Wenig Kontrolle für Privatarmeen, viel rassistische Ungleichheit im Arbeitsmarkt, steigende Einsatzgebiete von Frontex

Protest auf Chios

„Neutrale“ Schweiz kontrolliert nur 5% der Einsätze ihrer 31 Privatarmeen im Ausland | Grossbritannien will Militär gegen Migrant*innen einsetzen | Neue grosse Frontexoperation ausserhalb der EU gestartet – dritter Einsatz geplant | Erster Coronafall in griechischem Inselcamp | Mindestens 50 Migrant*innen sterben bei dem Versuch, die Kanarischen Inseln zu erreichen | Streifzug durch die nationalistisch-rassistischen Strukturen des schweizer Arbeitsmarkts | Waffenfunde bei der Eisenjugend von Winterthur | Mehrere dokumentierte Push-backs auf der Balkanroute und der Ägäisregion | Malta lässt 27 Menschen seit 2 Wochen auf sicheren Hafen warten | Spanische Erntehelfer*innen warten nach Bränden wochenlang auf Unterkunft |

Was ist neu?

„Neutrale“ Schweiz kontrolliert nur 5% der Einsätze ihrer 31 Privatarmeen im Ausland
Privatarmeen und Söldner*innen-Firmen sind in der Schweiz nur dann verboten, wenn sie sich «unmittelbar an Feindseligkeiten im Ausland» beteiligen oder gebucht werden, um im Ausland «schwere Menschenrechtsverletzungen» zu begehen. Mit Sitz in der Schweiz ist es jedoch Firmen problemlos möglich, ihr Geld durch «operationelle Unterstützung von Streit- oder Sicherheitskräften während laufenden Einsätzen» oder deren «logistische Unterstützung durch Instandhaltung von Ausrüstung oder durch den Transport von militärischen Gütern oder Angehörigen der Streit- und Sicherheitskräfte» zu verdienen. Krieg führen ist verboten, während Krieg unterstützen okay ist. Auch Personal ins Ausland zu schicken zum «Gebrauch eines Waffensystems zu (…) Einsatzzwecken» ist der neutralen Schweiz kein Dorn im Auge. Ganz zu schweigen von Firmen, die sich auf «Beratung oder Ausbildung von Angehörigen von Streit- oder Sicherheitskräften», «Spionage und Spionageabwehr», «Personenschutz» oder «Bewachung von Gütern und Liegenschaften» spezialisieren. Sogar mit Aktivitäten wie «Kontrolle, Festhalten oder Durchsuchung von Personen, Durchsuchung von Räumen oder Behältnissen sowie Beschlagnahme von Gegenständen» oder «Bewachung, Betreuung und Transport von Gefangenen, Betrieb von Gefängnissen sowie Hilfeleistungen beim Betrieb von Lagern für Kriegsgefangene oder internierte Zivilpersonen» darf ruhig Mehrwert generiert werden. Hauptsache es gibt am Jahresende einen unkritischen Monitoringbericht von einer einflussarmen Begleitgruppe. Dieser Bericht, der «Tätigkeitsbericht 2019 zur Umsetzung des Bundesgesetzes über die im Ausland erbrachten privaten Sicherheitsdienstleistungen» liegt nun wieder mal vor. Er lehrt uns, dass 31 schweizer Firmen mit den oben genannten Arbeiten Geld verdienen.

2019: Knapp 500 Meldungen zu den im Ausland erbrachten privaten Sicherheitsdienstleistungen

Überprüft wurden aber nur gerade 5% der knapp 500 Meldungen. Eine tiefe Zahl angesichts des Leids, das der Krieg verursacht oder angesichts des Aufwands, der betrieben wird, um die Menschen zu kontrollieren, die vor Kriegen fliehen.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-80039.html
https://www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/62302.pdf
https://www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/60202.pdf

Grossbritannien will Militär gegen Migrant*innen einsetzen

Bild: Geflüchtete im Ärmelkanal werden von der britischen Grenzwacht abgefangen.

