antira-Wochenschau: Rassistische Grenzöffnung für wenige statt für alle, staatliche Pushbacks mit privaten Fischereibooten, auf Streife mit Nazis

Bild: Das private Fischerboot Mae Yemenja führt staatlich orchestrierte Pushbacks nach Libyen durch.

Podcast der Wochenschau


Was ist neu?

Nationalistische Logik bei der schrittweiser Lockerung der Grenzen
Ab dem 11. Mai werden die Grenzen schrittweise wieder geöffnet. Das hat der Bundesrat bekanntgegeben. Doch die Lockerungen folgen einer nationalistischen Logik. Oberste Priorität haben in dieser Logik schweizer Kapitalist*innen und die Gesundheit von schweizer Arbeitskräften, die möglichst rasch und möglichst gesund ihre Lohnarbeit verrichten sollen. Als nächstes geht es in dieser Logik nicht darum, dass Geflüchtete z.B. aus den Camps an Europas Aussengrenzen in die Schweiz einreisen dürfen, da ihr Leiden hoch ist und Solidarität mit Geflüchteten dringend wäre. Nein, Geflüchteten bleiben die schweizer Grenzen und auch die Schengenaussengrenzen bis auf weiteres verschlossen. Der Fokus liegt nicht bei ihnen, sagt der Bundesrat. In die Schweiz einreisen dürfen einzig EU-Lohnabhängige mit Arbeitsvertrag oder klarem Arbeitsauftrag sowie hochqualifizierte Arbeitskräfte aus nichteuropäischen Staaten, die im Rahmen der Wirtschaftskontingente von Unternehmen gerufen wurden. Die rassistische Ungleichbehandlung zwischen Schweizer*innen, Europäer*innen und Nicht-Europäer*innen zeigt sich auch beim Familiennachzug. Dieser wird den ersten beiden Gruppen erlaubt, nicht aber den Nicht-Europäer*innen.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-78940.html
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-78924.html
https://www.derbund.ch/eu-will-chaos-bei-grenzoeffnungen-verhindern-226535834606
https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/eu-innenminister-beraten-ueber-grenzkontrollen?id=56aaf1b9-4518-4058-ad4c-994b8128942f
https://www.luzernerzeitung.ch/news-service/inland-schweiz/eu-staaten-sind-sich-einig-die-grenzen-sollen-behutsam-wieder-geoeffnet-werden-ld.1216161
https://www.tagesanzeiger.ch/eu-will-chaos-bei-grenzoeffnungen-verhindern-226535834606

Neustrukturierung der Entwicklungszusammenarbeit in Deutschland und in der Schweiz
Deutschland streicht ab nächstem Monat die Entwicklungshilfe für ein Drittel aller bisher «unterstützten» Länder. Das ist die grösste Sparübung innerhalb des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) seit 12 Jahren. Entwicklungsgelder gibt es spätestens ab dann nur noch für reformwillige Länder. Laut dem Bundesentwicklungsminister Gerd Müller sind das «Länder, die gezielt Reformen zu guter Regierungsführung umsetzen, Menschenrechte wahren und Korruption mit deutscher Unterstützung bekämpfen”. Was «gute Regierungsführung» bedeutet, liegt in der Definitionskompetenz des BMZ. Ein westlicher Staat folgt somit einmal mehr der postkolonialen Überlegenheitslogik, die davon ausgeht, dass Staaten im globalen Süden grundsätzlich «unterentwickelt»  sind und ausschliesslich die sogenannten «entwickelten» Länder auf der nördlichen Halbkugel wissen, was Entwicklung bedeutet und wie gute Regierungsführung aussieht. In der Entwicklungszusammenarbeit zeigt sich das postkoloniale Machtgefälle zwischen dem globalen Norden und Süden sehr deutlich. Der globale Norden beutet die Staaten des globalen Südens beispielsweise durch den Rohstoffhandel systematisch aus. Statt sich endlich nicht mehr daran zu bereichern, wagt es der globale Norden auch noch, sich als Retter*in in der Not darzustellen und einen winzigen Anteil des erbeuteten Geldes in Form von Entwicklungszusammenarbeit wieder zurückzugeben. Natürlich nur, wenn sich die Staaten so verhalten, wie vom globalen Norden oder von internationalen Banken oder Fonds vorgegeben. Oft werden von den Staaten der nördlichen Erdhalbkugel nicht nur Kriterien aufgestellt, sondern sie werden auch eingefordert. So hat die offizielle Schweiz bereits im Februar dieses Jahres in ihrer neuen Strategie für die Internationale Zusammenarbeit (IZA) geschrieben, dass die IZA neu auch dazu beitragen soll, die handelspolitischen und migrationspolitischen Interessen der offiziellen Schweiz im globalen Süden durchzusetzen. Was bedeutet, dass Staaten nur noch Geld erhalten, wenn keine Geflüchteten mehr nach Europa gelassen werden und zwangsausgeschaffte Menschen bedingungslos wieder entgegengenommen werden (vgl. Wochenschau vom 25.02.2020: https://antira.org/2020/02/25/antira-wochenschau-unglaubliche-morde-in-hanau-unsolidarische-entwicklungszusammenarbeit-der-schweiz-unlust-auf-seenotrettung/).
Passend zu diesen Entwicklungen hat die offizielle Schweiz diese Woche vorgestellt, wie sie gedenkt, die Staaten des globalen Südens in der Corona-Situation zu «unterstützen»:
– Insgesamt wurden 400 Millionen Franken zugesprochen. Das ist etwa ein Viertel dessen, was zur selben Zeit der Airline Swiss zugesprochen wurde.
– 200 Millionen Franken gehen in Form eines zinslosen Darlehens an das Internationale Komitee vom Roten Kreuz. Dieses muss innerhalb von sieben Jahren zurückbezahlt werden.
– Der Krisenfonds des Internationalen Währungsfonds wird mit 25 Millionen unterstützt.
Über die Verwendung des restlichen Geldes ist noch nicht entschieden. Unterstützung wird neuerdings also in Form von Krediten zugesprochen, die zurückbezahlt werden müssen oder sie gehen an den Internationalen Währungsfonds. Dieser ist aufgrund seiner zahlreichen aufgezwungenen Strukturanpassungsprogramme massgeblich für die Armut in vielen Ländern des globalen Südens verantwortlich. Auf dieser Seite gibt es ein (stark vereinfachtes) Beispiel dafür, wie  Strukturanpassungsprogramme des IWF aussehen und welche konkreten Folgen sie für die betroffenen Menschen haben: https://kritisches-netzwerk.de/forum/die-strukturanpassungsprogramme-des-iwf-und-ihre-fatalen-folgen.
https://www.zeit.de/politik/deutschland/2020-04/entwicklungszusammenarbeit-deutschland-partnerland-gute-regierungsfuehrung-menschenrechte?utm_campaign=ref&utm_source=twitter_zonaudev_int&utm_content=zeitde_redpost+_link_sf&wt_zmc=sm.int.zonaudev.twitter.ref.zeitde.redpost.link.sf&utm_medium=sm
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-78956.htm

