Medienspiegel 15. Mai 2020

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++BERN
IsolationWatch: Selbsttötung in einem Berner Asylcamp
Folgende Infos haben wir vom Migrant Solidarity Network erhalten:
„Wir trauern um P.S.Am 3. Mai nahm sich ein junger Mensch in einem Asylcamp im Kanton Bern das Leben. Zuvor hatte er von den schweizer Behörden erfahren, dass sie kein Bleiberecht erteilen und ihn bei Gelegenheit gewaltvoll in die Ukraine verschleppen wollen. Gemäss unseren Informationen hat P.S. seinen Geburtstag als Todestag gewählt. Der Tod von P. S.  macht uns betroffen. Die Umstände, die es leichter machen, den Tod dem Leben vorzuziehen, machen uns wütend.
Wer seine Heimat verlassen muss, kennt die Verzweiflung. Wer – nach einer oft lebensgefährlichen Reise – im Asylcamp leben muss, kennt die Verzweiflung. Wer von Behörden die Drohung erhält, gegen den eigenen Willen gewaltvoll abgeschoben zu werden, kennt die Verzweiflung. Diese Verzweiflung kann auch tödlich enden. Wir alle wissen das und wir alle wissen, dass Seblsttötung unter diesen Umständen auch mit diesen Umständen zu tun hat. Kein Vergessen!“
https://antira.org/2020/05/15/isolationwatch-selbsttoetung-in-einem-berner-asylcamp/


+++APPENZELL
Sonneblick Walzenhausen AR – Vier Jahre Tauziehen um Asylzentrum
Bundesgericht erlaubt dem Kanton Appenzell Ausserrhoden, im Sonneblick in Walzenhausen ein Asylzentrum einzurichten.
https://www.srf.ch/news/regional/ostschweiz/sonneblick-walzenhausen-ar-vier-jahre-tauziehen-um-asylzentrum
-> https://www.toponline.ch/news/stgallen/detail/news/gaestehaus-sonneblick-in-walzenhausen-wird-zum-asylzentrum-00134353/
-> https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/appenzellerland/anwohner-gescheitert-bundesgericht-weist-beschwerden-zum-asylzentrum-sonneblick-in-walzenhausen-ab-ld.1220807


+++BASEL
Dokumentations-Broschüre der Securitas-Gewalt im Lager Basel
Asylsuchende ergreifen das Wort und machen Aussagen über gewalttätige Übergriffe auf sie durch Mitarbeitende der Securitas AG im Bundesasyllager Basel. Heute veröffentlichen wir eine umfangreiche Dokumentationsbroschüre dazu.
https://barrikade.info/article/3510
-> Broschüre: https://3rgg.ch/wp-content/uploads/2020/05/3RGG_Immer-ein-Grund-uns-zu-schlagen_2020-1.pdf
-> https://www.fluechtlingshilfe.ch/news/archiv/2020/gewalt-im-bundesasylzentrum-basel.html


+++SOLOTHURN
Negativer Asylentscheid: «Nach jahrelanger harter Arbeit muss ich meinen Traum aufgeben»
Der 27-jährige Aram Mahmood spricht Deutsch, hat in der Schweiz Freunde gefunden und führt einen erfolgreichen Barbershop. Dennoch muss er zurück in den Irak.
https://www.20min.ch/story/nach-jahrelanger-harter-arbeit-muss-ich-meinen-traum-aufgeben-444300855881


+++UNGARN
Kritik an Ungarns Transitlager: Orban sieht sich zu Unrecht an den Pranger gestellt
Die ungarische Regierung hat ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur Unterbringung von Asylbewerbern scharf zurückgewiesen. Nicht unwahrscheinlich ist, dass Budapest den Richterspruch einfach ignoriert – und sich dabei ausgerechnet auf das deutsche Verfassungsgericht beruft.
https://www.nzz.ch/international/eugh-urteil-orban-beruft-sich-auf-deutsches-verfassungsgericht-ld.1556758


+++GRIECHENLAND
Vor den Toren der «Festung Europa» – RaBe-Subkutan
Sich unbeschränkt bewegen und reisen zu können ist ein riesiges Privileg, das wenige Menschen teilen. Für viele, so auch jene auf der Flucht, bedeuten Grenzen der verweigerte Zugang zu Menschenrechten und einem würdigen Leben. Sie stranden beispielsweise auf der griechischen Insel Samos und leben in unhaltbaren Bedingungen. Valentina Scheiwiller fragt bei Adriana Parejo Pagador von Samos Volunteers nach, welche Grenzen im Camp auf Samos erlebt werden.
https://soundcloud.com/radiorabe/vor-den-toren-der-festung
-> https://evakuieren-jetzt.ch/
-> https://www.amnesty.de/mitmachen/petition/jetzt-menschen-aus-den-lagern-griechenland-evakuieren
-> https://samosvolunteers.org/
-> http://www.journal-b.ch/de/082013/politik/3601/Grenzerfahrungen.htm


+++JENISCHE/SINTI/ROMA
bernerzeitung.ch 15.05.2020

Wegen der vielen Fahrenden: Bund sperrt Rastplatz

Autofahrer und Lastwagenchauffeure können den Rastplatz bei Wileroltigen bis auf weiteres nicht benützen. Er ist mit Fahrenden belegt.

Stephan Künzi

Wieder ist der Autobahnrastplatz bei Wileroltigen «besetzt – occupé», wie auf der Zusatztafel am Parkplatzschild zu lesen ist. Doch anders als Mitte März richtet sich die Botschaft nicht mehr nur an die Lastwagenfahrer, für die hier schon damals vorübergehend kein Platz mehr war. Diesmal bleiben auch die Autofahrer aussen vor: Am Donnerstag hat das Bundesamt für Strassen (Astra) das Areal an der A1 kurzerhand für jeglichen Verkehr gesperrt.

Das bestätigt Astra-Sprecher Thomas Rohrbach auf Nachfrage. Der Grund sind einmal mehr die ausländischen Fahrenden, die hier seit dem frühen Frühling in wechselnder Besetzung und wechselnder Zahl haltmachen. Nach dem ersten Höhepunkt von Mitte März, als sich auf die 26 lang gezogenen Lastwagenparkfelder rund fünfzig Gespanne drängten, hatte sich die Situation Anfang April entspannt.

Doch in den vergangenen Tagen war der Zuzug ganz offensichtlich wieder stark. Das lässt sich aus den Formulierungen des Astra-Sprechers schliessen: Zurzeit befänden sich drei Gruppen mit erneut rund fünfzig Gespannen auf dem Areal, schreibt Rohrbach.

Bund ergreift Massnahmen

Vor zwei Monaten konnten die Autofahrer den für sie reservierten Teil des Rastplatzes weiterhin nutzen. Dass dies jetzt nicht mehr möglich ist, begründet Rohrbach mit Sicherheitsbedenken. Weil die Fahrenden auf der ihnen seit Wochen provisorisch zugewiesenen Fläche nicht mehr genug Platz hätten, seien sie auf eine weitere Fläche ausgewichen. Zwischen den beiden Bereichen pendelten nun regelmässig Fussgänger – «auch Kinder» – hin und her, zudem seien Fahrzeuge zum Teil gegen die Fahrtrichtung unterwegs.

Rohrbach kündigt an, dass der Platz «bis auf weiteres» geschlossen bleibt. Untätig bleiben will das Astra in der Zwischenzeit allerdings nicht: «Während der Sperrung werden wir weitere bauliche und organisatorische Massnahmen ergreifen, um den Rastplatz wieder für andere Benutzer öffnen zu können. Und gleichzeitig zu verhindern, dass zusätzliche Fahrende auf den Rastplatz kommen.»

Mit hoher Sensibilität

Fragen, inwieweit die Sperrung auch etwas mit den Massnahmen gegen das Coronavirus zu tun hat, lässt das Astra übrigens unbeantwortet. Dabei brennt das Thema vielen in der Region auf der Zunge: Lässt sich bei so vielen Gespannen auf so engem Raum der geforderte 2-Meter-Abstand zum Schutz vor Ansteckungen wirklich einhalten?

Anfang Monat bezog dafür das Bundesamt für Gesundheit Stellung. Sprecher Daniel Dauwalder wies generell darauf hin, dass Fahrende im Wohnwagen zu Hause seien und deshalb «nicht anderswo wohnen» könnten. Gleichzeitig sagte er aber auch: «Sie sind Familien, die sich wie alle anderen auch gemäss den Hygieneregeln verhalten sollten.»