Über den Ärmelkanal kommen aus Sicht der britischen konservativen Regierung zu viele Menschen in Grossbritannien an. Sie dramatisiert die Situation zu einer nationalen Bedrohung. Mit krasser Rhetorik bezeichnet Boris Johnson die Überquerung des Kanals als „dumm, gefährlich und kriminell“. Innenministerin Priti Patel versprach, man werde alles unternehmen, damit die Route über den Kanal nicht mehr genutzt und die Nation vor der illgalen Einwanderung geschützt werde. Dabei ist es keineswegs illegal, ohne Papiere in ein Land einzureisen, um dort ein Asylgesuch zu stellen.
Viele dieser Aussagen kann man als Hetze bezeichnen, die politische Stärke zeigen sollen. Der „Schutz vor Migrant*innen“ war ein Hauptargument im Brexit-Kampf. Dabei wird dieser ab 2021, wenn die Übergangsfrist ausgelaufen und das EU-Recht in GB nicht mehr gilt, schwieriger werden. Dublin-Abkommen zur Rückführung in andere EU-Länder sind dann hinfällig. Der Zugriff auf europäische Datenbanken wird nicht mehr uneingeschränkt möglich sein. Die Zusammenarbeit mit Staaten wie Frankreich muss neu verhandelt werden. Neben krasser Rhetorik lässt die Regierung auch Taten sehen: Seit einer Woche fliegt eine Militärmaschine über den Ärmelkanal, welche Menschen abschrecken soll. Dan O’Mahoney  wurde von Innenministerin Patel zum neuen „Clandestine Channel Threat Commander“ ernannt. Zudem könnte Frankreich mehr Geld erhalten, um den Grenzschutz an der Küste zu intensivieren – dazu fanden vergangene Woche Gespräche statt.
Nach Angaben von Migration Watch zahlte Grossbritannien seit 2010 mehr als 350 Millionen Euro an Frankreich, nun sind weitere 33,3 Millionen im Gespräch. Von dem Geld wurde unter anderem die Abwehranlage mit den haushohen Zäunen und Überwachungskameras am Eingang des Eurotunnels gebaut. Ausserdem wurden Auffanglager auf französischem Boden eingerichtet.
Die Rhetorik von Menschen auf der Flucht als Gefahr für die Nation legitimiert in rechten Denkstrukturen auch den Einsatz des Militärs gegen diese. So kündigte Patel an, wenn die Überfahrten jetzt nicht aufhörten, würde man die Marine einsetzen, um „die Küsten zu schützen“. Mit der Marine gegen Schlauchboote? Der französische Abgeordnete für Calais, Pierre Henri Dumont, reagiert irritiert auf die Ankündigung des Marineeinsatzes auf dem Ärmelkanal. Er hält einen solchen Einsatz für nutzlos und  fragt rhetorisch, ob die Marine „bereit sei, auf kleine Boote zu schiessen, die in britische Gewässer eingelaufen waren, d.h. 12 Seemeilen vor der britischen Küste?“ oder ob man beabsichtige, gar in französische Hoheitsgewässer einzudringen, um die Boote an die Küste zurückzudrängen.
Der Einsatz von britischem Militär unter anderem im Irak und in Afghanistan ist eine der Ursachen, warum Menschen überhaupt auf der Flucht sind. Der britische Flüchtlings-Rat antwortet auf Johnsons Äusserungen: «Asylsuche ist keineswegs ein Verbrechen.» Statt zu hetzen, solle der Regierungschef lieber dafür sorgen, dass Geflüchtete sicher und auf geordnetem Wege nach Grossbritannien kommen könnten, um ihren Asylantrag dort zu stellen – und nicht ihr Leben aufs Spiel setzen zu müssen auf dem Kanal.
https://www.infomigrants.net/en/post/26535/uk-appoints-clandestine-channel-threat-commander-to-tackle-migration-by-sea
https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-08/migration-aermelkanal-illegale-einwanderung-grossbritannien-frankreich-einsatz-militaer-fluechtlingspolitik/komplettansicht
https://www.derbund.ch/britische-ministerin-fordert-einsatz-der-kriegsmarine-894244412208
https://www.derstandard.at/story/2000119281825/britische-regierung-will-wegen-ankuenften-via-schlauchboot-asylpolitik-verschaerfen?ref=rss