Mehrere Feuer im Lager auf Samos machen Evakuierung noch dringlicher

An zwei Tagen in Folge kam es zu Bränden im sogenannten Empfangs- und Identifizierungszentrum Vathy auf der griechischen Insel Samos. Ob Streitigkeiten zwischen den dort lebenden Menschen die Ursache waren oder ob eine Evakuierung des Lagers durch Aufstände erzwungen werden sollte, bleibt unklar. Möglicherweise ist beides der Fall. Menschen vor Ort berichten vom gewaltsamen Vorgehen der Polizei, um das Verlassen des brennenden Camps zu verhindern, sowie von Angriffen aus der lokalen Bevölkerung auf Helfende. Es gab Verletzte und mehrere hundert Menschen haben ihr ohnehin spärliches Dach über dem Kopf und ihre gesamten persönlichen Gegenstände verloren. Das Lager bietet Platz für 650 Menschen. Nach offiziellen Angaben leben dort aktuell 6.500 Geflüchtete. Die prekäre Lage ist ein Dauerzustand, der Menschen davor abschrecken soll, nach Europa zu kommen. Die Krise war schon vor Corona. Jetzt müssen die Menschen endlich evakuiert werden.
https://www.derstandard.at/story/2000117144195/erneut-feuer-in-camp-auf-samos?ref=rss
https://www.jungewelt.de/artikel/377302.griechenland-und-die-eu-feuer-in-fl%C3%BCchlingslager.html
https://www.nzz.ch/international/fluechtlingslager-auf-samos-feuer-waehrend-des-lockdowns-ld.1554032
https://www.ekathimerini.com/252069/article/ekathimerini/news/fires-at-samos-migrant-camp-force-partial-evacuation
https://www.facebook.com/AegeanBoatReport/videos/285953155730805/
https://www.facebook.com/100010821884630/videos/1117584728612246/
www.evakuieren-jetzt.ch

Statliche Migrationsabwehr mit privaten Fischerbooten und der Forderung, Libyen zum sicheren Hafen zu erklären
Erneut kam es diese Woche zu einem Seenotfall in der maltesischen Such- und Rettungszone. Am Dienstag meldet Alarmphone 61 Menschen in Seenot. Malta koordiniert die “Rettung” mit einem Fischerboot, statt mit der eigenen Küstenwache. Dieses brachte die Menschen wiederum auf das gecharterte Touristenschiff Europa I des Anbieters Captain Morgan Cruises. Dort sollen die Menschen bleiben, bis eine europäische Lösung für ihre Aufnahme gefunden wurde. Dies sei laut Regierungschef Abela die einzige Möglichkeit, die Malta habe, ohne die Menschen nach Libyen zurückzuführen. Genau das tat Malta bei einem Seenotfall am Osterwochenende. Was auffällt: Das gleiche Fischerboot war bereits dort an der illegalen Rückführung der Menschen nach Libyen beteiligt gewesen, nachdem durch den tagelang verzögerten Rettungseinsatz 12 Menschen gestorben waren. Nach Aussagen des Kapitäns eines der Boote, eines hochrangigen Kommandeurs der libyschen Küstenwache und eines ehemaligen maltesischen Beamten, der an dem Vorfall beteiligt war, entsandte Malta am Osterwochenende eine kleine Flotte privater Schiffe, um Geflüchtete auf See abzufangen und sie gewaltsam in das Kriegsgebiet Libyen zurückzubringen. Die eingesetzten Fischtrawler befinden sich in Privatbesitz, handelten aber auf Anweisung der maltesischen Streitkräfte, so der Kapitän. Nachdem Malta bereits seine Häfen geschlossen hatte, um die Ankunft weiterer Menschen zu verhindern, ist der Einsatz einer ausgewählten Privatflotte eine neue Taktik. Diese Methode ähnelt in erschreckender Weise dem organisierten Verbrechen und den Operationen von Menschenschmugglern, die von europäischen Politiker*innen so hartnäckig angeprangert werden. Weil das Vorgehen der sogenannten libyschen Küstenwache der maltesischen Regierung zu gefallen scheint, hat diese sich nun auch noch dafür eingesetzt, Libyen zum sicheren Hafen zu erklären. Nach internationalem Recht ist es verboten, aus Seenot geholte Menschen in Tripolis abzusetzen. Libyen gilt nicht als sicherer Ort. Malta setzt sich zudem als Sprachrohr Libyens bei der EU dafür ein, dass Libyen weitere 100 Millionen Euro zugunsten der lokalen Bevölkerung und der Menschen in Gefangenenlagern erhalte. Derweil wollen NGOs die EU auf juristischem Wege zwingen, Zahlungen an die sogenannte libysche Küstenwache einzustellen. Konkret soll das “Integrated Border Management Programme” überprüft werden, in dessen Rahmen die EU der libyschen Küstenwache bereits mehr als 90 Millionen Euro gezahlt hat. Das Geld kommt vom EU‑Treuhandfonds für Afrika. Es soll eigentlich der “Entwicklung” afrikanischer Länder dienen. Die EU-Aussenminister*innen haben bereits über 15 Millionen Euro beraten, die zusätzlich an die libysche Küstenwache gegeben werden sollen und mit deren Hilfe der europäische Grenzschutz weiterhin auslagert werden soll.
https://www.spiegel.de/politik/ausland/libyen-europa-und-seine-handlanger-am-pranger-a-65ff0309-5b9c-4a07-98f0-bd3a474aa03f
https://timesofmalta.com/articles/view/private-fishing-vessel-on-route-to-stranded-migrants.788738
https://www.nytimes.com/2020/04/30/world/europe/migrants-malta.html?auth=login-email&login=email
https://www.avvenire.it/attualita/pagine/lettera-di-malta-riconoscere-libia-porto-sicuro?fbclid=IwAR36AT2G1ScGHdybQFRciOkRaZnxL6XFYXWaIEtWsdqa2WF1besSH_fwmAA

