundener afroamerikanischer Trump-Fans haben in wenigen Tagen Tausende erreicht. Nun hat der Nachrichtendienst sie gesperrt – doch der Schaden ist angerichtet.
https://www.spiegel.de/politik/ausland/us-wahlkampf-twitter-sperrt-falsch-konten-angeblicher-schwarzer-trump-unterstuetzer-a-bddd262d-d129-4a6f-8c45-9bae2ff864ef


+++RECHTSEXTREMISMUS
Anführer der rechtsextremen Partei Goldene Morgenröte muss 13 Jahre in Haft, lebenslang für Mörder des linken Rappers Fyssas in Griechenland
Ein Gericht in Athen hat die Führungsspitze der rechtsextremen und rassistischen griechischen Partei Goldene Morgenröte zu mehrjährigen Gefängnisstrafen wegen der Gründung einer kriminellen Vereinigung verurteilt. Der Anführer der Partei Nikos Michaloliakos bekam 13 Jahre Gefängnis. Sechs weitere führende Mitglieder müssen zwischen zehn und 13 Jahren in Haft. Elf ehemalige Abgeordnete der Partei bekamen Haftstrafen zwischen fünf und sieben Jahren. Dies berichtete das Staatsfernsehen (ERT) am Mittwoch aus dem Gerichtsgebäude.
https://www.nzz.ch/international/mehrjaehrige-haftstrafen-fuer-rechtsextreme-in-griechenland-ld.1581622
-> https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-10/griechenland-rechtsextremismus-partei-goldene-morgenroete-fuehrung-haftstrafe


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Theorie von Corona-Leugnern: Erklärung mit Hintergedanken
Die «Great Barrington Declaration» dreier Wissenschaftler von Elite-Universitäten gegen Corona-Massnahmen hat Hunderttausende Unterzeichner. Doch der Vorstoss ist medizinisch gefährlich, und die Geldgeber haben eine eigene Agenda.
https://www.derbund.ch/erklaerung-mit-hintergedanken-981335650685


Les coronasceptiques suisse-romand.e.s et Qanon
Tour d’horizon de la présence de plus en plus marquée du mouvement conspirationniste d’extrême droite Qanon dans les rangs des militant.e.s coronasceptiques suisse-romand.e.s.
https://renverse.co/infos-locales/article/les-coronasceptiques-suisse-romand-e-s-et-qanon-2782


Neue Regeln Facebook verbietet Werbeanzeigen von Impfgegnern
Werbung, die verhindern könnte, dass sich Menschen impfen lassen, ist ab sofort auf Facebook nicht mehr erlaubt. Eine wichtige Tür für Verschwörungsmythen bleibt aber offen.
https://www.spiegel.de/netzwelt/web/facebook-verbietet-werbeanzeigen-von-impfgegnern-a-290aa5f8-aa00-4a70-a82d-e876cf1d86aa
-> https://www.nzz.ch/international/qanon-holocaust-leugnungen-und-nun-anti-impfkampagnen-wie-facebook-einen-kurswechsel-seiner-inhaltspolitik-vollzieht-ld.1581590


Rechts, radikal, wirr und ein wenig naiv: Bilanz nach einem halben Jahr Corona-Demos
Corona-Demos können unterhaltsam sein, wenn man den braunen Hintergrund mancher Auftritte auszublenden vermag
https://www.derstandard.at/story/2000120813535/rechts-radikal-wirr-und-ein-wenig-naiv-bilanz-nach-einem?ref=rss


Querdenker in Auflösung: Die zweite Welle der Pandemie ist da, die Corona-Leugner verlieren an Zuspruch
Das Protestcamp der «Querdenken»-Plattform in Berlin wird abgebaut. Zu deren Kundgebungen kamen jüngst deutlich weniger Menschen als noch im Sommer.
https://www.nzz.ch/international/querdenker-in-aufloesung-corona-leugner-verlieren-an-zuspruch-ld.1581587


Neue Eskalationsstufeö: „Querdenken“ plant perfiden Protest gegen Maskenpflicht
Stuttgart – Die Stuttgarter Initiative „Querdenken 711“ plant eine neue Eskalationsstufe im Kampf gegen die Corona-Politik der Regierung.
https://www.express.de/news/panorama/neue-eskalationsstufe–querdenken–plant-perfiden-protest-gegen-maskenpflicht-37483612


