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+++BERN
bernerzeitung.ch 12.09.2020
Stimme der Migranten: In den Rückkehrzentren brodelt es
Abgewiesene Asylsuchende, die teils seit Jahren in Asylunterkünften
ausharren, organisieren sich. Ihre Forderungen werden nicht gehört, doch
die Bewegung wächst.
Chantal Desbiolles
Der Druck steigt. Seit der Kanton Bern seine Asylunterkünfte unter neuen
Vorzeichen als Rückkehrzentren betreibt, haben sich die
Lebensbedingungen der dort Untergebrachten deutlich verschlechtert.
Dahinter steckt politisches Kalkül, denn Leute wie Amar Salim sollen
hier nicht bleiben. Der 26-jährige Kurde aus dem Irak, der seit fünf
Jahren in der Schweiz lebt und zwei negative Asylbescheide vorweisen
kann, ist seit drei Jahren in der Einrichtung in Biel-Bözingen in einer
Baracke, in der bis zu 20 Personen auf engstem Raum leben.
Bilder von verschmutzten und beschädigten Toiletten und Duschen wurden
öffentlich, neben Entsetzen war auch für Hohn und Spott gesorgt. Salim
windet sich, wird nicht mehr gerne darauf angesprochen. «Wir haben kein
Problem mit dem Putzen», stellt er klar. Das sei aber offensichtlich
nicht ganz einfach, wenn fast zwei Dutzend Frauen wie Männer dieselbe
Dusche nutzten. Die zweite sei längere Zeit über kaputt gewesen, ebenso
die Beleuchtung in einem der Container während etwa zweier Monate.
Beides sei von der neuen Betreiberin nicht repariert worden.
Disziplin und Kontrolle
Seit die ORS AG diese und die Unterkünfte in Aarwangen, Gampelen und
Konolfingen im Auftrag des Kantons seit Juli zu unwirtlicheren Orten für
die Bewohnerinnen und Bewohner gemacht hat, müssen die abgewiesenen
Asylsuchenden hier täglich während mindestens zweier Stunden anwesend
sein, um nicht Gefahr zu laufen, die Nothilfe im Umfang von 8 Franken
pro Tag und ihren missliebigen Platz zu verlieren. «Wer nicht
unterschreibt, erhält kein Geld, und wer mehrmals fehlt, muss gehen»,
erzählen Asylsuchende aus dem Rückkehrzentrum Aarwangen. Diese
Disziplinierung und Kontrolle, sie mache krank.
«Alles hat sich geändert», sagt Salim, der von «offenen Gefängnissen»
spricht oder Begriffe wie «Isolationshaft» als Vergleich herbeizieht.
«Wir haben gar keine Rechte mehr.» Selbst Besuch ist verboten, begründet
wird das mit der Corona-Pandemie. Medienschaffende werden überdies mit
der Begründung abgespeist, dass sich das neue Regime erst einspielen
müsse. Deswegen sind Reportagen aus den Rückkehrzentren derzeit nicht
erwünscht.
Eine Frage der Deutungshoheit
Die Deutungshoheit über die Zustände vor Ort haben daher erst recht gut
organisierte und sendungsbewusste Direktbetroffene wie Salim übernommen.
Er ist einer von zwei Sprechern von «Stop Isolation», unter diesem
Namen haben sich abgewiesene Asylsuchende zusammengetan und Forderungen
aufgestellt. Rund 700 abgewiesene Asylsuchende gibt es im Kanton Bern,
davon haben sich Salim zufolge fast 200 der politischen Bewegung
angeschlossen.
Dass es nicht mehr seien, liege daran, dass viele Geflüchtete Angst
davor hätten, zu demonstrieren. Angst vor der Polizei. Amar Salim nicht.
Er habe nichts mehr zu verlieren, sagt der 26-Jährige.
«Niemand führt so ein Leben in einem Rückkehrzentrum freiwillig.» Hätte
er eine Wahl, beteuert Salim, er würde sie treffen. In den Irak
zurückzukehren, stellt für ihn als Kurde keine dar.
Spätestens seit sich im Juli ein 34-jähriger Iraner während einer
Demonstration auf dem Bundesplatz in Brand setzte, ist die Not der
abschlägig Beurteilten in ein öffentlich breiteres Bewusstsein gerückt.
Es ist der verzweifelte Höhepunkt eines Protests, der in Bern und
anderswo kein richtiges Gehör findet.
«Unsolidarische» Forderungen
Als «organisierte Show» bezeichnete Sicherheitsdirektor Philippe Müller
(FDP) den Vorfall. Gleichzeitig verurteilte er «Stop Isolation» als
Lobbyorganisation, vor deren Karren sich die Medien hätten spannen
lassen. Die Geringschätzung ihrer Anliegen: für die Abgewiesenen ein
Affront, Müller seither Synonym für die Ignoranz eines Asylsystems, das
sie auf der ganzen Linie hängen lässt. «Unsolidarisch» und
«undemokratisch» seien die Forderungen, die nach
Aufenthaltsbewilligungen verlangen, sich gegen die Isolation in
Rückkehrzentren und ständige Kontrollen, Bussen und Haftstrafen wegen
illegalisierten Aufenthalts wehren und Respekt und Würde einfordern.
In den Rückkehrzentren brodelt es, erzählen Beobachtende wie Bewohnende.
Salim sagt: «Es werden schlimmere Sachen passieren.» Was, will er sich
nicht ausmalen. Die Menschen um ihn seien verzweifelt.
Und sie sind offensichtlich immer besser organisiert. Unterstützt durch
das Migrant Solidarity Network, das Geflüchtete, Migrantinnen und
solidarische Menschen zusammenbringt, fanden seit Juli acht Kundgebungen
und Protestaktionen statt. Erst manifestierte sich der Protest vor Ort
in Bözingen und Gampelen, dann verlagerte er sich in den öffentlichen
Raum und damit auch in das Bewusstsein der Öffentlichkeit: Abgewiesene
flüchteten in die Reitschule, stellten sich vor das Staatssekretariat
für Migration, riefen auf zur Solidarität. Organisationen und
Gruppierungen aus dem links-grünen und humanitären Spektrum bekennen
sich, die Bewegung zu unterstützen.