Grenzbeamt*innen beschiessen sich gegenseitig
Ein türkischer Soldat hat auf deutsche Grenzsoldat*innen von Frontex geschossen und ihnen den Mittelfinger gezeigt. Letzteres wollte ich auch schon immer mal machen. In der Medienberichterstattung ist die Rede von einer „gefährlichen Situation“. Als Menschen im Februar und März versuchten, über die griechische Grenze zu gelangen, wurden sie mit Gummischrot und Tränengas beschossen. Mindestens zwei Menschen starben. Diese Situation erscheint mir viel gefährlicher, als ein Schuss auf Soldat*innen. DER SPIEGEL schreibt von einem „Hilferuf“ aus Athen im März, woraufhin Frontex 20 weitere Polizist*innen und einen Helikopter nach Griechenland übermittelte. Genau, schliesslich sind es die Regierungsbeamt*innen in Athen, die sich in einer prekären Lage befinden und „Hilfe“ brauchen… So beeinflussen Medien mit ihrer Wortwahl die Meinungsmache. Nach dem abgegebenen Schuss an der griechisch-türkischen Grenze überlegt Frontex mehr Leute nach Griechenland zu entsenden. Meistens sind dies Bundespolizist*innen oder Landespolizist*innen. Aus Italien, Spanien, Bulgarien und Albanien hingegen wurden aufgrund von Corona seit Mitte März die meisten Frontex-Beamt*innen abgezogen. Gut so, sollen sie wegbleiben und nie wieder entsandt werden.
https://rp-online.de/panorama/coronavirus/eu-grenze-frontex-weicht-corona-schutz-der-polizisten_aid-50293409

https://www.spiegel.de/politik/ausland/tuerkische-soldaten-sollen-auf-deutsche-frontex-beamte-gezielt-haben-a-ad7bd4ca-d7df-430e-b40a-7cf7e59bd92a?d=1588255977

https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-04/frontex-tuerkei-griechenland-grenze-schuss

https://www.nzz.ch/international/ein-tuerkischer-soldat-soll-auf-frontex-polizisten-geschossen-haben-ld.1554466


Was geht ab beim Staat?

Um den Rassismus in der berner Administrativhaft zu drosseln, musste nun das Bundesgericht eingreifen
Die Administrativhaft ist per se rassistisch, denn Schweizer*innen können gar nicht von ihr betroffen sein. Die Administrativhaft bzw. ihre drei Unterformen Vorbereitungs-, Ausschaffungs- und Durchsetzungshaft existieren einzig zu dem Zweck, nicht-schweizerische Menschen wegzusperren, um sie dann durch Abschiebung gewaltsam aus der Schweiz zu bringen. Trotzdem haben Staaten Regeln dafür aufgestellt. Doch da die bernischen Behörden sich nicht einmal an diese halten wollen, wurden sie nun vom Bundesgericht zurückgepfiffen. Die Administrativhaft müsse in separaten Gebäuden erfolgen und dürfe grundsätzlich nicht in Gefängnissen für Strafvollzug oder Untersuchungshaft stattfinden, hält das Gericht ferst. In Gefängnissen für Strafvollzug oder Untersuchungshaft dürfen Administrativgefangene nur für “wenige Stunden oder Tage” und in begründbaren Ausnahmefällen eingesperrt bleiben. Z.B. wenn die Ausschaffungsflug sonst verpasst würde oder wenn alle anderen Adminhaftanstalten der ganzen Schweiz keine unbelegten Zellen mehr haben. Das Gericht hält fest, dass Administrativhaft theoretisch nicht als Bestrafung gedacht sei, sondern nur dazu diene, sicherzustellen, dass die Person effizient ausgeschafft werden könne bzw. nicht untertauche. Die Administrativhaft müsse deshalb lockerer sein. Auch damit der Eindruck einer Gefängnisumgebung vermieden und zum Ausdruck gebracht werde, dass die festgehaltenen Personen keine Straftäter*innen seien. Zudem brauche es lockerere Bedingungen bezüglich Aussenkontakten, Telefonmöglichkeiten, Zugang zu Internet, sowie genügend Kontakt mit anderen eingesperrten Administrativgefangenen z.B. in einem Gemeinschaftsraum oder mit Aktivitäten wie Sport, die länger als die obligatorische Freistunde dauern.
Bereits 2009 hatte das Bundesgericht in einem Urteil beanstandet, dass sich die Behörden nicht an diese Regeln halten. 2018 wurde die offizielle Schweiz von der EU im Rahmen einer Evaluation der Haftpraxis genau in diesem Punkt gemahnt und letztes Jahr schickte die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter (NKVF) nach zwei Besuchen vor Ort Briefe an die berner Regierung, um die getrennte Unterbringung zu fordern. Nichts geschah. Dies, obwohl der entsprechende Artikel des Ausländer- und Integrationsgesetzes, der am 1. Juni 2019 in Kraft trat, recht eindeutig klingt: “Die Haft ist in Hafteinrichtungen zu vollziehen, die dem Vollzug der Vorbereitungs-, Ausschaffungs- und Durchsetzungshaft dienen. Ist dies insbesondere aus Kapazitätsgründen in Ausnahmefällen nicht möglich, so sind die inhaftierten Ausländerinnen und Ausländer gesondert von Personen in Untersuchungshaft oder im Strafvollzug unterzubringen.” Wie viel es braucht, damit sich jene, die meinen, im Namen des Gesetzes Menschen einknasten zu dürfen, selber an ihre Regeln halten, zeigt diese rassistische juristische Praxis.
https://www.bernerzeitung.ch/separate-gefaengnisse-fuer-ausschaffungshaeftlinge-379938526444

