Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel
+++SCHWEIZ
Weltflüchtlingstag 2020: Digitales Lehrmittel «FLUCHT»
Pünktlich zum Weltflüchtlingstag am 20. Juni geht die erfolgreiche
Ausstellung «FLUCHT» online. Das digitale Lehrmittel gibt jungen
Menschen die Möglichkeit, die verschiedenen Stationen einer Flucht
kennenzulernen und so das komplexe Thema Flucht und Asyl besser zu
verstehen. Das Online Tool gibt es auf Deutsch, Französisch, Italienisch
und Englisch.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-79473.html
+++GRIECHENLAND
Griechenland kürzt Unterstützung für Asylberechtigte
Wer bereits einen positiven Asylstatus hat, hat in Zukunft kein Recht mehr auf eine kostenlose Unterkunft und 90 Euro im Monat
https://www.derstandard.at/story/2000118121868/griechenland-kuerzt-unterstuetzung-fuer-asylberechtigte?ref=rss
+++MITTELMEER
Online Podium: Sterben auf dem Mittelmeer stoppen!
Wir unterhalten uns mit vier Verterter*innen aus der Politik und der
Zivilgesellschaft über die Situation auf den Fluchtrouten, über
Handlungsmöglichkeiten und über laufende Initiativen. PODIUMSGÄSTE —
Hasan Hawar, hat die Flucht übers Mittelmeer und die Balkanroute selbst
erlebt — Mattea Meyer, SP-Nationalrätin Zürich — Till Rummenhohl,
ehemaliges Rettungsteammitglied von SOS MEDITERRANEE (https://sosmediterranee.ch/) — Klara, Sprecherin von UNITED against Refugee Deaths (http://unitedagainstrefugeedeaths.eu/) MODERATION Verena Mühlethaler, Citykirche Offener St. Jakob Zürich Das Podium ist Teil der Aktion «Beim Namen nennen 2020» https://www.beimnamennennen.ch
https://youtu.be/WgbJ2Ddc_M4
Sea-Watch rettet rund 100 Geflüchtete im Mittelmeer
Seenotrettungsschiff war nach drei monatiger Corona-Zwangspause erst vor wenigen Tagen wieder ausgelaufen
Nach mehr als drei Monaten Zwangspause hat die »Sea-Watch 3« rund 100
Geflüchtete aus Seenot gerettet, darunter auch zahlreiche Minderjährige.
Mehrere der Geretteten hätten an Bord des Rettungsschiffs umgehend
medizinische Hilfe erhalten.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1137984.seenotrettung-sea-watch-rettet-rund-gefluechtete-im-mittelmeer.html
Migration: Griechische Küstenwache setzt offenbar Flüchtlinge aus
Medienberichten zufolge werden Menschen hilflos auf aufblasbaren
Rettungsinseln im Mittelmeer zurückgelassen. Die Küstenwache bestreitet
die Vorwürfe indirekt.
https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-06/migration-mittelmeer-kuestenwache-griechenland-fluechtlinge
-> https://www.spiegel.de/politik/ausland/fluechtlinge-in-der-aegaeis-sie-haben-uns-zurueck-aufs-meer-gezogen-a-e101913d-509f-4c75-8cf5-f04c693b4ef1
+++EUROPA
Europäisches Asylrecht: Ist Moria bald überall?
Geht es nach Horst Seehofer, sollen Hotspots an der Außengrenze zum Kern
der neuen EU-Asylpolitik werden. Dabei zeigt sich in Griechenland, wie
problematisch das ist.
https://www.zeit.de/politik/deutschland/2020-06/europaeisches-asylrecht-horst-seehofer-asylreform-eu-grenzen/komplettansicht
+++LIBYEN
United We Stream & ALEX Berlin präsentieren: EU and Libya Collaboration – Pull Backs by Remote Control
Migration ist kein Verbrechen – und doch werden flüchtende Menschen oft
kriminalisiert. Die Moderator*innen Sara Bellezza (borderline-europe)
und Matthias Monroy (Editor CILIP) werden zusammen mit den Gäst*innen
Sally Hayden (Journalist*in), Yasha Maccanico (Statewatch), Lucia
Gennari (Mediterranea Saving Humans), Kiri Santer (Alarm Phone) und
Bérénice Gaudin (@Sea-Watch) u.a. über die aktuellen Entwicklungen in
den Lagern in Libyen sowie die Verantwortung der europäischen
Akteur*innen gesprochen. Mit Blick auf den anhaltenden Bürgerkrieg im
Land sowie die unzähligen Berichte über Folter, Vergewaltigung und
weitere menschenunwürdige Behandlungen in den Lagern muss es klar sein,
dass Libyen nicht als sicheres Aufenthaltsland für geflüchtete Menschen
gelten darf.
https://www.facebook.com/ALEX.berlin.de/videos/684355958791585/
+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Grüne fordern Abschaffung von Demo-Bewilligungspflicht
Nach Frauenstreik-Eklat: Grüne wollen die Abschaffung der
Demo-Bewilligungspflicht. Ein ehemaliger Polizeikommandant begrüsst
dagegen Polizei-Körperkameras.
https://telebasel.ch/2020/06/17/gruene-fordern-abschaffung-von-demo-bewilligungspflicht
Abgeführte Basler Nationalrätin Arslan exklusiv: «Plötzlich war der Befehl da, einzuschreiten»
Nationalrätin Sibel Arslan (Grüne Fraktion) spricht über den
Polizeieinsatz am Frauenstreik in Basel. Sie war eine der Teilnehmenden,
die an der friedlichen Demonstration abgeführt wurden. Während Arslan
Unverhältnismässigkeit anprangert, erwidert Polizeikommandant Martin
Roth auf ihre Vorwürfe: «Die Polizei hat keine Fehler gemacht.»
https://www.20min.ch/video/ploetzlich-war-der-befehl-da-einzuschreiten-289840668058
Belästigten Polizisten Demo-Teilnehmerinnen sexuell?
Harsche Kritik: Teilnehmerinnen der Frauendemo vom Sonntag werfen der
Basler Polizei sexuelle Belästigung und Gewalt vor. Im Talk bezieht
Baschi Dürr Stellung.
https://telebasel.ch/2020/06/17/belaestigten-polizisten-demo-teilnehmerinnen-sexuell
-> https://www.20min.ch/story/teilnehmende-der-frauendemo-werfen-der-polizei-sexuelle-belaestigung-vor-821335754038
Baschi Dürr verteidigt Polizeieinsatz bei Frauen-Demo in Basel: «Ich sehe keinen Grund für eine Entschuldigung»
Am Rande der Basler Frauendemo vom Sonntag kam es zu einem Zwischenfall.
