Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel
+++MITTELMEER
Zwölf Migranten nach Bootsunglück vor Libyens Küste vermisst
Aktivisten erheben schwere Vorwürfe: „Die sogenannte libysche
Küstenwache war nicht anwesend, obwohl sie die Küste – bezahlt von der
EU – patrouillieren“
https://www.derstandard.at/story/2000118063093/12-menschen-vermisstbootsunglueck-vor-libyens-kueste?ref=rss
+++EUROPA
Laut Frontex wieder mehr Menschen auf Migrationsrouten nach Europa
Vor allem der Weg über das östliche Mittelmeer wird wieder zur Hauptroute
https://www.derstandard.at/story/2000118057453/laut-frontex-wieder-mehr-menschen-auf-migrationsrouten-nach-eoropa
-> https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-06/frontex-fluechtlinge-eu-coronavirus-illegale-einreisen-europa-migration
-> https://www.tagesschau.de/ausland/frontex-grenzuebertritte-103.html
+++DEMO/AKTION/REPRESSION
BE:
Aktion in der Stadt Bern: Postenlauf statt Frauenstreik
Weil ein Streik heuer wegen Corona nicht möglich ist, macht die
Frauenstreik-Gruppe Bern mit einem Postenlauf auf ihre Anliegen
aufmerksam.
https://www.bernerzeitung.ch/postenlauf-statt-frauenstreik-860263434305
In Biel vereinen sich «Black Lives Matter» und Frauenstreik
Für den Sonntagnachmittag ist eine Demonstration unter dem Motto «Black
Lives Matter» in Biel geplant. Gleichzeitig wird auch der Jahrestag des
nationalen Frauenstreiks begangen.
https://www.derbund.ch/bern-erwartet-kundgebung-gegen-rassismus-und-polizeigewalt-919577077653
-> https://www.telebielingue.ch/de/sendungen/info/2020-06-14
-> https://www.bielertagblatt.ch/nachrichten/biel/ein-jahr-danach-der-frauenstreik-ist-erneut-entfacht
Ein Jahr nach dem Frauenstreik: Wo bleibt die Gleichstellung?
Am Frauenstreik 2019 haben rund 500›000 Personen für die Gleichstellung
von Männern und Frauen demonstriert. Genau ein Jahr nach dem grossen
Streik finden schweizweit erneut verschiedene Aktionen zum Thema statt,
auch in der Hauptstadt. Denn die Gleichstellung ist nach wie vor noch
nicht erreicht, das hat sich auch in der Coronakrise gezeigt.
https://www.telebaern.tv/telebaern-news/ein-jahr-nach-dem-frauenstreik-wo-bleibt-die-gleichstellung-138168484
BS:
Polizei in Basel entfernt Transparent von Streikenden
Der grösste Frauenstreik seit 1991 jährt sich am Sonntag. In Form von verschiedenen Aktionen erheben Streikende ihre Stimme.
https://www.20min.ch/story/so-kaempfen-frauen-heute-fuer-ihre-anliegen-506515653403
-> https://telebasel.ch/2020/06/14/blockade-auf-mittlerer-bruecke-aufgeloest
-> https://twitter.com/search?q=bajour&src=typed_query&f=live
-> https://telebasel.ch/2020/06/14/zahlreiche-frauenstreik-aktionen-in-schweizer-staedten
-> http://www.onlinereports.ch/News.117+M592ec980e47.0.html
-> https://primenews.ch/articles/2020/06/unbewilligte-demo-polizei-kontrolliert-300-personen
-> https://www.watson.ch/schweiz/frauenstreik/927575982-frauenstreik-frauen-blockieren-langstrasse
-> https://www.bzbasel.ch/basel/basel-stadt/polizeieinsatz-mit-geschuetz-der-basler-frauenstreik-2020-geht-unschoen-zu-ende-138168953
-> https://www.srf.ch/news/regional/basel-baselland/unbewilligte-demonstration-basler-frauenstreik-endet-in-personenkontrolle
-> https://www.bazonline.ch/wenn-wir-streiken-steht-die-welt-still-253266809576
LU:
Nach einem Jahr – Es ist wieder Frauenstreik – aber nur im Kleinen
Wegen der Corona-Krise ging in Luzern nur eine kleinere Gruppe auf die Strasse, um für Gleichstellung zu demonstrieren.
https://www.srf.ch/news/regional/zentralschweiz/nach-einem-jahr-es-ist-wieder-frauenstreik-aber-nur-im-kleinen
-> https://www.tele1.ch/sendungen/1/Nachrichten#544771_2
-> https://www.zentralplus.ch/was-vom-aufschrei-uebrig-bleibt-1812467/
Unterschiedliche Zahlen nach Anti-Rassismus-Protesten – Black Lives
Matter: «Wir machen unsere Schätzungen unabhängig von der Polizei»
Die Proteste am Samstag gehörten zu den grössten der jüngeren Zeit in
Luzern. Die Polizei zählte rund 1200 Teilnehmer. Laut den Organisatoren
sollen es aber bloss 700 gewesen sein. Die Veranstalter können die
ungewöhnliche Tiefstapelei nur teilweise erklären.
https://www.zentralplus.ch/black-lives-matter-wir-machen-unsere-schaetzungen-unabhaengig-von-der-polizei-1817625/
SG:
Together we fight, united we stand!
Der gewaltsame Tod von George Floyd bewegt auch viele in St.Gallen. Über
1100 Menschen kamen an die erste «Black Lives Matter»-Demo am Samstag
in der Innenstadt. Gleichzeitig fand der Jubiläumssternmarsch anlässlich
des letztjährigen Frauenstreiks statt, wo weitere 300 Aktivistinnen ein
Zeichen gegen Gewalt, Sexismus und Diskriminierung setzten.
https://www.saiten.ch/together-we-fight-united-we-stand/
SH:
Das Band des Kampfes gegen die Ungerechtigkeit wird immer länger
Am Sonntag gingen in der Schweiz erneut Frauen für die Gleichstellung
auf die Strasse, und verschafften sich auch in Schaffhausen Gehör.
https://www.shn.ch/region/kanton/2020-06-14/das-band-des-kampfes-gegen-die-ungerechtigkeit-wird-immer-laenger
+++UR
Frauen fordern in Uri lautstark Gleichstellung
Seit dem grossen Frauenstreik hat sich kaum etwas verbessert. Deshalb haben Urner Frauen ihren Forderungen Nachdruck verliehen.