https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/aza/http/index.php?highlight_docid=aza%3A%2F%2Faza://31-03-2020-2C_447-2019&lang=de&zoom=&type=show_document


Was ist aufgefallen?

Wie offen faschistisch will sich die AfD geben?
Christian Lüth, Pressesprecher der AfD, ist am letzten Montag von seinem Job beurlaubt worden. Grund dafür sind Vorwürfe, Lüth habe sich als Faschist bezeichnet, und die Nazizeit glorifiziert. Es geht um einen WhatsApp-Chatverlauf mit einer CDU-Abgeordneten. In dem bezeichnete er sich mehrmals als Faschist und als arisch. Zudem zeigte er Videos von seinem angeblichen Grossvater, wie ihm das Eiserne Kreuz von Hitler persönlich verliehen wird. Lüth sang auch gerne das Kampflied der SA. Die AfD wollte die Gründe für Lüths Freistellung nicht öffentlich machen, sondern lieber still und leise untersuchen. Seitdem sie an der Öffentlichkeit sind, musste sich die AfD davon distanzieren. Es gibt ein interessantes Verhältnis in allen rechten Parteien, einerseits beständig mit Neonazis und Menschen mit völkischem Gedankengut zu liebäugeln und sich andererseits von expliziten Faschos zu distanzieren, um den eigenen Faschismus salonfähig zu halten. Das eine ist nicht weniger rechts als das andere, es passt nur besser in die bürgerliche Parteipolitik.
https://www.zeit.de/politik/deutschland/2020-05/christian-lueth-afd-pressesprecher-freistellung-faschismus

Genfer Behörden vernachlässigen geflüchtete unbegleitete Minderjährige
Wer sich den Umgang der genfer Behörden mit unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden (UMAs) vor Augen führt, kann sich fragen, ob die offizielle Schweiz wirklich Mitunterzeichnerin der Kinderrechtkonvention ist. Die unterzeichnenden Staaten versprechen im Artikel 3, jedem Kind “Schutz und die Fürsorge zu gewährleisten, die zu seinem Wohlergehen notwendig sind”. Laut Anwält*innen und Jurist*innen, die in Genf mit dem UMA-Kollektiv für die Rechte der UMAs kämpfen, verhalte sich die Polizei während der zahlreichen gezielten Kontrollen und Verhaftungen von UMAs äusserst brutal. Immer wieder beschlagnahmen die Polizist*innen Geld und Handys. Zwei wichtige Ressourcen, um im Alltag (auf der Strasse) zu bestehen. Obwohl die Behörden wegen der Besetzung des Grütli-Zentrums durch UMAs sagen, dass es keine obdachlosen UMAs mehr geben solle, leben in Genf nach wie vor unbegleitete minderjährige Asylsuchende auf der Strasse. Ein Grund dafür sind kurze und wechselnde Schalteröffnungszeiten für die zwingende Anmeldung für eine Unterkunft. Wer es schafft, sich anzumelden, wird in schlechten Wohnungen untergebracht, die tagsüber teilweise verlassen werden müssen. Auch werden UMAs, nachdem sie volljährig werden, direkt wieder aus den Unterkünften entlassen und auf die Strasse gestellt.
https://renverse.co/Lettre-ouverte-de-la-permanence-des-avocat-e-s-des-MNA-2568

Mit Nazis auf Streife
Daniel Peschek, ein Mann mit Neonazi-Vergangenheit, möchte in Meuselwitz, Thüringen eine Bürgerwehr errichten. Er hat beim Bürgermeister Udo Pick (FDP) ein Konzept eingereicht. Und dieser zeigte sich gesprächsbereit. Pick kommentiert, er sei offen für alle, die sich engagieren wollen und deren politische Vergangenheit würde er nicht betrachten. Die Verharmlosung von Rechten hat Geschichte und ist gefährlich. Die Bürgerwehr wolle gegen „sittenwidriges Verhalten“ vorgehen und fordert ähnliche Kompetenzen wie die Polizei – z.B. das mögliche Festsetzen einer Person bis zum Eintreffen der Polizei, sowie Platzverweise aussprechen zu können. Dass eine sogenannte exekutive Kraft mit Kompetenzen ausgestattet ist, die Zivilbürger*innen nicht innehaben, ist grundsätzlich äusserst kritisch zu betrachten. Das Gewaltmonopol – also dass es ausschliesslich staatlichen Organen vorbehalten ist, physische Gewalt (straffrei) anzuwenden – bedeutet schliesslich, dass Polizist*innen Massnahmen durchführen können, die für Zivilbürger*innen strafbar wären. Und der Staat bestimmt gleichzeitig über die Grenzen von Legalität und Illegalität. Zusätzlich lassen sich in Polizeistrukturen ohnehin häufig enge Verbindungen zur rechten Szene finden. Dass nun aber Zivilbürger*innen mit offensichtlich rechtem Hintergrund in Betracht gezogen werden, diese fragwürdigen Kompetenzen zu erhalten, ist absurd. Nach Kritik von zwei Landtagsabgeordneten von der Linken und den Grünen hat der Bürgermeister das Gespräch jedoch mittlerweile abgesagt.
https://taz.de/Rechte-Buergerwehr-in-Meuselwitz/!5681956/