Auf nationalem Parkett
«Wir organisieren uns alle», sagt Salim. Zu Beginn der Session haben
sich Vertreter von «Stop Isolation» und vergleichbaren Bündnissen aus
anderen Kantonen wie «Nothilfe ohne Zwang» (Zürich), «Drei Rosen gegen
Grenzen» (Basel) oder «Poya solidaire» (Freiburg) mit Nationalrätinnen
und Nationalräten vor dem Bundeshaus getroffen. Übergeben worden seien
Berichte und Forderungen
Bis jetzt sei noch nie eine Forderung durchgesetzt worden, stellt Salim
fest. «Aber wir kämpfen bis zum Ende.» Noch in diesem Monat ist eine
schweizweite Aktion geplant. Erst gestern fand in Bern eine
Gedenkkundgebung statt: für einen geflüchteten Kurden aus dem Iran, der
sich am 22. August das Leben nahm.
(https://www.bernerzeitung.ch/in-den-rueckkehrzentren-brodelt-es-703869157832)
—
bernerzeitung.ch 12.09.2020
Ihr Bruder ist in Moria: «Ich habe das Gefühl, langsam kaputtzugehen»
Rahima Nadri kämpfte bisher vergebens dafür, dass ihr Bruder Mustafa aus
Griechenland in die Schweiz kommen kann. Nun kam er bei den Bränden im
Flüchtlingslager Moria fast ums Leben.
Dominik Galliker
Mustafa Nadri hat jetzt Wasser, etwas zu essen, und er hat Kleider.
Seiner Schwester Rahima schickt er ein Foto: Er steht mit zwei
Mitarbeitern der Schweizer SAO Association am Strassenrand. «Schau mal,
wie müde und gebrochen er aussieht», sagt Rahima Nadri. Sie ist hier, im
Asylzentrum Zollikofen, ihr Bruder 1700 Kilometer entfernt auf der
Insel Lesbos. Die letzten Tage waren eine Belastung für die beiden. Das
Flüchtlingslager Moria, wo Mustafa Nadri ein Zelt hatte, ist abgebrannt.
Er kam mit einer Verbrennung am Arm davon.
Rahima Nadri kam im Mai 2019 mit ihren Eltern in die Schweiz, sie teilen
sich im Asylzentrum ein Zimmer. Ihre beiden Schwestern leben schon seit
vier Jahren in Bern. Rahima Nadri sagt: «Ich fühle mich nicht als
Ausländerin. Ich will ein wertvoller Mensch für dieses Land sein.»
Deutsch ist für sie kein Problem, sie besucht das Schuljahr «Praxis und
Integration» der BFF Bern und ist Gasthörerin an der Uni. Trotzdem sagt
sie: «Ich habe das Gefühl, langsam kaputtzugehen.»
Auf dem Meer getrennt
Auf der Flucht aus Afghanistan wurde Familie Nadri getrennt, erzählt
Rahima Nadri. Mustafa sass bei der Überfahrt von der Türkei nach
Griechenland in einem anderen Boot. Ihre Eltern und sie landeten auf der
Insel Samos, er nicht. «Sein Boot ist gesunken. Das sagten uns die
Schlepper. Wir dachten, er sei tot.» Familie Nadri konnte in die Schweiz
weiterreisen, weil die minderjährige Tochter bereits hier war. Sie
wurden vorläufig aufgenommen. «Ein Jahr nach der Trennung hat er uns
gefunden. Er rief an und sagte: ‹Hier ist Mustafa.› Ich konnte es nicht
glauben und fragte: ‹Welcher Mustafa?›»
Seither sind die beiden permanent in Kontakt. «Wenn ich frage, wie es
ihm geht, sagt er immer, alles sei sehr gut, super. Er möchte nicht,
dass ich mir Sorgen mache.» Doch Sorgen mache sie sich jeden Tag. «Ich
glaube, Moria ist gefährlicher als Afghanistan.» Mustafa hatte anfangs
kein Zelt. Er habe von Vergewaltigungen und Schlägereien erzählt.
«Einmal schickte er ein Foto von abgetrennten Fingern, die im Dreck
lagen. Es habe Streit gegeben. Ich sagte: ‹Die Polizei muss doch
helfen.› Er lachte und sagte: ‹Ach, Rahima, du bist naiv.›» Innert vier
Monaten habe Mustafa zwölf Kilo Körpergewicht verloren.
Schweiz lehnt Einreise ab
Seit einem Jahr versucht Rahima Nadri, ihren Bruder in die Schweiz zu
holen. Sie hat in Bern an jede Tür geklopft. Sogar der UN hat sie
geschrieben. Unterstützt wird sie nun von Amnesty International.
Zunächst beantragte Familie Nadri beim Staatssekretariat für Migration
SEM eine Familienzusammenführung. Abgelehnt. Mustafa ist volljährig und
gehört damit nicht zur Kernfamilie. Die Familie machte den psychischen
Zustand von Mustafa und den Eltern geltend. Wieder abgelehnt.
Und nun das Feuer. In der Nacht auf Mittwoch brachen im Flüchtlingslager
Moria die Brände aus. Mustafa Nadri rief seine Schwester um 1.30 Uhr
an: Es gehe ihm gut, aber Moria brenne. «Ich konnte nicht viel sagen,
weil ich meine Eltern nicht wecken wollte.» Sie habe Facebook und Google
nach News durchsucht. «Es kamen viele Gedanken hoch: Mustafa hat so
lange auf meine Hilfe gewartet, aber ich habe nichts geschafft.» Um 4
Uhr habe sie verzweifelt versucht, einzuschlafen; am nächsten Tag war
Schule. «Ich sass im Mathematikunterricht und wollte nur noch den Kopf
auf den Tisch legen, ich war so erschöpft.»
Ihren Eltern möchte Rahima Nadri möglichst wenig sagen. Sie seien
psychisch belastet. «Wenn ich zu Hause bin, muss ich lachen, damit es
ihnen gut geht. Ich darf nicht müde sein», sagt sie. Auch die ältere
Schwester, die ihre beiden Kinder alleine aufzieht, hat gesundheitliche
Probleme. «Ich habe immer viel im Kopf. Ich denke an meine Familie und
auch an mich selber», sagt Rahima Nadri, deren Alter vom SEM auf 29
Jahre geschätzt wurde. «Ich bin nicht mehr ganz jung. Ich habe Stress,
dass ich schnell eine Ausbildung finden muss.» Sie wolle studieren, weil
ihr als Frau dies in Afghanistan nicht möglich gewesen sei. «Aber es
ist einfach alles zu viel.»