https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/uri/frauen-fordern-in-uri-lautstark-gleichstellung-ld.1228995
ZH:
Frauen machen lautstark auf sich aufmerksam – Polizei räumt Langstrasse
Zum 1-Jahr-Jubiläum des Frauenstreiks fanden in der ganzen Schweiz bunte
und laute Aktionen statt. In Zürich versammelten sich mehr als 1’000
Aktivistinnen zu einer unbewilligten Kundgebung an der Langstrasse. Die
Polizei tolerierte dies zuerst, räumte die Langstrasse dann aber.
https://www.toponline.ch/news/schweiz/detail/news/frauen-machen-lautstark-auf-sich-aufmerksam-polizei-raeumt-langstrasse-00136180/
-> https://tsri.ch/zh/frauenstreik-2020-fraulenzen-und-queerstellen/
-> https://www.telezueri.ch/zuerinews/historischer-frauenstreik-jaehrt-sich-zum-ersten-mal-138168039
-> https://www.20min.ch/story/hunderte-frauen-ziehen-durch-die-zuercher-langstrasse-729047648439
-> https://www.nzz.ch/zuerich/black-lives-matter-tausende-in-zuerich-und-bern-auf-der-strasse-ld.1561130
Wegen Rückzug an BLM-Demo: VP Zürich wirft Stadtpolizei Flucht vor – Behörde wehrt sich
Auf Videos ist zu sehen, wie ein Polizeiauto vor BLM-Demonstranten in
Zürich wegfährt. Die SVP Zürich wirft den Beamten nun vor, geflüchtet zu
sein. Die Stadtpolizei weist den Vorwurf von sich.
https://www.blick.ch/news/schweiz/zuerich/wegen-rueckzug-an-blm-demo-svp-zuerich-wirft-stadtpolizei-flucht-vor-behoerde-wehrt-sich-id15937244.html
Über 10’000 gingen für «Black Lives Matter»-Demo in Zürich auf die Strasse
Die Demonstration gegen Rassismus und Diskriminierung verlief friedlich
und wurde von der Stadtpolizei toleriert. Jedoch sorgten Linksautonome
am Rande der Veranstaltung für Probleme.
https://www.limmattalerzeitung.ch/limmattal/zuerich/ueber-10000-gingen-fuer-black-lives-matter-demo-in-zuerich-auf-die-strasse-138167784
Communiqué der Linken PoC zur Black Lives Matter-Demo in Zürich
Am Samstag, 13. Juni 2020, haben sich mehr als 15’000 Menschen die
Strasse genommen, um für #BlackLivesMatter zu demonstrieren. Die
Demonstration wurde von Schwarzen Menschen organisiert.
https://barrikade.info/article/3600
CH:
Ein Jahr nach dem Streik: Frauen protestieren in der ganzen Schweiz
Ein Jahr nach dem historischen Frauenstreik gingen in zahlreichen
Schweizer Städten erneut viele Frauen auf die Strasse und demonstrierten
für mehr Gleichstellung.
https://www.tagesanzeiger.ch/frauen-protestieren-in-der-ganzen-schweiz-540855442149
-> Tagesschau: https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/tagesschau-vom-14-06-2020-hauptausgabe?id=a126589f-37c3-4473-9bea-8afd0b2aafc9
-> https://www.nzz.ch/zuerich/black-lives-matter-tausende-in-zuerich-und-bern-auf-der-strasse-ld.1561130
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/landesweiter-frauenstreiktag-frauen-demonstrieren-im-ganzen-land
-> https://www.watson.ch/schweiz/frauenstreik/927575982-frauenstreik-frauen-blockieren-langstrasse
-> https://www.rts.ch/info/suisse/11398939-un-an-apres-la-greve-nationale-les-femmes-manifestent-a-nouveau-en-suisse.html
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/frauenstreik-ohne-demo-aber-dafur-mit-larm-65723759
-> https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/frauenstreik-tamara-funiciello-streikt-auch-am-sonntag-65722330
-> https://www.blick.ch/news/frauenstreik-zahlreiche-frauenstreik-aktionen-in-schweizer-staedten-id15937069.html
-> https://www.aargauerzeitung.ch/schweiz/jetzt-erst-recht-so-demonstrieren-frauen-ein-jahr-nach-dem-grossen-streik-138166644
-> https://www.luzernerzeitung.ch/newsticker/schweiz/zahlreiche-frauenstreik-aktionen-in-schweizer-stadten-ld.1228932
-> https://www.blick.ch/news/frauenstreik-zahlreiche-frauenstreik-aktionen-in-schweizer-staedten-id15937069.html
Demonstrationen trotz Verbot – Organisatoren müssen keine Konsequenzen fürchten
Zehntausende haben am Samstag trotz Verbot gegen Rassismus demonstriert. Dies wird ohne strafrechtliche Folgen bleiben.
https://www.srf.ch/news/schweiz/demonstrationen-trotz-verbot-organisatoren-muessen-keine-konsequenzen-fuerchten
Wegen Anti-Rassismus-Demos: «Die Corona-Fälle werden ganz sicher zunehmen»
Am Samstag sind alleine in Zürich mehr als 10’000 Menschen für die
«Black Lives Matter»-Bewegung auf die Strasse gegangen. Auch wenn die
Mehrheit Schutzmasken trug: Ein Immunologe rechnet damit, dass die
Grossdemonstrationen die Coronavirus-Fallzahlen in die Höhe treiben
wird.
https://www.toponline.ch/news/coronavirus/detail/news/wegen-anti-rassismus-demos-die-corona-faelle-werden-ganz-sicher-zunehmen-00136169/
-> https://www.telebaern.tv/telebaern-news/-mega-demo-trotz-corona-massnahmen-138168466
-> https://www.telezueri.ch/zuerinews/polizei-erntet-fuer-passives-verhalten-bei-demos-erneut-kritik-138168065
-> https://www.nzz.ch/zuerich/black-lives-matter-tausende-in-zuerich-und-bern-auf-der-strasse-ld.1561130
+++REPRESSION DE
»Seebrücke« unter Beobachtung: »Das geht einfach nicht in deren Köpfe rein«
Wer Kritik übt, muss »linksextrem« sein: Hamburger Verfassungsschutz
versucht, »Seebrücke«-Bewegung zu diskreditieren. Ein Gespräch mit
Christoph Kleine
https://www.jungewelt.de/artikel/380187.seebr%C3%BCcke-unter-beobachtung-das-geht-einfach-nicht-in-deren-k%C3%B6pfe-rein.html
+++POLIZEI CH
Nach Tod von George Floyd: BLICK zu Besuch an der Polizeischule in Hitzkirch LU: So läuft eine Verhaftung in der Schweiz
BLICK ist zu Besuch an der interkantonalen Polizeischule in Hitzkirch
LU. Ausbildner Thomas Meister erklärt, wie eine Verhaftung abläuft und
was man gegen rassistische Polizisten unternimmt.
