Medienspiegel 12. Mai 2020

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++LUZERN
Flüchtlingshilfe Griechenland
https://www.tele1.ch/sendungen/1/Nachrichten#540816_7


+++SCHWEIZ
Asylstatistik April 2020
Aufgrund der Coronakrise kamen weniger Asylsuchende in die Schweiz. Im April 2020 wurden in der Schweiz 332 Asylgesuche eingereicht. Dies entspricht einer Abnahme von 65,5 Prozent (–631 Gesuche) gegenüber dem Vormonat und von 70,3 Prozent (–786 Gesuche) gegenüber April 2019.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-79078.html
-> https://www.blick.ch/news/politik/wegen-strengem-grenzregime-zahl-der-asylgesuche-bricht-ein-id15886874.html
-> https://www.nzz.ch/schweiz/die-zahl-der-asylgesuche-bricht-in-der-corona-krise-ein-ld.1556146


+++GRIECHENLAND
Flüchtlingslager in Griechenland: Offener Brief an Europa
38.500 Geflüchtete leben derzeit auf griechischen Inseln. BewohnerInnen und Hilfsorganisationen fordern, die überfüllten Lager zu schließen.
https://taz.de/Fluechtlingslager-in-Griechenland/!5681845/


Aktivist über Zustände im Camp Moria: „Bewohner haben sich Masken genäht“
Die Zustände in Moria sind katastrophal, unsere größte Sorge ist derzeit Corona, sagt Mohammad Alizadah, der selbst in diesem Lager lebt.
https://taz.de/Aktivist-ueber-Zustaende-im-Camp-Moria/!5681846/


Fall Muhammad Gulzar: Europaparlamentarier fordern EU-Untersuchung der Schüsse auf Migranten
Recherchen des SPIEGEL legen nahe, dass griechische Soldaten im März an der türkischen Grenze einen Migranten erschossen haben. Nun fordern Politikerinnen und Menschenrechtler Konsequenzen.
https://www.spiegel.de/politik/ausland/schuesse-an-griechischer-grenze-europaparlamentarier-fordern-eu-untersuchung-a-c9f01a22-ede4-415e-9dd1-4b9be309095d


+++LIBYEN
Hafen Tripolis, italienisches Kriegsschiff für Push-Back: Erste Verhaftungen involvierter Militärs
Ab 04.08.2017 hat Italien ein Kriegsschiff im Hafen von Tripolis stationiert, das das Abfangen der Boat-people und die Push-Backs aus internationalen Gewässern mithilfe der sogenannten libyschen Küstenwache koordiniert. Nun wurden erste italienische Marines des Schiffs „Caprera“ sowie ein libyscher Offizier der sogenannten libyschen Küstenwache verhaftet – wegen Schmuggel.
https://ffm-online.org/hafen-tripolis-italienisches-kriegsschiff-fuer-push-back-erste-verhaftungen-involvierter-militaers/


+++BIG BROTHER
Volksgesundheit und Staatsräson
Seit Jahrhunderten nutzen Staaten Epidemien, um ihre Macht auszuweiten. In Zeiten von Corona wittern nun auch Techkonzerne einen riesigen Datenschatz.
https://taz.de/Aus-Le-Monde-diplomatique/!5683256/


+++REPRESSION DE
G20 in Hamburg: Darum wurden die Akkreditierungen von Journalisten:innen entzogen
Die Bundesregierung entzog beim G20-Gipfel 32 Journalist:innen die Akkreditierung – mindestens teilweise rechtswidrig. Interne Dokumente des Presseamts zeigen, welche Fehler der Verwaltung zum Angriff auf die Pressefreiheit führten.
https://fragdenstaat.de/blog/2020/05/12/g20-journalisten-presseausweis-akkreditierung/


+++RECHTSPOPULISMUS
Föten auf Fehldiagnosen untersuchen: SVP-Nationalräte nehmen Abtreibungen ins Visier
Rund 10’000 Schwangerschaftsabbrüche gibt es jedes Jahr in der Schweiz. Zu viele, finden die SVP-Nationalräte Yvette Estermann und Erich von Siebenthal. Sie fordern Gegenmassnahmen vom Bundesrat.
https://www.blick.ch/news/politik/foeten-auf-fehldiagnosen-untersuchen-svp-nationalraete-nehmen-abtreibungen-ins-visier-id15887553.html


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
derbund.ch 12.05.2020

«Um Gottes willen, diese Macht!»

