Medienspiegel 30. Juni 2020

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++MITTELMEER
Griechisch-türkische Grenze: Griechenland errichtet schwimmende Barrieren vor Lesbos
Die Regierung in Athen weitet ihre Grenzschutzmaßnahmen aus. Künftig sollen Sperren im Meer Flüchtlinge aus der Türkei abwehren. Eine halbe Million Euro soll dies kosten.
https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-06/griechisch-tuerkische-grenze-barrieren-lesbos-migration
-> https://www.tagesschau.de/ausland/griechenland-fluechtlinge-barriere-101.html


Griechenland: Übergriffe von Maskierten auf Geflüchtete in der Ägäis
Zerstören Einsatzkräfte der griechischen Küstenwache auf hoher See bewusst Boote von Flüchtlingen und Migranten, um sie vor den griechischen Inseln Lesbos und Samos zurück in die Türkei zu drängen? Eine DW-Recherche.
https://www.dw.com/de/griechenland-%C3%BCbergriffe-von-maskierten-auf-gefl%C3%BCchtete-in-der-%C3%A4g%C3%A4is/a-53977111


+++FREIRÄUME
Ein Platz für die Zukunft
Ab nächsten Donnerstag wird die Schützenmatte nach einer längeren Pause eine Woche durchgehend bespielt. Dabei sollen auch Ideen für die Zukunft des Platzes diskutiert werden.
http://www.journal-b.ch/de/082013/politik/3634/Ein-Platz-f%C3%BCr-die-Zukunft.htm
-> https://rabe.ch/2020/06/29/wir-platzieren-die-zukunft-das-schuetzkonzept/


+++GASSE
Raver rechtfertigen sich nach Reitschule-Ärger
Die Aufregung über Partygänger in Zürich und Bern ist noch immer gross. Nun rechtfertigen junge Raver, warum sie trotz den Umständen feiern wollen.
https://www.nau.ch/raver-rechtfertigen-sich-nach-reitschule-arger-65733642


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Lena blockiert eine Grossbank: Teil 2, Der Notstand
Im Juli 2019 kämpfte Lena mit ihrem Körper vor der UBS gegen den Klimawandel. Sie betonierte ihren Arm in ein Fass. Wie weit geht ziviler Ungehorsam – und was passiert dann? Eine Reportage in drei Teilen.
https://bajour.ch/a/6RgWVWQ8mkxaxlma/lena-blockiert-eine-grossbank-teil-2-der-notstand?fbclid=IwAR2bgNmUX9gKd465EICJcxkjX17PNuR1Uu2ZpaxN34EP2xuYBTMLfi63vfY


Zukunft noch immer unklar – «Ex»-Bodumvillen: Jetzt ist das Dach gesichert
Mehrmals besetzt, immer wieder politischer Zankapfel: Die ehemaligen Bodumvillen an der Luzerner Obergrundstrasse sorgen seit Jahren für Gesprächsstoff. Mit dem Eigentümerwechsel steigt die Zuversicht der Stadtbehörden auf eine gute Lösung. Ein möglicher Abriss ist aber nicht vom Tisch.
https://www.zentralplus.ch/ex-bodumvillen-jetzt-ist-das-dach-gesichert-1832443/
-> https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/luzern/der-luzerner-stadtrat-lehnt-eine-enteignung-der-bodum-villen-ab-ld.1233860


+++KNAST
Maskenpflicht in Berner Regionalgefängnissen
Die Berner Regionalgefängnisse führen eine Maskentragpflicht ein. Ab sofort müssen alle Häftlinge, Mitarbeitende und Besucher eine Schutzmaske tragen, wie die kantonale Sicherheitsdirektion mitteilte.
Damit soll das Risiko einer Ansteckung mit dem Coronavirus minimiert werden. «Bis jetzt ist es uns gelungen, das Virus von den Regionalgefängnissen fernzuhalten», erklärte Sicherheitsdirektor Philippe Müller (FDP). «Mit dieser Massnahme können wir das Ansteckungsrisiko weiterhin möglichst tief halten.»
Im Kanton Bern gibt es fünf Regionalgefängnisse in Bern, Biel, Burgdorf, Thun und Moutier. Von der Massnahme betroffen sind rund 400 eingewiesene Personen, 250 Mitarbeitende sowie die Besucherinnen und Besucher.
(https://www.srf.ch/news/schweiz/das-neuste-zur-coronakrise-bag-vermeldet-62-neue-ansteckungen)
-> https://www.be.ch/portal/de/index/mediencenter/medienmitteilungen.meldungNeu.mm.html/portal/de/meldungen/mm/2020/06/20200630_1244_maskentragpflichtindenregionalgefaengnissendeskantonsbern
-> https://www.bielertagblatt.ch/nachrichten/kanton-bern/maskentragpflicht-regionalgefaengnissen
-> https://www.bernerzeitung.ch/kanton-bern-fuehrt-maskenpflicht-in-fuenf-gefaengnissen-ein-570000481817
-> https://www.srf.ch/news/regional/bern-freiburg-wallis/wegen-corona-maskenpflicht-fuer-haeftlinge-im-kanton-bern
-> https://www.telebaern.tv/telebaern-news/maskenpflicht-in-berner-gefaengnissen-138321671