https://www.blick.ch/news/schweiz/nach-tod-von-george-floyd-blick-zu-besuch-an-der-polizeischule-in-hitzkirch-lu-so-laeuft-eine-verhaftung-in-der-schweiz-id15936809.html
—
Sonntagszeitung 14.06.2020
Berufsstand unter Generalverdacht: Wie Rassismusvorwürfe die Polizeiarbeit behindern
Bei Verhaftungen von Dunkelhäutigen müssen Beamte in Schweizer Städten
immer damit rechnen, wegen Diskriminierung angeprangert zu werden. Dies
hat gravierende Folgen.
Rico Bandle
Ein brutales Video aus dem Zürcher Hauptbahnhof machte Anfang Woche in
den sozialen Medien die Runde. Darauf waren mehrere Sicherheitsleute mit
gelber Weste zu sehen, die sich an einem dunkelhäutigen Mann zu
schaffen machten. Einer hielt den Schwarzen im Würgegriff, ein anderer
drückte ihn auf den Boden. Man hörte Passanten rufen, man solle ihn
loslassen, von «Rassismus» war die Rede, von Polizeigewalt.
Auf sozialen Medien wurde sofort der Bezug zu George Floyd hergestellt,
jenem Afroamerikaner, der durch einen weissen Polizisten auf
verbrecherische Weise zu Tode gewürgt worden war. Das Video kam genau
zur rechten Zeit, um zu zeigen: Auch hierzulande sind dunkelhäutige
Menschen brutaler Polizeigewalt ausgesetzt. Black lives matter – in
Switzerland.
Die Kantonspolizei Zürich erläuterte später die Hintergründe des
Vorfalls. Beim Festgenommenen handelte es sich um einen 14-jährigen
Jugendlichen aus der Elfenbeinküste. Dieser hatte am Sonntagmorgen im
Hauptbahnhof einen 18-jährigen Mann spitalreif geprügelt. Bei der
Verhaftung durch Securitrans-Leute wehrte sich der Schläger heftig und
biss einer Sicherheitsperson in den Oberarm. Auf dem Polizeiposten biss
er erneut zu, diesmal so stark, dass der betroffene Beamte die offene
Wunde im Krankenhaus behandeln musste.
Jede Handlung von Polizisten wird gefilmt und ins Internet gestellt
Der Fall ist gar nicht so untypisch. Polizisten erzählen, dass bei
Festnahmen und Kontrollen die Betroffenen sich oft wehren, zu schreien
beginnen oder sich auf den Boden legen, sodass der Eindruck von
Polizeigewalt entsteht. Das Umfeld solidarisiere sich in der Regel
sofort mit dem vermeintlichen Opfer und filme die Szene mit dem Handy.
«Etwas in dieser Art geschieht bei fast jeder zweiten Verhaftung», sagt
Andreas Widmer, langjähriger Stadtpolizist in Zürich und Autor des
Buches «Scheissbullen», über den verbreiteten Hass gegen die Polizei.
An manchen Demonstrationen würden Polizisten bewusst provoziert, um eine
medienwirksame Reaktion hervorzurufen. Diese wird gefilmt und ins
Internet gestellt. Was der Handlung des Polizisten vorausging, wird
natürlich weggeschnitten. Johanna Bundi Ryser, Präsidentin des Verbands
Schweizerischer Polizei-Beamter: «Unsere Leute werden angespuckt und
beschimpft, das sieht man auf diesen Videos aber nie. Es wird eine
völlig verzerrte Situation wiedergegeben.»
Schwarze werden mehr kontrolliert
Dass bei der Polizei manchmal Fehler passieren, auch bei der Behandlung
von Dunkelhäutigen, stellt niemand in Abrede – die Fälle werden in der
Presse jeweils ausführlich geschildert. Auch nicht, dass es in den Korps
vereinzelt Beamte mit zweifelhafter Gesinnung gibt. Gegen die oft
geäusserte Unterstellung allerdings, Rassismus sei weit verbreitet,
wehrt sich die Polizei vehement.
Die Zahlen geben ihr recht. Im letzten Jahr führte die Stadtpolizei
Zürich 23’000 Personenkontrollen durch, dabei gab es nur drei
Beschwerden wegen rassistischer Benachteiligung. Ein neuer NGO-Bericht
zuhanden der UNO verzeichnet für 2014 schweizweit 23 Fälle von
unangebrachten Kontrollen aufgrund der Hautfarbe, im Fachjargon «racial
profiling» genannt. Auch das tönt nicht nach viel. Klar, die Zahlen sind
mit Vorsicht zu geniessen – die eine Seite spricht von einer hohen
Dunkelziffer, die andere von vielen unbegründeten Beanstandungen – von
einem generellen Rassismusproblem kann aber kaum die Rede sein.
Dass sich dunkelhäutige Menschen manchmal schikaniert fühlen, ist
dennoch nachvollziehbar. Selbst die Polizei gibt zu, dass Schwarze unter
Umständen häufiger kontrolliert werden als andere Leute. Daniel Blumer,
Kommandant der Zürcher Stadtpolizei, erklärt: «Der Kokainhandel im
Langstrassenquartier zum Beispiel ist vorwiegend in der Hand von
Afrikanern. Also ist es wahrscheinlich, dass Dunkelhäutige, die sich
wiederholt dort aufhalten, auch eher kontrolliert werden.» Das sei für
die Betroffenen unangenehm, habe aber nichts mit Rassismus zu tun.
Wenn nach einem dunkelhäutigen Täter gefahndet werde, liege es in der
Natur der Sache, dass man auch Unschuldige kontrollieren müsse.
«Dasselbe gilt aber auch für Rothaarige, wenn nach einer entsprechenden
Person gesucht wird», so Blumer.