Neue grosse Frontexoperation ausserhalb der EU gestartet – dritter Einsatz geplant
Die EU-Grenzagentur hat am 15. Juli eine neue langfristige Operation in Montenegro gestartet. Frontex hatte bereits in Albanien einen Einsatz gestartet. Es handelt sich daher um den zweiten langfristigen Einsatz in einem Drittstaat ausserhalb der Europäischen Union, den die EU-Grenzagentur gestartet hat. Frontex will auch Operationen in den übrigen Drittstaaten des Westbalkans durchführen: Mit Serbien wurde bereits im November 2019 ein Vertrag unterzeichnet. Nun ist die Operation in Planung. Mit Nordmazedonien, Bosnien und Herzegowina laufen die Verhandlungen.
Das Hauptziel der sogenannten «Joint Operation Montenegro“ sei „die Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität, einschliesslich des Schmuggels von Migranten, des Menschenhandels, des Dokumentenbetrugs, gestohlener Fahrzeuge und Boote, des Drogen- und Waffenschmuggels und des Terrorismus“. Derzeit beteiligen sich Kroatien, Bulgarien, die Tschechische Republik und Portugal an der Operation. Frontex will den Einsatz in den kommenden Wochen auf die Seegrenzen Montenegros ausweiten. Die Leitung obliegt der montenegrinischen Grenzpolizei. Frontex unterstützt mit Personal, Ausrüstung und koordiniert die gemeinsamen Aktivitäten. Das von Frontex entsandte Personal darf nur in Zusammenarbeit mit und in Anwesenheit von montenegrinischen Beamt*innen operieren. Der Schusswaffengebrauch ist in der Vereinbarung nicht geregelt und beschränkt sich deshalb auf die Notwehr. Montenegro kann Frontex ausserdem Zugriff auf nationale Datenbanken erlauben. Neben der Migrationsabwehr an der Grenze kann dies auch für Rückkehraktionen erfolgen. Wie in Frontex-Einsätzen üblich, geniessen die eingesetzten Beamt*innen Immunität vor strafrechtlicher Verfolgung durch montenegrinische Gerichte für Handlungen in Ausübung ihres Amtes. Eine strafrechtliche Verfolgung kann nur im Entsendestaat erfolgen.
Eine weitere Operation, um Europa von aussen her abzuschotten: Damit es alle schwerer haben, die in Europa ein Bleiberecht suchen, und es alle leichter haben, die in Europa nichts von der Abschottung wissen wollen.
https://www.cilip.de/2020/08/10/serbien-frontex-plant-dritte-mission-ausserhalb-der-eu/

Erster Coronafall in griechischem Inselcamp

Bild: Proteste gegen die Inhaftierung im Camp Vial

Das Lager Vial auf Chios wird bis zum 25. August vollständig abgeriegelt, nachdem ein Geflüchteter und eine Mitarbeiterin der Einrichtung positiv auf das Coronavirus getestet wurden. 20 Lagerbewohner*innen wurden in einer separaten Einrichtung unter Quarantäne gestellt. Für den Zeitraum bis zum 25. August ist das Betreten und Verlassen des Lagers komplett untersagt. Sicherheitsdienste verstärkten ihre Präsenz, um dies durchzusetzen. Die Arbeit aller NGO-Strukturen innerhalb des Lagers sowie der Betrieb des Asyldienstbüros mussten eingestellt werden. Die neue Situation hat zu Protesteten der Lagerbewohner*innen geführt.
Seit Monaten warnen NGOs und Bewohnende vor dem Ausbruch des Coronavirus in den masslos überfüllten Camps, in denen Abstands- und Hygieneregeln nicht ansatzweise eingehalten werden können. Auf dem Festland gab es bereits dutzende Fälle in Camps. Im Lager Vial leben über 3.800 Menschen, was mehr als der dreifachen Kapazität der Einrichtung entspricht. Zur medizinishen Versorgung im Lager Vial sagt ein Mitarbeiter der NGO Salvamento Maritimo Humanitario (SMH): „Bei den griechischen Behörden herrscht Chaos, niemand fühlt sich zuständig. Es gibt hier ein paar Leute vom staatlichen Seuchenschutz im Lager. Ansonsten sind wir die einzige Hilfsorganisation hier, schon seit 2015. Nachmittags bis spät abends machen wir von SMH Sprechstunde in unserer kleinen Klinik. Wir sind zwei, drei Ärzt*innen, drei, vier Krankenpflegende und zwei Dolmetscher*innen.“  Nun sind selbst die SMH-Teams aus dem Lager evakuiert worden.
Der Beitrag der Schweiz zur Entlastung der Situation vor Ort ist kaum erwähnenswert. Im April wurden 23 Minderjährige aufgenommen, seither ist nichts mehr passiert. Auf Druck von Organisationen und Politiker*innen hin hat der Nationalrat im April die Motion «Aufnahme von Flüchtlingen aus Griechenland sowie Reform des Dublin-Abkommens» angenommen, Handlungen lassen jedoch auf sich warten.
https://migration.gov.gr/en/ygeionomikos-apokleismos-karantina-toy-kyt-tis-vial-sti-chio-eos-tis-25-aygoystoy/
https://www.infomigrants.net/en/post/26636/greece-reports-first-coronavirus-case-in-island-migrant-camp

https://taz.de/Hilfe-fuer-Fluechtlingslager/!5670661/aufnahme

Mindestens 50 Migrant*innen sterben bei dem Versuch, die Kanarischen Inseln zu erreichen

Bild: Seit 2014 haben fast 20.000 Menschen auf See ihr Leben verloren, als sie versuchten, Europa zu erreichen.

