Medienspiegel 31. Mai 2020

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++MITTELMEER
Die maltesische Justiz hat die Ermittlungen gegen Regierungschef Robert Abela wegen des Todes mehrerer Flüchtlinge im Mittelmeer eingestellt. Das teilte die Regierung am Samstagabend (30. 5.) in Valletta mit. Die «Times of Malta» berichtete, es sei keinerlei Beweis dafür gefunden worden, dass Abela, ein ranghoher Militäroffizier und die Besatzung eines Patrouillenbootes für den Tod von mindestens fünf Flüchtlingen verantwortlich seien. Eine Nichtregierungsorganisation hatte Mitte April Strafanzeige gestellt und den Vorwurf erhoben, die maltesischen Behörden hätten den Insassen eines in maltesischen Hoheitsgewässern in Seenot geratenen Flüchtlingsbootes keine Hilfe geleistet.
(https://www.nzz.ch/international/migrationskrise-die-neusten-entwicklungen-ld.1535949)


+++GASSE
„In Biel wurden offenbar allen Personen, die sich regelmässig auf dem Bahnhofplatz treffen, vor kurzem ein mehrmonatiges Aufenthaltsverbot erteilt. Was ist da los
@BielBienne_off?“
(https://twitter.com/bwg_bern/status/1267041421644759044)


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Communiqué zur Solidaritätsaktion vor der US-Botschaft
In Bern fand gestern, dem 29. Mai, vor der US-Botschaft eine Solidaritätsaktion von BIPoC statt, welche eine Reaktion auf die jüngeren Morde von George Floyd und Tony McDade durch die Polizei war. Ausserdem stand die Aktion in Solidarität mit den Menschen, die derzeit deswegen demonstrieren und von Staatsgewalt bedroht werden.
https://barrikade.info/article/3566
-> https://twitter.com/edi_schwarz/status/1267052600865820672


++++ANTITERRORSTAAT
Grundrechte in Gefahr: Uno kritisiert Anti-Terror-Gesetz der Schweiz
Fünf UN-Sonderberichterstatter mischen sich in die Debatte um die vom Bundesrat geplanten Massnahmen gegen Gefährder ein. Sie befürchten, dass diese die Menschenrechte verletzen.
https://www.blick.ch/news/schweiz/grundrechte-in-gefahr-uno-kritisiert-anti-terror-gesetz-der-schweiz-id15915017.html
-> https://www.derbund.ch/uno-kritisiert-schweizer-anti-terrorgesetz-972543890784
-> https://www.nzz.ch/schweiz/uno-kritisiert-schweizer-gesetzesentwurf-fuer-anti-terror-gesetz-ld.1559047


+++BIG BROTHER
Nutzt du die SwissCovid-App? Dann musst du diese offizielle Warnung kennen
Obwohl die Schweizer Corona-Warn-App für alle Interessierten verfügbar war, soll sie nun von zahlreichen Smartphones gelöscht werden. Das sind die Hintergründe zur Verwirrung in der Pilotphase.
https://www.watson.ch/digital/schweiz/230112345-swisscovid-app-bund-betont-dass-testversion-nicht-fuer-alle-sei
-> https://www.persoenlich.com/kategorie-werbung/bag-kampagne-fokussiert-auf-contact-tracing


Tracing-App: Die Nachbarn sind uns eine App voraus
Deutschland wartet auf die Corona-App. In Österreich und der Schweiz gibt es sie bereits. Die Begeisterung in der Bevölkerung aber hält sich noch in Grenzen. Aus Gründen.
https://www.zeit.de/digital/internet/2020-05/tracing-app-coronavirus-oesterreich-schweiz/komplettansicht
-> https://www.spiegel.de/netzwelt/apps/programmcode-der-corona-warn-app-veroeffentlicht-a-94eea718-dd1b-483e-862a-49231739764a




NZZ am Sonntag 31.05.2020

Sieg vor Gericht: Threema wehrt sich erfolgreich gegen zunehmende staatliche Überwachung

Die Überwachungsbehörde des Bundes wollte Zugriff auf die Metadaten der Messenger-App Threema erhalten und dafür einen Teil der Verschlüsselung aushebeln, obwohl dies gemäss Gesetz eigentlich nur bei grossen Telekomanbietern möglich ist. Laut dem Bundesverwaltungsgericht geschah dies zu Unrecht.