Wileroltigen und sein Umland reagieren seit Jahren mit hoher Sensibilität auf die Fahrenden. Gleich neben dem Autobahnrastplatz will der Kanton in den nächsten Jahren den heftig umstrittenen Transitplatz für ausländische Fahrende bauen.
(https://www.bernerzeitung.ch/wegen-der-vielen-fahrenden-bund-sperrt-rastplatz-414733185886)
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/zu-viele-fahrende-a1-rastplatz-bei-wileroltigen-be-zu-65708492


+++GASSE
Motion Tabea Rai, Eva Gammenthaler (AL): Vernünftige Drogenpolitik in der Stadt Bern
https://ris.bern.ch/Geschaeft.aspx?obj_guid=a85a6caff1474b828027afe0928b1582


Motion Tabea Rai, Eva Gammenthaler (AL): Für einen wissenschaftlichen Pilotversuch für den kontrollierten Kokainverkauf
https://ris.bern.ch/Geschaeft.aspx?obj_guid=b3ff34b3287e477299a7a120fd664681


Kleine Anfrage Fraktion SP/JUSO (Rafael Egloff, JUSO/Szabolcs Mihalyi, SP): Mobiles Gemeinschaftszentrum «Medina» auf der Schützenmatte
https://ris.bern.ch/Geschaeft.aspx?obj_guid=ee5e6aba05e94208ac7b48d75bb653c0


Kleine Anfrage Francesca Chukwunyere (GFL): Planung Schützenmatt
https://ris.bern.ch/Geschaeft.aspx?obj_guid=2f3deda77deb46628666c7a8e3696200


Kleine Anfrage Fraktion SVP (Alexander Feuz/Niklaus Mürner, SVP): Schützenmatte Ende Zwischennutzung: Wieso wurde den rechtlichen Bedenken der SVP nicht Rechnung getragen? Was erhalten die Betreiber für eine Entschädigung für das reduzierte Projekt? Was für Kostenfolgen hat das Ende der Zwischennutzung für den Steuerzahler?
https://ris.bern.ch/Geschaeft.aspx?obj_guid=23d456f141914b88ba3f9872166ad82f


+++DEMO/AKTIOIN/REPRESSION
Kleine Anfrage Tabea Rai (AL): Kalkulierte Ungleichbehandlung und Einschränkung von Grundrechten. Polizeieinsätze vom 1. und 2. Mai 2020
https://ris.bern.ch/Geschaeft.aspx?obj_guid=30bffe744e7c448eaa5af1f61f64a3ad


Interpellation Fraktion GB/JA! (Seraina Patzen/Eva Krattiger JA!): Grundrechte in der Corona-Krise so weit wie möglich garantieren!
https://ris.bern.ch/Geschaeft.aspx?obj_guid=ab564bce0faf4f4984cb7aa6fa5f60ec


Am Tag des geplanten Grossstreiks: Polizei löst Mini-Klima-Demo am Zytglogge auf
Heute hätte der schweizweite Grossstreik der Klimabewegung stattfinden sollen. Stattdessen skandierte ein kleines Demonstranten-Grüppchen Corona-konform am Zytglogge ihre Parolen.
https://www.bernerzeitung.ch/kurze-mini-klima-demo-am-zytglogge-637744186137
-> https://www.watson.ch/schweiz/bern/786862417-corona-macht-aus-klimastreik-in-bern-eine-mini-demo
-> Tagesschau: https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/hauptausgabe?id=65845544-eb28-4612-8cc5-2bf28e329aca


-> Winterthur: https://www.toponline.ch/news/winterthur/detail/news/polizei-loest-unbewilligte-klimademonstration-in-winterthur-auf-00134366/
-> Luzern: https://www.tele1.ch/sendungen/1/Nachrichten#541231_6
-> Luzern/Stans: https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/luzern/aufgereihte-schuhe-demonstrieren-fuer-unser-klima-zahlreich-in-stans-und-in-luzern-ld.1220896
-> Stans: https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/nidwalden/klimaschutz-bewegung-macht-in-stans-mit-aufgereihten-schuhen-auf-ihre-anliegen-aufmerksam-ld.1220868
-> Biel: https://www.telebielingue.ch/de/sendungen/info/2020-05-15#chapter-542bc143-3cf0-46e2-8509-0986eb7aceb5
-> Schaffhausen: https://www.shn.ch/region/stadt/2020-05-15/schaffhauser-polizei-beendet-aktion-von-klimaaktivisten
-> Graubünden: https://www.srf.ch/news/regional/graubuenden/klimastreik-graubuenden-plakate-und-bemalte-steine-statt-demonstrationen
-> Ostschweiz: https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/die-coronakrise-trifft-die-klimabewegung-hart-doch-um-kurz-vor-zwoelf-meldet-sich-die-ostschweizer-klimajugend-mit-viel-laerm-zurueck-ld.1220713?reduced=true
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/challenge-for-future-die-klimajugend-meldet-sich-zurueck



Umgang mit Demonstrationen während einer Pandemie – Echo der Zeit
Das Bedürfnis zu demonstrieren ist auch in Corona-Zeiten vorhanden. Fast täglich wird das geltende Versammlungsverbot gebrochen. Ist ein absolutes Kundgebungsverbot in der Schweiz in der momentanen Lage noch verhältnismässig? Gespräch mit Markus Schefer, Staats- und Verfassungsrechtler Universität Basel.
https://www.srf.ch/play/radio/echo-der-zeit/audio/umgang-mit-demonstrationen-waehrend-einer-pandemie?id=b478c3a2-7bc3-4989-b0f2-facf96d83fb5




derbund.ch 15.05.2020

Demo auf der Allmend?

Ein Initiant der Corona-Demo in Bern, Alec Gagneux, teilt in einem Statement mit, dass die «Mahnwache» der Corona-Demonstranten nicht auf dem Bundesplatz sondern um 14 Uhr auf der Allmend stattfindet. Dort ist es wohl deutlich einfacher, die Abstandsregeln des Bundesrates einzuhalten. «Da der Bundesplatz mit Markttreiben an diesem Samstag überbeansprucht sein soll, begebe ich mich bewusst und friedlich auf die grosse Allmend», schreibt Gagneux.

Ob die anderen Demonstrantinnen und Demonstranten Gagneux auf die Allmend folgen, ist derzeit aber noch unklar. Die Bewegung ist lose organisiert und kennt keinen klaren Anführer.

Hintergrund des Entscheids dürfte die Intervention von Berns Sicherheitsdirektors Reto Nause (CVP) sein. Wie der Gemeinderat schriftlich bestätigt, hat es ein Telefonat von Nause mit Initiant Gagneux gegeben. Er habe ihm «unmissverständlich kommuniziert», dass Demonstrationen gemäss Bundesverordnung nach wie vor verboten seien und er sich beim «Durchführen einer solchen Demonstration strafbar macht».

«Daraufhin hat sich der Veranstalter offenbar betreffend Örtlichkeit umentschieden», schreibt Nause weiter. Mit Blick auf die nach wie vor geltende Verordnung des Bundesrates sei eine solche Kundgebung nach wie vor verboten und die Kantonspolizei habe am Mittwoch vom Gemeinderat einen klaren Auftrag erhalten.

Letzte Woche hatte in Bern bereits ein bunter Haufen von Demonstrantinnen und Demonstranten seinem Unmut kundgetan, welche die Einschränkungen des Bundesrats mit sich bringen. Die Demonstrationen waren aufgrund des Versammlungsverbots illegal.
(https://www.derbund.ch/ticker-corona-kanton-bern-594319178143)
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/coronavirus-mahnwache-soll-auf-der-allmend-stattfinden-65708670
-> https://www.zeitpunkt.ch/nicht-gegen-die-polizei-sondern-fuer-die-verfassung



bernerzeitung.ch 15.05.2020

Absolutes Demoverbot in Bern: Franziska Teuscher schert aus

Kleine Demos sollten erlaubt sein, schreibt die Berner Gemeindertätin Franziska Teuscher (GB) – und widerspricht damit dem Gesamtgemeinderat.

Benjamin Bitoun

Die Haltung des Berner Gemeinderats zum Versammlungsverbot ist klar: Er will weiterhin keinerlei Demonstrationen zulassen. Das teilte er am Mittwoch mit. Im Communiqué macht er ausserdem deutlich, dass er kein Verständnis für die Demonstrierenden hat. Er verurteilt ausdrücklich «die Missachtung der Vorgaben».

Damit wollte die Berner Stadtregierung zum einen eine erneute Kundgebung der Lockdown-Gegner morgen Samstag verhindern. Zum anderen antwortete sie damit indirekt auf einen an sie adressierten Brief der SP Stadt Bern. Darin forderte die Partei unter anderem von der Stadtregierung, sie solle sich dafür einsetzen, dass kleine Demos unter Einhaltung der Abstands- und Hygieneregeln wieder erlaubt würden.

Wie sich zeigt, entspricht die gegen aussen hin vertretene Haltung des Gesamtgemeinderats nicht derjenigen sämtlicher Gemeinderatsmitglieder. Gemeinderätin Franziska Teuscher (GB) hält in einer Antwort auf einen Tweet des Grünen Bündnisses mit ihrer persönlichen Meinung nicht hinter dem Berg.

Herausgefordert von der Frage ihrer Partei, ob wirklich alle fünf Gemeinderatsmitglieder hinter dem absoluten Demoverbot stehen würden, lässt sie sich zu einer Missachtung des Kollegialitätsprinzip hinreissen und antwortet: «Die Behörden haben dabei einen Handlungsspielraum. Einzelpersonen oder eine Gruppe von bis zu 5 Personen, die mit einem Transparent im öffentlichen Raum unterwegs sind, werden von der Covid-19-Verordnung nicht erfasst.» Dabei beruft sie sich dabei auf das Bundesamt für Gesundheit.

