Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel
+++BERN
„STOPP ISOLATION“-PROTESTAKTIONEN IN DEN BERNER RÜCKKEHRCAMPS IN BÖZINGEN UND GAMPELEN
Gegen Rückkehrzentren | Alle haben ein Recht auf Leben und Freiheit
„Die Gruppe „Stopp Isolation“ fordert Aufenthaltsbewilligungen für ein
Leben in Respekt und Würde. Rückkehrzentren sind offene Gefängnisse am
Rande der Gesellschaft. Wir werden dort isoliert. Es gibt dort:
Freiheitsbeschränkungen wegen Anwesenheitspflicht, Arbeit ohne
Mindestentschädigung, krankmachende Lebensbedingungen und Stress wegen
Polizei, Securitas oder ORS AG. Viele Menschen, die nicht in Zentren
lebenmüssen, denken wir sind kriminell. Aber wir sind nicht zum Spass in
der Schweiz, sondern weil wir nicht anders können. Wir sind seit Jahren
hier – einige schon seit Jahrzehnten. Wir haben viel Zeit unseres
Lebens verloren. Hört auf uns zu diskriminieren. Hört auf uns
ausschaffen zu wollen. Wir brauchen Respekt und Gleichberechtigung im
Zugang zu Arbeit, Wohnungen, Gesundheit und Bildung. Wir sind auch
Menschen!“ „Stopp Isolation“ – Geflüchtete Migrant*innen mit
Negativentscheid im Kanton Bern
https://migrant-solidarity-network.ch/2020/07/02/2-7-2020-stopp-isolation-protestaktionen-in-den-berner-rueckkehrcamps-in-boezingen-und-gampelen
+++TESSIN
«Meinen Kindern wird die Zukunft gestohlen»
Im Kampf um Gerechtigkeit wandert Lokman Kadak von Locarno nach Bern. Er
will seinen Kindern ein Leben in Sicherheit ermöglichen.
https://www.infosperber.ch/Artikel/Gesellschaft/Meinen-Kindern-wird-die-Zukunft-gestohlen
+++ZÜRICH
Zürcher Asylpolitik: Mario Fehr und die «Fake News»
Zürichs Umgang mit Asylsuchenden während der Coronakrise ist Gegenstand
einer Strafanzeige. Statt die Antwort der Justiz abzuwarten, greift
Sicherheitsdirektor Mario Fehr seine KritikerInnen an. Nun haben sich
diese beim Regierungsrat beschwert.
https://www.woz.ch/2027/zuercher-asylpolitik/mario-fehr-und-die-fake-news
+++SCHWEIZ
Zehnjähriges Jubiläum: Die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter zieht positive Bilanz
Vor 10 Jahren wurde die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter
(NKVF) geschaffen. In ihrem diesjährigen Tätigkeitsbericht zieht sie
eine positive Bilanz über ihre Kontrollarbeit im Bereich von
freiheitsentziehenden und freiheitsbeschränkenden Massnahmen. Der
Bericht bietet zudem einen Überblick über die Tätigkeiten der Kommission
im Jahr 2019. Dazu gehörte vor allem die Überprüfung der
Gesundheitsversorgung in Justizvollzugseinrichtungen.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-79687.html
-> Tätigkeitsbericht 2019: https://www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/61971.pdf
-> https://www.luzernerzeitung.ch/news-service/inland-schweiz/anti-folter-kommission-kritisiert-haftbedingungen-in-bezirksgefaengnissen-ld.1234660
-> https://www.aargauerzeitung.ch/schweiz/anti-folter-kommission-kritisiert-haftbedingungen-in-schweizer-gefaengnissen-138336215
+++FRANKREICH
Menschenrechte: Gericht verurteilt Frankreich für unwürdigen Umgang mit Asylsuchenden
Der Europäische Gerichtshof für Menschrechte spricht von einem „Mangel
an Respekt für ihre Würde“: Drei Flüchtlingen steht nun Schadenersatz
zu.
https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2020-07/menschenrechte-migranten-frankreich-urteil-europaeischer-gerichtshof-fuer-menschenrechte
-> https://www.nzz.ch/international/gericht-verurteilt-frankreich-fuer-unwuerdigen-umgang-mit-migranten-ld.1564380
+++MITTELMEER
Rettungsschiff Ocean Viking mit 180 Migranten wartet weiter auf Hafen
Appelle an Italien und Malta blieben ungehört, beklagt SOS Méditerranée. Mehrere Migranten drohten damit, ins Meer zu springen
https://www.derstandard.at/story/2000118456622/rettungsschiff-ocean-viking-mit-180-migranten-wartet-weiter-auf-hafen?ref=rss
+++FREIRÄUME
Die Jungen feiern ohne Schutz – So will die Stadt Bern künftig illegale Partys verhindern
Die Polizei soll in der Stadt Bern illegale Partys frühzeitig unterbinden. Sicherheitsdirektor Reto Nause erklärt, wie.
https://www.srf.ch/news/regional/bern-freiburg-wallis/die-jungen-feiern-ohne-schutz-so-will-die-stadt-bern-kuenftig-illegale-partys-verhindern
-> https://www.bern.ch/mediencenter/medienmitteilungen/aktuell_ptk/illegale-partys-im-oeffentlichen-raum-sollen-unterbunden-werden
-> https://www.bernerzeitung.ch/stadt-beauftragt-polizei-unbewilligte-partys-aufzuloesen-143550630996
-> https://www.20min.ch/story/stadt-bern-will-von-jetzt-an-illegale-partys-unterbinden-382723719486
-> https://www.nau.ch/ort/bern/stadt-bern-will-illegale-partys-unterbinden-65735879
«Doch eigentlich geht es beim Besetzen nicht um Utopien, sondern um konkreten Widerstand»
Die Besetzer*innen des Juch-Areals sind nach der Räumung in vier
Abbruchhäuser in Altstetten weitergezogen. Medienanfragen wurden bislang
ignoriert – Tsüri.ch konnte jedoch mit einer der Besetzer*innen
sprechen.
https://tsri.ch/zh/wenn-man-uns-einen-raum-nimmt-heisst-das-nicht-dass-wir-oder-unsere-idee-dann-einfach-weg-sind/
+++GASSE
bernerzeitung.ch 02.07.2020
Problemhäuser in der Altstadt: Jetzt werden die vermüllten Wohnungen geräumt
Die Zustände in zwei Wohnhäusern an der Berner Gerechtigkeitsgasse sind
desolat. Die Stadt hat nun verfügt, dass sie bis Ende Woche geräumt
werden.