+++BIG BROTHER
«Wirrwarr an Spezialgesetzen»: Datenschützer will Justizdepartement boykottieren
Solange ein nationales Polizeigesetz fehlt, will der eidgenössische Datenschützer Adrian Lobsiger neue Regeln zur polizeilichen Datenbearbeitung nicht mehr unterstützen. Die heutige Menge an Erlassen sei bedenklich, weil sich Bürger und Polizisten nicht zurechtfinden könnten.
https://www.aargauerzeitung.ch/schweiz/wirrwarr-an-spezialgesetzen-datenschuetzer-will-justizdepartement-boykottieren-138320442


Bilanz zu Internet-Sicherheit: Oberster Datenschützer warnt vor negativen Folgen
In seinem Jahresbericht hebt Adrian Lobsiger die Wichtigkeit einer liberalen Datenpolitik hervor; zudem beklagt er für die Aufsicht von Konsumenten-Apps und sozialen Netzwerken fehlende Mittel.
https://www.derbund.ch/oberster-datenschuetzer-warnt-vor-negativen-folgen-459810600202
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/von-tiktok-bis-swiss-covid-app-das-sind-die-baustellen-des-obersten-datenschuetzers
-> Rendez-vous: https://www.srf.ch/play/radio/rendez-vous/audio/wie-buerger-daten-vor-missbrauch-schuetzen?id=e2e28447-c79e-429d-9059-30315fff1c88
– Rendez-vous Tagesgespräch: https://www.srf.ch/sendungen/tagesgespraech/adrian-lobsiger-schutz-der-privatsphaere-muss-gestaerkt-werden


Schutz von Transparenz und Privatsphäre bleibt kritisch – und muss gestärkt werden
Die überwiegende Gutheissung der stark angestiegenen Gesuche um Einsicht in die Tätigkeit der Bundesverwaltung steht in Widerspruch zu deren Bestrebungen, das Öffentlichkeitsgesetz durch Ausnahmen zu verwässern. Seit bald drei Jahren anhaltende Beratungen eines zeitgemässen Datenschutzgesetzes stehen in Kontrast zu digitalen Grossprojekten, welche die Datenschutzaufsicht des Bundes zunehmend herausfordern. Der heute veröffentlichte Tätigkeitsbericht 2019/2020 des Beauftragten macht diese beiden Spannungsfelder deutlich.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-79648.html


Parteien und Vereine steigen auf die Barrikaden
Die Stadt will die Eingangsbereiche von vier Turnhallen Videoüberwachung lassen. SP Thun, Grüne Thun, Juso Thun-BeO und der Verein Freundinnen und Freunde des Freiraums (AKuT) wehren sich gegen die Verfügung des Gemeinderats und haben Beschwerde eingereicht.
https://www.jungfrauzeitung.ch/artikel/182939/


Das Bundesparlament verhindert kantonale Regeln zur Corona-App für Nachtklubs und Sportveranstaltungen
Die Bedingung zur Benutzung der Corona-App für Kunden könnte eine Lösung für Veranstalter mit grossem Publikum sein. Doch der Chefjurist des Bundes stellt klar, dass die Kantone die Bevorzugung von App-Benutzern durch private Veranstalter nicht zulassen dürfen.
https://www.nzz.ch/schweiz/bundesparlament-verbaut-kantonale-regeln-zur-corona-app-fuer-nachtklubs-und-sportveranstaltungen-ld.1563973