«Scheissbullen»-Autor Andreas Widmer erzählt, dass es abends mit
Jugendlichen regelmässig zu unangenehmen Situationen komme. «Wenn die
Polizei eine Gruppe junger Migranten in der Nacht wegen Lärm wegschicken
muss, so glauben diese oft, sie würden ungerecht behandelt, weil sie
Ausländer seien.» Manchmal eskaliere dann die Situation, vor allem, wenn
Alkohol im Spiel sei. «Dabei sind die Polizisten bloss ausgerückt, weil
es eine Lärmklage gab.»
«Verhaftungen von Schwarzen werden zum Spiessrutenlauf»
In den USA dauert die Polizeiausbildung im Durchschnitt 19 Wochen, in
der Schweiz zwei Jahre. Zudem unterscheidet sich die US-Gesellschaft
fundamental von der hiesigen, sowohl strukturell als auch historisch –
und trotzdem werden immer wieder Parallelen gezogen, insbesondere nach
dem Fall George Floyd.
Dies habe grossen Einfluss auf die Polizeiarbeit, sagt Wolfgang Moos,
Polizeioffizier in Zug und früherer Ausbildungschef der Zürcher
Stadtpolizei. Der Umgang mit Minderheiten gehört seit vielen Jahren zu
seinen Kerngebieten. «Es ist wichtig, dass wir uns immer wieder mit
diesem Thema beschäftigen, sowohl in der Ausbildung als auch im
polizeilichen Alltag», sagt der gelernte Psychologe.
Dass die uniformierten Beamten generell verdächtigt würden, Menschen
nach Herkunft unterschiedlich zu behandeln, hält er für fatal. «Jede
Verhaftung eines Schwarzen ist für unsere Leute mittlerweile zu einem
Spiessrutenlauf geworden», sagt Moos. «Einige Polizisten überlegen sich
zweimal, ob sie eine Kontrolle durchführen sollen, wenn ständig das
Risiko besteht, danach in einem Internetvideo als Rassist dargestellt zu
werden.»
In vielen Situationen könne die Polizei nur verlieren. Exemplarisch
nennt Moos die Black-Lives-Matter-Demonstrationen. Dieses und letztes
Wochenende waren mehreren Schweizer Städten bis zu 10’000 Menschen auf
der Strasse, obschon noch immer ein Versammlungsverbot für Gruppen über
300 Leuten besteht. Wenige Tage zuvor hatte man andere Kundgebungen noch
verhindert. «Aber eine Demonstration gegen Rassismus mit vielen
Dunkelhäutigen polizeilich aufzulösen, ist undenkbar. Wir stünden sofort
als Rassisten am Pranger.»
Moos stellt jedoch nicht in Abrede, dass noch Verbesserungspotenzial
besteht. «Bei der Polizei ist die Zusammensetzung ähnlich wie in den
meisten Berufen: Die grosse Mehrheit leistet hervorragende Arbeit. Ein
paar wenige allerdings sind der Aufgabe nicht immer gewachsen.» Diese
müsste man eigentlich schon in der Selektion und Ausbildung erkennen.
Das gelinge zu einem grossen Teil, aber eben nicht immer.
Anti-Rassismus-Aktivist geht auf schwarzen Polizisten los
Moos befürchtet, dass nun auch in der Schweiz die Forderung nach einem
Anti-Diskriminierungs-Gesetz laut werden könnte, wie es die Stadt Berlin
kürzlich eingeführt hat. Dort muss neuerdings die Polizei bei
Beschwerden den Beweis erbringen, dass eine Kontrolle nicht
diskriminierend war, etwa von Drogendealern. Ansonsten drohen Strafen.
«Die Polizei wird dadurch handlungsunfähig, ja demontiert», sagt Moos.
«Das ist eine beängstigende Entwicklung.»
Der Hass gewisser Kreise auf die Polizei führt zuweilen auch zu
skurrilen Szenen. Bei der Anti-Rassismus-Demonstration vom 6. März in
Zürich ging ein Aktivist auf die Sicherheitsleute los. In seinem Furor
schlug er auf einen Uniformierten ein – es war ausgerechnet ein
dunkelhäutiger Polizist.
(https://www.derbund.ch/wie-rassismusvorwuerfe-die-polizeiarbeit-behindern-388586327317)
+++POLICE FR
Rassismusdebatte: Warum Frankreichs Polizisten ihre Handschellen wegwerfen
Frankreichs Polizisten wenden sich gegen ihren Chef. Nachdem der
Innenminister Rassismus in der Polizei verurteilt hat, fühlen sich die
Beamten unter Generalverdacht gestellt – vor allem wegen zwei Worten.
https://www.spiegel.de/politik/ausland/frankreich-warum-polizisten-ihre-handschellen-wegwerfen-a-dea85009-63f7-4b85-b631-f89eea1222f5
+++RASSISMUS
derbund.ch 14.06.2020
Rassismus, hausgemacht in der Schweiz
Auch unser Land war beteiligt an der Konstruktion eines rassistischen Menschenbildes. Es prägt noch heute unsere Gesellschaft.
David Streit
Seit dem gewaltsamen Tod von George Floyd in den USA gehen weltweit
Menschen auf die Strasse, um gegen strukturellen Rassismus zu
protestieren. Ein Blick in die Kommentarspalten zeigt aber auch: Noch
immer wird Rassismus von vielen Schweizerinnen und Schweizer negiert,
bagatellisiert oder als individuelles Problem angesehen. Getreu dem
Motto: Rassistisch – das sind die anderen.
Dabei ist ein Blick in die Vergangenheit hilfreich, um die Parallelen zu
verstehen zwischen dem Tod eines Afroamerikaners in Minneapolis und dem
Namen eines Lokals in Bern als «Colonial Bar» – und warum Rassismus
noch immer bis in die Schweizer Gesetzgebung hineinwirkt.
Obwohl selbst nie eine Kolonialmacht, war die Schweiz ökonomisch,
politisch und kulturell immer eng verflochten mit ihren
kolonialistischen Nachbarstaaten und somit stark geprägt durch deren
rassistische und kolonialistische Denkweise.
Mehr noch, in vielfältiger Weise waren Schweizer selbst aktiv in
kolonialen Unternehmungen und in der Konstruktion und Verbreitung von
rassistischem Gedankengut. In ihrem Standardwerk «Postkoloniale Schweiz»
sprechen die Autorinnen von einem Schweizer «Kolonialismus ohne
Kolonien».