Bereits vor über einer Woche meldete ein Sprecher des UNHCR, dass mindestens 50 Menschen auf der Flucht ertrunken seien, die auf zwei Booten zu den kanarischen Inseln unterwegs waren. Das Ereignis scheint keiner deutschsprachigen Zeitung auch nur eine kurze Erwähnung wert zu sein.
Eines der Boote sank vor der Küste Mauretaniens, wobei mindestens 40 Menschen ums Leben kamen. Der zweite Schiffbruch ereignete sich vor der Küste von Dakhla in der Westsahara, bei dem mindestens 10 Menschen ums Leben kamen. Mit diesen letzten beiden wurden in der vorletzten Woche drei Schiffbrüche verzeichnet. Am vergangenen Montag fanden die marokkanischen Behörden sieben weitere Leichen.
Die Verstärkung der Grenzkontrollen im Norden Marokkos verlagert die Migrationsrouten an die Atlantikküste. Um nicht abgefangen zu werden, brechen Menschen aus immer entlegeneren Regionen auf. Die Atlantikroute ist aufgrund ihrer Länge und maritimen Bedingungen eine der gefährlichsten Routen, über die Menschen versuchen nach Europa zu gelangen. Im vergangenen Jahr kamen dort nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) 170 Menschen ums Leben.
https://elpais.com/espana/2020-08-06/al-menos-50-migrantes-mueren-intentando-llegar-a-canarias.html?outputType=amp&__twitter_impression=true


Was ist aufgefallen?

Streifzug durch die nationalistisch-rassistischen Strukturen des schweizer Arbeitsmarkts Damit schweizer Unternehmen möglichst viele Arbeitskräfte aus der Schweiz anstellen, hat der Bundesrat im Mai 2019 «Massnahmen zur Förderung der inländischen Arbeitskräfte» beschlossen. Diese Woche würdigte er die Effekte als positiv.
Die Massnahmen sind Teil eines Arbeitsmarktregimes, das gegen Aussen mit nationalistisch-rassistischem Ausschluss und gegen Innen mit kapitalistischem Druck dafür sorgen soll, dass sich der Wirtschaftsstandort in der weltweiten Standortkonkurrenz durchsetzen kann und die Schweiz weiterhin zu jenen kapitalistischen Staaten gehört, der global betrachtet andere ausbeutet, statt umgekehrt.
Ausgeschlossen vom schweizer Arbeitsmarkt werden alle Menschen, die nicht in einem EU-EFTA-Staat leben und keine sogenannten hochqualifizierten Arbeitskräfte sind. Offenbar reicht den Unternehmer*innen der schweizerische und europäische Arbeitskräftepool aus, um die nötigen Arbeitskräfte zu finden. Seit der Masseneinwanderungsinitiative der SVP stehen Arbeitskräfte aus der EU zudem vermehrt unter Druck. In der Schweiz dürfen sie nur dann eine Stelle annehmen, wenn sich keine «Inländer» dafür interessieren. Zudem ist ihr Bleiberecht an die Erwerbsarbeit gekoppelt und entfällt für alle, die längere Zeit auf staatliche Hilfe angewiesen sind.
Wer nicht lohnarbeitet, soll gehen und wer nicht gehen kann, soll lohnarbeiten. Entsprechend dieser kapitalistisch-rassistischen Losung werden auch (vorläufig) anerkannte geflüchtete Menschen als Inländer*innen betrachtet und eben über «Massnahmen zur Förderung der inländischen Arbeitskräfte» in den Arbeitsmarkt gedrängt. Derzeit erfolgt dies z.B. mit der Massnahme «Ausweitung der Integrationsvorlehre für anerkannte Flüchtlinge und vorläufig aufgenommene Personen auf zugewanderte Jugendliche und junge Erwachsene». Erste Evaluationen zu dieser Integrationsvorlehre weisen darauf hin, dass (geflüchtete) Migrant*innen im Vergleich zu früher vermehrt Berufsausbildungen besuchen, die eine lebenslängliche Schlechterbezahlung fördern. Denn von den mehr als 610 jungen Erwachsenen, die im Sommer 2018 eine Integrationsvorlehre abschlossen, fand nur eine Minderheit Zugang zu einer Lehre mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis. Die allermeisten traten eine Lehrstelle mit eidgenössischem Berufsattest an. Bis vor kurzem besuchten jedoch vor allem Menschen mit Lernschwierigkeiten diese Art Lehre. Für junge Schweizer*innen gilt dies nach wie vor. Doch für junge Migrant*innen scheint dieser Lehrgang unabhängig ihrer kognitiven Fähigkeiten zunehmend zur Norm zu werden. Vordergründig ist oft zu hören, es liege an mangelnden Sprachkenntnissen, teilweise sogar an ihrer Kultur. Tiefgründig vermuten wir, dass es für Kapitalist*innen schlicht wünschenswert ist, über qualifizierte Arbeitskräfte zu verfügen, die wegen ihres spezifischen Abschlusses weniger gut bezahlt werden müssen.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-80064.html
https://www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/62348.pdf
https://www.sem.admin.ch/sem/de/home/aktuell/news/2019/2019-11-12.html