+++POLICE BE
Ask-Force für knifflige Fragen: «Kann man mit der Polizei noch rechnen?»
Diese Frage beruht auf einem wahren Werbegeschenk der Kantonspolizei Bern.
https://www.derbund.ch/kann-man-mit-der-polizei-noch-rechnen-438936439023


+++POLIZEI AG
Grosser Rat Aargau – Aargauer Polizei darf früher eingreifen
Der Kanton Aargau erhält ein neues Polizeigesetz. Der Grosse Rat stimmte dem Gesetzesentwurf deutlich zu.
https://www.srf.ch/news/regional/aargau-solothurn/grosser-rat-aargau-aargauer-polizei-darf-frueher-eingreifen
-> https://www.telem1.ch/aktuell/keine-quittungen-fuer-polizeikontrollen-im-aargau-138321869
-> https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/kanton-aargau/vermummte-stalking-und-verdeckte-ermittlungen-diese-neuen-antworten-bringt-das-polizeigesetz-138319222


+++POLICE VD
„No Apologies“, der Film kommt in die Kinos
No Apologies beschreibt den physischen und psychischen Belagerungszustand, welchem schwarze Männer in prekären Verhältnissen in Lausanne ausgesetzt sind, sowie den Widerstand, welchen sie dieser Belagerung entgegenhalten. Sie erzählen – mit oder ohne Maske – von ihrer persönlichen Reise, vom täglichen Überleben und der Polizeigewalt. Dabei hinterfragen sie ihren Platz in der schweizerischen Gesellschaft, welche sie als Aussenseiter betrachtet.
– Kino Rex. Bern, (in Zusammenarbeit mit dem Berner Rassismusstammtisch), Mittwoch, 1. Juli 2020
– Rossstall, Luzern, Freitag, 5. Juli 2020.
– Riffraff, Zürich (In Zusammenarbeit mit der Alliance Against Racial Profiling), Sonntag, 5. Juli 2020
– Autonome Schule, Zürich, Montag, 6. Juli 2020
– ParkPlatz, Zürich, Freitag, 10. Juli 2020
– Kochareal, Zürich, Samstag, 11. Juli 2020
– Bahnhöfli, Biel, Donnerstag, 16. Juli 2020
– Neues Kino, (In Zusammenarbeit mit der Velotour d’Horizon), Basel, Freitag, 17. Juli 2020
https://barrikade.info/article/3646


+++POLIZEI ZH
Suizid auf Kapo-Stützpunkt: Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt Schweiz
Das Strassburger Gericht hat die Beschwerde einer Mutter gutgeheissen, deren Sohn sich 2014 auf dem Polizeiposten in Urdorf das Leben nahm. Die Polizisten haben den 40-Jährigen zu wenig vor sich selbst geschützt.
https://www.tagesanzeiger.ch/gerichtshof-fuer-menschenrechte-verurteilt-schweiz-537312256384
-> https://www.nzz.ch/zuerich/emrk-schweiz-verstoesst-gegen-menschenrechtskonvention-ld.1564001


Frédéric D. (24) aus Nidau BE sieht sich als Opfer: Mann prügelt sich mit Frau – und jammert über Polizeigewalt
Frédéric D. (24) wurde von der Polizei verhaftet, weil er sich mit einer Frau prügelte. Während sich der 24-Jährige als Opfer von Polizeigewalt sieht, sieht die Stadtpolizei Zürich ihn als Täter.
https://www.blick.ch/news/schweiz/frederic-d-24-aus-nidau-be-sieht-sich-als-opfer-mann-pruegelt-sich-mit-frau-und-jammert-ueber-polizeigewalt-id15963128.html
-> https://www.telebielingue.ch/de/sendungen/info/2020-06-29#chapter-e735e469-7ab2-476f-8205-5dc786f1123d


+++POLIZEI DE
Polizeigewalt beim G20: Keine einzige Anklage
Kein einziger Polizist wurde wegen Polizeigewalt beim G20-Gipfel in Hamburg angeklagt. Die Straflosigkeit ist eine Bankrotterklärung des vielbeschworenen Rechtsstaats und ein Freibrief für Täter:innen in Uniform. Ein Kommentar.
https://netzpolitik.org/2020/polizeigewalt-beim-g20-keine-einzige-anklage/