Rahel Guggisberg
Bei den Problemhäusern an der Gerechtigkeitsgasse 15 und 21 in der
Berner Altstadt herrscht in diesen Tagen reges Treiben. Den ganzen Tag
lang wurden am Dienstag Kühlschränke, Matratzen und Möbel aus den
Wohnungen gebracht. Mehrere Anwohner beobachten schon seit mehreren
Tagen, wie Abfall aus den beiden Häusern abtransportiert wird. Auch
Zügelwagen fahren immer wieder vor und fahren den Müll weg.
Léa Zürcher vom Bauinspektorat der Stadt bestätigt: «Es ist korrekt,
zurzeit werden diese Liegenschaften geräumt. Die Räumungsarbeiten werden
voraussichtlich Ende dieser Woche abgeschlossen sein.»
Die Stadtbehörden haben in den vergangenen Wochen den Druck auf den
Besitzer der Liegenschaften erhöht. So hat das Bauinspektorat dem
Eigentümer per Verfügung mitgeteilt, dass erst wieder Mieter in die
Häuser einziehen dürfen, wenn diese saniert sind. Die Verfügung ist
jetzt rechtskräftig.
Das baupolizeiliche Verfahren wurde in Gang gesetzt, weil das Haus
Sicherheits- und andere technische Mängel aufweist. Ein Brand hätte sich
in den maroden und zum Teil überfüllten Räumen rasch ausgebreitet.
Der Eigentümer der Wohnungen geniesst einen zweifelhaften Ruf. Er
besitzt mehrere Liegenschaften in der Region Bern. In der Vergangenheit
hielt er verschiedene Gemeindebehörden auf Trab, etwa wegen
zonenwidriger Bordelle. Er war gestern für diese Zeitung nicht
erreichbar.
Zustände wie in einem Entwicklungsland
Vor einem Jahr sorgte eine Recherche dieser Zeitung für Aufsehen. Fotos
zeigten, wie desolat die Zustände in diesen Häusern waren. Der Boden war
voller Abfall. Es hatte ungeöffnete Briefe, Alkoholflaschen,
Zigarettenstummel und Essensreste. Ein Raum war gefüllt mit Dutzenden
von Abfallsäcken. «Der Gestank ist fürchterlich», sagten Anwohner.
Hinter dem Geländer der Wendeltreppe hatte es kaputte Stühle und Müll.
Auch die Terrasse war überfüllt mit Abfall. «Dieses Haus killt mich!»,
hatte jemand auf Englisch an die Wand geschrieben.
Die meisten Mieterinnen und Mieter bewegen sind am Rand der
Gesellschaft. Einige von ihnen sind drogenabhängig, andere arbeiten als
Dealer oder Prostituierte. Zuhälter sollen in den Häusern ein und aus
gehen. Auch Sozialhilfebezüger waren vor einem Jahr unter den Mietern.
Einer von ihnen hatte seine Wohnung untervermietet, wie die Recherchen
dieser Zeitung damals zeigten.
Den Behörden der Stadt seien die Missstände bekannt, hiess es vor einem
Jahr. Das Sozialamt der Stadt Bern hat nach einer Sozialinspektion
beschlossen, keine Mietverhältnisse von Sozialhilfebezügern mehr zu
akzeptieren.
Ein Teil der Mieter sind Ausländer, die jedoch nicht über gültige
Aufenthaltspapiere verfügen. Das hat die Fremdenpolizei der Stadt Bern
bei Kontrollen immer wieder festgestellt, wie Alexander Ott, Leiter des
Polizeiinspektorats und der Fremdenpolizei der Stadt Bern, bestätigt.
Spuren von Kokain
Auch jetzt berichten mehrere Personen, die anonym bleiben wollen, dass
in diesen Häusern nach wie vor viel Kokain konsumiert werde und dass die
Räume nach wie vor stark verschmutzt seien. Darin lägen zahlreiche
Utensilien, die beweisen, dass Drogen konsumiert werden. Die Eingangstür
der Liegenschaft mit der Hausnummer 21 stand gestern offen. Immer noch
gehen immer wieder Menschen ein und aus.
Anfang Mai dieses Jahres hat ein Raubüberfall für die Anwohner das Fass
zum Überlaufen gebracht. Eine 83-jährige Ladenbesitzerin wurde von einem
Unbekannten in der Gerechtigkeitsgasse überfallen und ausgeraubt. Der
Täter soll in einer der beiden Liegenschaften Dauergast sein.
«Regelmässige Polizeieinsätze»
Die desolaten Zustände in den Häusern sind Stephan Minder ein Dorn im
Auge. Er betreibt in der Gerechtigkeitsgasse das Lokal Cave Alpin.
«Wegen Junkies und Prostituierten gibt es hier regelmässige
Polizeieinsätze», sagt er. Auch für seine Gäste, die oft draussen
sitzen, sei dies unangenehm. Er hat das Lokal vor sechzehn Jahren
eröffnet. Vor vier Jahren sei er selbst angegriffen und dabei verletzt
worden, sagt er.
«Vor ein paar Tagen sind einige Bewohner der Liegenschaft nun
ausgezogen», sagt Minder. Sie hätten ihm erzählt, sie seien momentan in
einer anderen Liegenschaft des Eigentümers in Ostermundigen
untergebracht. Nun sei es hier in der Altstadt etwas ruhiger geworden.
«Doch das Problem ist dadurch einfach verlagert worden», ist Minder
überzeugt.