Auch Grünen-Nationalrätin Sibel Arslan wurde abgeführt. Basels
Sicherheitsdirektor Baschi Dürr verteidigt den Einsatz nun.
https://www.blick.ch/news/politik/baschi-duerr-verteidigt-polizeieinsatz-bei-frauen-demo-in-basel-ich-sehe-keinen-grund-fuer-eine-entschuldigung-id15941711.html
24 Nadelstiche gegen die Lagerverwalterin ORS
Im Bundesasyllager Basel wird von Securitas systematisch Gewalt gegen Bewohner*innen angewendet – die ORS ist mitverantwortlich.
Die jüngsten Berichte über die gezielte und systematische Gewalt von
Securitas-Angestellten gegen Bewohner*innen des Bundesasyllagers in
Basel haben uns emotional nicht kalt gelassen. Mit ihren Geschichten an
die Öffentlichkeit zu gehen ist ein widerständiger Akt. Damit fordern
sie uns alle auf, ebenfalls Position zu beziehen.
https://barrikade.info/article/3607
Basel: Zwei auf einen Schlag — Two for One
In der Nacht auf den 16. Juni haben wir ein Auto von Securitrans mit Buttersäure sabotiert.
Immer wieder Demütigungen und Gewalt vonseiten der Securitas gegen
Menschen in den Lagern. Kürzlich wurden mehrere solcher Vorfälle im
Bundesasyllager Bässlergut in Basel publik. Das ist nichts Neues, keine
Überraschung und es sind bestimmt auch keine ‹Einzelfälle›. Die
Diskussion um Verhältnismässigkeit oder eben nicht und Asdrücke wie
‹angemessener körperlicher Zwang› tut nichts zur Sache und versucht nur
eines zu verbergen: Das Lager ist ein lebensfeindlicher Ort, geprägt von
Stress, Abhängigkeit, ewigen Wartereien, Fremdbestimmung, Kontrolle,
strikten Regeln, Zwang und Sanktion, in dem es unweigerlich zu Gewalt
kommen muss. Genauso wie der Polizeiapparat mit seinem Monopol zur
Gewaltanwendung logischerweise zu Brutalität führt. (An dieser Stelle:
Fight The Police! und Solidarität mit den Revoltierenden in den USA und
auf der ganzen Welt).
Das Problem heisst Autorität. Zerstören wir sie!
https://barrikade.info/article/3609
Gegen Rassismus und für Frauenrechte
Am Samstag fanden in St.Gallen zwei bewilligte Demonstrationen mit
Kundgebungen statt. Es wurde gegen Rassismus demonstriert und
gleichzeitig fand der Sternmarsch des Frauenstreiks statt.
https://www.st-galler-nachrichten.ch/st-gallen/detail/article/gegen-rassismus-und-fuer-frauenrechte-00185638/
+++REPRESSION DE
G20-Elbchaussee-Prozess jetzt öffentlich: G20-Angeklagter klagt die Justiz an
Kurz vor seinem Abschluss ist der Elbchaussee-Prozess wieder öffentlich.
Der Angeklagte Loic S. gibt eine Erklärung ab, die ihn nicht entlastet
https://taz.de/G20-Elbchaussee-Prozess-jetzt-oeffentlich/!5689867/
Neue Maßstäbe
Hamburg: G-20-Verfahren um Ausschreitungen auf der Elbchaussee nähert
sich dem Ende. Strafen für bloße Demonstrationsteilnahme drohen
https://www.jungewelt.de/artikel/380435.kriminalisierung-von-protest-neue-ma%C3%9Fst%C3%A4be.html
+++ANTITERRORSTAAT
Umstrittenes Schweizer Antiterrorismus-Gesetz
Trotz Kritik aus der internationalen Gemeinschaft hat sich die Grosse
Parlamentskammer am Dienstag darauf geeinigt, das Arsenal an Massnahmen
zur Bekämpfung des Terrorismus zu verstärken. Die Verschärfung
beunruhigt einige Strafrechtler. „Anstatt den terroristischen Akt zu
bestrafen, läuft es fast auf eine Bestrafung der blossen Absicht
heraus“, sagt Kastriot Lubishtani, Doktorand am Zentrum für Strafrecht
der Universität Lausanne.
https://www.swissinfo.ch/ger/umstrittenes-schweizer-antiterrorismus-gesetz/45842278
-> 10vor10: https://www.srf.ch/play/tv/10vor10/video/10vor10-vom-17-06-2020?id=667504f8-6e7a-4230-a12b-f71833e34bf2
-> https://www.20min.ch/story/wird-das-antiterrorgesetz-nach-uno-tadel-abgeschwaecht-368935005575
+++KNAST
LGBTIQ-Personen im Freiheitsentzug schützen? Nationalrat sag NEIN!
Es ist einleuchtend: Um den LGBTIQ-Personen im Freiheitsentzug ihre
Rechte zu garantieren, muss mensch zunächst ihre Situation kennen. Im
März 2018 wurde deshalb im Nationalrat von Lisa Mazzone (Grüne) ein
entsprechendes Postulat eingereicht – und soeben vom Nationalrat
abgelehnt.
https://stinknormal.blog/2020/06/17/lgbtiq-personen-im-freiheitsentzug-schuetzen/
-> https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20183267
Individueller Vollzug als neuen Ansatz
Der neue Direktor der Berner Justizvollzugsanstalt Thorberg, Hans-Rudolf
Schwarz, plant in dieser Strafanstalt verschiedene Neuerungen.
Hauptstossrichtung ist der Wechsel von einem Massenvollzug zu einem
«Justizvollzug nach Mass».
https://www.neo1.ch/news/news/newsansicht/datum/2020/06/16/individueller-vollzug-als-neuen-ansatz.html
+++POLICE BE
derbund.ch 17.06.2020
Diskriminierende Polizeikontrollen: Polizeidirektor Müller sieht keinen Handlungsbedarf
Regierungsrat Philippe Müller widerspricht Forderungen von Aktivisten
auf der Strasse und Politikerinnen im Stadtrat: Im Kanton Bern würden
dunkelhäutige Menschen nicht ohne Verdacht kontrolliert.