Waffenfunde bei der Eisenjugend von Winterthur
Am 12. August wurden bei Hausdurchsuchungen in Winterthur mehrere Waffen bei zwei 19-jährigen Rechtsextremen gefunden. Sie sind Mitglieder der ‚Eisenjugend Schweiz‘ (antira-Wochenschau berichtete: https://antira.org/2020/06/01/6416/), welche Ende letzten Jahres gegründet wurde. Die Gruppierung nimmt sich die ‚Iron Youth‘ aus den USA als Vorbild, in deren Videos es vor allem um Waffen, Hakenkreuze und das Verbrennen von Israelflaggen geht. Die Ideologie der ‚Eisenjugend Schweiz’ besteht aus Rassismus, Antisemitismus, der Glorifizierung des Nationalsozialismus und der Schwärmerei für rechtsradikale Vorstellungen von ‚Natur‘. Hinzu kommen Anti-Feminismus und eine extrem konservative Auffassung der Kleinfamilie und deren Stellung in der Gesellschaft. Ausserdem führen Apokalypse-Fantasien (im Zusammenhang mit dem rechten Verschwörungsmythos des ‚grossen Austauschs‘) zu einer Prepper-ähnlichen Vorbereitung auf einen ‚Rassenkrieg’. Auf den Twitter- und Telegram-Accounts der ‚Eisenjugend Schweiz‘ wurde u.a. das Manifest des Christchurch-Attentäters geteilt. Einer der Leitfiguren der kleinen Gruppe studiert anscheinend Scientific Visualization an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK). Es wurde mittlerweile eine Petition gestartet, ihn von der Hochschule zu verweisen. Die Reichweite der Gruppierung ist nicht sonderlich weit, jedoch ist sie mit anderen Neonazi-Gruppen vernetzt. Und die Attentäter von Halle und Hanau haben gezeigt, wie ausschlaggebend eine hasserfüllte rechtsradikale Internet-Community sein kann.
https://www.belltower.news/schweiz-die-eisenjugend-von-winterthur-rassekrieger-allein-im-wald-102465/
https://www.20min.ch/video/die-eisenjugend-versucht-junge-leute-zu-packen-813823275911?utm_term=Autofeed&utm_medium=Social&utm_source=Twitter#Echobox=1597344858
https://antira.org/2020/08/13/medienspiegel-12-august-2020/
https://barrikade.info/article/3771