Marco Metzler

Es ist ein Sieg der Schweizer Internetbranche gegen staatliche Überwachung: Das Bundesverwaltungsgericht hat am 19. Mai entschieden, dass der Schweizer Chat-Anbieter Threema keine weitreichenden Überwachungsaufgaben für den Staat übernehmen muss. Denn als reiner Internetservice gelte er nicht als Fernmeldedienstanbieter wie etwa Swisscom und Sunrise.

So steht es auch im Überwachungsgesetz Büpf: Wer Daten nicht über eine eigene Infrastruktur, sondern über das Internet übermittelt, gilt als sogenannter Anbieter abgeleiteter Kommunikationsdienste. Ein solcher muss auf Anfrage der Strafverfolgungsbehörden nur Bestandesdaten liefern. Das Parlament hat die Kategorie extra geschaffen, um Internet-KMU gegenüber grossen oder internationalen Wettbewerbern nicht zu benachteiligen. Es nannte Chat-Dienste und explizit auch Threema als Beispiele, denn kleine Firmen können es sich kaum leisten, Vorratsdaten zu speichern, ihre Kunden zu identifizieren oder einen Pikettdienst rund um die Uhr zu betreiben.

Zuständig für die Datenbeschaffung im Auftrag der Strafverfolgung ist eine Behörde namens Dienst Überwachung Post- und Fernmeldeverkehr (ÜPF). Im letzten Jahr fand bei rund 1,5% aller Delikte eine Fernmeldeüberwachung statt. Mit Abstand am meisten überwacht wurden Vermögens- und Betäubungsmitteldelikte (siehe Grafik).

Gleich bei Inkrafttreten des Gesetzes im März 2018 stufte der Dienst ÜPF in einem Merkblatt dann aber auch reine Internetfirmen als vollwertige Fernmeldeanbieter ein. Wegen des schnellen technologischen Wandels habe man das Gesetz anders ausgelegt, erklärt ÜPF-Sprecher Nils Güggi. Threema sei relevant für die Strafverfolgung: So verlangte der Dienst ÜPF Ende 2018 von Threema eine Echtzeitüberwachung der Metadaten sowie die Aufhebung der Transportverschlüsselung. Aus den Metadaten können die Behörden jeweils erkennen, wer wann mit wem kommuniziert hat. Die Chat-Inhalte selbst waren nicht das Ziel. Sie wären verschlüsselt geblieben.

Das bestätigt auch Threema-Mitgründer Martin Blatter: «Die Verschlüsselung der Inhalte selbst war dabei nie in Gefahr.» Threema setzte sich trotzdem rechtlich gegen die Verordnung zur Wehr: «Der Dienst ÜPF gebärdet sich anmassend, wenn er sich so eigenmächtig über das Gesetz hinwegsetzt und versucht, seine Kompetenzen auszuweiten», sagt Blatter.

Nun hat das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde von Threema gutgeheissen. Blatter freut sich sehr über das Urteil, dass der ganzen Internetbranche nützt. Die Behörde prüft nun, ob sie das Urteil ans Bundesgericht weiterziehen will.



Erfolgreiche Schweizer App: Über 8 Millionen Menschen nutzen die sichere Messenger-App Threema aus Pfäffikon (SZ). Rund ein Fünftel der Nutzer stammt aus der Schweiz.
(https://nzzas.nzz.ch/wirtschaft/threema-wehrt-sich-erfolgreich-gegen-staatliche-ueberwachung-ld.1558968)


+++RECHTSEXTREMISMUS
derbund.ch 31.05.2020

Die Neonazis von Winterthur

In Winterthur und Umgebung ist der Rechtsextremismus erstarkt. Eine Gruppierung verübt kleinere Straftaten, eine zweite verbreitet Terrorpropaganda.

Kurt Pelda

Juden sind für ihn «Saupack», und er ist gegen gleiche Rechte für Schwarze und Weisse. Roland K.*, genannt Roli, wünscht sich «eine Welt ohne Juden und Neger». Und er möchte den Holocaust leugnen oder relativieren können, ohne deshalb belangt zu werden. Auf Instagram hat er ein Foto hochgeladen, darauf sind eine Stielhandgranate, eine Sturmhaube, ein Exemplar von Adolf Hitlers «Mein Kampf» und ein Eisernes Kreuz zu sehen.