Damit widerspricht sie nicht nur der Meinung des Gemeinderats, sondern stellt sich auch gegen Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP). Dieser betonte jüngst im Interview mit dieser Zeitung, die Covid-19-Verordnung des Bundesrates toleriere nicht einmal ein protestierendes Zweiergrüppchen, weil die sie keinen Spielraum lasse.

Nause: «Fake News»

Auf Twitter wird auch eine Nachricht geteilt, die angeblich von Sicherheitsdirektor Nause stammt und in der er sich direkt an die Chatgruppe der Corona-Demonstranten wendet. Darin fordert er sie auf, zum Wohle aller den Kundgebungen fernzubleiben. Eine Abklärung jedoch zeigt: Wer immer die Aufforderung geschrieben hat – von Reto Nause stammt sie nicht. «Fake News», sagt der Berner Sicherheitsdirektor auf die Anfrage dieser Zeitung.
(https://www.bernerzeitung.ch/franziska-teuscher-schert-aus-352800069361)
-> https://twitter.com/fteuscher/status/1261022214142517251



bernerzeitung.ch 15.05.2020

Polizei kündigt Grossaufgebot an

Für Samstag wurde in Bern erneut zu einer Corona-Kundgebung aufgerufen. Die Polizei warnt die Demonstranten und stockt das Aufgebot auf.

Benjamin Bitoun

Die Fronten in Sachen Corona-Kundgebungen sind klar: Für den Samstag haben die Gegner der bundesrätlichen Pandemie-Massnahmen erneut zu einer Demonstration in Bern aufgerufen. Postwendend reagierte der Berner Gemeinderat am Mittwoch mit einer Aufforderung an die Bevölkerung, weiterhin auf sämtliche Kundgebungen zu verzichten. Zudem verurteilte er ausdrücklich die Missachtung des Verbots.

Der öffentliche Raum werde aufgrund der einzuhaltenden Abstände sonst schon stark beansprucht, betont der Gemeinderat. Ab kommendem Samstag finde zudem – unter angepassten Bedingungen – wieder der Berner Wochenmarkt statt, nach neun Wochen Unterbruch. Gebe es auch noch eine Kundgebung, würde dies zu einer unübersichtlichen Situation in der Innenstadt führen.

Gestern doppelte die Berner Kantonspolizei nach mit einer Warnung an die Adresse der Demonstranten. «Nachdem sich in den vergangenen Wochen zweimal zahlreiche Personen in der Berner Innenstadt trotz entsprechendem Verbot versammelt und sich polizeilichen Anweisungen widersetzt hatten, wird die Kantonspolizei Bern ihr Aufgebot für kommenden Samstag noch einmal deutlich erhöhen», schreibt sie in einer Mitteilung.

Vieles deutet ausserdem darauf hin, dass die Polizistinnen und Polizisten nicht nur in der Berner Innenstadt, sondern auch noch an einem zweiten Brennpunkt zum Einsatz kommen werden: Alec Gagneux, einer der Mitinitianten der Proteste, gibt auf seiner Website bekannt, dass er seine «Mahnwache für das gute Leben» auf die grosse Allmend verlagern wird. Der gelernte Maschineningenieur und Mitinitiant der Ecopop-Initiative gegen «Überbevölkerung» will fortan jeden Samstag von 14 bis 15 Uhr dort demonstrieren und fordert andere dazu auf, es ihm gleichzutun.

Bei der Stadt weiss man um den möglichen zweiten Hotspot. «Wir haben Kenntnis vom Aufruf zur Demo auf der grossen Allmend und beobachten die Situation», sagt Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) auf Anfrage dieser Zeitung.

Dialogtaktik ist gescheitert

Die Polizei begründet die Aufstockung ihres Aufgebots mit ihren Erfahrungen der letzten Wochen. Ihre Taktik, die Demonstrierenden mit Appellen an die Vernunft und die Solidarität zur Heimkehr zu bewegen, ist definitiv gescheitert. Die Polizei erwarte daher von den Demonstrierenden auch am Samstag kaum Verständnis für die Schutzmassnahmen des Bundes, heisst es in der Mitteilung weiter. «Vielmehr muss aktuell davon ausgegangen werden, dass erneut zahlreiche Personen Abstände missachten und die Verbreitung des Virus in Kauf nehmen werden.»

Die Demonstrationen vom 2. und 9. Mai hatten jeweils nur langsam aufgelöst werden können. Die Protestierenden auf die Verbote hinzuweisen und sie schliesslich wegzuweisen, sei nur mit erheblichem Ressourcen- und Zeitaufwand möglich gewesen, schreibt die Polizei weiter. Zudem seien – im Gegensatz zu den kleineren Demonstrationen, welche es in den vergangenen Wochen ebenfalls gab – sachliche Gespräche kaum möglich gewesen.

Die Berner Polizei warnt deshalb im Hinblick auf Samstag die Corona-Demonstranten: Sollten diese sich nicht durch Gespräche überzeugen lassen, werde sie andere Massnahmen ergreifen und vermehrt Personen kontrollieren und anzeigen. Bereits bei den beiden vorherigen Demonstrationen der Gegner der Corona-Massnahmen hat die Polizei nach eigenen Angaben «mehrere Dutzend Anzeigen an die Staatsanwaltschaft überwiesen», wie Kapo-Sprecherin Jolanda Egger sagt. Eine genaue Zahl könne sie nicht nennen, da jede Anzeige separat erfolge.
(https://www.bernerzeitung.ch/polizei-kuendigt-grossaufgebot-an-969736545987)



bernerzeitung.ch 15.05.2020

Kommentar zur geplanten Demo: Die Polizei muss einen erneuten Aufmarsch verhindern

Am Samstag wollen Corona-Demonstranten in Bern erneut illegal protestieren. So weit darf es die Polizei gar nicht kommen lassen.

Benjamin Bitoun

Alles deutet darauf hin, dass die Berner Polizei am Samstag im Umgang mit den Gegnern der Corona-Massnahmen eine härtere Gangart einlegt. Nochmals dürfte sie diese nicht stundenlang auf engstem Raum protestieren lassen. Und das ist gut so.

Zwar ist der Bundesrat gut beraten, das Versammlungsverbot rasch zu lockern und kleine Kundgebungen unter Einhaltung der Abstands- und Hygieneregeln wieder zu erlauben. Doch kann man nicht genug wiederholen: Das Verbot ist epidemiologisch begründet.

Seit Mitte März haben Schweizerinnen und Schweizer enorme Opfer erbracht, um die Ansteckungszahl auf ein für unser Gesundheitssystem bewältigbares Mass zu senken. Es kann nicht sein, dass eine laute, mit rationalen Argumenten nicht erreichbare Gruppe «besorgter Bürger» die kollektiven Anstrengungen einer ganzen Gesellschaft zunichtemacht, indem sie mutwillig neue Infektionsherde in Kauf nimmt. Trotzig auf seinen Rechten zu beharren, ohne seine Verantwortung gegenüber anderen anzuerkennen, hat nichts mit Freiheitsliebe zu tun – es ist der Inbegriff von Unreife.

Nun steht die Polizei in der Pflicht. Nach dem letzten Samstag betonte sie, sie sei nicht imstande, eine Platzdemonstration mit Alten, Rollstuhlfahrern und Familien mit Kleinkindern rasch aufzulösen. Damit macht sie es sich zu einfach und unterschlägt, dass sie zwischen stundenlangem Laufenlassen und dem Einsatz von Tränengas und Wasserwerfern durchaus Möglichkeiten besitzt.

So sollte sie die Kundgebung gar nicht auflösen, sondern verhindern. Dass sie dazu in der Lage ist, hat sie in jüngster Vergangenheit mehrmals unter Beweis gestellt: Im Herbst 2017 beispielsweise hat sie mit einem Grossaufgebot eine unbewilligte antifaschistische Kundgebung erfolgreich unterbunden. Dutzende Polizistinnen und Polizisten riegelten damals die Innenstadt ab, Verdächtige wurden konsequent kontrolliert und Transparente beschlagnahmt.

Ein ähnliches Vorgehen wäre auch am Samstag denkbar. Dabei geht es nicht zuletzt um die Glaubwürdigkeit der Polizei selber – denn ein Verbot, das sich nicht durchsetzen lässt, ist das Papier nicht wert, auf dem es geschrieben steht.
(https://www.bernerzeitung.ch/die-polizei-muss-einen-erneuten-aufmarsch-verhindern-896193417848)



bernerzeitung.ch 15.05.2020

Corona-Demo: Thun erwartet auch dieses Wochenende Demonstranten

Am letzten Samstag fanden sich rund 50 Personen auf dem Aarefeldplatz zur Kundgebung ein.

Am vergangenen Samstag hat auf dem Thuner Aarefeldplatz eine Kundgebung stattgefunden. «Rund 50 Leute waren vor Ort», sagt Sicherheitsvorsteher und Gemeinderat Peter Siegenthaler (SP). Die anwesenden Personen demonstrierten gegen die vom Bund verordneten Corona-Massnahmen. «Wir haben mit einer Kundgebung gerechnet, zumal schweizweit dazu aufgerufen wurde», sagt Siegenthaler.