Schweizer Beteiligung am Sklavenhandel
Schon früh etwa waren Schweizer am transatlantischen Sklavenhandel
beteiligt. Allein in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurden auf
80 Schiffsexpeditionen rund 15’000 bis 20’000 Sklaven von Schweizer
Sklavenhändlern und Financiers in die Karibik und nach Nord- und
Südamerika verschifft. Auch ein halbes Jahrhundert nach der Abschaffung
der Sklaverei am Wiener Kongress befand es der Bundesrat 1864 noch
«vorteilhaft und zeitgemäss» für im Ausland lebende Schweizer, «sich
Negerknaben zu kaufen und ihnen das Handwerk zu lehren», da «die
gemietheten Neger» in der Regel «verdorbene Individuen» seien.
Wie der südafrikanische Historiker Patrick Harries beschreibt, waren
zudem Westschweizer Missionare im mittleren 19. Jahrhundert in einem
Gebiet tätig, das grösser war als das heutige Festland-Frankreich. Laut
Harries hatte die Popularität der Schweizer Mission in der Heimat einen
hohen Einfluss auf die Darstellung von Afrikaner*innen.
Der «dunkle» Kontinent diente dabei als Spiegel, in welchem
Schweizerinnen und Schweizer den Fortschritt ihrer eigenen Gesellschaft
massen. Zusätzlich exotisiert, wurden Afrikaner deshalb oft als
«rätselhafte Heiden» dargestellt, die «von einem kinderhaften
intellektuellen Zustand zum verantwortungsvollen Erwachsensein erzogen
werden sollten».
Ebenfalls einen grossen Einfluss auf die Repräsentation von
Afrikanerinnen und Afrikanern hatten Völkerschauen, welche das Bild des
unzivilisierten Wilden auf Wandertourneen bis weit in die Schweizer
Peripherie verbreiteten. Noch im Jahr 1960 veranstaltete der Circus Knie
auf dem Zürcher Sechseläutenplatz eine afrikanische Tier- und
Völkerschau.
Kolonialistische Bilder in der Schweizer Politik
Obwohl sich die Schweiz nach aussen gern als unbeteiligt darstellt: Die
rassistischen Darstellungen von Afrikanerinnen und Afrikaner aus der
Kolonialzeit klingen auch heute noch nach. In der jüngeren Zeit wurden
sie sogar gezielt benutzt, um politische Ziele zu erreichen. So ist
gerade der Aufstieg der SVP eng verknüpft mit einer Bildsprache, die mit
der Angst vor dem «schwarzen Mann» arbeitet und direkt an
kolonialistische Diskurse über den minderwertigen «anderen» anknüpft.
Um Wählerinnen und Wähler zu gewinnen, setzte die SVP ab den
1990er-Jahren gezielt auf eine aggressive Bildsprache. In zahlreichen
Abstimmungskampagnen auf der eidgenössischen und kantonalen Ebene
benutzte die SVP einen Schwarz-Weiss-Gegensatz, in welcher der «böse»,
parasitäre Schwarze die weisse, reine Schweiz bedroht.
Nebst dem berüchtigten Schäfchenplakat zur sogenannten
Ausschaffungsinitiative aus dem Jahr 2007 seien hier etwa die Kampagne
der JSVP für die Asylgesetzrevision von 2013 genannt, in welcher ein
kindlich-verwöhnter Schwarzer auf den Schultern einer vor Erschöpfung
gebeugten blonden Helvetia reitet.
Ebenfalls von der jungen SVP stammt das Kampagnenposter von 2016 für ein
Referendum gegen die Asylsozialhilfe für unbegleitete minderjährige
Asylsuchende im Kanton Bern, auf welcher ein dunkelhäutiger Mann mit
Cocktail und Zigarre sprichwörtlich in der sozialen Hängematte liegt.
Die aggressive Rhetorik funktionierte: Alle drei Abstimmungen gingen
zugunsten der SVP aus.
Auch SVP-Chefstratege Christoph Blocher selbst hat negative Stereotypen
von Afrikanerinnen und Afrikanern in der Schweiz mitgeprägt – sei es
durch Aussagen über eine angeblich fehlende industrielle Kultur in
Afrika oder über Sendungen seines Hauskanals Teleblocher, auf welchem er
Afrikaner als Drogenhändler pauschalisierte und wörtlich behauptete,
«der gesamte Drogenkonsum» liege «in den Händen der Asylanten».
Blochers negatives Bild von Afrika erstaunt wenig angesichts seines
eigenen Engagements auf dem Kontinent. Er präsidierte in den
1980er-Jahren mit der parlamentarischen Arbeitsgruppe südliches Afrika
(ASA) eine Lobbygruppe, die das Ziel verfolgte, der «weitverbreiteten
Desinformation» über den Apartheid-Staat entgegenzutreten.
Rassismus, tief verwurzelt
Diese neokolonialen Verstrickungen und die über Jahrzehnte anhaltende
Wirkungsmacht kolonialer Bilder im öffentlichen Diskurs zeigen, dass
Rassismus in der Schweiz nichts Fremdes, sondern ein tief in der
gesellschaftlichen Struktur verwurzeltes Problem ist.
Noch heute werden koloniale Bilder und negative Stereotypen über
Minderheiten in der Schweiz weiterverbreitet. Und noch immer sind BIPoC
(Black, Indigenous and People of Color) kaum vertreten in Politik und
Medien, um daran etwas ändern zu können.
Auch wenn er geografisch weit weg scheint: Der Tod von George Floyd in
den USA ist auch ein Weckruf für die Schweiz, sich als Gesellschaft
gemeinsam dem Problem des strukturellen Rassismus zu stellen und
wirksame Wege zu finden, ihn zu bekämpfen.
–
David Streit
Der Historiker David Streit studierte in Bern Anglistik und Germanistik.
2018 schloss er an der University of Birmingham in Grossbritannien den
Master in Colonial and Postcolonial Studies ab. Seine Abschlussarbeit
schrieb er über die Illegalisierung der Migration in der Schweiz aus
einer postkolonialen Perspektive.
Der Historiker David Streit studierte in Bern Anglistik und Germanistik.
2018 schloss er an der University of Birmingham in Grossbritannien den
Master in Colonial and Postcolonial Studies ab. Seine Abschlussarbeit
schrieb er über die Illegalisierung der Migration in der Schweiz aus
einer postkolonialen Perspektive.