(https://www.bernerzeitung.ch/jetzt-werden-die-vermuellten-wohnungen-geraeumt-150462401202)
-> https://www.20min.ch/story/berner-problemhaeuser-in-der-altstadt-werden-geraeumt-488209414102
—
Platzspitz: Digitaler «Drogenparcours» veranschaulicht damaliges Elend
Hinter dem Landesmuseum, wo heute Einheimische und Touristen friedlich
flanieren, herrschten vor 30 Jahren Drogen, Dreck und Kriminalität.
Ehemalige Süchtige gehen auf die digitale Reise in die Vergangenheit.
https://www.telezueri.ch/zuerinews/platzspitz-digitaler-drogenparcours-veranschaulicht-damaliges-elend-138341283
+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Auftakt zum Prozessmarathon – Dutzende von Anti-PNOS-Demonstranten stehen ab Juli vor Gericht
Die Staatsanwaltschaft wirft den Angeklagten unter anderem Landfriedensbruch und Gewalt und Drohung gegen Beamte vor.
https://www.srf.ch/news/regional/basel-baselland/auftakt-zum-prozessmarathon-dutzende-von-anti-pnos-demonstranten-stehen-ab-juli-vor-gericht
+++BIG BROTHER
Contact-Tracing vor Clubs und Bars: «Die Leute haben keine Lust auf Stift und Papier»
Die neusten Vorfälle in Klubs zeigen, dass das Contact-Tracing schnell
an seine Grenzen stösst, wenn die Menschen nicht mitmachen. Ein Zürcher
Unternehmen hat eine App entwickelt, die eine mögliche Alternative zu
handschriftlichen Kontaktlisten bietet.
https://www.nzz.ch/technologie/die-leute-haben-keine-grosse-lust-auf-stift-und-papier-ld.1564195
+++POLIZEI DE
Kein bedauerlicher Ausrutscher
DER FEIND STEHT RECHTS: Die Polizeigewerkschaft verhamlost Rechtsextremismus in den eigenen Reihen. Um jeden Preis.
Während die ganze Welt über Rassismus in der Polizei diskutiert, macht
die größte deutsche Polizeigewerkschaft den »Linksextremismus« zum Titel
ihres aktuellen Magazins – und verhamlost damit bewusst
Rechtsextremismus in den eigenen Reihen.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1138621.polizei-und-linksextremismus-kein-bedauerlicher-ausrutscher.html
Straflosigkeit mit System
Die Kampagnengruppe »Death in Custody« zeigt: Oury Jalloh war kein Einzelfall.
Schwarze Menschen und Personen of Color sind laut der Kampagnengruppe
»Death in Custody« seit 1990 in Deutschland in Gewahrsam gestorben. Die
Recherche soll zeigen, dass es sich dabei nicht um Einzelfälle handelt –
und so Veränderung herbeiführen.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1138614.death-in-custody-straflosigkeit-mit-system.html
Aufklärung auf sachsen-anhaltisch
Bericht von Sonderberatern zu mutmaßlichen Morden in Polizeirevier Dessau droht Geheimhaltung
https://www.jungewelt.de/artikel/381431.tod-in-der-polizeizelle-aufkl%C3%A4rung-auf-sachsen-anhaltisch.html
+++RASSISMUS
Rassismus und Sexismus – Vorbildlich leben, um Vorurteile zu entkräften
Rassismus und Sexismus stehen in der Schweiz auf der Tagesordnung. Ein
Buch versammelt die Erfahrungen schwarzer Frauen aus Biel.
https://www.srf.ch/kultur/gesellschaft-religion/rassismus-und-sexismus-vorbildlich-leben-um-vorurteile-zu-entkraeften
Armut in der Schweiz: Kollateralschaden mit Ansage
In der aktuellen Wirtschaftskrise wird auch die breite Armut sichtbar,
in die hierzulande nun weitere Zehntausende Menschen zu fallen drohen.
Rassismus und Diskriminierung, über die derzeit debattiert wird, sind
mit ein Grund.
https://www.woz.ch/2027/armut-in-der-schweiz/kollateralschaden-mit-ansage
—
tagesanzeiger.ch 02.07.2020
Umfrage zu AntisemitismusJudenhass: Studie bringt die hässliche Seite der Schweiz an den Tag
Abschätzige Kommentare, Drohungen, blöde Sprüche: Jede zweite Jüdin,
jeder zweite Jude wurde schon verbal angegangen. Die Diskriminierung
kommt aus der Mitte der Gesellschaft.
Luca De Carli
Im Zug nach Zürich und an der Universität trägt er die Kippa nicht, auch
im Ausgang legt er sie ab. «Ich will an bestimmten Orten nicht
auffallen und nicht riskieren, angegangen zu werden», sagt der Student
aus Basel. Er bezeichnet sich als modern-orthodox. Das heisst, er
befolgt zwar die meisten Ge- und Verbote des jüdischen Glaubens, aber
kleidet sich ansonst wie alle anderen – mit Ausnahme der speziellen
Kopfbedeckung.
Der Student ist einer von rund 500 Teilnehmern einer nationalen Umfrage
der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). Die
Forscher wollten herausfinden, wie Jüdinnen und Juden Antisemitismus in
der Schweiz erleben. Das Ergebnis zeigt eine hässliche Seite der
Schweiz:
– Jeder zweite Teilnehmer hat in den letzten fünf Jahren antisemitische
Belästigungen erlebt. Dieser Wert ist höher als das Ergebnis einer
Umfrage in zwölf EU-Staaten, an der sich die Schweizer Forscher
orientiert haben.
– Am verbreitetsten sind in der Schweiz «beleidigende oder bedrohliche
Kommentare». Tatorte sind am häufigsten öffentliche Orte wie Strassen
oder Parks, der Arbeitsplatz und Schulen beziehungsweise Hochschulen.
– Etwas öfter als in der EU-Umfrage geben Schweizer Juden an,
antisemitisch motivierte Sachbeschädigungen erlebt zu haben. Gut 6
Prozent waren es in den letzten fünf Jahren.