Zahnpasta als Salbe
Am Mittwochnachmittag, Rahima Nadri wartete im RBS-Bahnhof Bern auf
ihren Zug, kam ein Anruf von Mustafa: Es habe in Moria ein zweites Feuer
gegeben. «Er sprach ganz schnell: ‹Ich bin fast gestorben, ich bin
gerannt, ich habe nichts mehr, Kinder sind verbrannt, alle sind
verbrannt, ich bin gerannt.›» Ihr Bruder habe geschlafen, als sein Zelt
Feuer fing. Erwacht sei er, als die Flammen seinen Arm erreichten. «Ich
wusste nicht, was ich machen soll», sagt Rahima Nadri. «Ich konnte nicht
nach Hause und es meinen Eltern sagen.» Schliesslich entschied sie
sich, zur Demonstration auf den Bundesplatz zu gehen. «Das war das
Einzige, was ich machen konnte. Ich konnte nicht ruhig bleiben.»
Alle Dokumente von Mustafa, sein Geld und seine Kleider seien verbrannt,
erzählt Rahima Nadri. «Er rannte in Unterhose und Leibchen aus dem
Lager, nur den Pass und das Handy hat er noch.» Er befinde sich nun an
einer Strasse nahe dem Meer; die Polizei hindere die Menschen daran,
sich frei zu bewegen, weil es in Moria Corona-Fälle gab. Rahima Nadri
hat mit der Schweizer SAO Association für Frauen auf der Flucht Kontakt
aufgenommen. «Eine Mitarbeiterin erklärte sich bereit, Mustafa etwas
Geld von uns und Kleider zu bringen, zudem Wasser und Essen.» Salbe sei
nicht erhältlich gewesen, ihr Bruder habe nun Zahnpasta auf die Wunde
gestrichen.
In der Schweiz hat sich Rahima Nadri erneut an Amnesty International
gewandt. Doch die rechtlichen Mittel sind fast ausgeschöpft. Mustafa
Nadri hat keinen Anspruch darauf, dass die Schweiz sein Asylgesuch
prüft. Die Hoffnung, die der Familie bleibt, ist, dass die Schweiz
aufgrund der humanitären Katastrophe freiwillig Asylsuchende aufnimmt.
«Ich kann gar nicht darüber nachdenken, was passiert, wenn ich
scheitere», sagt Rahima Nadri. «Ich kann das nicht akzeptieren. Erst
wenn ich eine Lösung finde, kann ich ruhig sein und wieder an meine
eigenen Ziele denken.»
(https://www.bernerzeitung.ch/ich-habe-das-gefuehl-langsam-kaputtzugehen-390528273801)
—
Michael Grossenbacher – Moderator, Lehrer und Protagonist
Aus 2,5 Wochen wurden 5 Jahre. Seit 2016 ist Michael „Grosi“
Grossenbacher in Griechenland unterwegs und unterstützt dort die
Menschen in den Flüchtlingslagern. Neben seiner Arbeit an einer
Berufsschule und als Moderator ist er nun auch Protagonist im
Dokumentarfilm „Volunteer“, in dem es um die Flüchtlingskrise in
Griechenland geht.
https://www.neo1.ch/news/news/newsansicht/datum/2020/09/12/michael-grossenbacher-moderator-lehrer-und-protagonist.html
+++BASEL
Basel rennt für Flüchtende
«Sofortige Evakuierung der Lager in Griechenland», so die Forderung am
«Lauf gegen Grenzen» in Basel. Auch Basler Politiker äusserten sich
bereits dazu.
https://telebasel.ch/2020/09/12/basel-rennt-fuer-fluechtende
Basler Juso fordert Regularisierung von Sans-Papiers
Die Jungpartei fordert die Regierung zum Handeln auf. Der Status von Menschen ohne Aufenthalts¬recht soll geregelt werden.
https://primenews.ch/news/2020/09/basler-juso-fordert-regularisierung-von-sans-papiers
+++ÖSTERREICH
Österreichs Kanzler unter Druck – Kurz: Aufnahme von Menschen aus Moria «wäre Fehler wie 2015»
Sebastian Kurz verteidigt das Nein seiner Regierung zu einer Aufnahme
von Flüchtlingen. Doch der Koalitionspartner stellt sich gegen den
Entscheid
https://www.tagesanzeiger.ch/kurz-aufnahme-von-menschen-aus-moria-waere-fehler-wie-2015-788785292530
+++GRIECHENLAND
Flüchtlings-Katastrophe auf Lesbos: „Wir haben gesehen, dass die Leute das Abwasser trinken“
Die Lage der Flüchtlinge auf der griechischen Insel Lesbos ist nach den
Bränden im Lager Moria katastrophal. Tausende Menschen campieren unter
freiem Himmel. WDR-Reporter sind vor Ort.
https://www1.wdr.de/nachrichten/moria-lagebericht-wdr-reporter-100.html
Flüchtlingslager auf Lesbos: Griechische Polizei setzt Tränengas gegen Migranten ein
Wenige Tage nach dem Brand im Flüchtlingslager Moria geraten Polizisten
und Migranten aneinander. Beamte setzten offenbar Tränengas ein, nachdem
sie mit Steinen beworfen wurden.
https://www.spiegel.de/politik/ausland/lesbos-griechische-polizei-setzt-traenengas-gegen-migranten-ein-a-aab73d96-6301-40d7-90ea-96be43cd3a38
-> https://www.nzz.ch/international/das-fluechtlingslager-moria-steht-in-flammen-was-wir-wissen-und-was-noch-unklar-ist-ld.1575717
-> https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2020-09/fluechtlingslager-moria-polizei-traenengas-migranten-lesbos-brand
-> https://www.tagesschau.de/ausland/moria-191.html
-> https://taz.de/Obdachlose-Fluechtlinge-in-Moria-auf-Lesbos/!5713812/
-> https://taz.de/Nach-dem-Brand-im-Lager-von-Moria/!5713806/
Flüchtlingslager Moria – Rechtsexperte: «Geflüchteten wird das Recht auf Leben verwehrt»
Die Geflüchteten in Moria haben keinen Zugang zum Rechtssystem. Das ist besonders während einer Pandemie verheerend.
https://www.srf.ch/kultur/gesellschaft-religion/fluechtlingslager-moria-rechtsexperte-gefluechteten-wird-das-recht-auf-leben-verwehrt
+++MITTELMEER
Rettungsschiff „Alan Kurdi“ wieder im Mittelmeer unterwegs
Das Rettungsschiff „Alan Kurdi“ der Regensburger Hilfsorganisation
Sea-Eye ist wieder im Mittelmeer unterwegs. Wie die Organisation
mitteilte, habe das Schiff am Freitagabend nach vier Monaten den Hafen
der spanischen Stadt Burriana verlassen.
https://www.br.de/nachrichten/bayern/rettungsschiff-alan-kurdi-wieder-im-mittelmeer-unterwegs,SAM25eA
+++JENISCHE/SINTI/ROMA
bielertagblatt.ch 11.09.2020
Fahrende: Wieder mehr Wagen auf Abwegen
Seit der provisorische Transitplatz in Brügg zu ist, rückt die Polizei
wieder vermehrt zu Vorfällen mit Fahrenden aus. Auch Biel, Nidau und
Orpund verzeichnen mehr illegale Landbesetzungen.