Falschaussagen: Bhakdi darf im MDR und HR Corona-Fakes verbreiten
Die ständige Hetze von Pandemie-Leugner:innen gegen den Öffentlich-Rechtlichen-Rundfunk, wie jüngstens die absurde Verschwörungserzählung, WDR-Mitarbeiter hätten Reichsflaggen auf eine Corona-Demo geschmuggelt, die sich als völlig frei erfunden herausgestellt hat (mehr dazu), zeigt wohl genau die falsche Wirkung bei den Verantwortlichen. Der vielfach widerlegte Corona-Fake-News-Verbreiter (Hier, hier, hier und hier) und Pandemie-Leugner Sucharit Bhakdi durfte beim MDR und beim HR unkritisch seine Corona-Fakes im Interview präsentieren.
https://www.volksverpetzer.de/corona-faktencheck/bhakdi-mdr-hr-fakes/


Corona-Wahn: Michael Wendler verdeckte Handys mit Salatschüssel
Michael Wendler sorgt mit wirren Corona-Theorien für Furore. Sein Reisemanager verrät nun, wie schlimm es um den Musiker wirklich steht.
https://www.nau.ch/people/welt/corona-wahn-michael-wendler-verdeckte-handys-mit-salatschussel-65800476


Marco Rima: Sohn (8) muss sich fiese Sprüche von Eltern anhören
Marco Rima setzt sich mit seinen Aussagen über Corona in die Nesseln. Jetzt müssen sich seine Kinder fiese Sprüche bei Freunden anhören.
https://www.nau.ch/people/aus-der-schweiz/marco-rima-sohn-8-muss-sich-fiese-spruche-von-eltern-anhoren-65800412


NewsCheck: Lächerlich oder gefährlich? – Wenn sich Promis politisch äußern
DAS THEMA: Rapper, andere Promis und Verschwörungstheorien: Ist es gefährlich, wenn Vorbilder abstruse Thesen verbreiten? Eine Analyse von Max Leschanz.
https://www.derstandard.at/story/2000120903474/newscheck-laecherlich-oder-gefaehrlich-wenn-sich-promis-politisch-aeussern?ref=rss


+++HISTORY
Dhoruba bin Wahad: „Wir waren die einzige Schwarze Kaderorganisation“
Der Revolutionär Dhoruba bin Wahad ist ehemaliges Mitglied der Black Panther Party (BPP) und der Black Liberation Army (BLA). Dhoruba war eines der führenden Mitglieder des New Yorker Ortverband der BPP. 1971 wurde er im Rahmen des illegalen FBI Counter Intelligence Program (COINTELPRO) festgenommen. Er verbrachte 19 Jahre in politischer Gefangenschaft, wo er Opfer von Folter wurde. Am 03.10.2020 war er für einen Vortrag in Berlin. Das LCM sprach mit ihm über Black Lives Matter, die Besonderheiten der BPP und Organisierung in imperialistischen Zentren.
https://lowerclassmag.com/2020/10/13/dhoruba-bin-wahad-wir-waren-die-einzige-schwarze-kaderorganisation/



derbund.ch 14.10.2020

Podcast über Protestbewegungen in Bern: Eine Maschine, die revolutionäre Gedanken aufspürt

Warum  wurde das so beschauliche Bern in der Vergangenheit immer wieder zum  heissen Pflaster für Revoluzzer und Umstürzler? Dieser Frage gehen  Pascal Nater und Carol Rosa in ihrem Podcast «Drgäge» nach.

Xymna Engel

«Irgendwas  muss in Bern in der Luft sein», sagt Linda Hertig, Wissenschaftlerin an  der Uni Bern, zu ihrem Assistenten Florian. «Wenn wir die Daten  vollständig gefiltert haben, wird vieles klar sein.» Worum es hier geht?  Eine «Jahrhundertgeschichte»: Hertig ist gerade dabei, ausgehend von  der Chaostheorie eine Maschine zu entwickeln, die revolutionäre Gedanken  in der Gesellschaft aufspürt. Doch erst muss Florian sie mit  historischem Material füttern: Konflikte um die Reitschule etwa, die  Jugendunruhen in den 80er-Jahren rund um die alternative Wohnsiedlung Zaffaraya, die Partydemos «Tanz dich frei» in den Nullerjahren oder die Geschichte des Revoluzzers Samuel Henzi, der im 18. Jahrhundert die Berner Regierung aufschreckte – und dafür 1749 geköpft wurde.