Warum Ruth Dürrenmatt, Tochter von Friedrich Dürrenmatt, am Wochenende in Bern gegen die Corona-Massnahmen demonstrierte – und auch am nächsten Samstag wieder auf die Strasse will.

Christoph Lenz

«Mir gä nang d Hang», sagt Ruth Dürrenmatt zur Begrüssung, und da ist es auch schon passiert. Ein weicher Händedruck. Ein verstohlenes Lächeln. Willkommen im Corona-Widerstand.

Ruth Dürrenmatt, 68, Künstlerin und Tochter von Friedrich Dürrenmatt, führt ein ruhiges Leben im Berner Länggassquartier. Politik interessiert sie mässig. Sie nimmt an Abstimmungen teil. Sie wählt – eher links. Aber Kundgebungen meidet sie, seit sie vor 50 Jahren erlebte, wie Polizisten eine Demo niedergeknüppelt haben.

Mit Rollator an die Demo

Doch am Samstag hielt sie nichts mehr in ihrer Alterswohnung. Ruth Dürrenmatt fuhr mit dem Taxi in die Stadt und schloss sich, auf ihren Rollator gestützt, den Demonstranten an, die trotz Versammlungsverbot gegen das Corona-Regime des Bundesrats auf die Strasse gingen.

Die Polizisten seien sehr nett gewesen, erzählt sie. Sie hätten zusammen gelacht. Einer habe ihr sogar ein Mineralwasser gebracht. Dennoch glaubt Ruth Dürrenmatt, dass die Schweiz auf dem Weg in eine Diktatur ist.

Fotos vom Samstag zeigen Ruth Dürrenmatt inmitten der Demonstranten. Sie trägt ein selbst gestaltetes Plakat um den Hals. Es zeigt eine Waage, die aus der Balance geraten ist. Aus der einen Waagschale windet sich eine Schlange, «die Angstpolitik des Bundesrates», erklärt Dürrenmatt. Aus der anderen Waagschale tropft Blut. Wir alle bezahlten für die Einschränkungen des Bundesrates, sagt sie. «Indirekt ist das unser Blut.»

Ruth Dürrenmatt erinnert sich noch gut an den Moment, als ihr Unbehagen wuchs. Es war am 13. März, als Simonetta Sommaruga die Schliessung aller Schulen ankündigte. «Um Gottes willen, diese Macht!, schoss es mir durch den Kopf», sagt Ruth Dürrenmatt. Seither ist sie misstrauisch. Und seither beschleicht sie immer so ein Gefühl, wenn sie Fernsehen schaut. «Irgendetwas stimmt da nicht», sagt sie. «Das Ganze passt nicht zusammen.»

Zur Frage, was genau nicht passt, fallen Ruth Dürrenmatt sofort Hunderte Sachen ein. Lückenhafte Statistiken. Unkritische Medien. Widersprüchliche Empfehlungen und Massnahmen. Die Angstmacherei. Die rohe Macht der Magistraten. Auch Daniel Koch misstraut sie. Ihm werde gehuldigt, als kenne nur er die Wahrheit, sagt Ruth Dürrenmatt.

Sie erwähnt aber auch Videos, die ihr von Freunden geschickt wurden. Videos, die davon handeln, dass Bill Gates die WHO finanziere und verschiedene Firmen aufgekauft habe, um wirtschaftlich vom Coronavirus zu profitieren. Und davon, dass nun eine Zwangsimpfung komme, und wer sich ihr entziehe, der werde sozial an den Rand gedrängt. Es sind Verschwörungstheorien und Zerrbilder der Realität.

Ab an die nächste Demo

Ruth Dürrenmatt behauptet nicht, dass diese Geschichten stimmen. Aber sie zweifelt, dass sie frei erfunden sind. Und wenn man mit ihr über diese Geschichten spricht, kommen ihr immer weitere Videos in den Sinn. Videos von Ärzten, von Forschern und von Viren, die ganz ungefährlich werden, wenn man sie nur frei zirkulieren lässt.

Ruth Dürrenmatt hat viele solche Videos gesehen. Sie selbst sagt: «Ich finde es vor allem erstaunlich, dass diese Sachen nie in den normalen Medien kommen.»