Mengia Spahr
Fahrende parkieren ihre Wohnwagen dieses Jahr wieder vermehrt
widerrechtlich. André Glauser, Sicherheitsdelegierter der Stadt Biel,
bestätigt diesbezügliche Beobachtungen aus der Bevölkerung. Auch die
Gemeindepräsidenten der an Biel grenzenden Gemeinden Orpund und Brügg
sowie die Nidauer Gemeinderätin Sandra Friedli (SP) stellen eine Zunahme
der illegalen Landbesetzungen fest. Den Grund dafür sehen sie in der
Schliessung des provisorischen Transitplatzes in Brügg. «Jetzt haben wir
wieder die gleiche Sauerei wie zuvor», ereifert sich Marc Meichtry
(Brügg for you), Gemeindepräsident von Brügg.
Jüngstes «Ärgernis» ist eine Gruppe Fahrender mit rund 60 Wohnwagen, die
in kleinerer Formation seit dem Frühling dieses Jahres in der Region
unterwegs ist und sich zu Beginn der Woche in Brügg ungefragt auf dem
Gelände der Sacom AG niedergelassen hat. Eine Sprecherin sagt, es würden
derzeit Gespräche mit den Fahrenden geführt. Für die Sacom handelt es
sich um eine neue Erfahrung – bislang haben noch nie Fahrende auf ihrem
Gelände Halt gemacht.
Geräumt, aber nicht gesäubert
Zuvor waren die rund 60 Wohnwagen während zwei Wochen auf dem grossen
Kiesplatz neben dem Bieler Werkhof stationiert. Beim «Bieler Tagblatt»
gingen in diesem Zeitraum Meldungen zu Exkrementen und Abfällen in der
Velo-
unterführung ein; Passanten ärgerten sich über zugestellte Velowege.
Nach Angaben von Glauser gingen beim Polizeiinspektorat drei bis vier
Beschwerden aus der Bevölkerung ein. Die Stadt setzte den Fahrenden Ende
August ein Ultimatum (das BT berichtete), dann wurde den Besitzern der
Wohnwagen bei einer Intervention eine Wegweisungsverfügung mit Frist bis
am Sonntag, 6. September, ausgehändigt.
Am Einsatz waren rund 20 Personen aus dem Polizeiinspektorat Biel, der
Einwohner- und Spezialdienste der Stadt und der Kantonspolizei
beteiligt. Das Grossaufgebot begründet Glauser damit, dass die
Angelegenheit «in administrativer Hinsicht ziemlich aufwendig» war. Die
Fahrenden hielten sich an die Abmachung, verliessen den Platz zum
vereinbarten Zeitpunkt und zogen weiter – nach Brügg. Zurück blieben
viele Abfälle und ein ungelöstes Problem.
Ein Déjà-vu
«Zwei Jahre lang gab es keine Probleme», sagt Meichtry, der die widrigen
Zustände beim Bieler Werkhof bestätigt: «Das war grausig bei den
Unterführungen.» Während des Betriebs des befristeten Transitplatzes in
Brügg habe es eine Kontrolle gegeben, man habe die Probleme mit
Fahrenden in den Griff bekommen. Das Provisorium, das im Mai 2018 als
erstes seiner Art im Kanton Bern eröffnet wurde, war finanziell
selbsttragend und hat die Situation in der Region beruhigt. «Man kannte
die Leute», das Zusammenleben habe gut funktioniert.
Meichtry, der von sich sagt, über 300 Fahrende zu kennen, ist vom Erfolg
des Modells «befristeter Transitplatz» überzeugt: Die beschränkte
Zeitspanne sei das Argument, mit dem die Bevölkerung gewonnen werden
könne. Seine Idee wäre gewesen, dass sich nach einem Rotationsprinzip
alle zwei Jahre eine andere Gemeinde für den Betrieb eines
Transitplatzes Verfügung stellt. Man merkt Meichtry die Enttäuschung
darüber an, dass keine andere Gemeinde davon überzeugt werden konnte, in
einen Turnus einzusteigen – jetzt gebe es wieder dieselbe Situation wie
vor dem Mai 2018.
Eine leidige Angelegenheit
Tatsächlich ist die Suche nach Transitplätzen für ausländische Fahrende
im Kanton Bern eine leidige Angelegenheit. Vor vier Jahren wurde ein
Projekt für einen definitiven Standort in Meinisberg vom Grossen Rat
versenkt: Zu teuer und kein optimaler Standort, lautete das Urteil. In
der Folge übertrug Regierungsrat Christoph Neuhaus (SVP) die Aufgabe,
für 2018 zwei Provisorien zu finden, an die Regierungsstatthalter. 2018
eröffnete der Transitplatz in Brügg als einziger Standort. Seit dem
Frühling 2019 wird nun auch einer in Gampelen betrieben. Doch in Biel
und den umliegenden Gemeinden scheint er keine Abhilfe zu schaffen, wie
die Situation in diesem Sommer zeigt. Ein Grund dafür könnte mitunter
sein, dass es die französischen Fahrenden wegen der Sprache nach Biel
zieht.
Darauf verwies jedenfalls Neuhaus in einem BT-Interview im Herbst 2016.
Bereits damals war ausserdem Peter Dietrich, Gemeindepräsident von
Gampelen, der Ansicht, ein Transitplatz in der Randgemeine löse das
Problem nicht, da die Fahrenden in die Region Biel wollten. Vor diesem
Hintergrund stellt sich die Frage, ob der für 2024 geplante feste
Transitplatz in Wileroltigen überhaupt eine Auswirkung auf die Situation
in Biel haben wird.
Weniger problematisch sieht die Angelegenheit Neuhaus‘ Nachfolgerin, Evi
Allemann, Vorsteherin der Direktion für Inneres und Justiz. Sie
verweist darauf, dass der Platz in Wileroltigen an einer wichtigen
Transitroute liegt und schon heute viele ausländische Fahrende dort Halt
machen; auf den konkreten Nutzen für die Region Biel geht sie in ihrer
schriftlichen Stellungnahme jedoch nicht ein. Der Kanton sei bereit, bis
zur Eröffnung des festen Transitplatzes Gemeinden beim Betrieb
provisorischer Transitplätze zu unterstützen. Voraussetzung sei
allerdings, dass die Gemeinden freiwillig solche anbieten. Allemann
räumt weiter ein, dass der Kanton auch nach der Eröffnung des
definitiven Transitplatzes auf private Landbesitzer angewiesen sein
werde, die geordnete Halte auf ihrem Terrain ermöglichen.