Foto: zvg
(https://www.derbund.ch/rassismus-hausgemacht-in-der-schweiz-372819207440)
—
tagesanzeiger.ch 14.06.2020
Polizeidirektor findet illegale Demos «hocherfreulich»
Fredy Fässler freut sich trotz der Corona-Regeln über die
Anti-Rassismus-Demos. Das Thema werde in der Schweiz zu wenig
thematisiert und von der SVP sogar aktiv gepflegt, sagt der SP-Mann im
Interview.
Christoph Lenz
Herr Fässler, Sie sind Polizeidirektor des Kantons St. Gallen und
Mitglied der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus. Wie erleben Sie
die «Black Lives Matter»-Demos, die am Wochenende erneut Tausende auf
die Strassen lockten?
Ich glaube, das ist ein Aufruf, dass wir uns mit unserem Rassismus auseinandersetzen.
Von welchem Rassismus sprechen Sie?
Meist handelt es sich um unbewusste Reaktionen und Reflexe, wie ich sie
auch bei mir selbst beobachte. Wir müssen uns das Unbewusste bewusst
machen. Und wir müssen kritisch und offen darüber diskutieren, wie viel
Rassismus in unserer Gesellschaft vorhanden ist und wie wir besser
miteinander umgehen können.
Ist Rassismus ein Problem in der Schweiz?
Es wäre wohl falsch, zu behaupten, die Schweiz habe ein flächendeckendes
Problem damit. Ich glaube nicht, dass wir ein Volk von Rassisten sind.
Aber Rassismus gibt es situativ auch in der Schweiz. Er wird von
Rechtsparteien auch aktiv gepflegt, um daraus politisches Kapital zu
schlagen.
Sie sprechen von der SVP?
Ja, aber auch von anderen Parteien mit offen fremdenfeindlichen
Positionen. Natürlich muss man differenzieren: Fremdenfeindlichkeit und
Rassismus sind nicht identisch, es gibt aber viel Gemeinsames. Was mir
auch auffällt: Lange dachten wir, Rassismus sei bei uns in der Schweiz
kein wirkliches Thema, weil wir keine aktive koloniale Vergangenheit
haben und keine Sklavenhalterei. Inzwischen wissen wir, dass es auch
Schweizer Unternehmen gab, die ihr Geld mit Ausbeutung und Sklaverei
verdient haben.
Der Streit um Industriepionier Alfred Escher, der von Sklaverei profitiert hat, zeigt allerdings, wie delikat das Thema ist.
Ja. Ich hoffe sehr, dass es da nicht nur eine Pingpong-Debatte gibt, wo
einfach gut und böse definiert werden. Das Ziel muss sein, dass wir das
Unbewusste bewusst machen. Wenn es rassistische Reflexe gibt, bringt es
nichts, sie einfach zu verbieten. Man muss darüber reden und sich
bewusst machen, was für ein Menschenbild man hat. Das ist sehr
anspruchsvoll.
Wurde der Rassismus in der Schweiz früher totgeschwiegen?
Nein. Es gab immer Diskussionen. Das Thema war auf der politischen
Agenda einfach nicht sehr weit oben. Rassismus wird oft auch
bagatellisiert und ins Lächerliche gezogen. Die «Mohrenkopf»-Diskussion
ist ein gutes Beispiel dafür.
Inwiefern?
Ich bezweifle, dass die Migros die «Mohrenköpfe» aus dem Regal genommen
hat, weil ihr bewusst wurde, dass das ein problematisches Produkt ist.
Man hat wohl einfach versucht, vor dem Hintergrund der «Black Lives
Matter»-Proteste einen Reputationsschaden zu verhindern. Auf der anderen
Seite erzielt der Produzent der «Mohrenköpfe» offenbar mehr Umsatz,
seit diese Debatte begonnen hat. Das heisst, es gibt Leute, die finden,
sie lassen sich den «Mohrenkopf» nicht nehmen. Das ist doch sehr
skurril!
Warum?
Man tut so, als sei es ein Kulturgut, ein Produkt zu verspeisen, das
«Mohrenkopf» heisst statt Schoko-Kopf oder sonst irgendwie.
Offensichtlich macht es speziell Spass, wenn man einen «Mohrenkopf»
essen kann. Ich persönlich finde es völlig daneben, dass man darüber
noch lange debattieren muss, ob sich das gehört oder nicht. Aber
offensichtlich ist das alles viel komplizierter und komplexer. Um das
aber auch noch zu sagen: Die «Mohrenkopf»-Frage ist für mich nicht die
allerwichtigste. Wenn die «Mohrenköpfe» aus den Regalen verschwinden,
haben wir nicht wahnsinnig viel gewonnen.
Wie erklären Sie sich die grosse Mobilisierung für die «Black Lives Matter»-Demos?
Es gibt viele Gründe, an diesen Demos teilzunehmen. Man will sich
solidarisch zeigen mit den Schwarzen Menschen in den USA, mit George
Floyd. Es gibt wohl auch Leute, die finden, dass die Schweizer Polizei
ähnliche Probleme hat wie jene in den USA. Aber hier bin ich anderer
Meinung.
Warum?
Weil wir viel investieren, um unsere Polizisten für das Thema Rassismus
zu sensibilisieren. In der Polizeiausbildung sind Menschenrechte, Ethik
und die Problematik von Racial Profiling wichtige Elemente. Zudem
unterziehen wir Polizeiaspiranten einem Assessment. Hier versuchen wir,
jene Leute herauszufiltern, die wir nicht bei uns im Dienst wollen. Wir
wollen keine Rassisten, wir wollen keine Gewaltbereiten, wir wollen
keine Leute, die ihre Macht missbrauchen.
Dennoch werden derzeit – teils sehr pauschale Rassismusvorwürfe an die Polizei gerichtet. Wie kommt das im Korps an?
Das ist für die Polizistinnen und Polizisten sicher ein Problem. Sie
machen einen wichtigen, harten, gefährlichen und anforderungsreichen
Job. Und sie reagieren sicher – und zu Recht –, wenn man ihnen
unterstellt, sie seien Rassisten. Wie verbreitet solche Vorwürfe aktuell
sind, kann ich allerdings nicht sagen. Unser Polizeikommandant hat mir
jedenfalls noch nicht berichtet, dass es da ein Problem gibt. Wobei wir
das Phänomen dieser Demos auch erst seit zehn Tagen kennen.