+++RASSISMUS
Die schwarzen Frauen aus Biel – «Ich betonte oft, dass ich gerne Snowboard fahre und Fondue esse»
In einem neuen Buch erzählen siebzehn schwarze Bielerinnen von ihren Lebenswelten und Perspektiven.
https://www.srf.ch/news/regional/bern-freiburg-wallis/die-schwarzen-frauen-aus-biel-ich-betonte-oft-dass-ich-gerne-snowboard-fahre-und-fondue-esse


Sensibilisierung gefordert – Kein Platz für Rassismus an Schulen
Die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus will vermehrt Schülerinnen und Schüler für Rassismus sensibilisieren.
https://www.srf.ch/news/schweiz/sensibilisierung-gefordert-kein-platz-fuer-rassismus-an-schulen


Frau und schwarz sein in dieser Gesellschaft
Beim Frauenstreik 2020 in Freiburg hat Méki Owoussi von der CADD (Citoyens en action pour la démocratie et le développement) das Wort ergriffen. Sie hat, nur wenige Tage vor den Black Lives Matter-Demos, daran erinnert, wie sehr schwarze Frauen eine doppelte Unterdrückung erleiden.
https://www.sosf.ch/de/themen/weitere/informationen-artikel/frau-und-schwarz-sein-in-dieser-gesellschaft.html


Prävention von Gräueltaten in der Schweiz
SKMR-Studie analysiert das Engagement der Schweiz
Bei der Prävention von Gräueltaten spielt der Schutz vor rassistischer Diskriminierung eine entscheidende Rolle. Das SKMR hat das diesbezügliche Engagement der Schweiz untersucht. Fazit: Zahlreiche Akteurinnen und Akteure engagieren sich in einem breiten Spektrum von Präventionsmassnahmen. Es mangelt jedoch an Mitteln und an einer koordinierten Strategie.
https://www.skmr.ch/de/themenbereiche/institutionelle-fragen/publikationen/studie_praevention_von_graeueltaten_in_der_schweiz.html?zur=2


+++RECHTSEXTREMISMUS
2000 Schuss Munition gehortet: Waffen und «Abhitlern» – Freiheitsstrafe gegen Neonazi
Ein Deutscher kassierte vom Hinwiler Bezirksgericht 16 Monate bedingt für den Besitz von illegalen Waffen. Vom Vorwurf der Rassendiskriminierung wurde er freigesprochen.
https://www.tagesanzeiger.ch/waffen-und-abhitlern-freiheitsstrafe-gegen-neonazi-641436433811
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/urteil-gegen-rechtsextremen-zehn-jahre-landesverweis-fuer-bewaffneten-neonazi
-> https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/er-hatte-ein-waffenlager-unter-seinem-bett-jetzt-soll-ein-deutscher-neonazi-ins-gefaengnis-in-der-ostschweiz-machte-er-schon-einmal-schlagzeilen-ld.1231834
-> https://www.blick.ch/news/schweiz/ostschweiz/er-organisierte-fascho-konzert-in-unterwasser-sg-deutscher-neonazi-matthias-m-wird-ausgeschafft-id15962265.html
-> https://www.toponline.ch/news/zuerich/detail/news/neonazi-wegen-illegalem-waffenbesitz-zu-16-monaten-verurteilt-00137201/
-> https://www.srf.ch/play/tv/10vor10/video/10vor10-vom-29-06-2020?id=e6392b05-ae3e-4cc6-86e2-9fec12e84c04


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Podcast: Regiert der Geheimbund Illuminati die Welt?
Sie sollen nach wie vor aus dem Untergrund die Fäden in der Welt ziehen. Die Fake Busters machen sich auf die Spuren der Illuminaten.
https://kurier.at/fakebusters/podcast-regiert-der-geheimbund-illuminati-die-welt/400956773


+++HISTORY
Ballenberg rassistischer Denkmäler – RaBe-Info 30.06.2020
Am Zürcher Bahnhofsplatz wacht Eisenbahnpionier Alfred Escher über den Bahnverkehr. Er besass eine Kaffeeplantage in Kuba, auf welcher er Sklav*innen arbeiten liess. In Neuchâtel gibt es einen Place Pury, auf dem eine Figur von David de Pury thront, welcher nebst Diamanten auch mit Menschen gehandelt hat.
Die Alternative Linke Bern erachtet die Denkmäler nicht als ehrwürdig und würde sie gerne vom Sockel stossen und auf der Allmend abstellen. Dort sollen Besucher*innen und Schulklassen die Mahnmale betrachten können. Die Figuren sollen in einen historischen Kontext gestellt werden und nicht mehr wie Helden über öffentliche Plätze wachen. «Im Moment ist überall Diskussion, dass solche Denkmäler abgerissen werden sollen» sagt Stadträtin Tabea Rai im Interview, «wir möchten mit unserem Vorschlag eine Alternative bieten.»
https://rabe.ch/wp-content/uploads/2020/06/30.Ballenberg-rassistischer-Denkm%C3%A4ler.mp3
(https://rabe.ch/2020/06/30/das-ende-von-1-land-2-systeme/)