Schweizer Banken sperren die Nothilfe für Kuba
In der COVID-19-Krise wird Solidarität gross geschrieben. Sie endet jedoch oftmals an den nationalstaatlichen Grenzen, wie die prekäre Situation in den Lagern für geflüchtete Menschen an den Aussengrenzen Europas aufzeigt. Oder sie wird gewissen Ländern sogar komplett entzogen: So kritisieren die Organisationen MediCuba Suiza und Suiza-Cuba, dass die „Wirtschaftsblockade der USA schwer auf dem Gesundheitssystem von Kuba wiegt und das Leben vieler Kubaner*innen gefährdet“. Die Schweizer Banken spielen reflexartig nach den Regeln der USA und verweigern jegliche Geldtransfers nach Kuba, sei es auch für humanitäre Zwecke. Des Weiteren stellen die Firmen IMT Medical AG und Acutronic Medical Systems AG, welche ihren Sitz in der Schweiz haben, den Verkauf von Beatmungsgeräten nach Kuba ein – Geräte, die für die Behandlung von COVID-19-betroffenen Patient*innen unerlässlich sind. Die beiden Firmen wurde zwischenzeitlich von einer amerikanischen Firma aufgekauft. Die Entsolidarisierung erscheint zusätzlich grotesk, da sich Kubaner*innen selber solidarisch zeigen. Sie teilten ihre Erfahrungen im Bereich Epidemiologie mit verschiedenen Ländern der Welt, wie es beispielsweise beim Ebola-Ausbruch in afrikanischen Staaten der Fall war oder auch bei der COVID-19 Pandemie in Europa, insbesondere im krisengeschüttelten Italien und in Lateinamerika. Die Kritik erreicht indessen auch Alliance Sud, die politische Plattform der grossen Schweizer Entwicklungsorganisationen. Sie wird kritisiert, sich nicht gegen die aufgeführten Massnahmen zur Wehr zu setzen.
https://www.swissinfo.ch/spa/covid-19_bloquean-ayuda-suiza-de-urgencia-para-cuba/45705228
https://medicuba.ch/files/medienmitteilungen/Pressemitteilung_-_Blockade_wahrend_der_Coronavirus-Zeit.pdf
https://www.cuba-si.ch/de/blog/die-schweiz-und-kuba-scheinheiligkeit-in-zeiten-einer-pandemie/
https://www.alliancesud.ch/de/politik/entwicklungspolitik/alliance-sud-kuba-und-der-privatsektor

Toleranz mit Faschos und Gewalt gegen Migrant*innen auf Lesbos

Vor zwei Jahren griffen auf Lesbos mehr als 200 Faschist*innen eine friedliche Demo von Migrant*innen mit Steinen, Knallern Flaschen und anderen Wurfgegenständen an. Die Polizei war dort und beobachtete die Gewaltorgie. Obwohl die Cops filmten kam es zu keinen Anklagen. Lokale Antirassist*innen sagen, dass dieselben Personen auch dieses Jahr im Januar mit dabei waren, als auf Lesbos die Jagt gegen Migrant*innen auf offener Strasse losging. Auch im Januar schwieg die Polizei. Letzte Woche gipfelte die Gewalt in Schüssen, gefeuert gegen Mirgant*innen. Der Schütze musste diese Woche bei der Polizei erscheinen um auszusagen. Eine Gruppe Faschos und Sympatisant*innen des mutmasslichen Schützen demonstrierten vor dem Anhörungsgebäude…Trotz Verstoss gegen das in Griechenland geltende Corona-Ausgangsverbot liess die Polizei sie gewähren. Während die Cops Medienschaffende aufforderten den Platz zum Schutz ihrer eigenen Sicherheit zu verlassen, konnte sich der mutmassliche Täter gegen Kaution freikaufen. Das selbe Gericht hatte Migrant*innen, die vermutlich ein Schaf geklaut hatten für ein Jahr in Untersuchungshaft gesteckt. So funktioniert rassistische Justiz halt: Offene Toleranz der Behörden gegenüber faschistischer Gewalt bei zeitgleicher Diskrimierung von Migrant*innen – durch die Polizei, die Behörden und die Justiz.
https://www.facebook.com/LesvosLegal/posts/3130066510365374?hc_location=ufi
https://youtu.be/MyXSe8phumo