Andres Marti
Letzten Samstag demonstrierten in der Stadt Bern Tausende gegen
Rassismus. Der Protest auf der Strasse richtete sich auch gegen
diskriminierende Polizeikontrollen, sogenanntes Racial Profiling, bei
dem Menschen wegen ihrer Hautfarbe angehalten werden.
«Racial Profiling ist im Kanton Bern eine Realität», sagt der
dunkelhäutige Berner Yannis Maviaki, der soeben die Matur abgeschlossen
hat. Der 19-Jährige hat selber Personenkontrollen erlebt, bei denen er
als Einziger in einer Gruppe von Freunden von der Kantonspolizei
herausgepickt und kontrolliert wurde.
Dass solche Anhaltungen nun auch im Berner Stadtrat thematisiert werden,
stösst beim kantonalen Polizeidirektor Philippe Müller (FDP) auf wenig
Verständnis. Letzte Woche haben dort alle dunkelhäutigen
Stadtratsmitglieder Auskunft über die Massnahmen zur Vermeidung von
Racial Profiling bei der Kantonspolizei verlangt. Auch die Einführung
eines Quittungssytems wird in ihrem Vorstoss zur Sprache gebracht.
Müller sagt dazu gegenüber dem «Bund»: «Mich stört, dass die Situation
in den USA nun ausgenutzt wird, um bei uns politische Ziele zu
erreichen, die bisher stets chancenlos waren.» Er ist dagegen, dass die
Kantonspolizei zusätzliche Pflichten übernehmen muss. «Ein
Quittungssystem würde die Polizeiarbeit massiv erschweren, was letztlich
den Kriminellen hilft.»
Linke Berner Stadträtinnen und Stadträte fordern schon seit Jahren
erfolglos, dass bei sämtlichen Personenkontrollen eine Quittung mit
Angaben zur kontrollierten Person und zu Zeit, Ort, Grund und Ergebnis
der Kontrolle erstellt und eine Kopie davon den kontrollierten Personen
abgegeben wird.
«Es gibt kein Racial Profiling»
Für Müller ist hingegen klar: «Die Kantonspolizei Bern betreibt kein
Racial Profiling.» Wenn ein dunkelhäutiger Mann im Perimeter Reitschule
kontrolliert werde, dann tue die Polizei das auf einen konkreten
Verdacht hin. «Der illegale Drogenhandel dort ist nun mal in der Hand
von Farbigen aus Afrika. Als dunkelhäutiger Mann muss man bei der
Reitschule deshalb damit rechnen, allenfalls von der Polizei
kontrolliert zu werden», so Müller.
«Racial Profiling ist im Kanton Bern sehr wohl ein Problem», entgegnet
Giorgio Andreoli, Sozialarbeiter und Leiter der Fachstelle Gemeinsam
gegen Gewalt und Rassismus.
Um diskriminierende Personenkontrollen zu vermeiden, hat die Fachstelle
2012 ein Projekt initiiert mit dem Ziel, den Dialog zwischen der
dunkelhäutigen Bevölkerung und der Kantonspolizei Bern zu fördern, um
Konflikte bei Personenkontrollen zu vermeiden. Mitarbeitende der
Fachstelle besuchen zudem die afrikanischen Communities und verteilen
dort Flyer, um auf das Problem aufmerksam zu machen. Bei konkreten
Beschwerden wird mit der Polizei das Gespräch gesucht.
Kaum Zahlen
Letztes Jahr sind bei der Fachstelle 15 Meldungen zu rassistischem
Polizeiverhalten eingegangen. Es ist die einzige Zahl überhaupt, die zu
diskriminierenden Kontrollen im Kanton Bern erhältlich ist. Ihre
Aussagekraft ist beschränkt: Erstens sind dabei auch Fälle enthalten,
die wohl auch auf das Konto der Grenzpolizei oder Bahnpolizei gehen.
Zweitens meldet sich nicht jeder, der sich ungerechtfertigt kontrolliert
fühlt, bei der Fachstelle.
Laut Andreoli hat es Verbesserungen gegeben: Dass Racial Profiling
systematisch, auf Anweisung von oben, angeordnet werde, etwa dass man am
Bahnhof zu einer bestimmten Zeit alle dunkelhäutigen Passanten
kontrolliere, komme heute in Bern nicht mehr vor. Yannis Maviaki stimmt
ihm zu: Das Problem der diskriminierenden Kontrollen sei früher wohl
schlimmer gewesen. «Mein Vater war davon noch viel stärker betroffen.»
–
Racial Profiling nicht im Vertrag
Die Stadt wollte gestern nicht zur Interpellation im Stadtrat Stellung
nehmen. Da der Vorstoss gerade erst eingereicht worden sei, könne und
wolle man der Antwort des Gemeinderats nicht vorgreifen, heisst es bei
der zuständigen Sicherheitsdirektion. Ob der Stadtberner Gemeinderat
Einfluss auf die Polizeiarbeit nehmen kann, ist sowieso fraglich: Laut
der kantonalen Sicherheitsdirektion regelt der Vertrag mit der Polizei
nur, welche Ressourcen die Kantonspolizei Bern für Einsätze auf
Stadtgebiet einsetzt und welche Abgeltungen die Stadt ihrerseits für die
polizeilichen Dienstleistungen macht. «Es gibt in diesem
Ressourcenvertrag keinen Passus zum Thema Racial Profiling», so Lea
Zürcher, Sprecherin der Sicherheitsdirektion. (ama)
(https://www.derbund.ch/polizeidirektor-mueller-sieht-keinen-handlungsbedarf-910569685831)
—
derbund.ch 16.06.2020
Kommentar zum Rassismus-Vorwurf: So leicht darf es sich
die Polizei nicht machen
Kontrolliert die Berner Polizei dunkelhäutige Menschen besonders häufig?
Es braucht mehr Transparenz, schreibt «Bund»-Chefredaktor Patrick Feuz.
Patrick Feuz
Die Vorfälle in den USA mit den Zuständen in Bern gleichzusetzen, wäre
zynisch. Weder gibt es hier vergleichbare Polizeigewalt, noch
profitieren bei uns fehlbare Beamte von weitgehender Immunität. Zu
fragen, ob nicht auch im bernischen Polizeikorps rassistische Reflexe
spielen, ist trotzdem legitim. Denn auch bei uns wird immer wieder der
Vorwurf laut, dass die Polizei dunkelhäutige Menschen besonders häufig
kontrolliere. Personenkontrollen allein aufgrund der Hautfarbe sind
illegal, weil willkürlich.