Die Kantonspolizei Bern war mit einem Dispositiv präsent und suchte das Gespräch mit den Teilnehmenden, wie Kapo-Mediensprecherin Ramona Mock auf Anfrage berichtet. Grossmehrheitlich hätten die Teilnehmenden die Örtlichkeit schliesslich verlassen. Eine Person wurde verzeigt, weil sie der polizeilichen Wegweisung nicht Folge leistete.

Laut Peter Siegenthaler bewegten sich einige Teilnehmende in kleineren Gruppen weiter in Richtung Rathausplatz.

«Wir gehen davon aus, dass auch dieses Wochenende eine Kundgebung in Thun stattfindet», sagt Peter Siegenthaler. Darauf sei die Polizei vorbereitet. «Am Samstag waren auch Familien mit Kindern unter den Demonstranten – es ist wichtig, dass wir auf die Situation abgestimmt handeln.»
(jzh)
(https://www.bernerzeitung.ch/thun-erwartet-auch-dieses-wochenende-demonstranten-330511703380)



Verwirrung vor Corona-Demos: Sind Kundgebungen wirklich absolut verboten?
Die Polizei will hart gegen Corona-Demonstrationen durchgreifen. Die rechtliche Grundlage für ein absolutes Kundgebungsverbot ist fragwürdig. Rechtsexperten widersprechen der Politik.
https://www.watson.ch/schweiz/gesellschaft%20&%20politik/944177848-verwirrung-vor-corona-demos-sind-kundgebungen-wirklich-absolut-verboten



tagesanzeiger.ch 15.05.2020

Fehr und Rykart sind uneins wegen Demoverbot

Die Stadt Zürich möchte kleine Kundgebungen erlauben. Der Kanton nicht. Den Konflikt tragen sie öffentlich aus. Peinlich sei das, finden Politikerinnen.

Beat Metzler

Streit gibt es regelmässig zwischen Kanton und Stadt Zürich. Trotzdem kommt es sehr selten vor, dass der Kanton die Stadt öffentlich und im Ton eines strengen Lehrers zurechtweist. So geschah es diesen Donnerstagabend, als der kantonale Corona-Führungsstab eine Medienmitteilung der Stadtpolizei «richtigstellte». Diese «entbehre einer Grundlage», «falsch» sei sie.

Die undiplomatische Belehrung sorgt für politische Aufregung. Manche deuten sie als Machtkampf zwischen den Polizeiverantwortlichen, SP-Regierungsrat Mario Fehr und der grünen Stadträtin Karin Rykart. Die Beteiligten sprechen von verunglückten Formulierungen und Missverständnissen.

Auslöser ist das Veranstaltungs- und Versammlungsverbot, das die Covid-Verordnung des Bundes festschreibt. Die Zürcher Oberstaatsanwaltschaft präzisierte Anfang April, dieses habe absolut zu gelten. Schon das Hochhalten eines Transparentes ist demnach strafbar.

Die Stadtpolizei hielt sich daran und griff vor allem am 1. Mai hart durch. Sie nahm 20 Menschen fest. Auch Kleinstkundgebungen, die sich an die Abstandsregeln hielten, löste sie auf. Linksgrüne Politiker kritisierten den Einsatz als «Armutszeugnis».

Zur Umsetzung des Demonstrationsverbotes gibt es verschiedene Ansichten. Laut einem Sprecher des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) sind Ausnahmen möglich, «insbesondere wenn sich nur einzelne Personen an einer politischen Aktion beteiligen». Verboten blieben aber alle Protestformen, bei denen sich mehr als fünf Menschen besammelten.

Auslöser für den Konflikt zwischen Stadt und Kanton ist ein Beschluss des Regierungsrats vom 29. April. Darin heisst es: Die zuständige kantonale Behörde könne Ausnahmen von der Covid-Verordnung bewilligen, «wenn ein überwiegendes öffentliches Interesse dies gebietet und ein Schutzkonzept vorgelegt wird». Auf diesen Entscheid machte der kantonale Corona-Führungsstab am Donnerstagnachmittag die Gemeinden in seinem Bulletin aufmerksam.

Dies wiederum veranlasste das städtische Sicherheitsdepartement von Karin Rykart zu seinem Communiqué. «Demonstrationen können unter Bedingungen in Zürich möglich werden», heisst es darin. Das Veranstaltungsverbot gelte nicht mehr absolut. Gesuche müssten an die kantonale Staatskanzlei gerichtet werden.

Fehr: «Doppelt illegal»

In der Stadt bestehe ein zunehmendes Bedürfnis nach öffentlicher Meinungsäusserung, sagt Rykart. «Wir wollten darauf hinweisen, dass es ein wenig Spielraum dafür gibt.» Vielleicht sei das Wort «Demonstrationen» im Titel ein wenig unglücklich gewählt. Da denke man gleich an Menschenmassen. Darum gehe es nicht. «Aber kleine und kreative politische Aktionen ohne Ansteckungsgefahr sollten eigentlich wieder möglich sein», sagt Karin Rykart. Die Stadt öffne sich in vielen Bereichen. Ein absolutes Demonstrationsverbot lasse sich immer schwieriger erklären.

Beim Kanton lehnt man die städtische Deutung des Regierungsratsbeschlusses ab. Mit ihrer «Richtigstellung» habe die Corona-Führungsorganisation ein Missverständnis zu verhindern versucht, sagt Kantonspolizei-Sprecher Werner Schaub. «Demonstrationen sind derzeit weder möglich noch bewilligungsfähig. Wir wollten nicht, dass sich eine falsche Nachricht verbreitet. Daher mussten wir rasch und deutlich reagieren.»

Der Regierungsrat halte am absoluten Verbot von Demonstrationen fest, sagt Mario Fehr. «Sie bleiben doppelt illegal.» Fehr verweist auf Daniel Koch vom BAG. Dieser sagte am Freitag an einer Pressekonferenz, dass es für Kundgebungen weiterhin keinen Spielraum gebe. «Daran halte ich mich als Sicherheitsdirektor selbstverständlich», sagt Fehr. Er glaube aber, dass es ab dem 8. Juni auch bei den Demonstrationen zu Lockerungen kommen werde.

Politiker finden den Vorfall peinlich

Unterstützung erhält Karin Rykart von linksgrünen Stadtpolitikerinnen. Sie finden: Solange alle Hygiene- und Distanzvorschriften eingehalten werden, sollten politische Aktionen möglich sein. Es handle sich um ein Grundrecht. Nach der teilweisen Aufhebung des Lockdown würden in Trams oder in Warteschlangen vor Läden die Menschen wieder eng zusammen stehen. «Dass vor diesem Hintergrund auch kleine politische Kundgebungen bedingungslos verfolgt werden, ist für mich schwer nachvollziehbar», sagt der grüne Gemeinderat Luca Maggi.

FDP-Fraktionschef Michael Schmid hingegen findet, dass die Stadt Zürich das absolute Demonstrationsverbot des Kantons durchzusetzen habe. «Ob man es gut findet oder nicht.» Karin Rykarts Politik fehle eine klare Linie. Dies führe zu Unsicherheit in der Bevölkerung, sagt Schmid. «Der Vorfall untergräbt das Vertrauen in die Politik. In einer Krisensituation ist das gravierend.»

Rykarts Kritiker werfen ihr vor, dass sie dem Druck aus den eigenen Reihen zu leicht nachgegeben und sich nicht mit dem Kanton abgesprochen habe. Ihre Unterstützer wiederum beurteilen die Zurechtweisung des Kantons als übertriebene Machtdemonstration. Einig sind sich aber alle angefragten Politiker: Peinlich sei der Vorfall.

Konkret ändert sich vorerst nichts. Corona-Skeptiker haben auf dem Sechseläutenplatz für den Samstag zu einem «Spaziergang» aufgerufen. Schon letztes Wochenende demonstrierten über 100 Menschen beim Bellevue gegen die Lockdown-Massnahmen. Dabei hielten sie sich absichtlich nicht an die Abstandsregeln. Die Stadtpolizei duldete die Kundgebung lange, was sie im Nachhinein als Fehler beurteilte. Für morgen will die Stadtpolizei wie am 1. Mai vorgehen und keine Veranstaltungen tolerieren. Wer sich nicht ans Verbot halte, teilte sie mit, müsse mit einer Verzeigung rechnen.
(https://www.tagesanzeiger.ch/fehr-und-rykart-streiten-ueber-das-demoverbot-696820627002)



Karin Rykart entfacht Debatte um Bewilligung von Demos
Das Zürcher Sicherheitsdepartement hat über die Durchführung von Demonstrationen informiert. Die Vorsteherin Karin Rykart teilte mit, dass Kundgebungen mit Ausnahmebewilligungen möglich sind. Der Kanton reagierte prompt und negierte die Aussage der Stadträtin.
https://www.telezueri.ch/zuerinews/karin-rykart-entfacht-debatte-um-bewilligung-von-demos-137880666


Corona-Demos: Parlamentarier kritisieren Hüst und Hott der Zürcher Sicherheitsvorsteherin
Kleine politische Versammlungen sollten trotz Corona-Krise möglich sein, meint die Stadt Zürich. Der Kanton dagegen will davon nichts wissen. Der widersprüchliche Kurs der städtischen Sicherheitsvorsteherin Karin Rykart sorgt für Unverständnis.
https://www.nzz.ch/zuerich/corona-krise-demonstrationsverbot-in-zuerich-gibt-zu-reden-ld.1556703