Geschlossene Grenzen führen zu mehr Binnengeflüchteten
Die Zahl der Menschen auf der Flucht steigt seit einigen Jahren immer stärker an. Gleichzeitig wird das europäische Grenzregime durch Militarisierung und Technologisierung so stark aufgerüstet, dass es kaum noch zu überwinden ist. Das führt dazu, dass es immer mehr Binnengeflüchtete gibt, d.h. Menschen, die aus ihren Wohnorten vertrieben wurden, aber nicht über Grenzen geflüchtet sind.
Die Beobachtungsstelle für intern Vertriebene (IDMC) hat in ihrem Jahresbericht einige Zahlen dazu publiziert:
– Weltweit lebten Ende des vergangenen Jahres ca. 45.7 Millionen Menschen als Binnengeflüchtete. Das sind so viele wie noch nie.
– Dreiviertel der Binnengeflüchteten befinden sich in nur zehn Ländern: vor allem in Syrien, Kolumbien, Kongo, Jemen und Afghanistan.
– Laut des IDMC waren vor allem bewaffnete Konflikte und Naturkatastrophen Auslöser für die Binnenflucht. So flohen im vergangenen Jahr allein 4.5 Millionen Menschen wegen des Zyklons Fani in Indien und Bangladesch, vor den Stürmen Idai und Kenneth in Mosambik und dem Hurrikan Dorian auf den Bahamas in andere Regionen des Landes. Zu dieser Gruppe gehören auch all jene Menschen, die wegen der Dürre in Afghanistan Haus und Hof verlassen mussten.
– Die Zahl der Binnengeflüchteten ist deutlich höher als die Gesamtzahl derjenigen, die 2019 über Landesgrenzen hinweg flohen. Dies waren dem Bericht zufolge ca. 26 Millionen Menschen. Obwohl auch diese Menschen meist unter sehr prekären Bedingungen leben müssen, ist die Situation selten Thema in den Medien, in parlamentarischer oder ausserparlamentarischer Politik oder in Solidaritäts- und Unterstützungsstrukturen. Möglicherweise fehlt hier die Sichtbarmachung von Flucht durch Grenzzäune und Frontexbeamt*innen. Doch auch diese Menschen sehen sich unmittelbar mit Grenzgewalt konfrontiert. Durch die Externalisierung der europäischen Aussengrenzen ist es in Staaten wie bspw. dem Niger kaum mehr möglich, innerhalb des Landes Richtung Norden zu reisen, weil sich das europäische Grenzregime mit Zäunen, Check-Points und Grenzbeamt*innen bereits dort platziert hat.
https://www.zeit.de/gesellschaft/2020-04/jahresbericht-idmc-vertreibung-konflikte-gewalt-flucht

121 Zwangsausschaffungen und 607 negative Asylentscheide im Corona-März
Trotz Corona führten die Behörden auch im März Ausschaffungen durch. 111 Menschen liessen sie gewaltsam in Staaten ausserhalb der EU ausschaffen und 10 Menschen wurden wegen des Dublinabkommens abgeschoben. Obwohl viele Stimmen das SEM aufforderten, wenigstens während Corona keine Negativentscheide zu fällen, gingen diese weiter. 607 Personen erhielten in der ersten Instanz einen Negativ- oder Nichteintretensentscheid. Für sie wird es schwierig bis unmöglich gewesen sein, sich bei Rechtsvertreter*innen Hilfe zu holen. Das nehmen die Behörden in Kauf. Rassismus heisst, sie schützen nicht alle gleich, auch wenn das laut Thierry Tanquerel von der Universität Genf gegen die Verfassung verstösst. Er hat im Auftrag der Plattform Solidarité sans frontières ein Gutachten zu den Kritikpunkten am SEM geschrieben und kommt darin zum Schluss: Anhörungen ohne rechtliche Vertretung sind verfassungswidrig. Das Verfahren sollte ausgesetzt werden, wenn die «Feststellung der medizinischen Sachverhalte» nicht möglich sei.
https://www.sosf.ch/de/themen/asyl/informationen-artikel/juristische-stellungnahme-zu-den-massnahmen-im-asylbereich.html?zur=41
https://www.sem.admin.ch/sem/de/home/publiservice/statistik/asylstatistik/archiv/2020/03.html


Kopf der Woche Jean-Luc Addor

Bild: SVP-Nationalrat Jean-Luc Addor (r.), in Begleitung seines Verteidigers Marc Bonnant.

Das Kantonsgericht Wallis veröffentlicht das Urteil gegen den SVP-Nationalrat Jean-Luc Addor, schuldig der Rassendiskriminierung. Verurteilt zu 60 Tagessätzen à 300 Franken, bedingt auf zwei Jahre und zu einer unbedingten Busse von 3.000 Franken. Grund für die Anklage Addors war ein Kommentar auf Twitter und Facebook nur wenige Minuten nach einer Schiesserei in einer St. Galler Moschee im Jahr 2014, bei der ein 51-jähriger Mann getötet wurde: «Wir wollen mehr davon!» In einer Medienmitteilung schreibt das Gericht, dass Addor “eine Person des öffentlichen Lebens mit einer gewissen Berühmtheit” sei,  “bekannt für seine islamfeindlichen Ansichten, welche in den Wochen zuvor im Internet weiterverbreitet und wiederholt aufgegriffen worden” seien. Durch das Posting des Kommentars  «Wir wollen mehr davon!» habe er eine Ausdrucksweise verwendet, “deren Brutalität und Prägnanz durch einen weniger erfahrenen Durchschnittsleser wortwörtlich und undifferenziert verstanden werden konnte.” Nämlich als Aufruf, einen Mord in einer Moschee zu wiederholen. Wie so viele Rechte, sieht er die Verurteilung als Angriff auf die Meinungsfreiheit und einen Mangel an Verständnis für Ironie. Addor kündigte umgehend an, er werde seinen Fall ans Bundesgericht ziehen.
https://www.tagblatt.ch/newsticker/schweiz/svp-nationalrat-addor-wegen-rassendiskriminierung-verurteilt-ld.1216397
https://www.watson.ch/schweiz/svp/813178611-svp-nationalrat-addor-wegen-rassendiskriminierung-verurteilt
https://www.tachles.ch/artikel/news/svp-nationalrat-jean-luc-addor-zweitinstanzlich-verurteilt


Was war eher gut?