Belastbares Zahlenmaterial, wie verbreitet sogenanntes Racial Profiling
in der Schweiz ist, gibt es nicht. Daraus zu folgern, dass es in Bern
nicht vorkommt, wäre blauäugig. Wenn Dunkelhäutige berichten, wie sie an
unverdächtigen Orten gestoppt werden, ist das ernst zu nehmen. Jeder,
der es schon selber erlebt hat, weiss: Unschuldig angehalten und
aufgehalten zu werden, fühlt sich schlecht an. Natürlich gibt es keine
Sicherheit, ohne dass mitunter auch die Freiheit unbescholtener Bürger
leidet; in einem liberalen Staat muss das aber so selten wie möglich der
Fall sein.
Es braucht Zahlen
Geht es um den Umgang der Polizei mit Dunkelhäutigen, wird es politisch
rasch hitzig. Viele Kritiker sehen in jeder Kontrolle eines
Dunkelhäutigen einen Beleg für Rassismus – und offenbaren so eine
irritierende Realitätsferne. An einschlägigen Orten werden
Dunkelhäutige besonders kontrolliert, weil sie den Drogenhandel
dominieren. Die Polizisten machen nur ihren Job.
Umgekehrt wirkt in der Sache auch der Berner FDP-Polizeidirektor
Philippe Müller unbeweglich. Kritikern unterstellt er, bloss die
Polizeiarbeit erschweren zu wollen. Dass Polizisten jedem Kontrollierten
künftig eine Quittung ausstellen, wie das auch schon gefordert wurde,
mag unpraktikabel sein. Aber Müller darf es sich nicht zu leicht
machen: Dass die Polizei selber keine Zahlen hat, wie viele Kontrollen
an welchem Ort sie bei welchem Verdacht durchführt, oder diese nicht
bekannt gibt – das geht eben auch nicht.
(https://www.derbund.ch/so-leicht-darf-es-sich-die-polizei-nicht-machen-601033123626)
+++POLIZEI BL
Wegen Falschgeld angezeigt: Baselbieter Polizeieinsatz gegen Jan (8) wird untersucht
Ein Achtjähriger hat in Diegten BL einen Polizeieinsatz ausgelöst – weil
er mit Falschgeld zahlen wollte. Der Vorfall wird nun extern
untersucht.
https://www.blick.ch/news/schweiz/basel/wegen-falschgeld-angezeigt-baselbieter-polizeieinsatz-gegen-jan-8-wird-untersucht-id15942870.html
-> https://www.baselland.ch/politik-und-behorden/direktionen/sicherheitsdirektion/medienmitteilungen/untersuchung-zwecks-klarheit-in-der-angelegenheit-maerkli
-> -> https://www.bzbasel.ch/basel/baselbiet/naechste-runde-im-diegter-spielgeld-fall-138195263
-> https://www.bazonline.ch/kathrin-schweizer-laesst-fall-maerkli-untersuchen-751383883258
-> https://telebasel.ch/2020/06/17/regierungsraetin-schweizer-gibt-untersuchung-im-fall-maerkli-in-auftrag
-> http://www.onlinereports.ch/News.117+M592e701803d.0.html
+++POLICE GE
Genf: Vermittlungsstelle gegen rassistische Polizeigewalt – Rendez-vous
In Genf gibt es eine Fachstelle, die bei Beschwerden gegen die Polizei
vermittelt. Es war ein einschneidendes Erlebnis, das einen Ex-Polzisten
mit rechter Vergangenheit zum Vermittler werden liess. Das Gespräch.
https://www.srf.ch/play/radio/rendez-vous/audio/genf-vermittlungsstelle-gegen-rassistische-polizeigewalt?id=7af949bc-5490-4f31-9222-a1c8396cabba
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/polizeigewalt-in-der-schweiz-die-proteste-sind-ein-warnsignal
+++POLIZEI DE
Widerstand unbekannt
Deutsche Polizeigewalt
Auf deutschen Polizeistationen wurde bis Frühjahr 1945 geprügelt und
gefoltert. Über Widerstandsaktionen von Polizeibeamten ist nichts
bekannt. Wie deutsche Polizisten heute ticken ist ebenfalls unbekannt.
Das wird weder gelehrt noch erforscht.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1137986.widerstand-unbekannt.html
Es hat sich was geändert – aber nicht zum Besseren
Der Rassismus bei der Polizei äußert sich vielfältig – und nicht erst seit gestern
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1137981.rassismus-in-der-polizei-es-hat-sich-was-geaendert-aber-nicht-zum-besseren.html
+++POLIZEI INT
In ganz Europa sterben Menschen durch Polizeigewalt – hier sind ihre Geschichten
Dass People of Color durch Polizistenhand umkommen, ist kein exklusiv US-amerikanisches Problem.
https://www.vice.com/de/article/5dz33z/sieben-beispiele-fuer-polizeigewalt-in-europa-tod-rassismus
+++RASSISMUS
Ein Gespräch mit Rapper Nativ: «Diese Revolution beginnt in unseren Köpfen»
Nativ ist das Gesicht der Schweizer Rapszene. Auch weil er Themen wie
Rassismus und Zugehörigkeit längst mit einem positiven Selbstbewusstsein
behandelt. Er fordert die Schweiz auf, ihr Selbstbild upzudaten.
https://www.woz.ch/2025/ein-gespraech-mit-rapper-nativ/diese-revolution-beginnt-in-unseren-koepfen
Auf allen Kanälen: Schützen wir die Polizei
Die «Arena» des Schweizer Fernsehens wollte ein Zeichen setzen und über Rassismus debattieren. Sie wurde zur Farce.
https://www.woz.ch/2025/auf-allen-kanaelen/schuetzen-wir-die-polizei
Schweizer Geschichte: Ich sehe was, was du nicht siehst, und es ist weiss
An den Figuren der Hausfrau und des Bergführers beschreibt Patricia
Purtschert die Geschichte einer weissen Schweiz – und hilft damit, die
aktuellen Debatten um Antirassismus und Feminismus zu verschränken.
https://www.woz.ch/2025/schweizer-geschichte/ich-sehe-was-was-du-nicht-siehst-und-es-ist-weiss
Wegen Rassismus-Debatte: Zunft zum Mohren verhüllt Statue
Am Montag wurde ein umstrittenes Wandbild im Schulhaus Wylergut mit
schwarzer Farbe übermalt. Aus Angst vor Vandalen hat die Zunft zum
Mohren ihr Skulptur vorsorglich verhängt. Gerechtfertigte Vorsorge oder
übertriebene Vorsicht?