– Am seltensten ist physische Gewalt gegen Juden. 3,5 Prozent der
Befragten haben in den letzten fünf Jahren Tätlichkeiten oder
Körperverletzung erlebt. Die Werte sind in der EU ähnlich.
Der Basler Student berichtet ziemlich abgeklärt von den Beschimpfungen,
die er bislang erlebt hat. «So oft war das glücklicherweise gar nicht
der Fall», sagt er. Es sei aber durchaus schon vorgekommen, dass ihm
jemand aus dem fahrenden Auto oder vom Velo aus «Heil Hitler» zugerufen
habe. Heftig seien teilweise auch die Sprüche auf dem Fussballplatz
gewesen. Der junge Mann spielte früher in einer jüdischen Mannschaft.
Trotzdem: Auswirkungen auf sein Verhalten hatten die Sprüche. Als
Schüler trug er die Kippa noch häufiger.
Er sei nicht überrascht vom Ergebnis seiner Umfrage, sagt Dirk Baier,
Professor am Institut für Delinquenz und Kriminalprävention an der ZHAW.
Gemäss einer Erhebung des Bundesamts für Statistik hat jeder Zehnte in
der Schweiz eine negative Meinung über Juden. Die Werte für Muslime und
Schwarze sind etwa gleich hoch. Diese Zahlen bestätige jetzt die
Befragung der Opferseite, sagt Baier. «Wenn Sie 500 Schwarze in der
Schweiz zu ihren Erfahrungen befragen würden, kämen wohl ähnliche
Ergebnisse heraus wie jetzt bei der jüdischen Bevölkerung.»
Wer ist antisemitisch in der Schweiz? Nicht immer ist für die Opfer der
Täter erkennbar, zum Beispiel bei Sachbeschädigungen. Ist er aber
erkennbar, zeigt sich gemäss der Umfrage: Keine Tätergruppe dominiert.
«Der Antisemitismus kommt offenbar aus der Mitte der Gesellschaft», sagt
Kriminologe Baier. Das sei anders als in Deutschland oder Frankreich,
wo viele Täter einen muslimischen beziehungsweise rechts- oder
linksextremen Hintergrund hätten.
Diese Einschätzung bestätigt Dominic Pugatsch, Leiter der GRA Stiftung
gegen Rassismus und Antisemitismus, die den jährlichen
Antisemitismusbericht für die Deutschschweiz mitherausgibt. Pugatsch
spricht von einem «Alltagsantisemitismus», der in der Schweiz präsent
sei. «Auf der Strasse, am Arbeitsplatz oder in der Schule sind verbale
Belästigungen leider weitverbreitet», so Pugatsch. Dies habe neben der
Hassrede im Internet durchaus auch direkte Auswirkungen auf das
Sicherheitsbefinden von Jüdinnen und Juden – obwohl physische Gewalt
gegen sie zum Glück in der Schweiz selten sei.
Das zeigt sich auch in der Umfrage. So wie der Student aus Basel
vermeiden es zwei Drittel oft oder manchmal Dinge zu tragen, die sie als
Juden erkennbar machen. Dieser Wert ist nur leicht tiefer als in der
EU-Umfrage. Viel seltener als Juden aus Ländern wie Frankreich oder
Deutschland äussern Schweizer Juden die Absicht, ihr Heimatland zu
verlassen.
Deshalb aus der Schweiz auszuwandern, kann sich der Student nicht
vorstellen. In seinem Bekanntenkreis sei das ebenfalls kein Thema. Auch
wenn er und seine Freunde bei jedem antisemitischen Vorfall, der bekannt
werde, aufschreckten.
–
So ist die Umfrage entstanden
Etwa 18’000 Jüdinnen und Juden leben geschätzt in der Schweiz. Zentral
erfasst sind sie nirgends. Zu dieser Bevölkerungsgruppe eine
repräsentative Umfrage durchzuführen, ist deshalb unmöglich. Dirk Baier
und sein Team von der ZHAW haben via Inserate in jüdischen Medien und
mit Unterstützung jüdischer Gemeinden und Vereine zur Teilnahme an ihrer
Onlineumfrage aufgerufen. Sie zeichne ein äusserst realistisches Bild
der jüdischen Bevölkerung der Schweiz, bewertet Dominic Pugatsch von der
GRA Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus das Ergebnis. Es sei so
nahe an einer repräsentativen Umfrage wie möglich. (ldc)
(https://www.tagesanzeiger.ch/judenhass-kommt-in-der-schweiz-aus-der-mitte-der-gesellschaft-846570400090)
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/antisemitismus-in-der-schweiz-schweizer-juden-fuehlen-sich-zunehmend-diskriminiert
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/antisemitismus-in-der-schweiz-schweizer-juden-fuehlen-sich-zunehmend-diskriminiert
-> https://www.nzz.ch/schweiz/antisemitismus-schweizer-juden-erfahren-haeufiger-diskriminierung-ld.1564320
-> https://www.tachles.ch/artikel/news/so-nehmen-schweizer-juden-antisemitismus-wahr
-> https://www.tachles.ch/artikel/news/zahlen-und-fakten-zur-studie
—
Der Kanton St.Gallen gegen Rassismus im Alltag
Im März 2020 hätten in St.Gallen eine Reihe von Aktionstage zum Thema
Rassismus stattfinden sollen. Wegen dem Coronavirus wurden diese jedoch
abgesagt. Der Kanton stattdessen das Projekt «Kanton St.Gallen gegen
Rassismus» lanciert. Am Mittwoch hat der erste Anlass stattgefunden.
https://www.toponline.ch/news/stgallen/detail/news/der-kanton-stgallen-gegen-rassismus-im-alltag-00137408/
Der Kanton St.Gallen gegen Rassismus im Alltag
Im März 2020 hätten in St.Gallen eine Reihe von Aktionstage zum Thema
Rassismus stattfinden sollen. Wegen dem Coronavirus wurden diese jedoch
abgesagt. Der Kanton stattdessen das Projekt «Kanton St.Gallen gegen
Rassismus» lanciert. Am Mittwoch hat der erste Anlass stattgefunden.