Diese und andere Nazidevotionalien bewahrt der 25-Jährige in einem Einfamilienhaus in der Nähe von Winterthur auf. In dem Haus, in dem auch seine Mutter wohnt, hat er sich ein Zimmer im Dachstock eingerichtet, inklusive Hanteln und eines Sandsacks fürs Boxtraining. Zu den Hauptbeschäftigungen eines Neonazis gehören auch körperliche Ertüchtigung, Kampfsport und viel Zeit in der Natur.

Heikles Doppelleben

Neben Sport und Aktivismus, wie er den Kampf für seine Rassenideologie nennt, und der Arbeit als Kanalreiniger hat Roli K. kaum Zeit für anderes. In sozialen Medien, in denen er sich herumtreibt, kommt gelegentlich aber auch seine weiche Seite zur Sprache, seine Sehnsüchte. Manchmal wünsche er sich eine Frau und etwas Liebe und Zuneigung. Auch Neonazis führen nicht selten ein Doppelleben: Eines bei ihren Gesinnungsgenossen und das andere bei nichts ahnenden Arbeitskollegen, Freunden oder Familienmitgliedern.

Roli K. ist eine der treibenden Kräfte in der Nationalistischen Jugend Schweiz (NJS). Diese lose, etwa ein Dutzend Mann starke Gruppe tritt erst seit wenigen Monaten auf, vor allem auf Instagram mit martialisch wirkenden Bildern und Videos, in denen sich die NJS-Mitglieder in rot-weiss-roten Sturmhauben präsentieren. Die jungen Männer – Frauen gibt es keine in dieser Neonazigruppe – treffen sich zum Kampfsport im Wald oder zum Wandern in der Umgebung des Rütlis.

Unter dem Hashtag «Stärke durch Disziplin» lud die Gruppe ein Foto hoch, auf dem die Losung der SS gut zu erkennen ist: «Meine Ehre heisst Treue». Oder ein anderes Bild, auf dem neben einer NJS-Sturmhaube und der Zahl 88 für «Heil Hitler» eine Pistole abgebildet ist. Darunter steht auf Arabisch «Bleibt zu Hause!», in Anlehnung an die Corona-Massnahmen. Die Pistole lässt sich in Verbindung mit den arabischen Schriftzeichen als Warnung an Migranten und Flüchtlinge aus dem Nahen Osten interpretieren. Roli K. verbreitet auch mal ein Foto Adolf Hitlers, das er mit der zynischen Frage «Rieche ich Gas?» versehen hat.

In Winterthur liefert sich die NJS einen Kleinkrieg mit der Antifa. Drei Vermummte stehlen am 1. Mai ein Transparent, das am sogenannten Schwarzen Haus im Töss-Quartier hängt, eine Liegenschaft, die schon seit Jahren von Linksextremisten besetzt ist. Ein vierter Mann filmt die nächtliche Aktion. Später stellt die NJS ein Foto von erbeuteten 1.-Mai-Transparenten auf Instagram, die Köpfe der jungen Täter mit SS-Totenköpfen verdeckt.

Das erinnert an Bilder aus Schwyz, wo Rechtsradikale 2019 Demonstranten einer Kundgebung gegen Rassismus ebenfalls ein Transparent entwendet hatten. Sie verbrannten ihre «Beute» und zeigten dabei in einem Video den Hitlergruss. Tatsächlich haben die Winterthurer Neonazis Kontakte in Schwyz bei der Nationalen Aktionsfront (NAF), einer Sammelbewegung rechtsextremer Kameradschaften. Zwei Führungspersonen der NAF gelten laut Angaben aus Sicherheitskreisen als Kontakte und möglicherweise Mentoren der Winterthurer Neonazis.

«Letzte Warnung!»

Die Antifa ist den Neonazis zahlenmässig überlegen, und sie ist auch für mehr Gewalttaten verantwortlich. Die gestohlenen Transparente rächt sie, indem sie auf eine Betonmauer vor dem Haus von Roli K. eine Drohung sprayt: «Letzte Warnung Roli, Nazi sein heisst Ärger kriegen!» Auf ihrer Website barrikade.info droht die Antifa ausserdem, den Klarnamen des Neonazis zu veröffentlichen und seinen Arbeitgeber zu informieren, falls die Übergriffe der NJS nicht aufhörten und sich die Gruppe nicht auflöse.