Verwirrung um Demos in Zürich Stadt erlaubt Demos wieder – da schreitet der Kanton ein
Die Stadt Zürich ist der Überzeugung, dass Demonstrationen wieder bewilligt werden können. Der Kanton widerspricht jedoch umgehend.
https://www.tagesanzeiger.ch/stadt-demos-wieder-erlaubt-kanton-falsch-993804679015
-> https://www.srf.ch/news/regional/zuerich-schaffhausen/corona-uebersicht-zh-und-sh-demonstrationsverbot-sorgt-in-zuerich-fuer-wirbel



Freiheit für alle politischen Gefangenen!
Seit dem 1. Mai sitzen in Zürich zwei junge Genossen in Haft. Vorgeworfen werden ihnen Aktivitäten am revolutionären 1. Mai 2020 in Zürich. Es zeigt sich, dass die Justiz mit solchen Vorwürfen versucht politisch aktive Personen und Gruppen einzuschüchtern. Sei es am 1. Mai oder an dezentralen Aktionen verschiedener sozialen Bewegungen: Wer die Strasse und den öffentlichen Raum nimmt, soll abgeschreckt und bestraft werden.
https://barrikade.info/article/3508


Farbe gegen das Amt für Migration in Luzern
In der Nacht auf den 14.5.2020 haben wir das Amt für Migration in Luzern eingefärbt!
https://barrikade.info/article/3511


Farbanschlag auf Credit-Suisse-Filiale
Die Fassade der Credit Suisse am Spalenberg wurde in der Nacht auf Freitag beschmiert. Unklar ist, wer hinter dem Farbanschlag steckt.
https://telebasel.ch/2020/05/15/farbanschlag-auf-credit-suisse-filiale-in-basel/?channel=105100


«Open the Borders», «Eat the rich»: Unbekannte versprayen das Schulhaus Frohheim
In der Nacht vom Mittwoch auf Donnerstag haben Unbekannte Schmierereien am Schulhaus Frohheim in Olten hinterlassen. Es gibt keine Hinweise auf die Täter.
https://www.solothurnerzeitung.ch/solothurn/olten/open-the-borders-eat-the-rich-unbekannte-versprayen-das-schulhaus-frohheim-137877800


+++JUSTIZ
Gericht muss über die Bücher: Algerier hätte trotz Corona-Situation angehört werden müssen
Zu Unrecht hörte das Berner Zwangsmassnahmegericht einen Mann nicht mündlich an. Grund war die Corona-Krise.
https://www.derbund.ch/algerier-haette-trotz-corona-situation-angehoert-werden-muessen-583854110934


+++KNAST
Corona-Gefahr hinter Gittern – Schwierige Rückkehr zu Normalität im Strafvollzug
Der Strafvollzug sucht nach den im März getroffenen Einschränkungen die Rückkehr zum Normalbetrieb. Die Kantone handhaben das jeweils anders.
https://www.srf.ch/news/schweiz/corona-gefahr-hinter-gittern-schwierige-rueckkehr-zu-normalitaet-im-strafvollzug


+++BIG BROTHER
derbund.ch 15.05.2020

Zürcher Firma erhält Auftrag von 1,8 Millionen für Corona-App

Nächste Woche beginnen ausgewählte Gruppen der ETH und der Armee sowie in Spitälern und Verwaltungen mit der Pilotphase. Nach der Auswertung der Erfahrungen soll die App im Sommer breit lanciert werden.

Markus Brotschi

Nächste Woche beginnt die lange erwartete Pilotphase der Corona-Tracing-App. Die auf Smartphones installierte Applikation informiert ihre Nutzer, wenn sie Kontakt mit einer als infiziert gemeldeten Person hatten, die die App ebenfalls nutzt. Entscheidend ist, ob der Kontakt länger als 15 Minuten dauerte und die Distanz weniger als zwei Meter betrug. Die Kontaktpersonen sollen sich nach einer entsprechenden Mitteilung auf ihrem Handy in Quarantäne begeben.

Bis zur definitiven Einführung der App im Sommer sammeln nun vorerst Testpersonen Erfahrungen. Der Bundesrat hat die organisatorischen, betrieblichen und datenschutzrechtlichen Grundlagen für die bis zum 30. Juni laufende Pilotphase am Mittwoch in einer Verordnung geregelt. Die definitive Einführung der App soll dann auf einer vom Parlament im Juni genehmigten dringlichen Gesetzesgrundlage erfolgen.

Die Testnutzer teilen den Arbeitsort

Die App wurde von den beiden ETH in Zürich und Lausanne entwickelt. Mitbeteiligt war die Firma Ubique Innovation in Zürich. Diese erhielt nun vom Bund den Zuschlag für die weiteren Arbeiten. Die Kosten dafür betragen 1,8 Millionen Franken. Mit dem Geld werden die Anpassung der App an den Bundesstandard, die Weiterentwicklung sowie Wartung und Unterstützung finanziert, wie das BAG auf Anfrage mitteilte. Das «Swiss Proximity-Tracing-System» wird nun auch zuerst von Mitarbeitenden der ETH Zürich und Lausanne, von Armeeangehörigen, Spitalpersonal sowie Angestellten in kantonalen und eidgenössischen Verwaltungen getestet. Zusätzlich wird die App weiteren Personen und Organisationen zur Verfügung gestellt, damit diese allfällige technische Mängel sowie Probleme in der Benutzbarkeit aufdecken können. Allerdings bilden diese Teilnehmer keine demografisch repräsentative Gruppe.

Letzteres hat die interdisziplinäre Arbeitsgruppe «Contact Tracing und Quarantäne» vom Bundesrat gewünscht. Ebenso forderte sie, dass mindestens 100’000 Freiwillige an bestimmten Arbeits- und Wohnschwerpunkten an der Testphase teilnehmen. Diese Zahl wird in der Testphase jedoch nicht erreicht. Die Teilnehmerzahl in der Pilotphase sei teilweise durch technische Bedingungen begrenzt, teilte das Bundesamt für Gesundheit (BAG) auf Anfrage mit. Ausserdem sei es nicht das Ziel des Pilotversuchs, eine demografisch repräsentative Gruppe zu bilden, so das BAG.

Erfüllt wird jedoch die Forderung, dass die freiwilligen Pilotnutzergruppen jeweils einen gemeinsamen Arbeitsort haben und als geschlossene Gruppen aufgebaut sind, die sich auch physisch begegnen. Die Nutzer können Rückmeldungen zur App geben, und dieses Feedback wird ausgewertet. Die Rückmeldungen sind genauso wie die Nutzung der App freiwillig.

Befürwortung gleich gross wie Angst vor Überwachung

Die interdisziplinäre Arbeitsgruppe wünscht sich zudem, dass bekannte Persönlichkeiten, Parlamentarier und insbesondere App-Kritiker in der Pilotphase mitmachen und über soziale Medien über ihre Erfahrungen berichten. Die Promotoren der App erhoffen sich davon nicht zuletzt, dass die nach wie vor verbreiteten Bedenken in der Bevölkerung abnehmen. Gemäss Umfragen zeigen sich zwar 70 Prozent bereit, die Corona-App zu nutzen. Gleichzeitig befürchten aber 70 Prozent eine staatliche Überwachung. Die Tracing-App dient als eines der Instrumente, die eine zweite Infektionswelle verhindern sollen. Entscheidend wird aber vor allem sein, dass die Kantone genügend Personal einsetzen, um wieder alle Kontakte von bestätigten Infizierten zurückzuverfolgen.

Die Forderung nach einer gesetzlichen Grundlage für die Tracing-App hatte das Parlament letzte Woche gestellt. Im Gesetz soll explizit festgehalten werden, dass die App freiwillig ist, personenbezogene Daten nicht zentral gespeichert und niemand wegen des Verzichts auf die App diskriminiert werden darf.
(https://www.derbund.ch/corona-app-startet-mit-begrenzter-teilnehmerzahl-817675145785)



Hielt sich ein Infizierter in einem Grossraumbüro auf oder besuchte er eine Party, wird die Arbeit der Corona-Detektive knifflig
Die Virus-Detektive, die seit Anfang Woche in der kantonalen Tracing-Zentrale am Flughafen Zürich arbeiten, meistern ihre Aufgabe gut. Allerdings ist die Zahl der Fälle so kurz nach dem Ende des Lockdowns noch sehr überschaubar. Die Bewährungsprobe wird später kommen.
https://www.nzz.ch/zuerich/coronavirus-in-zuerich-contact-tracing-ist-gut-angelaufen-ld.1556846
-> https://www.telebaern.tv/telebaern-news/contact-tracing-center-so-arbeiten-corona-detektive-137880188
-> https://www.telem1.ch/aktuell/contact-tracing-was-wenn-der-test-positiv-ist-137880480


Taiwan hat während der Pandemie viel auf Überwachung gesetzt. Dabei blieb die Privatsphäre auf der Strecke
Taiwan hat Covid-19 so erfolgreich bekämpft wie kaum ein anderes Land. Doch Kritiker finden, die Regierung sei bei der Überwachung weit übers Ziel hinausgeschossen. Der verantwortliche Vizepremierminister bestätigt das unfreiwillig.
https://www.nzz.ch/technologie/coronavirus-bekaempfung-privatsphaere-leidet-in-taiwan-ld.1556615


Pandemie in Indien: Keine App, keine Zugfahrt, kein Job
100 Millionen Inder haben sich freiwillig eine Corona-App heruntergeladen. Das reicht der Regierung nicht: Wer „Aarogya Setu“ nicht nutzt, kann bald nicht mehr reisen – oder verliert seine Arbeit.
https://www.tagesschau.de/ausland/indien-app-101.html


+++POLICE BE
bernerzeitung.ch 15.05.2020

Berner Polizei greift häufiger zum Taser

Dreimal feuerte die Polizei letztes Jahr in Bern Schüsse ab, einmal endete dies tödlich. Während die Schussabgaben im Schnitt bleiben, kam es zu massiv mehr Taser-Einsätzen.