https://www.telebaern.tv/telebaern-news/wegen-rassismus-debatte-zunft-zum-mohren-verhuellt-statue-138196644
Keine Anzeige wegen übermaltem Wandbild im Wylergut
Der Berner Gemeinderat verzichtet auf eine Anzeige, weil er die Kritik
am rassistischen Wandbild in der Schule Wylergut nachvollziehen kann.
https://www.bernerzeitung.ch/keine-anzeige-wegen-uebermaltem-wandbild-im-wylergut-371803627661
-> https://www.bern.ch/mediencenter/medienmitteilungen/aktuell_ptk/gemeinderat-begruesst-aktuelle-debatte-um-rassismus
fight white supremacy
Im Schulhaus Wyler steht ein Wandbild mit dem ABC, bestehend aus Bildern
von Pflanzen, Tieren und Menschen. Beim Buchstaben N, I und C sind drei
Menschen stereotypisiert, rassistisch und fremdbezeichnend dargestellt.
Der Gebrauch vom N- und I-Wort ist rassistisch und nicht akzeptabel,
weder in einer Bildungseinrichtung noch für die Bezeichnung einer
Süssigkeit.
https://barrikade.info/article/3604
Warum die Schweiz nicht über Rassismus diskutieren kann
Es herrscht grosse Verwirrung in der Schweiz. Darüber, wer was sagen und
darüber wer was machen darf. Kein Wunder. Wir sind gesellschaftlich
relevanten Diskussionen jahrhundertelang aus dem Weg gegangen.
https://www.watson.ch/!294972018
«Rassismus habe ich noch nie erlebt»
Der Präsident der Jungen Berner SVP ist dunkelhäutig und Polizist. Hegt
er darum Sympathien für die Schweizer Black Lives Matter Bewegung? Nein –
im Gegenteil.
https://www.20min.ch/video/rassismus-habe-ich-noch-nie-erlebt-251241677101
Afroamerikanische Literatur – Der schwarze Blick auf eine weisse Welt
Rassismus in der Literatur – heute und damals: Die Romane von James
Baldwin und Regina Porter erzählen eindrücklich davon. Zeit, sie zu
entdecken.
https://www.srf.ch/kultur/gesellschaft-religion/wochenende-gesellschaft/afroamerikanische-literatur-der-schwarze-blick-auf-eine-weisse-welt
SRF-Arena stellt schwarze Teilnehmerliste vor
Nach der Kritik an der Teilnehmerliste der letzten Arena hat Moderator
Sandro Brotz die Gäste der zweiten Rassismus-Sendung vom kommenden
Freitag vorgestellt.
https://www.nau.ch/news/schweiz/srf-arena-stellt-schwarze-teilnehmerliste-vor-65725910
Schwarze boykottieren Roger Köppel: SRF spült Sendung über Rassismus
Roger Köppel wurde zu einer Rassismus-Debatte von Radio SRF eingeladen.
Auf ein Gespräch mit dem SVP-Hardliner hatten Angefragte aber offenbar
keine Lust.
https://www.nau.ch/politik/international/schwarze-boykottieren-roger-koppel-srf-spult-sendung-uber-rassismus-65725459
-> https://www.nzz.ch/schweiz/fernseh-arena-nimmt-einen-neuen-anlauf-und-will-ueber-rassismus-nur-mit-schwarzen-diskutieren-ld.1561692
+++RECHTSPOPULISMUS
Burka-Verbot: Debatte über Rechtsstaat, Religion und Frauenrechte
Der Nationalrat hat am Mittwochmorgen die Beratung über die
Burka-Initiative aufgenommen. Es ist eine Debatte über Rechtsstaat,
Religion und Frauenrechte. Für die Initiative treten nur die SVP und ein
Teil der Mitte-Fraktion ein.
https://www.parlament.ch/de/services/news/Seiten/2020/20200617132824768194158159041_bsd114.aspx
-> https://www.parlament.ch/de/services/news/Seiten/2020/20200617105147714194158159041_bsd062.aspx
-> https://www.parlament.ch/de/services/news/Seiten/2020/20200617050039225194158159041_bsd021.aspx
-> https://www.blick.ch/news/politik/debatte-zur-burka-initiative-im-ticker-und-das-mitten-in-der-corona-krise-svp-will-verhuellung-verbieten-id15941307.html
-> Tagesschau: https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/tagesschau-vom-17-06-2020-hauptausgabe?id=622f4233-1b87-42b6-a487-2b45a3222a30
-> https://www.telezueri.ch/zuerinews/burka-initiative-feministinnen-irritiert-ueber-svp-engagement-fuer-frauenrechte-138196627
-> https://www.tvo-online.ch/aktuell/debatte-um-burka-nationalrat-beschaeftigt-sich-mit-138196401
+++RECHTSEXTREMISMUS
Umstrittener Verein hat Sitz in Rotkreuz – Uniter: Zuger Regierung sieht keinen Handlungsbedarf
Der Verein Uniter, dem rechtsextreme Tendenzen nachgesagt werden, hat
dieses Jahr seinen Hauptsitz in den Kanton Zug verlegt. Die Alternative –
die Grünen (ALG) reichte daraufhin eine Interpellation ein. Dem
Regierungsrat sind jedoch die Hände gebunden.
https://www.zentralplus.ch/uniter-zuger-regierung-sieht-keinen-handlungsbedarf-1819371/
Deutscher Neonazi steht in Hinwil vor Bezirksgericht
Ein deutscher Neonazi muss sich am Dienstag vor dem Bezirksgericht in
Hinwil ZH verantworten. Dies wegen Rassendiskriminierung und einem
Waffenlager.
https://www.nau.ch/news/schweiz/deutscher-neonazi-steht-in-hinwil-vor-bezirksgericht-65725789
Terrordrohung im Rap-Lied
Neonazirapper Chris Ares bringt ein neues Album heraus. In seinen
Liedern schürt er Angst vor Migranten und verherrlicht rechten
Terrorismus.
https://blog.zeit.de/stoerungsmelder/2020/06/17/terrordrohung-im-rap-lied_29825
+++VERSCHWÖRUNGSTHEORIEN
Bewilligte «Corona-Mahnwache» auf Münsterplatz geplant
Anonyme Organisatoren, die mit dem Namen «Impuls2020» auftreten, laden zu einem Nachmittagsprogramm ein.