Sind sie unerwünscht, können Fahrende nicht ohne Weiteres weggewiesen
werden, da der Wegweisungsartikel im neuen Berner Polizeigesetz als
widerrechtlich eingestuft wurde. In Brügg werden derweil als Prävention
gegen illegale Landbesetzungen «gerichtliche Verbote» aufgestellt, wie
Meichtry berichtet. Laut dem Gemeindepräsidenten greifen viele
Privatgrundbesitzer auf diese Methode zurück, um zu verhindern, dass ihr
Boden den Transitplatz ersetzt. Die Sacom AG hatte jedoch kein solches
Verbot angebracht.
Es gibt auch gute Referenzen
Das wilde Campieren der rund 60 Wohnwagen, die aktuell auf dem Gelände
der Sacom stehen, hätte auch der Transitplatz in Brügg nicht auffangen
können. Wie der Gemeindepräsident von Orpund, Jürg Räber (SP plus),
feststellt, hätte eine solch grosse Gruppe in Brügg gar keinen Platz
gefunden. Der provisorische Transitplatz war nämlich für 20 bis 25
Wohnwagen ausgelegt. Meichtry gibt denn auch an, dass ihm die Fahrenden
unbekannt seien.
Der Brügger Gemeindepräsident schlägt vor, Fahrenden ähnlich wie bei der
Wohnungssuche Referenzen auszustellen. Denn er warnt davor, «alle in
denselben Topf zu werfen»: Die Gruppe, die zurzeit auf dem ehemaligen
Expo-Gelände Halt macht, verhalte sich beispielsweise vorbildlich.
Derselben Meinung ist Sandra Friedli. Auch die Nidauer Gemeinderätin
beteuert, dass sich die Leute korrekt verhalten, und bei der
Vorgängergruppe habe es ebenfalls keine Zwischenfälle gegeben.
Wie in Nidau kam es auch in Orpund dieses Jahr bisher zu zwei illegalen
Landbesetzungen. Räber zufolge gab es keine problematischen Vorfälle,
was damit zusammenhängen dürfte, dass sich die Fahrenden nicht auf
privaten Grundstücken niederliessen, sondern auf Kantonsboden in
unmittelbarer Nähe der Autobahn. Nach seinen Angaben verweilte im Sommer
ein Teil der «Werkhof-Sacom-Gruppe» in Orpund. Im Herbst sei dann eine
Gruppe aufgekreuzt, welche die letzten zwei Jahre auf dem provisorischen
Transitplatz in Brügg stationiert war. Dass diese heuer illegal Land
besetzt, zeigt erneut: Das Brügger Provisorium fehlt.
+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Polizei kam mit Wasserwerfern: Illegale Strassenparty zieht durch Bern
Etwas ausserhalb der Stadt Bern hat sich am Samstagabend eine illegale
Party auf der Strasse gebildet. Augenzeugen berichten von mehreren
Musikwagen und gut 800 Personen.
https://www.20min.ch/story/illegale-strassenparty-zieht-durch-bern-271851807397
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bernerzeitung.ch 12.09.2020
Feministische Sondersession: Hier werden die Stimmen der Frauen gehört
Zwei Tage lang diskutieren in Bern Frauen über Themen, die sie
beschäftigen und die, wie die Veranstalterinnen sagen, in der Politik
oft vergessen werden.
Lea Stuber
Wer hier drin gehört werden will, muss die Stimme erheben. Nebenan
rattern von Zeit zu Zeit Züge Richtung Bahnhof Bern, in einer Ecke toben
die Kinder, Stühle rücken. Die Stimmen hallen an diesem Samstagmorgen
nur so durch die Grosse Halle der Berner Reitschule.
Grosse Halle statt Bundeshaus, zwei Tage statt drei Wochen: Die
Feministische Sondersession ist deutlich kleiner als die Herbstsession
des National- und Ständerates. Und doch ist sie ziemlich gross. Dafür,
dass eine kleine Gruppe von Frauen aus dem Berner Frauenstreikkollektiv
und der Eidgenössischen Kommission dini Mueter (EKdM) in kurzer Zeit
über 20 Workshops für dieses Wochenende auf die Beine gestellt hat –
plus Ansprachen, Filme und einen eigenen Chor.
Das Ziel der Organisatorinnen, die dafür via Crowdfunding über 10’000
Franken sammelten: Anliegen von Frauen sollen nicht vergessen werden.
Ihre Kritik: Genau das sei während des Corona-Lockdown passiert.
Während an anderen Orten in der Halle (und zum Teil online) über
Mutterschaft und Mutterschutz, über politische Partizipation oder
Migration und Rassismus diskutiert wird, über Kinderbetreuung,
Gesundheit oder Gewalt gegen Frauen, spricht der eine Workshop ganz
hinten in der Halle über Geld – und die Frauen merken rasch: über all
die anderen Themen im Grunde auch.
Über die Zahlen reden
Frauen arbeiten viel und verdienen im Vergleich zu Männern wenig. Was
heisst das? Gut ein Dutzend Frauen sitzt im Kreis, junge und ältere, aus
Bern, auch aus dem Aargau, Luzern oder Zug, eine Psychologin, eine
Kinderbetreuerin oder eine Frau aus dem Literaturbereich. Sie hören Zita
Küng und Claudia Kaiser vom Verein Feministische Fakultät zu, die
ausholen und verständlich machen, was so abstrakt ist.
Erstens: Jahr für Jahr haben Frauen in der Schweiz 100 Milliarden
Franken weniger Einkommen als Männer. Und das, obwohl Frauen gleich
viele Stunden arbeiten wie Männer. Kopfschütteln, leises Gemurmel,
manche notieren mit.
Zweitens: Die unbezahlte Arbeit – also Kinder betreuen, kochen oder
putzen –, die Frauen in einem Jahr erledigen, hat einen Wert von 248
Milliarden Franken. Zum Vergleich: Das ist mehr Geld, als Bund, Kantone
und Gemeinden in einem Jahr ausgeben.
Drittens: Frauen arbeiten jährlich allein für die direkte Betreuung von
Kindern 1 Milliarde Stunden. Das sind beinahe doppelt so viele Stunden,
wie Männer auf dem Bau arbeiten. Diese drei Zahlen hat Ökonomin Mascha
Madörin berechnet.