Michael Bucher

Es war ein Polizeieinsatz mit tödlichen Folgen. Am 17. Juli letzten Jahres spürt eine Zweierpatrouille der Kantonspolizei Bern im Schönbergquartier einen Mann auf, der zuvor aus einer psychiatrischen Klinik entwichen war. Im Elternhaus des 36-Jährigen kommt es zum Drama. Durch eine Schussabgabe des einen Polizisten stirbt der Gesuchte. Laut Polizei hatte dieser eine Waffe bei sich. Die genauen Umstände sind noch nicht geklärt und werden von der Kantonspolizei Zürich untersucht. Der betroffene Polizist steht unter Verdacht der fahrlässigen Tötung.

Schuss auf Fluchtauto

Es war die folgenreichste Schussabgabe eines Berner Polizisten im letzten Jahr. Daneben gab es laut Kantonspolizei Bern zwei weitere Fälle. Am 14. August kam es in Bern zu einer wilden Verfolgungsjagd. Ein unter Drogen stehender Mann ohne Führerausweis und mit gestohlenem Auto flüchtete in halsbrecherischem Tempo vor der Polizei. Im Wankdorfquartier feuerte ein Polizist auf die Reifen des Fluchtwagens. Gestoppt hat den Fahrer schliesslich ein Fahrradunterstand in Ittigen. Zur dritten Schussabgabe im vergangenen Jahr kam es schliesslich vor dem Champions-League-Playoff-Spiel zwischen YB und Roter Stern Belgrad am 21. August. Ein Polizist feuerte einen Warnschuss in die Luft, als Belgrader Fans vor der Drogenanlaufstelle an der Hodlerstrasse einen Mann brutal attackierten.

«In den vergangenen Jahren hat sich die Zahl der Einsätze, bei welchen die Schusswaffe eingesetzt werden musste, immer zwischen null und vier bewegt», hält die Kantonspolizei Bern auf Anfrage fest. 2019 war also trotz des einen tödlichen Ausgangs kein überdurchschnittliches Jahr, was Schussabgaben betrifft. Schweizweit jedoch kam es zu einer leichten Steigerung. 15 Mal drückten hier Polizisten den Abzug während eines Einsatzes – dreimal mehr als im Vorjahr. Dies teilte die Konferenz der kantonalen Polizeikommandanten der Schweiz (KKPKS) letzte Woche mit. Die Mehrzahl sei im Rahmen der Gefahrenabwehr auf Tiere im Bereich von Strassen oder auf Fahrzeuge erfolgt.

Taser gegen Prügler

Signifikant mehr zum Einsatz kam bei Polizisten in der Schweiz der Taser. Insgesamt 73-mal setzten Polizeibeamte letztes Jahr eine Elektroimpulspistole ein – das ist 28-mal mehr als noch im Vorjahr, wie es in der Mitteilung heisst. In 45 Prozent der Fälle habe das Opfer eines Taser-Einsatzes eine Waffe getragen, in zwei von drei Fällen seien die Betroffenen zudem unter dem Einfluss von Drogen oder Alkohol gestanden, schreibt die KKPKS.

Im Kanton Bern griff die Polizei letztes Jahr 16-mal zum Taser, wie die Kapo-Medienstelle mitteilt. Auch das ist eine markante Steigerung. Denn zuvor kam über den Zeitraum von zehn Jahren eine Elektroschockpistole insgesamt nur 11-mal zum Einsatz. Die einzelnen Einsätze werden von der Medienstelle nicht aufgeschlüsselt. Jüngste Beispiele sind ein Fall in Boll vom Januar dieses Jahres und einer in Thun vom letzten Herbst. In Boll hielt ein Mann nachts in einem Wohnquartier die Polizei auf Trab. Er soll Drohungen ausgestossen haben und einen «rohrähnlichen Gegenstand» auf sich getragen haben. Weil sich die Situation auch nach mehreren Stunden nicht beruhigt hatte, setzte die Polizei schliesslich einen Taser ein. In Thun hingegen prügelten sich an einem Samstagabend mehrere Personen an der Bahnhofstrasse. Um die Streithähne zu trennen, setzte die Polizei zumindest bei einer Person eine Elektroschockpistole ein.

260 Taser angeschafft

Als Grund für die Zunahme nennt die Kantonspolizei zwei Punkte. Zum einen die gestiegene Zahl an Gewaltstraftaten. Laut Kriminalstatistik waren es letztes Jahr 4524 – 12 Prozent mehr als im Vorjahr. Ein anderer Grund: Die Polizei hat im Verlauf des letzten Jahres mit Tasern massiv aufgerüstet. Zuvor war nur die Sondereinheit Enzian mit den Geräten ausgestattet. Heute gehören die Waffen bei jeder Patrouille der Kantonspolizei Bern zur Standardausrüstung. Nach der öffentlichen Ausschreibung 2018 wurden ins­gesamt 260 Destabilisierungs­geräte, wie sie von der Polizei genannt werden, angeschafft. Kostenpunkt: eine halbe Million Franken.

Wer weiss, wie der Einsatz vom letzten Juli im Schönbergquartier verlaufen wäre, hätte die Zweierpatrouille schon damals einen Taser bei sich gehabt.
(https://www.bernerzeitung.ch/berner-polizei-greift-haeufiger-zum-taser-162006282238)


+++RECHTSEXTREMISMUS
Herzli im Nazichat: So sprengen Linksautonome rechtsradikale Netzwerke
Der Pnos-Vorsitzende Tobias Steiger hat in einem öffentlich zugänglichen Basler Telegram-Chat gegen jüdische Mitmenschen gehetzt. Jetzt haben Aktivist*innen ihn mit Antifa-Stickers quasi lahmprovoziert.
https://bajour.ch/a/BTgstHzZJuqJ56J4/herzli-im-nazichat-so-sprengen-linksautonome-rechtsradikale-netzwerke


Terrorisme fasciste : l’exemple d’un adolescent romand
Le terrorisme d’extrême droite est en augmentation en Europe et dans le monde. Une menace qui est souvent peu connue de la population et sous-estimée par les autorités. Afin d’illustrer ce phénomène et le fait que la Suisse n’est malheureusement pas épargnée, nous allons analyser les messages postés en 2018 par un romand de 16 ans sur un serveur Discord néo-nazi appelé Black Flag Front.
https://renverse.co/infos-locales/article/terrorisme-fasciste-l-exemple-d-un-adolescent-romand-2597


+++VERSCHWÖRUNGSTHEORIEN
«Regierung will Klone herstellen»: Deutsche Bahn veräppelt Verschwörungstheoretiker
Eine Durchsage der Deutschen Bahn sorgt im Internet für Gelächter: Ein Zug-Sprecher nimmt Verschwörungstheoretiker aufs Korn und bittet darum, dass auch diese Personen Masken tragen sollen, da sie ansonsten von der Regierung geklont werden würden.
https://www.blick.ch/news/ausland/regierung-will-klone-herstellen-deutsche-bahn-veraeppelt-verschwoerungstheoretiker-id15893522.html


Impfgegner, rechte Patrioten und esoterische Globalisierungskritiker – wie ein Netz aus Corona-Skeptikern in der Schweiz Protest-Stimmung schürt
Auf einschlägigen Websites wird die Corona-Politik des Bundes in immer schrilleren Tönen kritisiert. Der Hype um das Coronavirus sei reine Panikmache der Impflobby und der WHO. Inzwischen wird damit auch auf der Strasse Stimmung gemacht.
https://www.nzz.ch/schweiz/impfgegner-rechte-patrioten-und-esoterische-globalisierungskritiker-wie-ein-netzwerk-aus-corona-skeptikern-in-der-schweiz-protest-stimmung-schuert-ld.1556753


Vereint gegen den Feind
Die Psychologin Pia Lamberty erklärt, warum das Thema Corona geradezu geschaffen ist für Verschwörungserzählungen
Was ist noch Herrschaftskritik und was schon Verschwörungsdenken? Und warum lehnen Anhänger von Verschwörungserzählungen häufig medizinische Schutzmaßnahmen ab? Psychologin Pia Lamberty im nd-Gespräch.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1136757.verschwoerungstheorien-vereint-gegen-den-feind.html