https://primenews.ch/news/2020/06/bewilligte-corona-mahnwache-auf-muensterplatz-geplant
Anonymous schlägt zu und stiftet Chaos in Chat-Gruppe von Corona-Verschwörungstheoretikern
Letzte Woche hat das Hacker-Kollektiv Anonymous einen Webserver von
Corona-Verschwörungstheoretiker Attila Hildmann gehackt und weitere
Aktionen angedeutet. Nun ist es bereits passiert.
https://www.watson.ch/!367691925
Buch „Fake Facts“ – auch zur Coronakrise: Wenn Verschwörungstheorien extrem gefährlich werden
Katharina Nocun und Pia Lamberty sezieren Verschwörungsdenken: Auch
vermeintliche Spinnereien können Einstieg für Radikalisierung sein.
https://www.tagesspiegel.de/kultur/buch-fake-facts-auch-zur-coronakrise-wenn-verschwoerungstheorien-extrem-gefaehrlich-werden/25921432.html
Neue Weltordnung? Streit um Snowboard-Star artet aus: Rapper Knackeboul fordert Sperre für Müller
Nicolas Müller spüre sich schon seit Wochen nicht mehr, schreibt Rapper
Knackeboul auf Instagram. Er fordert seine Follower auf, den Snowboarder
wegen dessen Verschwörungstheorien zu melden.
https://www.blick.ch/sport/wintersport/snowboard/neue-weltordnung-streit-um-snowboard-star-artet-aus-rapper-knackeboul-fordert-sperre-fuer-mueller-id15941724.html
-> https://www.blick.ch/sport/wintersport/snowboard/sponsoren-kicken-nicolas-mueller-raus-schweizer-snowboard-held-glaubt-an-neue-weltordnung-id15940010.html
Die Seuche, das sind die Anderen: Autoritäre Corona-Rebellen-Proteste in Rheinland-Pfalz
Was wollen die „Coronarebellen“ eigentlich? Warum demonstrieren sie
gegen mangelnde Meinungs- und Versammlungsfreiheit, während sie sie
ausüben? Und warum ist das für Menschen attraktiv? Eine Analyse zum
autoritären Charakter der Proteste aus Rheinland-Pfalz.
https://www.belltower.news/die-seuche-das-sind-die-anderen-autoritaere-corona-rebellen-proteste-in-rheinland-pfalz-100443/
Zwischen 5G und der Verbreitung des Coronavirus besteht definitiv kein Zusammenhang
In Europa häufen sich Attacken gegen Mobilfunkantennen. Dahinter dürfte
auch die These stecken, wonach die Verbreitung von 5G mit Covid-19
zusammenhänge. Die NZZ hat die These kritisch überprüft.
https://www.nzz.ch/technologie/besteht-ein-zusammenhang-zwischen-5g-und-dem-coronavirus-ld.1561372
-> 10vor10: https://www.srf.ch/play/tv/10vor10/video/10vor10-vom-17-06-2020?id=667504f8-6e7a-4230-a12b-f71833e34bf2
+++HISTORY
Postkolonialismus: Staatlich verordnete Amnesie
Bis «Black Lives Matter»-AktivistInnen sie herunterrissen: Warum konnte
die Statue eines Sklavenhändlers im Hafen Bristol über hundert Jahre
lang in Ruhe stehen bleiben?
https://www.woz.ch/2025/postkolonialismus/staatlich-verordnete-amnesie
—
spiegel.de 17.06.2020
Wie aus Kayvan Soufi-Siavash der Verschwörungsideologe Ken Jebsen wurde
Mit wirren Thesen zur Coronakrise erreicht „KenFM“ Zehntausende
Zuschauer im Internet. Der SPIEGEL hat den Werdegang des Machers
nachgezeichnet. Auffällig sind seine Verbindungen nach Russland.
Von Maik Baumgärtner, Roman Höfner, Ann-Katrin Müller, Roman Lehberger, Alexandra Rojkov und Sara Wess
Es ist 4.35 Uhr, mitten in der Nacht des 6. November 2011, als der
Publizist Henryk Broder im Netz die E-Mail eines gewissen Kayvan
Soufi-Siavash veröffentlicht und zwei Ereignisse in Gang setzt. Zum
einen sorgt er dafür, dass Soufi-Siavash, damals wie heute besser
bekannt als Ken Jebsen, seinen Job als Radiomoderator des
öffentlich-rechtlichen Rundfunks rbb verliert. Zum anderen startet er
die Internetkarriere von Soufi-Siavash, der fortan gegen die klassischen
Medien hetzt und Verschwörungsideologien verbreitet.
Die krude Quintessenz von Soufi-Siavashs Mail, die Broder verbreitete:
Dunkle Mächte regierten die Weltgeschicke. Soufi-Siavash faselt ohne
Rücksicht auf Grammatik und Zeichensetzung von der CIA, der Nato und
über „die grosse sache derer die ganz oben uns alle wie marionetten
tanzen lassen“. Die Zeilen waren nicht für Broder bestimmt, sie wurden
ihm von einem Hörer des rbb zugespielt. Der Hörer hatte sich über die
Beiträge Soufi-Siavash beschwert und prompt eine Antwort des
Radiomoderators erhalten: „Sie brauchen mir keine holocaus informatinen
zukommen lassen. ich habe mehr als sie. ich weis wer den holocaust als
PR erfunden hat.“ Broder veröffentlicht die Mail – und sorgt für einen
Skandal im rbb.
Broder, 73, sitzt vor wenigen Wochen vor dem großen Bücherregal in
seiner Berliner Wohnung und starrt auf den Laptop. Er hat die alte
E-Mail noch einmal herausgesucht. Die Nachricht an den Zuhörer strotze
nur so vor antisemitischen Klischees, sagt Broder. Daran ändere auch
Soufi-Siavashs öffentliche Verurteilung des Holocausts nichts.
Die Empörung nach Broders Veröffentlichung im November 2011 war groß.
Zunächst hielt die Führung des rbb zu Soufi-Siavash. Den Vorwurf des
Antisemitismus sah man nach einer Aussprache als unbegründet an. Dann
schauten sich die Verantwortlichen im Sender seine Arbeit genauer an.