Eine Frau, etwas älter schon, sagt: «Wenn es um finanzielle
Zusammenhänge geht, hört man solche Zahlen selten. Dabei bilden diese
haargenau meine Welt ab. Das ist erschreckend!» Ständig würden alle
sagen, dass man es ja selber in der Hand habe. «Das stimmt einfach
nicht, das macht mich wütend.» Als die Kinder geboren waren, habe sie
mit ihrem Mann ausgerechnet, wer wie viel verdient. «Es war keine Wahl,
dass ich die Kinder betreut habe.» Eine jüngere ergänzt: «Und man hat
Mühe mit zwei Wochen Vaterschaftsurlaub! Das schockiert mich.»
Über Arbeit und Zeit reden
Die Frauen reden über Arbeit und Zeit, diskutieren über die
Altersvorsorge und die Arbeitsbedingungen. Zita Küng sagt: «Die Frauen
haben keine Zeit, mehr Geld zu verdienen.» Die Familie werde oft als
Privatsache angeschaut, meint eine Frau. Das verunmögliche eine
Diskussion darüber, wie die unbezahlte Arbeit zu Hause entschädigt
werden könnte. Die Frauen sind sich einig: Dafür muss
gesamtgesellschaftlich eine Lösung gefunden werden.
Und natürlich geht es auch um die Corona-Krise. Um die unbezahlte
Arbeit, die mit dem Fernunterricht und den geschlossenen Kitas während
des Lockdown zugenommen hat und auch jetzt zunimmt, wenn ein Schulkind
in die Quarantäne muss. Um Berufe, die zwar als «systemrelevant»
anerkannt wurden – die Pflege, die Kinderbetreuung, die Bildung –, die
deswegen aber keine besseren Löhne haben. Es ist keine neue Diskussion,
aber eine, die politisch noch nicht wirklich geführt wurde.
Eine Frau sagt: «Je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr wird mir
bewusst: Wir müssen mutig sein und die Machtfrage stellen. Früher hiess
es, Frauen seien weniger gut ausgebildet als Männer, darum verdienten
sie weniger. Dieses Argument gilt heute nicht mehr.» – «Wir empören uns –
aber es passiert nichts», erwidert eine Frau und nennt als Beispiel den
Appel an den Bundesrat und das Parlament, in dem über 70 Organisationen
forderten, dass im Corona-Krisenstab mehr Frauen vertreten sind. Und
dann sagt eine der Frauen: «Es ist schön zu sehen, dass ich nicht
alleine bin.»
Und bevor die Frauen von ihren Stühlen aufstehen und sich aufmachen zum
Mittagessen und zum nächsten Workshop, hat eine Frau einen Hinweis für
die anderen. In einer anderen Ecke der Grossen Halle werde später an
diesem Tag über einen möglichen Frauenstreik im nächsten Jahr
diskutiert. «Dann werden wir sehen: Wie geht es weiter?»
(https://www.bernerzeitung.ch/hier-werden-die-stimmen-der-frauen-gehoert-564184074514)
+++ANTITERRORSTAAT
Unterdrückung politischer Opposition – UNO: Antiterrorgesetz verstösst gegen Menschenrechte
Experten der UNO kritisieren das geplante Antiterrorgesetz der Schweiz:
Es wäre ein gefährlicher Präzedenzfall für die Unterdrückung politischer
Opposition weltweit.
https://www.derbund.ch/uno-antiterrorgesetz-verstoesst-gegen-menschenrechte-312578710379
+++POLICE BE
derbund.ch 12.09.2020
Racial Profiling – «Diskriminierende» Kontrollen: Polizei und Betroffene im Dialog
Überprüft die Polizei grundlos Menschen wegen ihrer Hautfarbe? Die Berner Kantonspolizei und People of Color sprechen sich aus.
Sven Niederhäuser
Die Anspannung ist in der Luft zu spüren: An diesem Abend treffen sich
im Berner Kornhausforum Menschen, die sonst nicht so offen miteinander
kommunizieren. Polizistinnen und Polizisten sitzen mit People of Color
zusammen. Gesprächsthema: Racial Profiling, also Personenkontrollen
aufgrund der Hautfarbe.
Die betroffenen Personen kritisieren die Kantonspolizei. Oftmals werde
für eine Kontrolle kein Grund genannt. Das wäre nicht korrekt, betont
Manuel Willi, Chef der Regionalpolizei, und fügt an: «Erst bei
Verdachtsgründen dürfen wir eine Person kontrollieren.» Der Grund der
Kontrolle müsse kommuniziert werden. Damit geben sich die Anwesenden
nicht zufrieden. Sie beanstanden vor allem die Willkür der Polizei.
Diese könne ja als Grund angeben, was sie wolle, und es müsse akzeptiert
werden.
Eine solche öffentliche Veranstaltung ist schweizweit einzigartig.
Organisiert hat sie Anfang September die unabhängige Beratungsstelle
Gemeinsam gegen Gewalt und Rassismus (gggfon). Die «Black Lives
Matter»-Bewegung aus den USA gibt ihr eine zusätzliche Brisanz. Trotzdem
nehmen nur rund 20 Personen teil. Gut die Hälfte davon sind People of
Color, einige gehören zum Swiss African Forum. Dazu kommen drei Personen
von der Kantonspolizei und ein Vertreter der städtischen
Sicherheitsdirektion.
Probleme bei Kontrollen
Ein Mann erzählt, dass er sich bei Personenkontrollen unwohl fühle.
Dadurch antworte er oft etwas respektlos. Im Nachhinein sei ihm das
jedoch bewusst und es tue ihm leid. «Ich fühle mich anders, wenn ich
diskriminiert werde.» Er ist einsichtig, findet aber, dass beide Seiten
ihre Aggressivität etwas zügeln sollten.
Ein anderer wünscht sich, dass die Kontrollen diskreter durchgeführt
würden. «Wenn ich mitten im Bahnhof kontrolliert werde, denken alle, der
hat sicher etwas verbrochen.» Somit würden die Vorurteile nur verstärkt
werden. «Ich möchte auf den Posten gehen, damit es niemand sieht.»
Willi hat dafür Verständnis, sieht darin aber auch negative Seiten.
«Wenn Sie durch den Bahnhof begleitet werden, sehen das auch alle.»
Zudem gebe es Personen, die die Kontrolle möglichst schnell hinter sich
bringen möchten.