https://www.toponline.ch/news/stgallen/detail/news/der-kanton-stgallen-gegen-rassismus-im-alltag-00137408/
+++HOMOHASS
Reggae-Sänger Buju Banton: Noch nicht bereit
Nach verbüßter Haft veröffentlicht Dancehall-Sänger Buju Banton ein
neues Album. Von einem homophoben alten Song distanziert er sich
allerdings nicht.
https://taz.de/Reggae-Saenger-Buju-Banton/!5693628/
+++RECHTSEXTREMISMUS
So sind die Grauen Wölfe in Österreich organisiert
Die Grauen Wölfe organisieren in Österreich tausende Menschen. Doch wo
sind diese Strukturen? Welche Vereine und Moscheen gehören zu den
Faschisten? Und wie könnt ihr sie erkennen? Teil 3 der Serie.
https://www.bonvalot.net/so-sind-die-grauen-woelfe-in-oesterreich-organisiert-894/
+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Whatsapp-Nachrichten schüren Panik: Plant Bern wirklich den Corona-Impfzwang? BLICK klärt auf
Die Gerüchteküche brodelt: Angeblich will der Bundesrat durch die
Hintertür einen Impfzwang einführen. Doch im Epidemiengesetz ist diese
Frage schon längst geklärt. Möglich ist nur ein Obligatorium ohne
Sanktionen.
https://www.blick.ch/news/politik/whatsapp-nachrichten-schueren-panik-plant-bern-wirklich-den-corona-impfzwang-blick-klaert-auf-id15965815.html
-> https://www.watson.ch/!558261033
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/wieso-die-impfzwang-panik-immer-noch-unbegrundet-ist-65736160
+++HISTORY
Maaza Mengiste: «Erschreckend viele Leute sind stolz auf Mussolini, aber niemand redet über Äthiopien»
Das koloniale Erbe wirkt überall dort weiter, wo Geschichte verdrängt
wird: Die Schriftstellerin Maaza Mengiste über die Rolle der Frauen im
Kampf gegen den Faschismus und über falsche Denkmäler.
https://www.woz.ch/2027/maaza-mengiste/erschreckend-viele-leute-sind-stolz-auf-mussolini-aber-niemand-redet-ueber
—
Basler Zeitung 02.07.2020
Diese Basler handelten mit Sklaven
Nur wenige waren direkt in den Kauf und Verkauf von Menschen involviert
gewesen. Doch es ist Teil der Geschichte, dass Geschäftsleute aus der
Stadt am Oberrhein in den Sklavenhandel verwickelt waren.
Mischa Hauswirth
Globale Vernetzung ist keine Erfindung der heutigen Zeit. Basler Textil-
und Seidenbandhersteller im 17. und 18. Jahrhundert waren bis in
entlegene Erdteile vernetzt. Basler Handelsfamilien schickten
Sprösslinge aus ihren Reihen in diese exotische Welt, und das nicht nur,
um einzigartige Spinnen, Pflanzen oder Tiere zu entdecken und zu
beschreiben.
Vor allem ging es darum, Handelsverbindungen zu knüpfen und zu festigen
sowie Textilien aus der Region Basel als Zahlungsmittel im Sklavenhandel
zu verwenden, wie Jörg Becher, Publizist und Mitarbeiter beim Projekt
der neuen Basler Stadtgeschichte, schreibt. Martin Lengwiler, Professor
für Geschichte an der Uni Basel, weist zudem darauf hin, dass Basel vor
der Industrialisierung «auch eine Handelsstadt» gewesen sei. «Sowohl
beim Import von Rohwaren als auch beim Export ihrer Produkte waren die
Basler Kaufleute vom Fernhandel abhängig», so Lengwiler. «Sie
engagierten sich stark im Handel mit Baumwolle und mit sogenannten
Kolonialwaren.» Dieser Handel mit Erzeugnissen aus fernen, oft
tropischen Ländern «war bis 1850 aufs Engste mit der Sklaverei auf
Plantagen und dem Sklavenhandel zwischen Afrika und Amerika verknüpft»,
hielt Hans Debrunner 1993 in einem historischen Aufsatz für das Basler
Stadtbuch fest.
Von den europäischen Häfen aus fuhren Schiffe mit Textilien, Gewehren,
Eisenwaren und Schnaps nach Westafrika, um dann Sklaven in die Karibik,
nach Amerika oder Südamerika zu bringen. Basler investierten meist
indirekt in solche Unternehmen und erhofften sich Profit.
Wie sehr Sklavenhandel damals in der Basler Gesellschaft akzeptiert
gewesen sein muss, zeigt Debrunner und stützt sich dabei auf Akten aus
dem Staatsarchiv: «Als um 1750 von Amsterdam aus Basler Siedler für
Surinam angeworben wurden, bekam jede ‹Familie› zehn Sklaven
versprochen, was der Rat offenbar in Ordnung fand. Damals zweifelte man
in Basel auch von der Kanzel herab nicht an der Berechtigung der
Sklaverei und des Sklavenhandels.»
1 Isaac Miville (genaue Lebensdaten unbekannt, 17. Jahrhundert)
Er war ein Basler in schwedischen Diensten. Für die «Schwedische
Afrikagesellschaft» errichtete Miville 1652 das für das Verschiffen von
Sklaven bedeutende Fort Cape Coast in Ghana (früher Goldküste), das sich
zu einem wichtigen Umschlagplatz von Afrikanern entwickelte. Miville
leitete dieses Fort als erster Europäer und amtete gewissermassen als
Kolonialbeamter. Von Ghana aus wurden Sklaven in die Karibik verkauft,
wo sie als Arbeiter in den Zuckerrohr-, Kaffee-, Tabak- oder
Baumwollplantagen arbeiten mussten.