Wie die damalige Programmdirektorin Claudia Nothelle feststellte,
entsprachen zahlreiche seiner Beiträge „nicht den journalistischen
Standards des rbb“. Der zuständige Programmchef trat zurück.
Soufi-Siavash musste das Haus verlassen. Er machte selbstständig weiter.
Zwölf Millionen Videoaufrufe allein im April
Heute ist Soufi-Siavash alias Ken Jebsen einer der erfolgreichsten
Verschwörungsideologen Deutschlands. Seine Plattform „KenFM“ bedient
verschiedene Formate, es gibt Videos, Podcasts und Texte, eine eigene
Website und eine App. Und spätestens seit der Coronakrise erreicht er
damit Millionen Menschen. Die Pandemie bescherte seinem YouTube-Kanal
einen massiven Zuwachs. Im März dieses Jahres gewann er rund 35.000 neue
Abonnenten hinzu, im April waren es 75.000. Im vergangenen Jahr waren
es monatlich nur etwa 5000 bis 6000. Mit den neuen Abonnenten steigt
auch die Zahl der Videoaufrufe, zwölf Millionen waren es allein im
April.
Während der ersten Proteste um die sogenannten Hygiene-Demonstrationen
in Berlin waren es KenFM und das Querfront-Magazin „Rubikon“, die
beifallheischend berichteten. Die beiden Medien verbindet mehr als das
Verbreiten kruder Theorien: Einer der früheren Mitgesellschafter und
Gründer von „Rubikon“ ist heute verantwortlich für die technische
Betreuung der KenFM-App.
Wie aber war es möglich, dass sich ein populärer Radiomoderator eines
öffentlich-rechtlichen Senders zu einem Verschwörungs-YouTuber
entwickeln konnte? Am liebsten würde man darüber natürlich mit
Soufi-Siavash selbst sprechen. Doch als der SPIEGEL ihm Fragen zu den
Informationen stellte, die sich in diesem Text finden, erhielt er
keinerlei Antwort.
„Meister der Provokation”
Einer, der Soufi-Siavash schon lange kennt, ist Steffen Höffner (Name
geändert). Ende der Achtzigerjahre volontierte er mit Soufi-Siavash beim
Reutlinger Radiosender „Neufunkland“. „Ich habe gerne mit ihm
gearbeitet. Damals waren wir beide jung und sehr meinungsstark“, sagt
der heute 51-Jährige. Soufi-Siavash habe erzählt, er sei Waldorfschüler
gewesen. „Das glaube ich ihm auch, er hat immer seinen Namen getanzt.
Aber man musste schon aufpassen, was er erzählte. Vieles waren Legenden.
Er war damals schon ein Prediger, nur die Themen haben sich gewandelt.“
Höffner überrascht nicht, dass Jebsen heute Verschwörungsideologien
propagiert. „Er hatte schon immer einen extremen Geltungsdrang, er ist
Narzisst, das ist seine Existenzgrundlage.“ Seine Motivation laut
Höffner: im Mittelpunkt stehen und damit Geld verdienen.
Zum Radio sei Soufi-Siavash wegen seiner Leidenschaft zur Musik
gegangen, sagt Höffner. Auch damals sei er ein „cleverer Geschäftsmann“
gewesen und habe gesagt „Radio bringt keinen Erfolg, ich mache jetzt
Fernsehen.“ Den Namen „Ken Jebsen“ habe sein damaliger Freund während
des Volontariats angenommen. „Er hat sich damals überall als Keks
vorgestellt, so hat er auch moderiert.” Der Chefredakteur habe dann aber
gesagt, dass sich ein Reporter nicht so nennen könne. Das Pseudonym
hätten sich Jebsen und Höffner dann gemeinsam ausgedacht: „Der Name
Jebsen stammt aus der Familie seiner Mutter, und Ken, weil seine Frisur
aussah wie die von Barbie-„Ken.“
Vor 20 Jahren habe er den Kontakt verloren. Die Entwicklung seines
früheren Kompagnons überrascht Höffner nicht. „Er war immer schon ein
Meister der Provokation, er ist Entertainer, ein verbales
Maschinengewehr.“
Auch ein ehemaliger Mitarbeiter von Soufi-Savashs Produktionsfirma
„sector B” berichtet dem SPIEGEL, dass Soufi-Siavash nach seinem
skandalösen Abgang beim rbb offenbar große Pläne hatte und eine eigene
Fernsehsendung produzieren wollte. Er habe ein großes Publikum erreichen
wollen, so der Ex-Mitarbeiter – doch der Plan scheiterte.
Stattdessen begann das neue Leben Soufi-Siavashs im Internet. Immer
wieder taucht er außerdem seit 2011 als politischer Akteur auf
Demonstrationen auf. Zuletzt als Redner gegen die Corona-Beschränkungen,
in den Jahren zuvor auf den sogenannten Mahnwachen für den Frieden, die
2014 im Zusammenhang mit der russischen Annexion der ukrainischen Krim
stattfanden.
Immer wieder Russland
Russland ist Soufi-Siavash offenkundig wichtig. Als er 2016 nach Moskau
reiste, sagte er in einem seiner Videos: „Die Raketen, die aus dem
Westen fliegen würden … würden in dieser Stadt aufschlagen und diese
Stadt … heißt Moskau.“ Soufi-Siavash behauptete, dass vom
US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein aus ein Krieg gegen Russland geführt
werden könne.
2017 besuchte eine Gruppe deutscher Politiker und Unternehmer die Krim.
Mit dabei: Soufi-Siavash, aus Sicht russischer Staatsmedien ein
„unabhängiger Journalist”. Die organisierte Reise sollte den „Mythen“,
die angeblich über die Krim verbreitet würden, die „Realität“
entgegensetzen. Die russischen Interessen auf der Krim liegen
Soufi-Siavash offenbar am Herzen: Er kündigte damals an, ein
Korrespondentenbüro auf der Krim eröffnen zu wollen.
Der Kontakt mit Russland blieb auch nach der Reise eng. Im vergangenen
Jahr erhielt Soufi-Siavash besonderen Besuch in seinen Berliner
Büroräumen: Alexander Malkewitsch reiste in die deutsche Hauptstadt, um
das „beliebteste alternative Medium in Deutschland” aufzusuchen.