Anlaufstellen helfen kostenlos: Kanton unterstützt Adoptivkinder bei Herkunftssuche
Zwei Anlaufstellen helfen Adoptivkindern aus Sri Lanka bei ihrer Herkunftssuche. Der Kanton Zürich geht davon aus, dass viele Adoptionen ab den 1970er-Jahren illegal waren.
https://www.zsz.ch/kanton-unterstuetzt-adoptivkinder-bei-herkunftssuche-244280083133
-> https://www.zh.ch/internet/de/aktuell/news/medienmitteilungen/2020/illegale-auslandadoptionen-zuercher-anlaufstellen-fuer-herkunftssuche.html



tagblatt.ch 30.06.2020

Ist das rassistisch? Muss das weg oder wenigstens erklärt werden? Auf den Spuren dunkler Geschichte im St.Galler Stadtbild
«
Dark History»: Die jüngsten Proteste gegen Rassismus bezeugen die notwendige Arbeit des beharrlichen St.Galler Sklavereiforschers Hans Fässler. Auf einem Rundgang durch die Stadt stossen Interessierte auf einen klischierten schwarzen Kopf am «Haus zum Mohrenkopf» oder auf halbnackte afrikanische Krieger am «Haus zum Möhrli» – Anstösse für die laufende Debatte.

Marcel Elsener

Ist das rassistisch? Muss es weg? Die Frage stellt sich vor dem «Haus zum Mohrenkopf» an der St.Galler Spisergasse. Der schwarze Frauenkopf über dem Erker weist mit wulstigen Lippen, breiter Nase und goldenen Ohrringen sowie Perlenkette stereotype Merkmale von «Anderen» auf. Die Darstellung entspricht der aktuellen Debatte um die Mohrenköpfe der Firma Dubler oder die Mohren-Symbole einer Vorarlberger Brauerei und einer Berner Zunft.

Die Empörung in der Gruppe, die am Stadtrundgang von Hans Fässler auf den «Spuren des Rassismus» teilnimmt, hält sich in Grenzen. Was in der kühlen Erklärung des Historikers begründet liegt, wonach man wenig über das Haus und seinen 1625 angebrachten Erker wisse. Während Jugendliche auf eine Prinzessin getippt hätten, sehen lokale Historiker im «Mohrenkopf» keine Frau, sondern den Heiligen Mauritius. Wahrscheinlicher ist die Interpretation, wonach die protestantischen Hausbesitzer mit dem exotischen Schmuck ihren Einfluss demonstrieren wollten. Die schwierige Frage, ob der Kopf aus dem öffentlichen Raum verbannt oder mit einer Tafel erklärt werden muss, bleibt vorläufig offen.

Plantagen in Amerika oder Asien mit Sklaven in St.Galler Besitz

Die Mohrenkopf-Debatte dürfe stattfinden, sagt Fässler, doch weitaus mehr interessiere ihn «strikt marxistisch der ökonomische Unterbau» des Rassismus, wie er auf dem Rundgang mit 13 Stationen erklärt. Wenige Häuser westlich skizziert er am «Haus zur Flasche» der Familie Högger die Verstrickungen des Bürgertums mit der Sklaverei: Acht Plantagen in Übersee sind heute bekannt, die samt Sklavinnen und Sklaven im 18. Jahrhundert in St.Galler Besitz waren. Die Höggers, Rietmanns, Schlumpfs, Zollikofers, Züblins oder Kunklers, alles im städtischen Leben bedeutende Familien, besassen Plantagen für Zucker, Kaffee, Baumwolle oder Reis in Surinam, Berbice (Guyana) und in Georgia (USA).