Später, ab 1829, etablierte sich allmählich die Basler Mission (BM) in
dem Gebiet der ehemaligen Goldküste. Die BM sah sich mit dem Problem
konfrontiert, dass es noch um 1860 einheimische Assistenten der Basler
Missionare gab, die Sklaven hielten. «Das Basler Mutterhaus war gegen
die Sklaverei, hatte aber mit den vor Ort herrschenden sozialen
Strukturen, welche die Sklaverei begünstigten, lange zu kämpfen», heisst
es auf der Website cooperaxion.ch, welche die Geschäfte der
verschiedenen Schweizer Akteure während des transatlantischen
Sklavenhandels des 17. bis 19. Jahrhunderts dokumentiert.
2 Jeremias Müller (genaue Lebensdaten unbekannt, 17. Jahrhundert)
Über ihn ist wenig bekannt. Er war ein Arzt und Kolonialhändler aus
Basel und besass im 17. Jahrhundert auf Jamaica eine Plantage. 1660 ging
auch er in die Geschichtsbücher ein, weil er von einem seiner Sklaven
offenbar aus Rache angegriffen und getötet wurde. Ein Chronist hielt
fest, er sei «von einem seiner leibeigenen Moren/auf einem Sonntag
abends in dem spatzier/gang hintrrugs angegriffen und ermördet» worden.
Zuvor war Müller 14 Jahre lang in Virginia und Brasilien im
Kolonialwarenhandel tätig gewesen.
3 Isaac Faesch (1687–1785)
Isaac Faesch stammte aus einer Basler Patrizierfamilie, war
Söldneroffizier sowie Kaufmann und wurde 1735 zum Kommandanten der Insel
St. Eustatius auf den holländischen Antillen. Danach ernannte man ihn
zum Gouverneur der Inseln Curaçao, Bonaire und Arubavor Venezuela. Durch
die Heirat der Tochter eines holländischen Kaufmanns erhielt er eine
Plantage. Als Gouverneur war er für die Interessen der Holländer
verantwortlich, musste aber auch dafür sorgen, dass sich die «Mulatten,
Freineger und Kompaniesklaven» im Sinne des Systems verhielten und es zu
keinem Streit oder Aufstand kam. Faesch selber besass eigene Sklaven,
die auf seiner Plantage arbeiteten.
Ein Aufstand jedoch liess sich 1750 nicht verhindern. Faesch reagierte
brutal und liess 47 Sklaven enthaupten. «Ihre Köpfe wurden auf Pfählen
am Hafen zur Schau gestellt», schreibt Debrunner.
Faesch selbst verlor beim Aufstand 39 Sklaven und schrieb, man habe ihn
finanziell ruiniert. Er beteiligte sich zusammen mit Johann Jakob
Hoffmann am Handel mit Kolonialwaren wie Zucker, Kaffee, Tabak, Kakao,
Silber und Gold. Bei seinem Tod hinterliess er ein grosses Vermögen.
4 Johann Jakob Hoffmann (genaue Lebensdaten unbekannt, 18. Jahrhundert)
Johann Jakob Hoffmann war der Mann der sogenannten Kleinen Fahrt, weil
er keine Sklaven über den Ozean transportierte, stattdessen die Fahrten
von den karibischen Inseln zum amerikanischen oder südamerikanischen
Festland organisierte. Er kaufte die Sklaven auf St. Christopher in der
Karibik direkt vom Schiff und verkaufte sie mit Gewinn auf dem
südamerikanischen Festland – zum Beispiel in Venezuela. «Bitte kaufen
Sie auf meine Rechnung etwa 30–35 Köpfe Sklaven im Alter von 15–16
Jahren», schrieb er an einen Geschäftspartner. Dann gab er noch
Anweisungen an den Kapitän, die Sklaven sollen «gut versorgt und
verpflegt werden» und dass nur bei «guten Winden» gefahren werden soll.
5 Christoph Burckhardt (1766–1815)
Der Sohn von Christoph Burckhardt-Merian gründete 1790 im französischen
Nantes die Firma «Bourcard Fils & Cie.» und sorgte damit dafür, dass
es zur wohl direktesten Beteiligung Basels am Sklavenhandel kam. Die
Firma wurde dank Kapital von Familienmitgliedern und Bekannten, wie den
Brüdern Jean-Jacques und Christoph Merian, ermöglicht und wirkte
zwischen 1783 und 1818. Die Unterfirmen Christoph Burckhardt & Sohn,
Christoph Burckhardt & Cie. sowie Bourcard Fils & Cie.
beteiligten sich an insgesamt 21 Sklavenhandelsexpeditionen. Dabei
sollen 7350 afrikanische Sklaven nach Amerika verschifft worden sein,
etwa 1000 davon starben auf der Überfahrt.
Christoph Burkhardt beteiligte sich anteilsmässig auch an
Sklavenexpeditionen. Das Schiff «L’Intrépide» wurde für den Investor aus
Basel zu einem finanziellen Fiasko, weil ein Unwetter die Überfahrt
heimsuchte, viele Afrikaner an Bord starben und der Sklavenpreis nach
Aufständen wie in Haiti zusammenfiel. Der finanzielle Verlust machte die
Firma abhängig von der Unterstützung der väterlichen Firma in Basel.
Der Händler Christoph Burkhardt investierte noch zweimal in
Sklaventransporte, was sich erneut nicht auszahlte, weshalb er –
bankrott – im Oktober 1815 Suizid beging.
6 Christoph Merian senior (1769–1849)
Der Vater des späteren Mäzens und sozial engagierten Christoph Merian,
hatte enge wirtschaftliche Verbindungen mit der Basler
Handelsgesellschaft Christoph Burckhardt & Co. und Bourcard Fils
& Cie. Burckhardt & Co. hatte sich zwischen 1783 und 1790
finanziell an insgesamt 21 Sklavenfahrten beteiligt, hinzu kamen
Investitionen in den Verkauf von Indienne-Stoffen, mit denen Sklaven
gekauft wurden.