Ja,  liegt es an der Luft, dass ausgerechnet das sonst so beschauliche Bern  immer wieder zum heissen Pflaster für Aufrührerinnen, Revoluzzer und  Umstürzler wurde? Das fragen sich Pascal Nater und Carol Rosa in ihrem  Podcast «Drgäge». Oder wie es ein Protagonist an einer Stelle  formuliert: «Alles gemütlich, die Uhren laufen halb so schnell, aber  dann ticken sie doch alle paar Jahrzehnte aus.»

Ein Podcast im Podcast

Die Idee entwickelten Nater und Rosa im Rahmen des gross angelegten Podcast-Projekts En Masse,  welches im Mai startete und unter anderem vom Sonohr-Festival und dem  Berner Audioverlag Hörmal initiiert wurde. Noch bis Februar 2021 kommen  auf der Plattform laufend Hörstücke dazu, die neue Perspektiven auf die Hauptstadt ermöglichen sollen.

Im Zentrum von «Drgäge» stehen die beiden Journalisten Tibor Nüssli und Carla Trüeb, die auf Hertigs Erfindung gestossen sind und nun eine Hörstück darüber machen wollen. Dabei streiten sich die beiden immer wieder darüber, wie viel Zuspitzung (Tibor: «Das können wir einfach schneiden») und Subjektivität (Carla: «Gehts jetzt um mich oder was?») der Beitrag verträgt. «Drgäge» ist also quasi ein Podcast im Podcast. Und damit auch eine leise Persiflage auf das eigene Format. Podcast seien heute oft  persönlich geprägt, sagt Nater, der auch als Journalist, Sounddesigner  und Musiker tätig ist. Dies sei auf der einen Seite erfreulich, kippe aber in vielen Fällen auch ins Narzisstische und Unseriöse.

Als Dokufiktion angelegt, vereint «Drgäge» klassische  Hörspielelemente mit journalistischer Recherche. Letztere war in diesem  Fall äusserst umfangreich. Was Nater dabei überrascht hat, ist, wie  schnell Proteste vergessen gehen. «Viele Junge kennen das Zaffaraya gar nicht mehr, geschweige denn die Henzi-Verschwörung. Ich denke, jede Generation braucht ihre eigene Revolution, wie gerade jetzt die Klimabewegung.»

Es  geht aber nicht nur um die Berner Revolutionen, die in dieser und den  drei folgenden Episoden auditiv zum Leben erweckt werden. Sondern auch –  ganz aktuell – um die Rolle der Wissenschaft. «Gerade in Krisenzeiten  hält der Mensch Uneindeutigkeiten nur schwer aus und fordert von der  Wissenschaft eindeutige Aussagen, der Wissenschaftsjournalismus ist im  Moment so gefragt wie nie», so Nater.

Ein ziemliches Chaos

Auch  die beiden Journalisten in «Drgäge» kommen mit der Zeit immer mehr mit  ihrem Handeln in Konflikt. Und dann beginnt sich auch noch der  Geheimdienst für die ominöse Maschine zu interessieren, die Unruhen und  Protest vorhersagen kann, was eine Kettenreaktion auslöst, die in einem  ziemlichen Chaos mündet. Bei so viel höchst vergnüglicher Fiktionalität  räumen die beiden Macher aber auch der Realität ihren Platz ein. So  werden die einzelnen Episoden jeweils mit Live-Talks mit Autoren,  Wissenschaftlerinnen oder Politikern ergänzt, die das Ganze einem  Realitätscheck unterziehen. Zum Start der ersten Episode ist Martin  Bieri geladen, und das ist mehr als passend, schliesslich hat der Berner  Autor und «Bund»-Kunstkritiker im Februar ein Buch über den «vergessenen Verschwörer» Samuel Henzi veröffentlicht.

«Sind  es wirklich die einzelnen Momente, die alles verändern? Ich glaube, die  Geschichte spitzt das erst so zu (…). Es ist vielleicht mehr die Summe  von mehreren kleinen Revoluziönchen, die erst alle zusammen etwas  verändern», sagt eine Stimme zu Beginn des Podcasts. Es folgt der Klang  eines Streichholzes, das angezündet wird. Und hier ist sie wieder, die  Magie, die nur ein Hörstück entfachen kann.


Treffpunkt  vor dem Uni-Hauptgebäude Grosse Schanze, Donnerstag, 15. Oktober, 18  Uhr (eigenes Smartphone und Kopfhörer mitbringen). Im Anschluss:  Gespräch über Chaos und Ordnung, Demokratie und Gewaltenteilung, Macht  und Ohnmacht im 1. Stock des Progr.
(https://www.derbund.ch/eine-maschine-die-revolutionaere-gedanken-aufspuert-223368937413)
-> https://enmasse.ch/drgaege/