Erschaudern lässt ein minimaler Hinweis Fässlers: In einem digitalisierten Archiv der Menschen auf einer dieser Plantagen entschlüsselte er den altholländischen Vermerk bei der Sklavin Nummer 25 namens «Venus» (wie üblich ohne Nachname) – «ohne Nase». Was auf die Strafe nach einem Fluchtversuch hindeute: Männern wurde ein Fuss oder Bein abgeschnitten, Frauen die Nase. Sklaverei bedeute die «Vernichtung des Menschen», wie der Aufklärer Peter Scheitlin schrieb. Dessen Büste im Kantipärkli Burggraben gehört zu den positiven Gedenkstätten des Rundgangs.

«Nichts gegen Vadian», aber alles für die offene Debatte

An weiteren Orten erzählt Fässler vom St.Galler Bankier und Helvetia-Versicherungsgründer Jakob Laurenz Gsell, der in den 1840er-Jahren in Brasilien zum Millionär wurde und mehrere Haussklaven besass (und eigenhändig auspeitschte); und vom ersten Sklavenhändler der Eidgenossenschaft, Hieronymus Sailer, der aus der St.Galler Kaufmannsfamilie Sailer stammte, deren Wappen am Berufsschulgebäude an der Kugelgasse prangt. Aufgrund der mutmasslichen Verwandtschaft Sailers mit dem St.Galler Reformator beginnt Fässlers Tour beim Vadian-Denkmal. Aber «nichts gegen Vadian», schmunzelt der pensionierte Kantilehrer, er sei «kein Denkmalstürzer», auch wenn jetzt Anleitungen kursierten, wie Unehrenmänner vom Sockel gestürzt werden können.

Seit dem Mord an George Floyd und den dadurch ausgelösten Protesten ist der St.Galler Historiker eine gefragte Auskunftsperson. Seit 20 Jahren beschäftigt er sich mit der hiesigen Beteiligung an Rassismus, Sklaverei und Kolonialismus, 2005 hat er sein Buch «Reise in Schwarz-Weiss. Schweizer Ortstermine in Sachen Sklaverei» publiziert, das wieder vermehrt gelesen wird. Die Debatte habe «eine bisher unvorstellbare Breite und Intensität bekommen», sagt er. «Niemand will auf einen Zug oder Hype aufspringen. Aber wir können alle dafür sorgen, dass Brother George nicht umsonst gestorben ist.»

Fässler ist als Rassismusforscher ein beharrlicher Dauerläufer, um die afrodeutsche Journalistin Ciani-Sophia Hoeder zu zitieren: «Rassismus wird man nicht einem Wisch auf dem Smartphone los. Es ist ein Marathonlauf.» Seit zwei Jahren forscht er wieder an den Schweizer Verwicklungen in der Karibik und füttert sein digitales Archiv «Caricom Compilation»; im Winter 2018 drängte er aufgrund eines Sklavenprofiteurs aus der Trogener Zellweger-Dynastie auf die Aufarbeitung der Sklavereigeschichte der UBS und ihrer Vorläuferbank; im Herbst 2019 gründete er ein Komitee für Reparationszahlungen an Sklaverei-Nachkommen. Mit einer offenen Debatte sei schon viel gewonnen, meint er.

Notwendige Bewusstseinsarbeit und Stoff für die Schule

Die Rundgänge zur «Dark History» St.Gallens sind auf 24 Stationen erweitert worden. Dabei finden sich immer wieder neue Spuren – die Maestrani-Geschichte, die nach dem rassistischen Pfarrer Lavater benannte Strasse oder jüngere rassistische Vorfälle wie die Skinhead-Überfälle auf den früheren African Club im Linsebüel, die im Jahr 2000 zu einer Massenschlägerei mit skandalösem Polizeikommentar («Es tönte wie im Urwald») führten, noch nicht aufgenommen. Nebst der Versklavung von elf Millionen Menschen aus Afrika und dem Anti-Schwarzen-Rassismus gilt Fässlers Tour dem Antisemitismus sowie dem Antiziganismus. Freilich führten die dunklen Spuren über die Region hinaus: Anhand der Zellweger-Paläste in Trogen oder dem Stammschloss der Zollikofer in Altenklingen (wie auch ihre Sklavenplantage hiess) liessen sich die Sklavenhandel-Verstrickungen ebenso in Ausserrhoden oder im Thurgau erzählen.