Mehrere dokumentierte Push-backs auf der Balkanroute und der Ägäisregion
Seit einigen Wochen befinden sich wieder mehr Menschen auf der Flucht auf der Balkanroute. Für die meisten gibt es aber fast kein Durchkommen mehr. Einerseits haben mehrere Staaten ihren Grenzschutz noch stärker ausgebaut – so zum Beispiel auch Nordmazedonien, das den Notstand ausgerufen hat. Andererseits sind Push-backs (ein oft gewaltvolles Zurückdrängen aus dem Staatsgebiet, ohne Möglichkeit auf einen Asylantrag) gerade auf der Balkanroute zur Normalität geworden. Insbesondere Menschen, die versuchten, nach Ungarn zu gelangen, wurden wieder zurückgeschafft. Ausserdem kam es zwischen Italien und Slowenien zu mehreren Push-backs.
Nicht nur auf dem Land, auch auf See kamen diese Woche dokumentierte Push-backs an die Öffentlichkeit. Das Versorgungsschiff „Berlin“, welches den Auftrag hat, das Seegebiet in der Ägäis zu überwachen, hat beobachtet, wie griechische Schiffe Boote zurück in türkische Gewässer abgedrängt haben. Der Vorfall liegt bereits einige Monate zurück und wurde nur bekannt, weil es im Parlament eine Anfrage gab und die «Berlin» dann diesen Vorfall melden musste. Es wird deshalb davon ausgegangen, dass sehr viele Push-backs unbemerkt von der Öffentlichkeit stattfinden, da diese – trotz ihrer rechtlichen Illegalität – nicht einmal von offiziellen Seegebietsüberwachungsschiffen gemeldet werden. Zu Berichten in sozialen Medien über den Vorfall hiess es von der griechischen Küstenwache auf Anfrage: „Uns ist nichts bekannt.“ Laut dem «Aegean Boat Report» sollen zudem Menschen im Zuge einer Push-back-Operation in ägäischen Gewässern gestorben sein. Die Information bleibt aber bis jetzt unbestätigt.
Ebenfalls in der Ägäisregion gelten seit letzter Woche Menschen als vermisst. 57 Personen, die auf zwei Booten auf Lesbos ankamen, scheinen verschwunden zu sein. Laut Hafenpolizei auf Lesbos gab es keine Ankünfte. Auf dem einen Boot befanden sich 24 Menschen, 7 wurden von der Polizei am Ankunftsort abgeholt, dem Rest gelang es, im Dunkeln in die Wälder zu fliehen. Später am Tag wurden aber auch sie von der Hafenpolizei gefunden und in einem Minivan aus dem Gebiet transportiert. Laut dem «Aegean Boat Report» fehlt von diesen Menschen seitdem jede Spur, sie wurden nirgends registriert. Auch von den 33 Menschen des zweiten Boots fehlt jede Spur. Sie sind ebenfalls nirgendwo auf Lesbos registriert. Während die Hafenpolizei behauptet, dass es überhaupt keine Ankünfte gegeben habe, liegen dem «Aegean Boat Report» aber mehrere Dokumentationen der Ankünfte vor, die das Gegenteil beweisen. Sie gehen deshalb davon aus, dass die Menschen nach ihrer Ankunft in aufblasbaren Zelten wieder zurück aufs Meer gedrängt wurden. Der «Aegean Boat Report» ruft alle dazu auf, sich gegen diese grausame Praxis der Push-backs zu wehren. Sie schlagen vor, dass wir alle die Hafenbehörde von Mytilíni, Lesbos, anrufen und Antworten fordern. Obwohl die Hafenbehörde jegliche Beteiligung an illegalen Aktivitäten wie z.B. Push-backs verleugnen wird, kann so trotzdem Druck auf die Behörde aufgebaut werden, wenn sie merken, dass auf der ganzen Welt viele Menschen beobachten, was sie tun. Hafenpolizei Mytilini: + 30 2251 040827 (Die Nummer ist offen 24/7).
https://www.infomigrants.net/en/post/26573/german-soldiers-report-pushbacks-in-aegean-waters
https://www.infomigrants.net/en/post/26548/number-of-migrant-arrivals-from-turkey-declining-sharply
https://www.infomigrants.net/en/post/26533/migrant-flows-rise-on-balkan-migrant-route
https://www.facebook.com/AegeanBoatReport/

Malta lässt 27 Menschen seit 2 Wochen auf sicheren Hafen warten

Bild: Moonbird could observe how the merchant vessel ETIENNE of the company MAERSK TANKERS is currently shielding the boat in distress. ht

 Am 4. August nahm das Frachtschiff Etienne auf Anweisung des MRCC Malta 27 Geflüchtete von einem kleinen Boot etwa 70 sm nördlich von Libyen auf und machte sich auf den Weg nach Malta, um die Rettung abzuschliessen. Obwohl das Schiff von Malta zur Rettung aufgefordert wurde, hat es noch immer keine Erlaubnis erhalten, in Malta anzulegen, um die Menschen von Bord zu lassen. Die maltesische Regierung bleibt eine Begründung für die Verzögerung schuldig.
Der Stand off erhält wie auch die vorherigen wenig mediale und öffentliche Beachtung. Wir haben uns an diese  immer wiederkehrende Situation gewöhnt, eine öffentliche Empörung bleibt schon lange aus. Während zivile Rettungsorganisationen durch intensive Medienarbeit noch Aufmerksamkeit auf ihre Einsätze lenken können, bleiben Rettungen durch Handelsschiffe und Fischer*innen weitgehend ohne Bühne und Unterstützung.
In einem weiteren Seenotfall wendeten sich am Mittwochabend 11 Menschen aus der maltesischen Such- und Rettungszone an das Alarmtelefon. Malta wurde über die Notlage informiert und zur Einleitung der Rettung aufgefordert. Rettete aber nicht. Stattdessen lieferten maltesische Streitkräfte Treibstoff und forderten das Boot auf, die maltesische SAR-Zone zu verlassen. Das Boot kam inzwischen in Sizilien an.
https://www.maritime-executive.com/article/maersk-tanker-waits-off-malta-for-permission-to-disembark-rescuees