«Auch wir machen Fehler»
Was an diesem Abend immer wieder zur Sprache kommt, sind die Gründe für
eine Personenkontrolle. Diese seien oft vorgeschoben, so der Vorwurf.
Ganz kann die Polizei diesen nicht ausräumen. Selbst Philippe
Michelfelder von der stationierten Polizei Bern sagt: «Man findet
theoretisch immer einen Grund für eine Kontrolle.»
Fest steht: Wer von der Polizei nach Name oder Ausweis gefragt wird,
muss Auskunft geben. Wer dies nicht mache, riskiere eine Anzeige wegen
Namensverweigerung, so Michelfelder. «Du zeigst besser zuerst deinen
Ausweis und beschwerst dich danach.»
Bei einer ungerechten oder diskriminierenden Personenkontrolle kann
dagegen mittels Beschwerde bei der Polizei vorgegangen werden. Personen
können sich aber auch bei einer unabhängigen Beratungsstelle wie dem
gggfon melden. Seit über einem Jahr seien bei ihnen bereits 18 Meldungen
zur Thematik Racial Profiling eingegangen, sagt Giorgio Andreoli von
gggfon. «Sie betreffen allerdings nicht nur die Kantonspolizei, sondern
auch Grenzwache und Transportpolizei.»
Dagegen seien bei der Kantonspolizei selbst nur eine Handvoll
Beschwerden eingegangen, sagt Willi. Er verstehe auch, dass Angst ein
Grund dafür sein könne. «Deshalb ist es gut, dass es unabhängige
Zwischenstellen gibt.» Selbst der Chef der Regionalpolizei gibt zu, dass
nicht immer alles sauber abläuft. «Auch wir machen Fehler.» Zudem könne
er seine Hand nicht für alle ins Feuer legen. «Ich kann nicht sicher
sagen, dass es niemals zu Racial Profiling gekommen ist.» Jedoch sei der
Kantonspolizei bisher kein Fall bekannt.
Hilft eine Beschwerde?
Beschwerden sind für Willi der zielführende Weg, um allfällige Probleme
mit Racial Profiling zu erkennen. «Wenn sich jeder beschwert, der sich
nicht korrekt behandelt fühlt, sehen wir auch, wenn sich Mitarbeitende
nicht korrekt verhalten.» Wichtig dabei ist, dass der Name des
Polizisten sowie Ort und Datum des Vorfalls bekannt sind.
Die Meldungen nehme man sehr ernst, sagt der Chef der Regionalpolizei.
Darauf folge eine interne Abklärung. Je nach Schwere des Vergehens würde
diese auch extern weitergeführt werden. «Die Konsequenzen können von
einem Verweis bis zu einer Entlassung führen.» Zum Projekt Dialog III
(siehe Box) gehört zudem, dass die Polizei den Beschwerdeführerinnen ein
Gespräch anbietet. Allenfalls kann jemand der unabhängigen
Beratungsstelle daran teilnehmen. Auch wenn sich Meldungen wegen Racial
Profiling bisher nicht erhärteten, seien solche Gespräche wichtig, sagt
Willi. «Durch den Austausch steigt das gegenseitige Verständnis.»
Kritik aus dem Stadtrat
Dass die Polizei solche Beschwerden selbst abklärt, kritisiert Stadtrat
Mohamed Abdirahim (Juso) auf Anfrage scharf. Er forderte bereits mittels
eines Vorstosses Massnahmen zur Vermeidung von Racial Profiling bei der
Kantonspolizei. Dies zusammen mit den anderen People of Color im
Stadtrat, wie der «Bund» berichtete. «Es sollte unbedingt eine
unabhängige Stelle geben, um die Fälle zu prüfen» sagt Abdirahim. Dabei
schwebt ihm eine städtische und kantonale Ombudsstelle vor, wo man sich
über Polizisten beschweren kann. Zudem solle in der internen Aus- und
Weiterbildung der Polizei kontinuierlicher und spezifischer auf Racial
Profiling eingegangen werden. «Rassismus soll als Problem erkannt
werden.»
Der Dialog sei dafür ein guter Lösungsansatz, sagt Abdirahim. «Auch wenn
es nur ein kleiner Schritt ist, können sich so verschiedene Welten
kennen lernen, die sonst im Stress aufeinandertreffen.» Jedoch gebe es
auch dort Hindernisse. «Es braucht extrem viel Überwindung, direkt mit
der Polizei zu sprechen.» Zu einer solchen Veranstaltung gehe sicher
nicht jede betroffene Person hin.
–
Wie entstand der Dialog?
Als es am meisten Meldungen bezüglich Personenkontrollen gab, die als
rassistisch erlebt wurden, hat man reagiert. Dies sei vor sieben Jahren
gewesen, und damals habe man ein Projekt initiiert, sagt Giorgio
Andreoli von Gemeinsam gegen Gewalt und Rassismus. Inzwischen folgten
zwei weitere. In den ersten beiden sei es hauptsächlich darum gegangen,
Kontakte zu knüpfen und Sensibilisierungsarbeit zu leisten.
«Mittlerweile ist eine Vertrauensbasis vorhanden», so Andreoli. Nun
läuft der Dialog III seit über einem Jahr, unter anderem mit
öffentlichen Veranstaltungen. «Die Herausforderung ist, dass die
betroffenen Personen vom Projekt erfahren und daran teilnehmen.»
Finanziell unterstützt wird der Dialog von der Stadt sowie der
Kantonspolizei. (svn)
(https://www.derbund.ch/diskriminierende-kontrollen-polizei-und-betroffene-im-dialog-739073523574)
+++POLIZEI SG
Verhält sich die St.Galler Polizei bei Personenkontrollen korrekt? — Es
gebe keine Anzeigen oder Beschwerden wegen rassistischen Vorgehens, hält
die Regierung in der Antwort auf einen Vorstoss fest
Über 1000 Personen demonstrierten im Juni in St.Gallen gegen Rassismus.