Nach heutigem Kenntnisstand waren die Gebrüder Merian, also eine
Generation vor Stiftungsgründer Christoph Merian, an keiner
Sklavenunternehmung finanziell beteiligt, weder in Form von Aktien oder
Versicherungsanteilen noch von Warenlieferungen und
Ausrüstungsgegenständen. Zu diesem Schluss kommt Robert Labhardt in
seiner Biografie «Kapital und Moral» über Christoph Merian junior. «Das
Vermögen Christoph Merians ist daher von keinen Gewinnen aus dem
Sklavenhandel alimentiert», schreibt Labhardt. «Die Frères Merian waren
aber keineswegs moralische Gegner des Sklavenhandels. Sie unterstützten
finanziell die in Sklavengeschäfte involvierte Firma Bourcard Fils &
Cie. und baten im Jahre 1814, als sich Kolonial- und Sklavenhandel
wieder belebten, ihre Partner in Nantes um Informationen über alle
Bewegungen im Sklavenhandel und über die zu erwartenden Profite daraus.»
Zu einem finanziellen Engagement kam es aber nicht.
(https://www.bazonline.ch/diese-basler-handelten-mit-sklaven-760683655574)
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derbund.ch 02.07.2020
Der Entstehungskontext des Wandbilds: «Die Zensur zeigt auf das, was sie verbergen will»
Im Schulhaus Wylergut übermalen Unbekannte ein «rassistisches» Wandbild
von Eugen Jordi und Emil Zbinden. Was hätten die Künstler 1949 anders
machen können? Zwei Mitglieder des Fördervereins Emil Zbinden nehmen
Stellung.
Martin Bieri
Im Schulhaus Wylergut wurden Teile eines Wandbilds von Eugen Jordi und
Emil Zbinden mit schwarzer Farbe übermalt, weil sie, laut
Bekennerschreiben, «stereotypisiert, rassistisch und fremdbezeichnend»
seien. In seiner Pressemitteilung teilt der Förderverein Emil Zbinden
grundsätzlich diese Einschätzung, bedauert aber gleichzeitig «den
zensurhaften Eingriff sehr». Sind Sie damit einverstanden, dass die
Stadt juristisch nicht gegen die Täter vorgehen will?
Jürg Spichiger: Wir sind mit der Tat nicht einverstanden. Trotzdem
finden wir, dass Repression nicht zu der Auseinandersetzung mit Zbindens
Werk passen würde, wie wir sie uns vorstellen. Juristisch haben wir
ohnehin keine Mittel in der Hand. Das Wandbild gehört der Stadt.
Etienne Wismer: Der Vorstand hat intensiv über die Haltung zu dem
Vorfall diskutiert, es gab verschiedene Positionen. Unser Vereinszweck
sieht die Bekanntmachung und den Erhalt von Emil Zbindens Werk vor.
Erhalt ist ein sehr offener Begriff. Den von der Stadt initiierten,
laufenden Wettbewerb für eine zeitgemässe Verhandlung des Wandbildes
halten wir für den richtigen Weg. Wir plädieren aber für den Erhalt vor
Ort.
Bei manchen Kunstwerken, die wir heute als rassistisch erkennen oder
interpretieren, besteht das Problem, dass wir die Intention der Urheber
nicht mehr genau eruieren können. Bei der Statue der Zunft zum Mohren
lässt sich zum Beispiel nicht einmal genau sagen, was sie eigentlich
darstellt. Ist das bei Zbinden und Jordi auch so?
Wismer: Über die Entstehungsbedingungen wissen wir nicht restlos
Bescheid. Möglicherweise durch Vermittlung von Ernst Nobs, dem ersten
sozialdemokratischen Bundesrat, erhielten Eugen Jordi, Rudolf Mumprecht
und Emil Zbinden 1949 den Auftrag der Stadt, das Schulhaus der neu
entstehenden Siedlung Wylergut zu gestalten. Die drei traten als
Kollektiv auf. Mumprecht war für die Aussenwand verantwortlich, Jordi
und Zbinden für das Treppenhaus. Ob inhaltliche Vorgaben gemacht wurden,
lässt sich nicht mehr sagen. Für die Künstler war es nicht nur ihr
erster öffentlicher Auftrag, sie waren, weil sie hauptsächlich als
Grafiker arbeiteten, auch mit der Fresko-Technik nicht vertraut. Nach
Abschluss fand Zbinden, die Arbeit sei kein «überraschendes
Meisterwerk», sie könne aber bestehen. Bittere Ironie, dass wir heute
ausgerechnet bei diesem Werk darüber sprechen, ob es weiter bestehen
kann.
Jordi war Sozialist, der als junger Mann der «bourgeoisen Kunst»
abschwor, in den späteren Jahren dann aber doch ein eigentlicher
Arbeitermaler wurde und im Zug zwischen Bern und Kehrsatz die Pendler
der dritten Klasse verewigte. Auch Zbindens politische Einstellung ist
bekannt.
Spichiger: Er war mindestens gewerkschaftsnah. Zbinden gründete erst die
Schweizer, dann die internationale Vereinigung der Holzschneider Xylon
mit. In den 30er-Jahren lebte er in Deutschland, blieb aber nicht. Seine
antifaschistische Einstellung drückte er zum Beispiel im Holzschnitt
des angeklagten Dimitroff aus. Über die Büchergilde Gutenberg, für die
Zbinden 17 Jahre lang illustrierte, sagte er später, sie habe «mit
Gotthelf gegen Hitler gekämpft».
Das schützte Jordi und Zbinden nicht davor, rassistische Stereotypien
abzurufen. In der Beurteilung des Werks sind sich Förderverein, Stadt
und die anonymen Übermaler einig. Es entstand 1949. Was hätten die
Künstler damals anders machen, was hätten sie wissen können?