Ihr Protestplakat hat sie aufgehoben. Am Samstag will sie es wieder durch die Berner Gassen tragen. Auch wenn die Polizei diesmal weniger nett sein könnte.
(https://www.derbund.ch/um-gottes-willen-diese-macht-746994303922)



„Gender raus! Oder ich werd zum Nazi!“
Sarah Waterfeld vom Kollektiv „Staub zu Glitzer“ über die Situation vor der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, Hygienedemos, linke Gegenproteste – und mediales Versagen
https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/gender-raus-oder-ich-werd-zum-nazi


Legenden und Mythen: Keine Verschwörung ohne “Geheimplan”
Ob die angebliche “Umvolkung” oder vermeintliche Pläne für die Corona-Pandemie: Bei Verschwörungslegenden spielen Geheimpapiere eine zentrale Rolle. Die meisten Dokumente sind allerdings gar nicht geheim.
https://www.tagesschau.de/faktenfinder/verschwoerungen-geheimplaene-101.html


Stars auf Verschwörungskurs: Nun auch noch Sido
Nun nascht auch Rapper Sido von der Verschwörungssuppe. Das ist komisch und tragisch. Die Linke darf es sich nicht bequem machen.
https://taz.de/Stars-auf-Verschwoerungskurs/!5681878/
-> https://www.spiegel.de/kultur/sido-kinderblut-alte-clans-und-medienverschwoerung-a-fb40be32-605f-402c-b680-e45db05cb392?sara_ecid=soci_upd_KsBF0AFjflf0DZCxpPYDCQgO1dEMph
-> https://www.neues-deutschland.de/artikel/1136603.verschwoerungstheoretien-aluhut-statt-maske.html


Infosperber und die Grenzen eines Ergänzungsmediums (oder wie gut schützt sich «die letzte Pforte vor dem Abgrund»?)
Die Plattform Infosperber findet viel Zuspruch in sogenannten Alternativmedien und unter Verschwörungstheoretikern. Initiator Urs P. Gasche grenzt sich zwar davon ab, sieht aber keinen Grund, etwas zu ändern.
https://medienwoche.ch/2020/05/12/infosperber-und-die-grenzen-eines-ergaenzungsmediums-oder-wie-gut-schuetzt-sich-die-letzte-pforte-vor-dem-abgrund/


Messengerdienst Telegram: Gegenöffentlichkeit für Corona-Zweifler
Mehr als 400 Millionen Menschen weltweit nutzen inzwischen Telegram, Tendenz steigend. In der Coronakrise suchen viele in dem Messengerdienst die Informationen, die sie woanders nicht zu finden glauben. Davon profitieren auch Prominente, die Verschwörungsmythen verbreiten.
https://www.deutschlandfunk.de/messengerdienst-telegram-gegenoeffentlichkeit-fuer-corona.2907.de.html?dram:article_id=476534


Coronakrise Ein Virus, das Lunge und Ego angreift
Muss man “der Wissenschaft” alles glauben? Natürlich nicht. “Die Wissenschaft” gibt es nämlich gar nicht. Das ist aber noch lange kein Grund, wirre Verschwörungsmythen zu bejubeln.
https://www.spiegel.de/kultur/corona-ein-virus-das-lunge-und-ego-angreift-kolumne-a-fcac8579-7466-427d-9b5c-a30aafb3f565


Ken Jebsen und Co: Wie Verschwörungstheoretiker versuchen, die öffentliche Debatte in Deutschland zu kapern
Die Stimmung schlägt um. Immer mehr Bürger melden berechtigte Zweifel an den deutschen Pandemie-Massnahmen an. Agitatoren nutzen diesen Weg unterdessen, um Aufruhr und Umsturzphantasien in die Gesellschaft zu tragen.
https://www.nzz.ch/international/jebsen-und-co-wie-verschwoerungstheoretiker-den-diskurs-kapern-ld.1556108


Proteste gegen den Corona-Lockdown: Das war erst der Anfang
In der Schweiz und anderen Ländern fanden am Wochenende Kundgebungen gegen den Corona-Lockdown statt. Teilgenommen haben vor allem Libertäre und Querulanten, aber das könnte sich mit der Zeit ändern.
https://www.watson.ch/!414458426


Die Corona-Verschwörungstheoretiker haben einen neuen Superstar
Eine diskreditierte Forscherin wirft führendem US-Experten Verschleierung vor und behauptet, Impfungen würden Anfälligkeit für Covid-19 erhöhen
https://www.derstandard.at/story/2000117431280/die-corona-verschwoerungstheoretiker-haben-einen-neuen-superstar