Wo gabs Widerstand?

Spanische Erntehelfer*innen warten nach Bränden wochenlang auf Unterkunft
In der westandalusischen Provinz Huelva brannten in kurzer Zeit drei Siedlungen von Erntearbeiter*innen nieder. Etwa 400 Menschen verloren ihr gesamtes Hab und Gut, ihre einzige Unterkunftsmöglichkeit, bar ausgezahlte Löhne, ihre Dokumente. Die Brandursachen sind bislang nicht geklärt. Die Betroffenen sagen, es sei Brandstiftung gewesen. Die andalusische Asociación de Trabajadores Afri­canos (Verein der afrikanischen Arbeiter) meint, dass in weniger als einer Woche drei Lager stets etwa um vier Uhr nachts lichterloh in Flammen aufgingen, sei ein eigenartiger Zufall. Um diese Zeit koche niemand. Polizei und Feuerwehr gehen davon aus, dass die Unachtsamkeit der Bewohner*innen zu den Bränden geführt hat. Das war bereits vor einem Monat. Seitdem gibt es Proteste vor dem Rathaus der Stadt Lepe, die eine menschenwürdige Unterkunft und ein Bleiberecht fordern. „Der Stadtrat von Lepe muss aufhören, in die andere Richtung zu schauen. Wir wollen ein Ende des institutionellen Rassismus. Wir sind keine Wegwerfarbeiter. Wir sind Menschen. Nachbarn von Lepe“, heisst es bei einer der Kundgebungen. Der Stadtrat bietet bisher nur temporäre Unterkunftsmöglichkeiten an, bei denen auch nicht alle Menschen berücksichtigt werden, die durch die Brände ohne Obdach sind.  Konsequenter sind die Behörden im Umgang mit den Protestierenden: Etwa zwanzig Personen, die seit Wochen in einem Protestcamp vor dem Rathaus ausharrten,  wurden am Donnerstag geräumt. „Die einzige Lösung, die das Rathaus von Lepe gefunden hat, war, uns vom Plaza zu vertreiben.“, kommentiert die Asociación de Trabajadores Afri­canos die Räumung.

Bild: Was für eine Schande, dass wir in Hütten oder auf der Strasse leben müssen.

https://jungle.world/artikel/2020/32/abgebrannt-im-erdbeerland
https://www.facebook.com/asociacionafricanoslepe
https://www.publico.es/sociedad/temporeros-lepe-temporeros-afectados-incendios-lepe-mantienen-acampada-frente-ayuntamiento-falta-respuesta.html


Was steht an? Sende deinen Veranstaltungshinweis an antira@immerda.ch.

Sechs Monate nach dem 19. Februar: Erinnerung – Gerechtigkeit – Aufklärung – Konsequenzen!
22.08.20 I 13 Uhr I Hanau, Kesselstadt 
Am 19. August wird es sechs Monate her sein, dass ein Rassist mit seinen tödlichen Schüssen unsere Herzen gebrochen und unsere Leben, unsere Familien und unsere Stadt zerrüttet hat. Wir alle werden niemals so leben wie zuvor und nichts und niemand kann wiedergutmachen, was geschehen ist. Niemand kann Ferhat, Fatih, Gökhan, Kaloyan, Mercedes, Vili, Nesar, Hamza und Sedat ins Leben zurückrufen. Wir, die Angehörigen der Opfer; die Überlebenden und Betroffenen; das Institut für Toleranz und Zivilcourage – 19. Februar Hanau e.V. und die Initiative 19. Februar Hanau rufen gemeinsam zur Demonstration und zum Gedenken auf: In Hanau am 22.8.2020, dem Samstag nach dem 19. August.
https://www.youtube.com/watch?v=Z8_kaT-fDS0