Tschüss Lex-Fahrende
Letzte Woche hat sich das Bundesgericht gegen die “Lex Fahrende” im Berner Polizeigesetz ausgesprochen. Fahrende Minderheiten dürfen auch künftig nicht ohne entsprechende Verfügung und rechtliches Gehör innert kürzester Frist weggewiesen werden. Das Berner Polizeigesetz hätte vorgesehen, dass Personen, die ein Grundstück ohne Erlaubnis der Besitzenden als Halteplatz nutzen, ohne rechtliches Gehör und entsprechende Verfügung weggewiesen werden dürfen und eine polizeiliche Räumung innerhalb von 24 Stunden erfolgen darf. Der Artikel schaffte ein Sondergesetz, welches lediglich auf eine bestimmte Personengruppe und Lebensweise abzielte und diese gegenüber anderen ungleich behandelte. Unter anderem deshalb haben die Demokratischen JuristInnen Bern (DJB), die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) sowie weitere Organisationen und Privatpersonen im März 2019 gemeinsam beim Bundesgericht eine Beschwerde eingereicht.
Letzte Woche hat das Bundesgericht nun entschieden, dass die Lex-Fahrende aus dem Berner Polizeigesetz zu streichen sei. Aufgrund der kurzen Frist würden die aufschiebende Wirkung und jegliche Verfahrensgarantien genommen. Zudem sei das Gesetz nicht mit dem Recht auf Privat- und Familienleben vereinbar. Die SVP lässt sich das natürlich nicht gefallen und reagiert prompt: Die Abstimmung um den Transitplatz in Wileroltigen müsse wiederholt werden, weil sich die Menschen nur für einen solchen ausgesprochen hätten, weil er eine Relevanz für die antiziganistische Lex-Fahrende besitzt: Vorgesehen war nämlich, dass Fahrende nur weggewiesen werden können, wenn ihnen im Kanton ein Transitplatz zur Verfügung steht. Da dieser Zweck des Transitplatzes nun wegfällt, würde die Stimmbevölkerung den Platz in einer wiederholten Abstimmung wohl ablehnen, so die Hoffnung der SVP.
https://www.gfbv.ch/de/medien/medienmitteilungen/berner-polizeigesetz-abfuhr-fuer-lex-fahrende/


Was nun?

Bunker Urdorf schliessen!
Der Bunker Urdorf ist ein unterirdischer Bunker im Kanton Zürich, in dem zur Zeit mehr als 30 Geflüchtete untergebracht sind. Darunter sind Menschen, die schon fast 20 Jahre in der Schweiz wohnen und Familie haben. Im Bunker gibt es inzwischen drei Corona-Verdachtsfälle. Zwei Betroffene sind noch im Bunker untergebracht. Der Bunker Urdorf ist eine Massenunterkunft, in der das Einhalten der Distancing-Richtlinien unmöglich ist. Damit ist die Wahrscheinlichkeit weiterer Infizierungen stark erhöht. Viele Bewohnende weisen zudem eine Vorerkrankung wie latente Tuberkulose auf. Das Risiko eines allfällig tödlichen Verlaufs der Krankheit ist damit ebenfalls stark erhöht. Eine Unterbringung der Bewohnenden verteilt in Einzelzimmer, zum Beispiel in leerstehenden Hotels, wäre ohne Weiteres durchführbar. Verantwortlich für den Betrieb der Notunterkunft sind die ORS AG und das Kantonale Sozialamt unter dem Sicherheitsdirektor Mario Fehr (SP).
https://barrikade.info/article/3439

Eine neue App, um gegen die poliziliche Straffreiheit zu kämpfen
Das Kollektiv Urgence Notre Police Assassine hat in Frankreich eine App entwickelt, um die zivilgesellschaftliche Überwachung der Polizei zu fördern. Das Kollektiv kämpft seit 2014 gegen Polizeigewalt, die sich systematisch gegen Personen mit Migrationshintergrund richtet. Es wurde von Amal Bentounsi gegründet, nachdem ihr Bruder Amine im Jahre 2012 von der Polizei erschossen wurde. Seither haben sich mehrere Angehörige der Opfer von Polizeimorden an das Kollektiv angeschlossen. In der Mehrheit der Fälle von Polizeigewalt kommen Polizist*innen ohne Strafverfolgungen davon, da die Zeug*innenaussagen der Opfer als unrechtmässig dargestellt werden und es regelmässig vorkommt, das Zeug*innenvideos im Kommissariat gelöscht werden. Die Hauptfunktion der App Urgences Violences Policières besteht darin, Zeug*innenvideos und -fotos auf einen Server zu laden, sodass sie gesichert sind und später benützt werden können.
Dass solche Initiativen wichtig sind, hat sich diese Woche noch einmal bewiesen: ein weiterer skandalöser Fall von rassistischem Polizeiverhalten fand in Seine-Saint-Denis (Paris) statt. Ein Video dokumentiert die menschenverachtenden Kommentare mehrer Polizist*innen, nachdem sie einen vor ihnen flüchtenden Mann, der in die Seine gesprungen war, aus dem Wasser gezogen haben. “Solch ein Kameltreiber, der schwimmt doch nicht. Der sinkt. Hättest ihm einen Klotz an den Fuss hängen sollen.” Nachdem zwei Journalist*innen das Video veröffentlichten, hat die Police Nationale zwei Polizisten vorläufig administrativ suspendiert.
Die App, die es auf Englisch und Französisch gibt:  https://play.google.com/store/apps/details?id=com.onpvp.uvp&hl=fr
https://reporterre.net/Une-application-mobile-pour-filmer-les-violences-policieres;
https://play.google.com/store/apps/details?id=com.onpvp.uvp&hl=fr
https://www.lesinrocks.com/2020/04/27/actualite/societe/un-bicot-comme-ca-ca-ne-nage-pas-racisme-et-violences-policieres-en-seine-saint-denis/
Kollektiv Urgence Notre Police Assassine: https://www.facebook.com/Urgence.notre.police.assassine/ und http://www.urgence-notre-police-assassine.fr/