Spichiger: Diesbezüglich waren Jordi, Mumprecht und Zbinden nicht auf
der Höhe der Zeit. 1951 kam James Baldwin nach Leukerbad, 1953 Vincent
Carter, der Autor des «Bern Book», nach Bern. Zbinden stellte 1946 in
Paris aus, wo Mumprecht ab 1949 sogar lebte und wohin viele schwarze
amerikanische Schriftsteller gezogen waren, etwa Richard Wright. Dessen
Autobiografie «Black Boy» erschien 1947 in einem Zürcher Verlag unter
dem Titel «Ich Negerjunge» auf Deutsch. Zbinden gestaltet 1964 ein Cover
für genau dieses Buch. Die dem Bild zugrunde liegende Grafik heisst
«Coloured» und zeigt, dass sich Zbinden spätestens da der Problematik
bewusst war. Aber er hätte es schon vorher wissen können. In den 30ern,
als Zbinden in Leipzig lebte, hatte ihm der Künstler Alfred Frank, der
1945 von den Nazis ermordet wurde, eine «Negerstudie», ein sehr schönes,
realistisches Porträt eines Schwarzen geschenkt.
Wismer: Man darf den pädagogischen Zusammenhang nicht vergessen: Das
Bild befindet sich in einem Schulhaus. Möglicherweise orientierten sich
Jordi und Zbinden auch an gängigen Kinderbüchern der Zeit. Wie an einem
Bilder-ABC, das sich in Zbindens Bibliothek befand und das, wie das
Wandbild, auf einer Doppelseite die Buchstaben M und N mit «Muschel» und
«Neger» assoziiert. Dabei widerspricht das Alphabet im Wylergut
eigentlich unserer Lesegewohnheit. Es befindet sich im Treppenhaus und
muss von unten nach oben gelesen werden. Auf der Bildebene wirkt es aber
unreflektiert und beliebig.
Unterstellt man Jordi und Zbinden eine humanistische, integrative
Absicht, hätten sie trotzdem eine Jazzsängerin oder einen haitianischen
Aufständischen malen können. Dennoch ist es schwer vorstellbar, dass sie
sich gar nichts überlegten. Nach dem Wylergut-Auftrag fuhren sie in die
Berge, wo sie selbstkritisch über Landschaftsmalerei nachdachten und
das Entstehen der grossen Staumauern in den Alpen dokumentierten, wobei
sie sich besonders für die ausländischen Arbeiter interessierten.
Darstellung war bei ihnen mit Wertschätzung verbunden.
Wismer: Ja, aber es ist ein Unterschied, ob man auf der Baustelle
arbeitet, mit den Arbeitern isst und in den gleichen Baracken schläft
und sie dann zeichnet, oder ob man, in der trügerischen Hoffnung, leicht
verständlich zu sein, einfach ein Klischee abruft. Jordi und Zbinden
haben sich nicht mit den Realitäten von Schwarzen oder der indigenen
Bevölkerung Amerikas auseinandergesetzt. Die Darstellungen wirken, als
wären sie aus einem Buch an die Wand gesprungen. Der Humanismus der
Künstler ist im vorliegenden Fall schemenhaft, paternalistisch und
stellt eindeutige Hierarchien her.
Als würden sie, weil sie für Kinder malen, sich selbst einen
angenommenen Kinderblick aneignen. Die Darstellung der Figuren wirkt
allerdings nicht herablassend, sondern empathisch. Der Chinese hat einen
offenen, einladenden Gesichtsausdruck, der Indianer wirkt ernst und
melancholisch.
Wismer: Aber das liesse sich nur so sehen, wenn man die Porträts von der
diskriminierenden Bezeichnung und dem Bildzusammenhang, der die
Menschen mit Tieren und Objekten gleichsetzt, lösen würde.
Die Kinder hatten das Problem ja auf ihre eigene Weise gelöst: Jahrelang
klebte über dem Bild für den Buchstaben N eine Zeichnung mit einem
Nashorn.
Spichiger: Tatsächlich hat die Übermalung in eine soziale Praxis
eingegriffen, die sich rund um das Bild entwickelt hatte. Über Jahre,
wohl Jahrzehnte, haben sich Lehrer und Schüler auf der Treppe sitzend
mit dem Bild und mit dem Thema Rassismus befasst.
Wismer: Durch die Übermalung sind die Bilder zudem noch sichtbarer
geworden. Erstens, weil über sie gesprochen wird, was zu begrüssen ist.
Zweitens aber, weil sie unter der schwarzen Farbe durchscheinen und
dadurch optisch hervortreten. Das ist das Paradox der Zensur: Sie zeigt
auf das, was sie verbergen will.
–
Warum die Stadt auf eine Strafanzeige verzichtet
Ende August letzten Jahres schrieb die Stadt Bern einen künstlerischen
Wettbewerb zum Umgang mit dem Wandbild im Schulhaus Wylergut aus. Das
Verfahren sollte «das implizit rassistisch geprägte Kunstwerk
zeitgenössisch verorten und diskutieren». Die öffentliche Präsentation
der fünf Vorschläge in der engeren Auswahl hätte im März stattfinden
sollen, wurde aber, bedingt durch die Pandemie, auf Mitte August
vertagt. Mitte Juni wurden Teile des Wandbilds schwarz übermalt. In
einem Bekennerschreiben nannte die unbekannte Täterschaft die
Auseinandersetzung mit dem Bild «heuchlerisch», weil «historische
Relikte und Denkmalschutz mehr gewertet» würden als «institutionelle und
alltägliche Rassismen». Der Gemeinderat verzichtet auf eine
strafrechtliche Verfolgung, da er die «Ungeduld und die Wut»
nachvollziehen könne, auch wenn er gleichzeitig kritisiert, wie sie zum
Ausdruck gebracht würden. Das schreibt er in einer Pressemitteilung. Für
Annina Zimmermann, die städtische Fachspezialistin Kunst, rechtfertigt
die Übermalung «den Aufwand, den wir betreiben: Wir verstehen die
Aufgabe, welche das Wandbild an uns stellt, als Anlass, etwas über unser
koloniales Erbe zu lernen.» Mit der schwarzen Farbe hat die Problematik
nun «eine Zeitschicht mehr». Die veränderte Ausgangslage stelle den
Wettbewerb jedenfalls nicht grundsätzlich infrage. (mai)
(https://www.derbund.ch/die-zensur-zeigt-auf-das-was-sie-verbergen-will-266717581945)