Warum Corona-Verschwörungsgläubige keine Rücksicht verdienen
Verschwörungstheorien werden plötzlich auch von Menschen verbreitet, von denen man es nie gedacht hätte. Da hilft nur eines.
https://www.tagesspiegel.de/themen/reportage/halt-mal-den-rand-onkel-warum-corona-verschwoerungsglaeubige-keine-ruecksicht-verdienen/25816652.html


Corona-Verschwörungstheorien
https://www.spiegel.de/panorama/spiegel-tv-corona-verschwoerungstheorien-a-f014b0c7-d425-45a8-9a1c-cf3b9d4c88a6?sara_ecid=soci_upd_KsBF0AFjflf0DZCxpPYDCQgO1dEMph


Pandemiebekämpfung: Warum ein Beamter in der Corona-Krise den Aufstand wagt
Ein Regierungsrat im Innenministerium hält Corona für einen Fehlalarm und die Pandemiebekämpfung für fatal. Seine Thesen verschickt er deutschlandweit. Das hat Folgen.
 „Er fügt aber auch fragwürdige Quellen an, etwa eine Materialsammlung des dubiosen Internetportals “Swiss Propaganda Research”, das von anonymen Machern betrieben wird und selber im Verdacht steht, Propaganda zu betreiben.“
https://www.zeit.de/politik/deutschland/2020-05/corona-pandemie-bekaempfung-massnahmen-innenministerium-verschwoerungstheorien-regierungsrat/komplettansicht


Anonyme Warner mit scharfem S
Die Website Swiss Propaganda Research unterstellt den Schweizer Medien das, was sie selber tut: Die Leser mit fragwürdigen Informationen zu füttern.
https://www.beobachter.ch/digital/verschworungstheorien-anonyme-warner-mit-scharfem-s



NZZ am Sonntag 21.01.2018

Wir müssen keine Bühne für deutsche Streitereien bieten

Die Website «Swiss Propaganda Research» schiesst mit unhaltbaren Behauptungen gegen die hiesigen Medien und weigert sich, offenzulegen, wer dahintersteckt.

Felix E. Müller

Die Schweizer Medienrealität sei «alarmierend». Nein, nicht die Befürworter der No-Billag-Initiative fällen dieses vernichtende Urteil, sondern Forscher, die eine aufwendig gemachte, um den Eindruck von Seriosität bemühte Website, Swiss Propaganda Research (SPR), verantworten. Dabei stehen nicht etwa die Privatradios oder Lokalzeitungen im Fokus der Untersuchung, sondern zwei Schwergewichte der Schweizer Medienlandschaft: die NZZ und das Schweizer Fernsehen.

Diese würden total einseitig über das Weltgeschehen berichten, der Nachrichtenfluss werde systematisch zensuriert. Die NZZ etwa verbreite in ihren Berichten «überwiegend Propaganda der Konfliktparteien USA/Nato», Gastkommentare und Meinungsbeiträge gäben «nahezu durchgehend die Sicht dieser Konfliktpartei wieder». Insgesamt müsse von einer «einseitigen, selektiv-unkritischen und wenig objektiven Berichterstattung gesprochen werden».

Wer sind nun die Personen, die auf angeblich wissenschaftliche Weise zu so extremen Befunden gekommen sind? Hier gibt sich die Website leider wortkarg: Weil die Forscher nicht Opfer «persönlicher Diffamierungen und beruflicher Sanktionen» werden möchten, hätten sie beschlossen, «nicht namentlich aufzutreten». Das allerdings scheint dem Interesse an deren Behauptungen nicht zu schaden. Seit Juli 2017 verzeichnete die Website fast eine halbe Million Besucher, vor allem aus Deutschland.
Daniele Ganser

Nach Angaben von Silvia Stöber von der deutschen ARD, die sich mit dem Phänomen alternativer Medien beschäftigt, habe SPR im September einen Aufmerksamkeitsschub erlebt, der wohl mit der Publikation des Buchs «Lügen die Medien?» zusammenhänge. In dieser Propagandaschrift sind die SPR-Forscher ebenfalls mit einem Text vertreten, wiederum anonym. Geht man die Autorenliste des gut verkauften Werks aber durch, stösst man auf einen in der Schweiz bekannten Namen: Daniele Ganser.