Umbenennung von Denkmälern und Orten

Zwingende Umbenennungen von Denkmälern oder Orten in der Ostschweiz, wie es 2009 die Paul-Krügerstrasse in St.Galler verlangte, sieht Fässler nicht. «Ich bin kein Umbenennungsfreak, der die Welt durchreist auf der Suche nach Orten, die man umbenennen könnte. Die Rassisten Krüger und Agassiz sind besonders krasse Fälle, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit (Apartheid, Sklaverei, Nationalsozialismus) vordachten und darum keinen Erinnerungsort verdienen.»

Ein ähnlich gelagerter Fall sei allenfalls der als roter Platz bekannte Raiffeisenplatz, der in Sichtweite der Synagoge den Namen des fanatischen Antisemiten Friedrich Wilhelm Raiffeisen trägt. Die Bankleitung hat in Aussicht gestellt, den antisemitischen Aspekt ihrer Gründungsgeschichte zu beleuchten.

Wieviel Bewusstseinsarbeit noch zu leisten ist, offenbaren Kommentare auf jüngste Interviews Fässlers mit Wiedergutmachungs-Anspruch. Dutzende empörte «Blick»-Leser stellen krude historische Vergleiche mit angeblichem Unrecht der Eidgenossen an, die an den Ausblick Fässlers im Buch von 2005 erinnern. Unter dem Titel «Die Schlacht bei Vögelinsegg» befasst er sich da mit dem Widerstand der SVP und bürgerlicher Kantonsräte gegen den Lotteriefondsbeitrag.

Vorstoss zu Kolonial- und Sklavereigeschichte

Zwar wird die Schweizer Beteiligung an der Sklaverei in manchen Schulen und in der Lehrerausbildung thematisiert, etwa mit dem Luzerner Lehrmittel «Fremde Bilder». Die SP wird in der Septembersession einen Vorstoss zu Kolonial- und Sklavereigeschichte an St.Galler Schulen einreichen und den Regierungsrat auffordern, die entsprechenden Verwicklungen von Schweizer Akteuren in die Lehrpläne aller Stufen aufzunehmen. Augen öffnen, Bewusstsein schärfen: Am «Haus zum Mohrenkopf» hängt in einem Fenster unter dem strittigen Erker eine Flagge für die Konzernverantwortungsinitiative – als wär’s ein Kommentar zur Lehre für die Gegenwart, die man aus der globalen Geschichte der Textilmetropole ziehen müsste.



Kanton St.Gallen gegen Rassismus

Der Kanton St.Gallen hat seine Bemühungen gegen Rassismus verstärkt. Das belegt die Website des Kompetenzzentrums Integration und Gleichstellung im Amt für Soziales, auf der auch die Stadtrundgänge mit Hans Fässler angeboten und mit Materialien erklärt werden. Die Rundgänge wurden 2019 und 2020 (kurz vor dem Lockdown) für die Mitarbeitenden der Kantonsverwaltung angeboten und nun auch für die breite Bevölkerung zugänglich gemacht. Die kantonale Integrationsförderung im Departement des Innern setze sich seit längerem mit den Themen Rassismus und Diskriminierung auseinander, erklärt Projektleiter Srdjan Dragojevic.

Dazu gehört eine zusammen mit der gleichnamigen Heks-Fachstelle angebotene Beratung. Aufgrund der aktuellen Anti-Rassismus-Debatte und «aufbauend auf den guten Erfahrungen» lanciert das Kompetenzzentrum anstelle der Ende März coronabedingt ausgefallenen Aktionstage gegen Rassismus das Sensibilisierungsprojekt «Kanton St.Gallen gegen Rassismus». An der kantonsweiten Kampagne mit Plakaten, Veranstaltungen und Online-Interaktionen beteiligen sich zahlreiche Städte und Gemeinden.

«Um möglichst viele und unterschiedliche Beispiele von strukturellem und Alltagsrassismus aufzeigen zu können», rufen die Behörden auf der Website Betroffene (und Nichtbetroffene) auf, ihre Erfahrungen zu teilen. Die neue Sozialdirektorin Laura Bucher (SP) wird das Thema mit Ortsbesuchen begleiten: Der Auftakt zur Reihe ist morgen Mittwoch in Rheineck, wo die Regierungsrätin mit den Fussballclub-Junioren über Rassismus im Alltag sprechen wird.
(https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/ist-das-rassistisch-muss-das-weg-auf-den-spuren-dunkler-geschichte-im-stgaller-stadtbild-ld.1233775)