Aktionstag gegen Arbeit auf Abruf
29.08.20 I ab 11:00 Uhr I Reitschule und Casinoplatz
Am 29. August veranstaltet die Gwerkschaft FAU zusammen mit anderen Gruppen einen Aktionstag gegen Arbeit auf Abruf. Austausch ab 11.00 Uhr in der Reitschule Bern, anschliessend gemeinsames Mittagessen und um 14.00 Uhr Kundgebung auf dem Casinoplatz.
https://www.faubern.ch/index.php/calendar/aktionstag-gegen-arbeit-auf-abruf.html

Enough. Aktionstage zu Migrationskämpfen und antirassistischem Widerstand
29. – 30.08.20 I Park Platz Zürich
Wir schaffen Raum, um antirassistische Intitativen und den Widerstand gegen das Migrationssystem sichtbar zu machen. Migration und Rassismus sind nicht dasselbe: es sind zwei Phänomene mit unterschiedlichen Auswirkungen, die sich aber vielfach überschneiden. Beide beruhen auf post- und neokolonialen Denkmustern, die reale Auswirkungen haben: im europäischen Grenzregime, genauso wie im Alltagsrassismus in der Schweiz oder bei rassistischer Polizeigewalt weltweit. Antirassistischer Widerstand und Migrationskämpfe haben viele Gesichter. Diese wollen wir zeigen: verschiedene Themen neben sich stehen lassen und unterschiedliche Ansätze einzelner Initiativen und Netzwerke für sich sprechen lassen.
https://aktionstage-enough.ch


Lesens -/Hörens -/Sehenswer

Asylsuchende aus Eritrea in der Schweiz
Heute reicht ein breites Bündnis aus verschiedenen Organisationen eine Petition ein, um auf die missliche Lage vieler Eritreer*innen in der Schweiz aufmerksam zu machen. Über 11’000 Personen haben die Petition «Für eine menschliche Schweizer Politik gegenüber Asylsuchenden aus Eritrea» unterschrieben, das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement muss das Anliegen zur Kenntnis nehmen, eine Petition hat jedoch keine rechtliche Verbindlichkeit.
https://rabe.ch/2020/08/13/umstrittenes-sparpaket-der-stadt-bern/

Update Freiheitsentzug
Der Themenbereich Polizei und Justiz erstellt quartalsweise eine Sammlung der relevanten nationalen und internationalen Rechtsprechung sowie politischer Vorstösse im Bereich des Freiheitsentzuges im Auftrag der Nationalen Kommission zur Verhütung von Folter (NKVF). Der Fokus liegt dabei auf der Ausgestaltung eines Freiheitsentzuges (Haftbedingungen) und nicht auf der Rechtmässigkeit eines Freiheitsentzuges.
https://www.skmr.ch/de/themenbereiche/justiz/publikationen/update-freiheitsentzug.html?zur=2

„Zone der Zäune“ – Eine Recherche in Calais
Die Räumungen ab dem 10. Juli haben die migratorische Geographie Calais stärker verändert als jeder andere staatliche Intervention der vergangenen drei Jahre. Das vielleicht charakteristischste Symbol dieser Veränderung ist das, was eine Lokalzeitung kürzlich als Verbunkerung der Zone Industrielle des Dunes bezeichnet hat. Dort, wo bis vor einem Monat mehrere informelle Camps in ihrer Summe den Jungle of Calais bildeten, ist nun von Zäunen gesicherte Leere.
https://ffm-online.org/zone-der-zaeune/

Balkan Region Report – July 2020
The Border Violence Monitoring Network published 21 cases of illegal pushbacks during July, documenting the experience of 389 people whose rights were violated at the European Union’s external border. Volunteers in the field recorded a variety of cruel and abusive acts by officers, representing at least eight different national authorities. This report summarises the data and narrative testimony shared by people-on-the-move, highlighting the depth of violence being carried out in the service of European borders. The report analyses among other things: Romanian “pull-ins”, Frontex deployed to Montenegro, Continued Greek Maritime Pushbacks, Dangerous Italian return protocols, Landmark ruling in Slovenian courts.
https://www.borderviolence.eu/balkan-region-report-july-2020/

Das Tor nach Westeuropa

2015 war Šid ein Knotenpunkt der Mobilität für Menschen auf der Flucht. Heute ist die Stadt im Nordwesten Serbiens ein Rückstaubecken.
https://taz.de/Steckengeblieben-auf-der-Balkanroute/!5701813/