Die ARD-Journalistin Stöber meint denn auch, dass Ganser hinter der Website Swiss Propaganda Research stehen könnte. Dieser Friedensforscher und Verschwörungstheoretiker – Ganser bezweifelt etwa, dass 9/11 wirklich ein Werk von Usama bin Ladin war – ist seit seinem umstrittenen Auftritt in der «Arena» vom 24. Februar 2017 schweizweit bekannt. In dieser Sendung ging es unter dem Titel «Trumps Krieg» um Themen wie Mainstream-Medien, Fake-News und Lügenpresse. Es sind dies Vorwürfe gegenüber den etablierten Medien, die in den USA Donald Trump und in Deutschland vor allem die AfD erheben.

In die gleiche Kerbe haut Swiss Propaganda Research, indem es die Schweizer Medien als Lakaien im Dienst der USA und der Nato hinstellt. Diese Auffassung vertritt auch Daniele Ganser. Zwar erklärt Ganser: «Nein, ich bin nicht Swiss Propaganda Research. Ich weiss nicht, wer es ist.» Doch fügt er an: «Ich finde deren Arbeit aber spannend.» Diese Einschätzung überrascht nicht, wer Gansers publizistisches Wirken verfolgt. Es geht fast immer darum, den Westen der Lüge zu bezichtigen und moralisch auf die gleiche Ebene wie Russland zu stellen, was im Ergebnis den politischen Absichten Putins hilft.
Russlandfreunde

In der Szene der alternativen Medien in Deutschland ist Ganser eine bekannte Figur. Eine ganze Boutique-Publizistik à la Breitbart hat sich dort in den letzten Jahren entwickelt, mit Websites, die KenFM heissen oder Rubikon, wo er im Beirat sitzt. Mächtig Auftrieb erhielt diese Bewegung durch die Flüchtlingskrise des Jahres 2015, bei der in den deutschen Medien anfangs Kritisches tatsächlich ziemlich rar war. Es waren die Sympathisanten der AfD, welche auf diese Berichterstattung mit dem historisch belasteten Schlagwort «Lügenpresse» reagierten.

Doch auch von ganz anderer Seite, etwa aus dem Lager der Russlandfreunde oder EU-Gegner, sind ähnliche Töne zu vernehmen. Das Raffinement dieser Begrifflichkeit liegt darin, dass sich die Kritiker der Mainstream-Medien so als Aufklärer, als Vertreter des Meinungspluralismus zu inszenieren vermögen – oder als Opfer, die wegen ihrer abweichenden Meinungen totgeschwiegen oder gar diffamiert würden.

Für deutsche Anhänger dieses Weltbilds liegt die Schlussfolgerung nahe, die Situation in der Schweiz könne wohl nicht viel anders sein. Dass nun aus diesen Kreisen eine raffiniert gemachte, aufwendig gestaltete Website unter dem Titel «Swiss Propaganda Research» lanciert wird, heisst, dass eine heftig tobende deutsche Debatte endlich in die Schweiz exportiert werden soll.
Der Fall Schutzbach

Ähnliche Mechanismen lassen sich im Fall Franziska Schutzbach beobachten. Die aus Deutschland stammende Genderforscherin der Universität Basel schlug in einem Artikel vor, rechte Politiker – insbesondere solche der SVP – systematisch auszugrenzen: Taxifirmen sollten diese nicht mehr befördern, Airlines ihnen keine Sitze mehr verkaufen, Hotels keine Versammlungsräume mehr zur Verfügung stellen. Mit andern Worten: Jeder Versuch sei zu unterbinden, mit SVP-Vertretern in eine Diskussion zu treten. Vielmehr müssten diese konsequent ausgegrenzt werden.

Als die «Basler Zeitung» diesen Text einer breiteren Öffentlichkeit zur Kenntnis brachte, sah sich Schutzbach darauf vor allem aus SVP-Kreisen hart attackiert. Sie rechtfertigte sich damit, es habe sich um eine «gedankliche Spielerei» gehandelt, «ohne den Anspruch, richtig zu liegen». Nicht bedacht hat sie offenbar, dass sich künftig natürlich auch jeder rechtsradikale Pamphletist auf diese intellektuell etwas bescheidene Verteidigungslinie zurückziehen könnte.

Schutzbach gehört zu den Herausgeberinnen der Online-Plattform «Geschichte der Gegenwart». Sie gründete diese mit den an der Universität Zürich lehrenden Professoren Svenja Goltermann und Philipp Sarasin, die beide in einen Rechtsstreit mit der «Weltwoche» verwickelt waren, der mit der Verurteilung von «Weltwoche»-Redaktor Philipp Gut wegen Persönlichkeitsverletzung endete. Seither stehen beide Lager in einer Dauerfehde.