Wegen der Corona-Pandemie sind Demos mit über 300 Teilnehmern eigentlich nicht zulässig. Wie bewerten Sie das?
Der Staat hat in den letzten Monaten die Versammlungsfreiheit, ein
zentrales Grundrecht, ausser Kraft gesetzt. Das war nötig, das wurde
auch akzeptiert. Aber jetzt werden die Leute sich langsam bewusst, was
das für ein massiver Eingriff war. Und da sich die epidemiologische
Situation entspannt, beginnen die Leute wieder, ihre Grundrechte
einzufordern. Ich finde das hocherfreulich.
Als vor einigen Wochen Corona-Skeptiker auf die Strasse gingen, gab es
viele kritische Stimmen. Wird da mit unterschiedlichen Ellen gemessen?
Von mir sicher nicht. Wir müssen uns schon fragen, ob es richtig ist,
dass die Grundrechte weiterhin in diesem Masse eingeschränkt sind. In
anderen Bereichen gab es schon deutliche Lockerungen. Insofern hoffe
ich, dass auch die Grundrechte bald wieder jene Bedeutung erhalten, die
ihnen entspricht.
–
Zur Person
Fredy Fässler (61) ist seit acht Jahren Chef des St. Galler Sicherheits-
und Justizdepartementes. Zugleich gehört der SP-Politiker der
Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus an. Vor seiner Wahl in den
Regierungsrat arbeitete Fässler als Rechtsanwalt.
(https://www.tagesanzeiger.ch/wir-wollen-keine-rassisten-135852668732)
—
NZZ am Sonntag 14.06.2020
Rassismus gehört in der Schweiz zum Pflegealltag
In Spitälern und Pflegeheimen erfahren ausländische Mitarbeitende regelmässig Anfeindungen von Patienten.
Laurina Waltersperger
Für Antoine* ist die Arbeit als Pflegekraft im Altersheim eine Aufgabe
mit Sinnhaftigkeit. Der Westafrikaner kommt 2011 als Koch in die
Schweiz. Hier lässt er sich zur Pflegekraft ausbilden und arbeitet ab
2016 in einer Einrichtung im Berner Seeland. Die Arbeit bereitet ihm
Freude. Bis im Sommer 2017.
Ein Ehepaar kommt ins Heim. Die Frau leidet an Demenz, ihr Mann
begleitet sie. Als Antoine ihr Zimmer betritt, sagt der Mann: «Meine
Frau will nicht, dass ihr ein Neger den Blutdruck misst.»
Er habe nicht gewusst, wie ihm geschehe, erzählt Antoine. Täglich wäscht
er Senioren, misst ihren Blutdruck, führt sie spazieren. Worte wie
diese hat er noch nie gehört.
Die Vorfälle mit dem Paar häufen sich. Antoine versucht sie zu
ignorieren. Er sagt den Eheleuten, er sei lediglich für ihre Pflege
zuständig. Doch irgendwann wimmert die Frau, wenn Antoine sich ihr
nähert. Ihr Mann beschimpft ihn regelmässig und beschwert sich bei der
Direktion.
Antoine solle das Vorgefallene nicht so ernst nehmen, habe es von oben
geheissen, sagt er. Er fühlt sich nicht gehört, es geht ihm psychisch
schlecht. Er wird krankgeschrieben, erscheint nicht zu einem Termin bei
der Direktion. Als er an die Arbeit zurückkehrt, erhält er im Januar die
Kündigung. Seither habe er versucht, alles zu vergessen, sagt Antoine.
Aber nach dem Fall Floyd in den USA wolle er nun gegen Rassismus
kämpfen.
Wie Antoine betrifft Rassismus viele Berufstätige im Gesundheitswesen,
in Spitälern und der Langzeitpflege. Im Gespräch berichten sie von
Rassismus: Frauen und Männer mit afrikanischen Wurzeln werden von
Patienten als «Neger» beschimpft, Vietnamesen als «dreckige Chinesen aus
Wuhan», Muslimas mit Kopftuch als «Terroristinnen», Italiener werden
wegen des Coronavirus angefeindet. Patienten wollten nicht von ihnen
behandelt werden.
«Hätte ich gewusst, dass hier ein Schwarzer arbeitet, hätte ich die
Klinik gemieden», wird ein Privatpatient zitiert. Oder: «Die Negerin
müssen Sie mir nicht mehr vorbeischicken», so meldete sich eine Seniorin
bei der Spitex.
Systematische Probleme
Alma Wiecken kennt solche Fälle. Sie ist Geschäftsführerin der
Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus. Auf ihrem Schreibtisch
landen regelmässig Fälle, bei denen Personen in Gesundheitsberufen Opfer
von Rassismus werden. Doch sie repräsentieren nur die Spitze des
Eisberges. «Viele Angestellte schlucken die rassistischen Beleidigungen
von Patienten jahrelang», sagt Wiecken.
Häufig seien Menschen mit dunkler Hautfarbe Rassismus ausgesetzt. Aber
auch zahlreiche Personen aus anderen Herkunftsländern wie etwa aus
Osteuropa seien Anfeindungen ausgesetzt. Die meisten Betroffenen wissen
nicht, an wen sie sich wenden sollen. Sie fühlen sich ihren Vorgesetzten
gegenüber oft willkürlichen Entscheidungen ausgesetzt. Das zeigen
Gespräche.
«In den Spitälern fehlt es an standardisierten Prozessen bei Rassismus»,
sagt eine Pflegefachfrau mit afroamerikanischen Wurzeln. Sie arbeitet
in einem grossen Zürcher Spital. Dort gebe es im Intranet keinen
einzigen Eintrag zum Umgang mit Rassismus. «Alle sprechen immer nur von
Einzelfällen, damit man nicht systematisch hinschauen muss», sagt Roland
Brunner, Regionalsekretär bei der Gewerkschaft VPOD.
Dabei handle es sich um ein strukturelles Problem. «Das Machtgefälle und
die Hierarchien im Gesundheitswesen zementieren die Mechanismen, die
Rassismus und Diskriminierung ermöglichen.» Es fehle an einheitlichen,
institutionalisierten Strukturen zum Schutz der Betroffenen. Gerade in
der Hierarchie schwach gestellte Personen getrauten sich kaum, die
Fürsorgepflicht des Arbeitgebers einzufordern.