Verschwörungstheoretiker machen gegen Covid-19-Impfung mobil, obwohl es noch keine gibt
Aktuelle Kampagnen könnten nur ein Vorspiel sein – Verunsicherung der Bevölkerung könnte massiven Schaden bei der Bekämpfung der Krise zur Folge haben
https://www.derstandard.at/story/2000117504203/verschwoerungstheoretiker-machen-gegen-covid-19-impfung-mobil-obwohl-es-noch


Ken Jebsen, der gefährliche Querfront-Demagoge
Einer der Nutznießer der derzeitigen Unsicherheit wegen Covid-19 ist der verschwörungsideologische YouTuber Ken Jebsen. Sein Kanal „KenFM“ ist einer der zentralsten, die momentan allerlei Mythen zum Corona-Virus verbreiten. In der Vergangenheit fiel er des öfteren wegen antisemitischer Aussagen auf.
https://www.belltower.news/kenfm-ken-jebsen-der-gefaehrliche-querfront-demagoge-99419/


+++HISTORY
Ein Opfer des Staates
Rolf Horst Seiler versteckte sich 40 Jahre lang im Wald. So wollte er sich dem Zugriff der Behörden entziehen. Seiler gehört zu den 60’000 Opfern von «administrativen Zwangsmassnahmen». Deren Grundrechte wurden in der Schweiz im 20. Jahrhundert systematisch verletzt.
https://www.srf.ch/play/tv/reporter/video/ein-opfer-des-staates?id=7b59f42a-d563-4891-9f5e-6ac42557c93b


+++GASSE
derbund.ch 15.03.2020

Prostitution und Drogen: Die Problemhäuser der unteren Altstadt

Ein altes Problem ist in der Gerechtigkeitsgasse noch immer ungelöst: zwei Häuser in desolatem Zustand, Prostitution, Drogen. Es laufen diverse Verfahren.

Noah Fend

Anfang Mai wird in der Gerechtigkeitsgasse eine über 80-jährige Frau ausgeraubt. Ein Mann spricht sie an, als sie in ihr Auto steigen will. Kaum eingestiegen, drückt er sie an den Fahrersitz und entwendet sämtliche Wertsachen aus dem Auto. Dann flüchtet er.

Die Gerechtigkeitsgasse ist ein gebranntes Kind. Zwei «eigentlich unbewohnbare» Häuser sorgen seit Jahren immer wieder für Unruhe. Prostituierte und Süchtige gehen ein und aus. Immer wieder kommt es zu Polizeieinsätzen. So ist es kaum verwunderlich, dass der Verdacht von Anwohnern auch beim unlängst verübten Raubüberfall sofort auf diese Häuserzeile fällt.

Zu Recht? Das ist aktuell noch unklar. Die Ermittlungen der Kantonspolizei Bern zum Raubdelikt sind noch im Gang, wie diese auf Anfrage mitteilt. Eigentlich sind es auch nicht Raubüberfälle, die die Gerechtigkeitsgasse sonst auf Trab halten. Raub und Diebstahl hätten sich in der Vergangenheit nicht auffällig gehäuft, sagen Anwohner und Geschäftsinhaberinnen. Doch für einige ist der Überfall auf eine alte Frau dennoch der eine Vorfall zu viel.

«Ein mulmiges Gefühl»

Das sagt etwa Stephan Minder, der in der Gerechtigkeitsgasse das Lokal Cave Alpin betreibt. Geschichten um Drogen und Prostitution seien das eine, sagt er. «Aber Überfälle auf alte Frauen, das geht zu weit.» Überhaupt sind ihm die Machenschaften in den Häusern 15 und 21 ein Dorn im Auge. «Prostituierte, Junkies und regelmässige Polizeieinsätze, das weckt ein mulmiges Gefühl», sagt Minder. «Auch für meine Gäste, gerade wenn sie im Sommer draussen sitzen und alles mitbekommen.»

Die Wohnungen, wo Prostituierte und Süchtige ein und aus gehen, machten bereits in der Vergangenheit Schlagzeilen. Vor einem knappen Jahr berichtete die «Berner Zeitung» über zugemüllte, abbruchreife, unbewohnbare Wohnungen. Die Böden bedeckt von Abfall, leeren Flaschen, Essensresten. Stinkende, defekte Treppenhäuser. Prostituierte, die sich illegal in der Schweiz aufhielten. Das städtische Bauinspektorat sagte damals, es laufe ein baupolizeiliches Verfahren wegen des schlechten Zustands der Wohnungen.

«Das geht so, seit ich hier bin», sagt Minder, der sein Lokal vor sechzehn Jahren eröffnet hatte. «2016 wurde ich selber angegriffen und dabei verletzt.» Er habe wegen der Häuser mehrfach Kontakt gehabt mit der Polizei. Diese sei auch immer wieder vor Ort, führe Kontrollen oder Razzien durch. «Es hat sich bis heute aber nichts geändert», sagt Minder.
Leist rapportiert

«Das Problem der Prostitution ist seit einiger Zeit bekannt», sagt auch Barbara Geiser, Präsidentin der Vereinigten Altstadtleiste. Allerdings relativiert sie: Sie empfindet die Situation in der Gerechtigkeitsgasse nicht als ausser Kontrolle geraten und auch nicht mehr als extrem einschneidend für Anwohner und das lokale Gewerbe. Das sehen auch andere aus der unmittelbaren Nachbarschaft so.

Dies auch, weil die Vereinigten Altstadtleiste mit ihren Beobachtungen an die städtische Sicherheitsdirektion gelangt sind. «Wir stehen seither in regelmässigem Austausch mit Sicherheitsdirektor Reto Nause sowie Vertretern der Fremdenpolizei, sagt Geiser. Diese hätten die Sache sehr ernst genommen, einiges sei seither besser. «Die Prostituierten wurden vermehrt kontrolliert», sagt Geiser, die selbst in der Nähe wohnt.

Mehrere laufende Verfahren

Doch trotz des Zutuns der Vereinigten Altstadtleiste, der Polizeikontrollen und der baupolizeilichen Verfahren: Verschwunden sind die Probleme nicht. Das sagen nicht nur Minder und einzelne Anwohner, sondern auch die Behörden. Zwar sind das städtische Bauinspektorat und die Fremdenpolizei wenig auskunftsfreudig. Es seien noch immer Verfahren hängig, teilt die Sicherheitsdirektion SUE der Stadt Bern stellvertretend mit. Es handle sich zum einen um dieselben Verfahren wie bereits vor einem Jahr, die noch nicht abgeschlossen sind. «Es sind aber auch neue dazugekommen.»

Konkret laufen laut SUE nach wie vor baurechtliche Verfahren. Dabei gehe es darum, dass die Gebäude aus Sicherheitsgründen teilweise nicht mehr benützt werden dürften. «Es müssen Sanierungsmassnahmen durchgeführt werden», so die SUE. Weitere Angaben macht sie wegen der laufenden baupolizeilichen Verfahren nicht. Dazu kommen Verfahren der Fremdenpolizei gegen einzelne dort ansässige Personen. Nicht verlängerte Aufenthaltsbewilligungen, widerrechtlicher Aufenthalt, unbewilligter Stellenantritt.

Hat Minder also recht, wenn er bemängelt, die Situation sei seit Jahren unverändert? Die SUE bestätigt, dass es im Zusammenhang mit den beiden Liegenschaften «seit einigen Jahren immer wieder zu Verstössen verschiedener Art gekommen ist». Doch immer wieder stiessen die Ermittler in laufenden Verfahren auf weitere Mängel, die wiederum ein neues Verfahren zur Folge hatten. Ausserdem seien gerade die Verfahren der Fremdenpolizei personenbezogen. «Beim Auftreten von Verstössen neuer Personen werden folglich auch wieder neue Verfahren eröffnet.»

Der Besitzer der betroffenen Häuser war für den «Bund» am Freitag nicht erreichbar.
(https://www.derbund.ch/die-problemhaeuser-der-unteren-altstadt-388347188815)



bernerzeitung.ch 15.05.2020

Verwahrloste Wohnungen: Ladenbesitzer empört über Dealerherberge in der Altstadt

Seit Jahren verkehren in zwei heruntergekommenen Liegenschaften in der Stadtberner Gerechtigkeitsgasse Dealer und Zuhälter. Nach dem Überfall auf eine alte Frau regt sich einmal mehr Widerstand.

Michael Bucher

«Jetzt reichts!» Stephan Minder verschafft seinem Ärger unumwunden Luft. «Diese Zustände sind unhaltbar, und es wird immer schlimmer.» Der 55-Jährige betreibt an der Gerechtigkeitsgasse in der Berner Altstadt ein Café und eine Weinhandlung – an bester Lage, könnte man meinen. Doch in den beiden Nachbarliegenschaften seines Café Alpin hausen dubiose Gestalten. «Tagein, tagaus gehen dort Dealer, Zuhälter und Prostituierte ein und aus», sagt Minder. Es herrsche oft bis spätabends Lärm und werde geschrien. Für seine Gäste, die draussen einen Kaffee trinken, sei das nicht wirklich ein angenehmes Ambiente.

«Seit ich vor 16 Jahren hier mein Café eröffnet habe, geht das hier so zu und her», meint er sichtlich empört. Die Stadtbehörden, die Kantonspolizei, die Fremdenpolizei, sie alle wüssten seit Jahren Bescheid, doch es passiere kaum etwas. «Wir alle haben langsam genug», sagt Minder und meint damit auch andere langjährige Nachbarn, mit denen er sich regelmässig austauscht.