Das Doppelleben des Neonazis droht nun also aufzufliegen. Roli K. reagiert mit der Deaktivierung diverser Profile in den sozialen Medien. Auf Fragen der SonntagsZeitung gab der Neonazi keine Antwort. Früher fiel Roli K. in der Südkurve des Letzigrundstadions bei den Hooligans des FC Zürich unangenehm auf. Auch andere NJS-Mitglieder scheinen sich in der Szene der gewaltbereiten Fussballfans radikalisiert zu haben.

Besorgniserregend wirken neben dem virulenten Antisemitismus von Roli K. aber vor allem zwei Erkenntnisse: Einerseits trainieren mehrere NJS-Mitglieder im selben Kampfsportstudio in Winterthur, wo vor wenigen Jahren noch Jihadisten aus der inzwischen geschlossenen An’Nur-Moschee ein und aus gingen. Zum anderen macht mindestens ein NJS-Mitglied in einer weitaus gefährlicheren Neonazigruppe mit, die ebenfalls in Winterthur aktiv ist. Sie nennt sich Eisenjugend Schweiz und gibt sich als Ableger der amerikanischen Iron Youth aus.

Das Manifest von Christchurch

Mit ihrer auf dem Messenger-Dienst Telegram verbreiteten Propaganda wirbt Iron Youth klar für rechtsextremen Terror. Dies tut auch die Eisenjugend, die in Winterthur und Zürich erstmals im Februar durch Verbreiten antisemitischer Kleber in Erscheinung trat. Auf dem Telegram-Kanal der Eisenjugend Schweiz ist zum Beispiel das Manifest des rechtsextremen australischen Terroristen Brenton Tarrant zu finden. Tarrant hat 2019 im neuseeländischen Christchurch 51 Menschen in zwei Moscheen ermordet.

Das Ziel des Rechtsterrorismus ist laut dem Manifest das Schüren von Gewalt und Gegengewalt zwischen Europäern und Einwanderern. Durch die Verbreitung von Angst solle eine rechtsextreme Revolution begünstigt werden.

Die Eisenjugend besteht nur aus einer Handvoll junger Männer. Einer von ihnen wurde an der Demonstration der Partei National Orientierter Schweizer (Pnos) 2018 in Basel gesichtet, er macht aber angeblich nicht bei der Pnos mit. Bei einem anderen Mitglied scheint eine Verbindung zu «Stallhaus Schweiz» (SS) zu bestehen, eine kleine Neonazigruppe, die gern unter sich bleibt und deren Mitglieder sich zum «Deutschen Reich» zugehörig fühlen. Während die NJS gut vernetzt ist mit Neonazis in Deutschland, pflegt die Eisenjugend vor allem Kontakte in die USA.

*Name geändert
(https://www.derbund.ch/die-neonazis-von-winterthur-287205143505)
-> https://www.toponline.ch/news/winterthur/detail/news/rechtsextremismus-breitet-sich-in-winterthur-aus-00135291/
-> https://www.20min.ch/story/neonazis-liefern-sich-in-winterthur-kleinkrieg-mit-antifa-317717583457?utm_term=Autofeed&utm_medium=Social&utm_source=Twitter#Echobox=1590950175



Besuch und letzte Warnung für NJS-Neonazi in Tagelswangen (ZH)
Heute Morgen (29. Mai 2020) haben wir einen Neonazi in Tagelswangen (ZH) zuhause besucht und eine letzte Warnung ausgesprochen.
https://barrikade.info/article/3563


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Mit der Krise wachsen die Verschwörungstheorien
Die Corona-Krise fegt über die Welt. Viele fragen: Wer ist Schuld? Verschwörungstheorien boomen derzeit.
https://telebasel.ch/2020/05/31/mit-der-krise-wachsen-die-verschwoerungstheorien/?utm_source=lead&utm_medium=carousel&utm_campaign=pos%200&channel=105100


Kolumne von Milo Rau: Bleiben Sie paranoid!
Warum in den Verschwörungstheorien ein Stück Wahrheit steckt.
https://www.derbund.ch/bleiben-sie-paranoid-237708412599