Malkewitsch ist Kopf der kremlnahen „Stiftung für den Schutz der
nationalen Werte“ in Moskau und steht auf der US-Sanktionsliste. In den
USA hatte er versucht ein Nachrichtenunternehmen zu gründen, dem direkte
Verbindungen zu russischen „Trollfarmen” nachgesagt wurden. Später
wurden in Libyen zwei seiner Mitarbeiter festgenommen – wegen
mutmaßlicher Wahlbeeinflussung.
Malkewitsch führte ein ausführliches Interview mit Soufi-Siavash. Darin
behauptet der YouTuber, man dürfe in Deutschland nicht negativ über die
Nato berichten, und Angela Merkel habe einen Rechtsbruch begangen, als
sie 2015 beschloss, die deutsche Grenze nicht für Flüchtlinge zu
schließen. Malkewitsch witzelte zum Schluss: Werde Soufi-Siavash bei so
viel antiamerikanischer Berichterstattung nicht verdächtigt, ein
russischer Spion zu sein? Was seine Ideen angehe, sei er das womöglich,
erwidert Soufi-Siavash. Geld bekomme er dafür jedoch nicht.
Für das umfangreiche Programm auf seiner Plattform braucht Soufi-Siavash
Unterstützung. Das Team von „KenFM“ besteht aus mehreren Mitarbeitern,
die für Redaktion, Inhalt, Kamera und Produktion zuständig sind. Die
Internetseite listet insgesamt 26 Autorinnen und Autoren auf. Dazu zählt
die frühere Münchner Stadträtin Dagmar Henn, die einst dem
Bundesvorstand der Deutschen Kommunistischen Partei angehörte. Sie
„halte nicht viel von Demokratie”, hat Henn einmal gesagt. Auf „KenFM“
kritisiert sie das Handeln des „merkelschen Propagandaapparats“ – sowohl
in der Coronakrise als auch im Umgang mit den Flüchtenden, die 2015
nach Deutschland kamen.
Unbekannte Geldflüsse
Souvi-Siavash finanziert sich über verschiedene Wege. In seiner App
findet sich Google-Werbung, eine werbefreie Version gibt es im Abo für
4,99 Euro im Monat. Vor allem sammelt Soufi-Siavash Spenden ein, über
ein Konto bei der Bochumer GLS-Bank und die Funding-Plattformen Patreon
und Tipeee. Er nimmt gern auch die anonyme digitale Währung Bitcoin an.
Zuletzt war die digitale Geldbörse mit Bitcoins im Wert von rund 30.000
Euro gefüllt. Wer die Spender sind, bleibt im Dunkeln.
Eine weitere Einnahmequelle erschloss sich Soufi-Siavash über eine
Kooperation mit dem Frankfurter Westend Verlag und dessen Plattform
„Buchkomplizen“. Dort erschien bereits 2016 das Buch „Der Fall Ken
Jebsen oder Wie Journalismus im Netz seine Unabhängigkeit zurückgewinnen
kann”, Autor ist der 9/11-Verschwörungsideologe Mathias Bröckers, der
wiederum im Beirat des Querfront-Mediums „Rubikon” sitzt. Vor Kurzem hat
der Westend Verlag die Zusammenarbeit mit Soufi-Siavash beendet, „unter
anderem aufgrund Ken Jebsens Haltung zu verschiedenen Themen“, wie es
auf Anfrage des SPIEGEL heißt.
Gut gegen Böse
Doch wer sind die Menschen, die ihm diese Klickzahlen und Abrufe
bescheren? Das Publikum von Soufi-Siavash reicht von Antimilitaristen,
Globalisierungskritikern, Verschwörungsideologen, Esoterikern über
Anthroposophen bis in die bürgerliche Mitte hinein. Organisierte
Rechtsextremisten oder radikale Linke hören und sehen ihn offenbar kaum –
es sind die Ungebundenen und Unsicheren, die „KenFM“ mit seinem
Programm abholt. Ihr Motto: Wir hier unten gegen die da oben – Gut gegen
Böse.
Soufi-Siavash und seine Mitstreiter fischen auch erfolgreich im Gewässer
der Gegner des öffentlich-rechtlichen Rundfunks: „Verfolge Ken seit
Jahren! Hab über die kontroversen Mahnwachen meine ganze Familie mit
Ken.fm infiziert und sie haben im Gegenzug der Mainstreamkrankheit
entsagt”, schreibt ein App-Nutzer in den Bewertungen. Ein anderer:
„Medien Revolution auf höchsten Niveau, KenFm ist für mich Das Portal
welches mir im Einheitsbrei des zwangsfinanzierten Mainstream in
Deutschland Die Alternative bietet welche ich benötige um nicht völlig
zu verzweifeln!“
Antisemitische Erzählmuster
Der Skandal, der Soufi-Siavash 2011 seinen rbb-Job gekostet hat, scheint
seine Fans nicht zu stören. Im Gegenteil: Antisemitismusvorwürfe
begleiten den Verschwörungsideologen durch seine Internetkarriere. Der
Soziologe Felix Schilk promoviert an der TU Dresden und befasst sich
schon länger mit Antisemitismus – und mit Soufi-Siavash. „Wenn man sich
seine Videos und Äußerungen anschaut, dann finden sich darin immer
wieder antisemitische Argumentationsmuster“, so Schilk. Die Schablone,
mit der er auf die Welt schaue, sei eine antisemitische: „Soufi-Siavash
teilt die Welt in Gut und Böse und vertritt die These, dass die
Weltgeschichte von bösen Mächten bestimmt wird, die er dann auch
personifiziert.“
Auffällig sei, wie geschickt Soufi-Siavash mittlerweile sei, sagt
Schilk. Nach seinem rbb-Rauswurf habe er sich häufig zu Israel geäußert,
dem Staat immer wieder die Verantwortung an Kriegen gegeben, in einem
Video über die angebliche Israel-Lobby in den USA von Zionisten
gesprochen, die die Wall Street bestimmen. Das Video habe er nach
öffentlichem Druck gelöscht. Und heute? Schilk: „Solche Begriffe
verwendet er während der Coronakrise so nicht mehr.“ Er nutze
stattdessen die sogenannte Umwegkommunikation, verklausuliere seinen
Antisemitismus besser.
Ohne öffentliche Antisemitismus-Skandale kann Soufi-Siavash schließlich
mehr Leute erreichen. Und selbst bestimmen, wann und worüber er einen
Skandal auslöst.
(https://www.spiegel.de/panorama/leute/verschwoerungstheoretiker-ken-jebsen-ein-verbales-maschinengewehr-a-81948d79-f7b3-428e-9506-04a9bd56cd29)