1 Der heimtückische Überfall

Das Fass zum Überlaufen brachte ein Raubüberfall, der sich vor knapp zwei Wochen in der Gerechtigkeitsgasse ereignete. Laut Polizeimeldung überfiel um 20.30 Uhr ein Mann eine Frau, als diese gerade in ihr Auto stieg. Der Unbekannte drückte die Frau in den Autositz und klaute deren Wertsachen. Stephan Minder kennt das Opfer gut – wie auch er führt die Frau seit Jahren ein eigenes Geschäft in der Gerechtigkeitsgasse, und zwar in einer der beiden problematischen Liegenschaften. «Die Frau ist über 80-jährig», ereifert sich Minder, «wie skrupellos muss man sein, so jemanden zu überfallen.»

Die Frau habe ihm erzählt, der Täter sei aus ihrer Liegenschaft gekommen, gleich nachdem sie ihr Geschäft verlassen habe. Wegen «laufenden Ermittlungen» will die Kantonspolizei nichts zu dem Raubüberfall sagen. Auch Minder wurde schon Opfer eines Angriffs. Vor vier Jahren war das. Ein Mann, der aus einer der besagten Liegenschaften kam, habe minutenlang in der Gasse herumgeschrien – im Schlepptau eine mutmassliche Prostituierte. «Ich wollte nachfragen, was los ist», erzählt Minder, «da hatte ich plötzlich eine Faust im Gesicht.»

Der Vorfall landete vor Gericht, wie amtliche Dokumente in Minders Büro zeigen. Drei Privatkläger waren involviert. Es ging um einfache Körperverletzung, Drohung und Gewalt gegen Beamte sowie Widerhandlung gegen das Waffen- und Betäubungsmittelgesetz. «Der Typ musste zwei Jahre ins Gefängnis», sagt Minder und fügt an: «Das sind nicht bloss harmlose Typen, die ein bisschen mit Gras dealen, da gehen Kriminelle ein und aus, die nicht vor Gewalt zurückschrecken.»

2 Der unablässige Drogenhandel

Glaubt man Minder, so dienen die beiden Liegenschaften seit Jahren als Drogenumschlagplatz. Es sei immer derselbe Ablauf: Typ 1 taucht vor der Eingangstür auf. Geklingelt wird nie, sondern nur kurz telefoniert. Eine Minute später öffnet Typ 2 die Türe, und beide verschwinden im Haus. 10 Minuten später verlässt Typ 1 das Haus wieder. «Die verkaufen dort sicher keine Kinderbücher», meint der Café-Betreiber ironisch.

Die Drogenfahndung kreuzt laut Minder regelmässig auf. Das bestätigt auch ein weiterer langjähriger Ladenbesitzer in unmittelbarer Nachbarschaft. «Ich habe schon etliche Polizeirazzien mitbekommen, bei denen auch Leute abgeführt wurden», sagt der Mann, der lieber anonym bleiben möchte. «Das Problem ist, dass am nächsten Tag der Drogenhandel munter weitergeht.»

Auf Nachfrage gibt sich die Kantonspolizei wortkarg. «Zu einzelnen Liegenschaften geben wir grundsätzlich keine Auskünfte oder Einschätzungen», schreibt die Kapo-Medienstelle. Thematisch befänden sich die besagten Häuser «nicht im Fokus eines nach Polizeigesetz definierten Brennpunktes».

3 Der desolate Zustand

Bereits vor einem Jahr berichtete diese Zeitung über die problematischen Zustände an jenen Adressen. Zugespielte Fotos zeigten, wie heruntergekommen die Wohnungen in den beiden Liegenschaften sind. In einer Wohnung ist der Boden voller Abfall. Im Treppenhaus finden sich defekte Treppengeländer, verschmierte Wände und nicht funktionierende Lampen.

Auch von aussen wirken die Häuser nicht gerade einladend. Bei einer Wohnung sind die Fensterscheiben eingeschlagen, bei einer anderen fehlt eines der Doppelfenster komplett. Minder weiss wieso. Letzten Sommer fiel ein solches auf die Gasse vor seinem Laden – eine Fotoaufnahme auf seinem Laptop zeugt davon. Er schüttelt ungläubig den Kopf: «In so einem Loch will doch kein normaler Mensch wohnen.»

4 Die hilflosen Behörden

«In den beiden Liegenschaften wohnen auch Personen, welche vom Sozialamt unterstützt werden», sagte Felix Wolffers, Leiter des Sozialamts der Stadt Bern, vor einem Jahr gegenüber dieser Zeitung. Brisant dabei: Ein Sozialhilfebezüger soll dabei seine Wohnung weitervermietet haben. Mittlerweile hat das Sozialamt gehandelt. Man habe beschlossen, in den beiden Liegenschaften wegen der prekären Wohnsituation keine Miete mehr zu zahlen, hält die Behörde fest. Mehr könne das Sozialamt jedoch nicht ausrichten.

Sind die Stadtbehörden wirklich so machtlos? Aus der Direktion für Sicherheit, Umwelt und Energie (SUE) heisst es lediglich, es sei ein baupolizeiliches Verfahren am Laufen. Details dazu gibt es keine. Man stehe mit dem Anwalt des Vermieters in Kontakt.

5 Der zweifelhafte Vermieter

Hört man sich um, zeichnet sich ein wenig schmeichelhaftes Bild des Vermieters. «Der Mann kann sich alles leisten, und es passiert nichts», sagt Minder. Sein Kollege, der anonym bleiben möchte, stimmt ihm zu: «Er saniert immer nur gerade das, was baupolizeilich zwingend nötig ist.» Laut den beiden besitzt der Rentner um die sieben Liegenschaften in der Stadt. Auch diese Häuser befänden sich in teils fragwürdigem Zustand, das hätten ihnen schon mehrere Augenzeugen berichtet.

Diese Anschuldigungen weist der Betroffene zurück, als ihn diese Zeitung am Telefon darauf anspricht. «Ich saniere eben Schritt für Schritt», sagt der Hausbesitzer. Auf die prekäre Wohnsituation an der Gerechtigkeitsgasse angesprochen, gibt er zum Teil etwas konfuse Antworten. Es sei eben alles kurzlebiger heutzutage, «es wird weniger Sorge getragen». Erst gegen Ende des Gesprächs erwähnt er, dass er auf Ende Mai der gesamten Mieterschaft gekündigt habe und danach die Wohnungen sanieren wolle. Aus seinen Schilderungen lässt sich heraushören, dass offenbar das städtische Bauinspektorat Druck gemacht hatte. Auf die Frage, warum er nicht schon viel früher die Wohnungen saniert habe, meint er: «Wir wollten auf die Mieter Rücksicht nehmen.»

Als er die angeblichen Pläne des Hausbesitzers hört, reisst Stephan Minder erstaunt die Augen auf: «Das wäre ja ein Wunder», meint der Café-Besitzer. Danach legt er seine Stirn in Runzeln und sagt: «Das glaube ich erst, wenn ein Zügelwagen vor dem Haus steht.»



Verwaister Gasthof und zonenwidrige Bordelle

Der Vermieter der beiden Liegenschaften an der Stadtberner Gerechtigkeitsgasse geniesst einen zweifelhaften Ruf. Der Mann im Rentenalter besitzt mehrere Häuser in der Stadt. Auch diese sollen zum Teil in schlechtem Zustand sein, behaupten Ladenbesitzer in der Gerechtigkeitsgasse. Der Angeschuldigte bestreitet dies jedoch.

Der Häuserbesitzer bereitete schon einigen Gemeindebehörden Kummer. Der Mann sei kaum erreichbar, und auf Briefe bekomme man keine Antwort, ist in früheren Zeitungsartikeln zu lesen. So lässt der Häuserbesitzer etwa seit Jahren eine ehemalige Dorfbeiz leer stehen. Rund um die sanierungsbedürftige Liegenschaft sammle sich allerhand Ramsch, heisst es. Die Dorfbewohner sprechen von einem «Schandfleck». Den Behörden sind die Hände gebunden. Es handle sich um Privatbesitz, man könne nur Empfehlungen abgeben, teilten die Behörden zähneknirschend mit.

Auch in zwei weiteren Gemeinden im Kanton Bern eckte der Häuserbesitzer in der Vergangenheit bei den Behörden an. Beide Male ging es um Bordellbetriebe in seinen Liegenschaften, welche nicht zonenkonform waren und schliesslich aufgehoben wurden. Zumindest in einem Fall waren die Wohnungen auch dort in einem desolaten Zustand. Wie in anderen Fällen auch gab sich der Mann unwissend und sprach von einer «Praxis für Gesundheitsmassagen». Einem Reporter dieser Zeitung bot sich vor Ort jedoch ein ziemlich eindeutiges Bild. Auf den Briefkästen wurde für allerlei Sexangebote geworben, Prostituierte gingen ein und aus und ein Zuhälter meinte, wer ausser ihm denn 2000 Franken pro Monat für ein solches «Loch» bezahlen würde. (mib)
(https://www.bernerzeitung.ch/ladenbesitzer-empoeren-sich-ueber-dealerherberge-214008832715)