Wie Unispitäler und grössere Pflegeinstitutionen mitteilen, gebe es
Anlaufstellen in oder ausserhalb der Institutionen. Das Unispital
Lausanne führt ein elektronisches Meldesystem. Die Fallzahlen seien
gering. Es könne aber nicht ausgeschlossen werden, dass es systematisch
zu weit mehr Vorfällen komme, heisst es auf Anfrage. Auch das Unispital
Basel berichtet von Fällen, nennt jedoch keine Zahlen. Das Unispital
Zürich verweist auf seine im Mai gegründete Fachstelle für Diversität.
Die Alters- und Pflegeheime melden ebenfalls keine Zahlen.
Beim schweizweit grössten Heimbetreiber Tertianum gibt es eine interne
Anlaufstelle. Wie Heime und Spitex-Dienste sagen, biete man den
Mitarbeitenden gerade im Umgang mit Demenzkranken Kurse an.
Beleidigungen spezifischer Art seien dort oft auch Teil des
Krankheitsbildes.
Mehr Aufklärung nötig
Trotzdem fühlen sich Betroffene alleingelassen. «Es fehlt an
Untersuchungen und der dringend benötigten Aufklärungsarbeit – wie sie
beim Thema Sexismus geleistet wurde», sagt Pierre-André Wagner, Leiter
des Rechtsdienstes beim Schweizer Berufsverband des Pflegefachpersonals
(SBK). «Gegen sexuelle Belästigung gibt es heute einen klaren Leitfaden.
Diesen brauchen wir auch im Umgang mit Rassismus.» Dafür will der SBK
nun mit dem Verband der Schweizerischen Assistenz- und Oberärzte (VSAO)
zusammenspannen.
Der Ärzteverband untersuchte 2020 zum ersten Mal Diskriminierungsfälle.
Jeder Zweite gab an, Diskriminierung miterlebt oder selber erfahren zu
haben. Während Frauen vorwiegend wegen Schwangerschaft und Elternschaft
benachteiligt werden, nannten betroffene Männer am häufigsten ihren
Migrationshintergrund.
«Unser Vorstand hat diese Woche beschlossen, dass wir mit weiteren
Partnern mehr gegen Diskriminierung unternehmen wollen», sagt Marcel
Marti, stellvertretender Geschäftsführer des VSAO. Zusammen mit dem SBK
und weiteren Partnern berate man nun gemeinsame Massnahmen.
* Name von Redaktion geändert
(https://nzzas.nzz.ch/schweiz/rassismus-gehoert-zum-pflegealltag-ld.1561162)
—
Nach massiver Kritik gegen Rassismus-«Arena»: SRF-Moderator Brotz wiederholt Sendung
«Jetzt reden wir Schwarzen» – der Titel der SRF-«Arena» brachte
Moderator Sandro Brotz bereits vor der Sendung viel Kritik ein. Nicht
wegen des Themas, sondern aufgrund der Auswahl der Gäste. Das Problem:
Drei der Hauptgäste waren weiss, mit Comedian Kiko nur einer schwarz.
Nach der Ausstrahlung hagelte es Kritik an die Arena-Redaktion.
https://www.watson.ch/!670994442
+++FUNDIS
Läderach kündigt langjährigen Mitarbeitenden
Eine schrecklich fromme Familie
Sie sind bekannt für ihre «Frischschokolade» – und berüchtigt für ihre
christlich-fundamentalistische Haltung: die Schoggihersteller Läderach.
Jetzt stellt die Firma 27 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf die
Strasse – ohne Sozialplan.
https://www.workzeitung.ch/2020/06/eine-schrecklich-fromme-familie/
Kritik an «Vom Winde verweht» – «Alle verdienen am geschönten Bild der Sklaverei mit»
Filme wie das Südstaaten-Epos zeigen problematische Bilder. Eine Medienhistorikerin sagt, wie wir damit umgehen sollten.
https://www.srf.ch/news/panorama/kritik-an-vom-winde-verweht-alle-verdienen-am-geschoenten-bild-der-sklaverei-mit
+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Die Corona-Rebellion ist vorbei
Die wahnhaften Demonstrationen gegen die Pandemie-Beschränkungen sind vorbei. Ein Abgesang.
Zu Demos gegen die Corona-Maßnahmen kamen am Wochenende nur noch wenige
Teilnehmer. Ehemalige Organisatoren haben sich zerstritten und sind in
den Fokus der Öffentlichkeit geraten. Was bleibt sind ein paar
Verschwörungsgläubige.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1137850.coronaproteste-die-corona-rebellion-ist-vorbei.html
+++USA
«I Am Not Your Negro»
Ein Manuskript des US-Autors James Baldwin ist die Basis dieses
preisgekrönten Dokumentarfilms. Mit einer Collage von Baldwins Texten,
Archivfotos und Filmausschnitten ermöglicht der Film eine ganz neue
Sicht auf die jüngere Geschichte der USA.
https://www.srf.ch/kultur/gesellschaft-religion/wochenende-gesellschaft/jetzt-im-stream-i-am-not-your-negro
+++HISTORY
Schweizerisches Komitee für die Wiedergutmachung der Sklaverei
Nach meiner Teilnahme am Symposium «Western Banking, Colonialism and
Reparations», welches die Reparationen-Kommission der CARICOM am 10.
Oktober 2019 auf Antigua veranstaltet hat, habe ich mich entschlossen,
in der Schweiz einen Appell zu lancieren, um diejenigen, welche noch
immer an den Folgen der Sklaverei und der kolonialen Ausbeutung leiden,
in ihrem Kampf für Gerechtigkeit und Wiedergutmachung zu unterstützen.
Die Forderung, die Schweiz auf die Liste der «Sklaverei-Nationen» zu
setzen und von ihr Wiedergutmachung zu verlangen, basiert auf meiner
laufend erweiterten Studie «Swiss Participation in Slavery, the Slave
Trade, and Anti-Black Racism as Relevant to CARICOM Members and the
Caribbean Economic Space». Dr. Klaus Stuckert, Dozent für karibische und
australische Literatur und Autor von «Swiss-Caribbean Authors: A Legacy
of Swiss Involvement in the Colonial System», hat von dieser Studie
gesagt, sie sei «die grösste Liste zur Verstrickung der Schweiz in die
karibische Plantagenwirtschaft, die es gibt.»
https://louverture.ch/scores/