Auf dem Höhepunkt der Schutzbach-Kontroverse publizierte denn auch «Geschichte der Gegenwart» einen «Aufruf zur Verteidigung der Wissenschaften», weil in der Schweiz «demokratische unabhängige Institutionen wie die Universität finanziell und ideell immer mehr unter Druck gesetzt» würden. Dies zeigten etwa die «gezielten Kampagnen seitens SVP-naher Medien gegen kritische Wissenschaftlerinnen».
Verwechslung von Zeitungen

Speziell erwähnt werden angebliche Attacken «insbesondere auf die Geschlechterforschung» in der NZZ und der «NZZ am Sonntag». Was Letztere betrifft, scheint allerdings eine peinliche Verwechslung vorzuliegen, werden in der Folge doch nur Beispiele aus der «Sonntagszeitung» genannt, die bei Tamedia erscheint.

In unserem Zusammenhang ist aber etwas anderes augenfällig: Schutzbach wie Goltermann und andere deutsche Wissenschafter (etwa Kijan Espahangizi, Geschäftsführer des Zentrums Geschichte des Wissens von ETH und Universität Zürich) begehen den Fehler, die Verhältnisse in Deutschland eins zu eins auf die Schweiz zu übertragen. Doch die Schweiz ist nicht Deutschland; sie hat nur schon eine radikal andere Geschichte.

Wer die Schweiz mit Denkmustern aus Deutschland zu verstehen sucht, landet auf dem Holzweg. Die SVP etwa ist nicht einfach ein Abziehbild der AfD, sondern eine seit 100 Jahren bestehende Organisation mit zwei Vertretern in der Landesregierung und Exekutivpolitikern in vielen Kantonen, was sie deutlich vom schrillen Haufen der AfD-Protestpartei unterscheidet.

Zudem geniessen die Medien in der Schweiz eine vergleichsweise gute Akzeptanz; das Jahrbuch «Qualität der Medien» spricht gar von einem hohen Vertrauen. Die No-Billag-Debatte wird ja auch nicht mit primär inhaltlichen Argumenten geführt, sondern auf der Achse Freiheit contra Zwang. Linards Udris von der Forschungsstelle «Öffentlichkeit und Gesellschaft» an der Universität Zürich begründet dies auch damit, «dass in den meisten Medientiteln keine Partei systematisch und regelmässig über die Zeit hinweg auffallend bevorzugt wird».

Dies dürfte ein Grund sein, weshalb in der Schweiz im Unterschied zu Deutschland kaum ein Biotop von alternativen Medien existiert und solche Angebote aus Deutschland in der Schweiz auf wenig Resonanz stossen. So werden zwar gemäss den vorherrschenden kulturellen Einflusskanälen auf der Schweizer Bühne Debatten ausgetragen, die in Deutschland konzipiert worden sind. Aber die breite Masse des Publikums erreicht man damit offensichtlich nicht.
(https://nzzas.nzz.ch/kultur/wir-muessen-keine-buehne-fuer-deutsche-streitereien-bieten-afd-swiss-propaganda-research-ld.1349190)


+++WORLD OF CORONA
Diabetiker, Raucherinnen, Übergewichtige: Die Risikogruppen sind unter uns
Es wächst Unmut gegen den Lockdown. Nicht wenige fordern statt Vorsichtsmassnahmen für alle, dass man lediglich die Risikogruppen schütze. Die das fordern, können nicht rechnen.
https://www.higgs.ch/die-risikogruppen-sind-unter-uns/32641/


Corona in Afrika: Warum nicht bedingungsloses Grundeinkommen statt unpraktikabler WHO-Massnahmen?
Zwei Aspekte treten während der Corona-Krise besonders hervor: Einerseits bringt diese Krankheit trotz ihres universellen Charakters bestehende Ungleichheiten noch deutlicher zum Vorschein und verstärkt sie sogar teilweise. Andererseits wird bis anhin Undenkbares plötzlich möglich. Was bedeutet diese Krise für das alltägliche Leben auf dem afrikanischen Kontinent? Eine Perspektive aus Goma, Demokratische Republik Kongo.
https://daslamm.ch/corona-in-afrika-warum-nicht-bedingungesloses-grundeinkommen-statt-unpraktikabler-who-massnahmen/