Es wurde der Opfer rassistisch motivierter Polizeigewalt in den USA
gedacht und dazu aufgerufen worden, versteckten Rassismus auch in der
Schweiz zu bekämpfen. Die Polizei stand nach den Ereignissen in den USA
plötzlich im Fokus, auch die St.Galler.
https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/verhaelt-sich-die-stgaller-polizei-bei-personenkontrollen-korrekt-es-gebe-keine-anzeigen-oder-beschwerden-wegen-rassistischen-vorgehens-haelt-die-regierung-in-der-antwort-auf-einen-politischen-vorstoss-fest-ld.1256640
-> Einfache Anfrage: https://www.ratsinfo.sg.ch/geschaefte/4884#documents
+++RASSISMUS
«Wir müssen beim Rassismus zwingend beim Bildungssystem ansetzen»
Wegen ihrer Herkunft und ihrer Hautfarbe muss die Musikerin KT Gorique
immer wieder Rassismus am eigenen Leib erfahren. Wie sie damit umgeht
und was sich ihrer Meinung nach ändern muss, erzählt sie bei «Helvetia».
https://www.srf.ch/radio-srf-virus/helvetia/helvetia-wir-muessen-beim-rassismus-zwingend-beim-bildungssystem-ansetzen
+++RECHTSPOPULISMUS
Cancel-Gott am Werk
Das Kesseltreiben gegen die «Cancel Culture» geht weiter. Und was hat die Verschwörerplattform KenFM mit der NZZ zu tun?
https://www.woz.ch/2037/auf-allen-kanaelen/cancel-gott-am-werk
SVP beschuldigt BGI-Gegner, massenhaft Plakate zu zerstören
Hunderte Plakate für die Begrenzungsinitiative der SVP wurden schon
zerstört oder verschandelt. Für die Befürworter ist klar: Die Gegner
haben das orchestriert. Diese bezeichnen die Vorwürfe als haltlos.
https://www.20min.ch/story/svp-beschuldigt-bgi-gegner-massenhaft-plakate-zu-zerstoeren-158510857109
Schweizer Sängerin Lea Lu auf Flyer für Begrenzungsinitiative
Gestern erhielten viele Schweizer Haushalte einen Flyer mit Werbung für
die Begrenzungsinitiative. Darauf zu sehen ist die Schweizer Sängerin
Lea Lu.
https://www.nau.ch/news/schweiz/zurcher-sangerin-lea-lu-auf-flyer-fur-begrenzungsinitiative-65779958
+++RECHTSEXTREMISMUS
Deplatforming: Wo Rechtsextreme neue Anhänger rekrutieren
Löschen, sperren, bannen: Facebook, YouTube und Twitter gehen energisch
gegen rechtsextreme Accounts vor. Auf welche Alternativplattformen die
extreme Rechte nun ausweicht und mit welchen Strategien sie dort
versuchen, neue Anhänger zu rekrutieren.
https://www.br.de/nachrichten/netzwelt/deplatforming-wo-rechtsextreme-neue-anhaenger-rekrutieren,SAHV84e
‚Anti-Arab Group La Familia Is Only as Violent as Israel’s Leaders Allow It to Be‘
The militant La Familia organization of Beitar Jerusalem soccer fans has
been the subject of study by Ben-Gurion University doctoral student
Sophia Solomon. Her conclusion: The group’s violence benefits both the
team and the politicians
https://www.haaretz.com/israel-news/.premium.MAGAZINE-anti-arab-group-la-familia-is-only-as-violent-as-israel-s-leaders-allow-it-to-be-1.9146308
+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Tausend Menschen protestieren in Genf gegen Covid-Massnahmen
In Genf haben sich am Samstagnachmittag rund tausend Menschen auf der
Place des Nations versammelt und gegen Corona-Schutzmassnahmen
protestiert. Die Demonstration war von der Stadt genehmigt worden.
https://www.20min.ch/story/tausend-menschen-protestieren-in-genf-gegen-covid-massnahmen-613619965044
Das glaube ich auch
Über einen Mann, der sehr gut von Verschwörungstheorien lebt
https://www.dummy-magazin.de/issues/68-unten-oben/articles/1212
Die braunen Wurzeln der Grünen: Wo Esoterik und Corona-Protest zusammenfinden
Die Schnittmenge zwischen grünem Stammpublikum und anthroposophisch
bewegten Corona-Leugnern ist größer, als viele denken. Der Parteispitze
ist der Esoterik-Klüngel peinlich. Aber verärgern will sie ihn auch
nicht.
https://www.focus.de/politik/deutschland/schwarzer-kanal/die-focus-kolumne-von-jan-fleischhauer-mit-corona-leugnern-ins-kanzleramt-wenn-der-esoteriker-am-gruenen-kabinettstisch-sitzt_id_12421865.html
-> Aufstand der Esoteriker (ab 4.41): https://www.servustv.com/videos/aa-235hga1r52113/
BLICK entlarvt Corona-Skeptiker in Weiss: So schummeln Ärzte bei der Masken-Dispens
Corona-Skeptiker sträuben sich gegen die Maskenpflicht. Und bekommen
selbst von Ärzten und Therapeuten Unterstützung, die ihnen eine
Maskendispens ausstellen. Ohne Beschwerden. Am Laufband. Die Behörden
sind ahnungslos.
https://www.blick.ch/news/blick-entlarvt-corona-skeptiker-in-weiss-so-schummeln-aerzte-bei-der-masken-dispens-id16089680.html
So gehen Ärzte mit falschen Masken-Dispensen um
Nicht nur Deutsche, auch Schweizer Ärzte stellen falsche
Masken-Dispensen aus. Dies wird nicht nur von Kollegen scharf
verurteilt, es ist auch illegal.
https://www.nau.ch/news/schweiz/so-gehen-arzte-mit-falschen-masken-dispensen-um-65776368
Qanon: Massive Fake-News-Welle macht „Antifa“ für Brände in Oregon verantwortlich
Die örtliche Polizei und die FBI warnen vor Falschinformationen, die auf sozialen Medien verbreitet werden
https://www.derstandard.at/story/2000119962072/massive-fake-news-welle-macht-antifa-fuer-oregon-braende-verantwortlich?ref=rss
Matthias Pöhlmann: „QAnon wächst in Deutschland rasant“
Sie halten Corona für eine Biowaffe und Trump für einen Erlöser: Die
Anhänger von QAnon gewinnen auch hierzulande Einfluss. Ein Gespräch mit
dem Sektenexperten Matthias Pöhlmann über die religiösen Bezüge der
Bewegung und ihre Radikalisierung
https://www.zeit.de/2020/38/matthias-poehlmann-qanon-bewegung-radikalisierung-corona
+++FUNDIS
Polizei verhindert Protestaktion: Scientology-Gegner kamen nach Luzern – und wurden verscheucht
Die Basler Aktivisten Yolanda Sandoval Künzi und Beat Künzi kämpfen seit
Jahren in verschiedenen Schweizer Städten gegen die Scientology-Kirche
und deren Organisationen. Am Samstag waren sie in Luzern – vielleicht
zum letzten Mal.
https://www.zentralplus.ch/scientology-gegner-kamen-nach-luzern-und-wurden-verscheucht-1888957/