Neuer Telegram-Kanal “Eiserne Jugend Schweiz“ erstellt
Das publizierte Manifest der “Eisernen Jugend Schweiz” ist völkisch, nationalistisch. Dort heisst es unter anderem:
– “Jedem das Seine: Jedes Volk soll seinen Platz und sein Land haben. Die Schweiz gehört den Schweizern.
– Wir sind für die Abschaffung des Asylrechts.
– Arbeit macht frei: Wer arbeitet, soll die Früchte des Tuns geniessen können. Nur wer arbeitet, soll im Staat mitbestimmen dürfen. Kapitalisten, die nur Geld scheffeln, gehören in ihre Schranken gewiesen. Parteien stützen sich auf Blutsauger, die nicht arbeiten, und sind deshalb zu verbieten.
– Wer seine Heimat liebt, ist kein Rassist.
– Die Familie ist die kleinste Zelle unseres Volkskörpers und muss deshalb um jeden Preis geschützt werden.
– Sozial- und Arbeitslosenhilfe sowie Kindergeld wird nur Schweizer Bürgern ausgerichtet.
– Der Staat schützt die Schwachen. Wer Frauen und Kinder vergewaltigt, erhält zwingend eine lebenslange Freiheitsstrafe.”
https://twitter.com/__investigate__/status/1255153044217618432


Wo gabs Widerstand?

Sans-Papiers Kollekitve Basel erheben am 1. Mai viral ihre Stimmen
Am diesjährigen 1. Mai war vieles anders. Nicht aber die Notwendigkeit für eine starke Stimme der Sans-Papiers – der Arbeiter*innen ohne Bewilligung.
https://sans-papiers-basel.ch/1-mai-2020/
Die Sans-Papiers der Sans-Papiers-Kollektive Basel haben folgendes Video produziert:

Video der Sans-Papiers-Kollektive Basel zum 1. Mai 2020

"Zuhause bleiben ist nicht dasselbe wie zuhause schweigen."Video der Sans-Papiers-Kollektive Basel zum 1. Mai 2020Die Reden der Sans-Papiers-Kollektive zum diesjährigen 1. Mai finden sich unter: https://sans-papiers-basel.ch/1-mai-2020/Kein Mensch ist illegal!

Gepostet von Anlaufstelle für Sans-Papiers Basel am Freitag, 1. Mai 2020

Geflüchtete in Österreich wehren sich juristisch gegen vierwöchigen Freiheitsentzug
Einen Monat lang duften Asylsuchende das Erstaufnahmezentrum Traiskirchen in Österreich nicht verlassen. Sie durften weder zum Supermarkt gehen, noch Spaziergänge machen. Dieser Freiheitsentzug wurde von der Bezirksverwaltung verhängt, deren Kompetenz eigentlich beim Sperren von Spielplätzen endet. Die Massnahme galt weder für das Personal, noch für andere Unterkünfte wie Studierendenwohnheime. Allein die Asylsuchenden wurden eingesperrt. Zwei Bewohner wehren sich nun juristisch mit Massnahmenbeschwerden gegen die Polizei.
“Hier wird eine Gruppe von Personen pauschal und ohne gesetzliche Grundlage eingesperrt”, sagt ihr Anwalt. Es gebe zudem keine Kontrollinstanz, wie das bei jeder anderen Form des Freiheitsentzugs notwendig sei. Traiskirchen ist das grösste Asyllager Österreichs. Statt auf Hygiene und Abstand im Lager zu setzen, kamen nach Beginn der Corona-Pandemie im März weitere 120 Personen zu den schon etwa 500 Geflüchteten in das Asyllager hinzu. Neun Corona-positive Fälle gab es seither im Erstaufnahmezentrum. Zwei Personen mussten im Spital behandelt werden, eine durch Vorerkrankungen Belastete verstarb. Das Asyllager wird übrigens von der schweizerischen ORS AG betrieben.
https://www.derstandard.at/story/2000117219054/gefluechtete-wehren-sich-gegen-ausgangsverbot-in-traiskirchenhttps://www.derstandard.at/story/2000115942546/fluechtlingsquartier-wird-zur-quarantaenestation

Farbe gegen Kapitalismus und Rassismus
Im Vorfeld des 1. Mai 2020 wurde die Volkswirtschafts- und Sicherheitsdirektion des Kanton Zürichs mit Farbe verschönert. Sie gefährdet zum einen die Gesundheit der Arbeiter*innen auf dem Bau, da Baustellen offen bleiben, obwohl Massnahmen zum Schutz vor Ansteckungen dort nicht eingehalten werden können. Einem Sanitär von der ZSC-Baustelle, der mehrmals auf Verstösse gegen die Schutzmassnahmen aufmerksam machte, wurde gekündigt. Andererseits gilt der Angriff der Sicherheitsdirektion Mario Fehrs. Diese hat die miesen Zustände in den Lagern für Asylsuchende zu verantworten. Wie Aussagen von Bewohner*innen der Notunterkünfte Urdorf und Adliswil belegen, wird die Gesundheit dieser proletarischen Menschen ohne schweizer Pass aufs Spiel gesetzt. Rassismus und Kapitalismus hängen zusammen. Die Aktion zeigt sich solidarisch mit allen Klassenbrüdern- und Schwestern, die Asyl suchen und greift die Institutionen an, welche sie aufgrund ihrer Herkunft schikanieren, inhaftieren und ausschaffen.
https://barrikade.info/article/3451

Direkte Aktion bei Europcar
Bei zwei Fahrzeugen von Europcar in Bern  wurden die Reifen zerstochen und das Büroschloss mit Sekundenleim verklebt. Diese Aktion geschieht in Solidarität mit allen Menschen, die in Asyllagern leben müssen und keinen genügenden Zugang zu Gesundheitsversorgung haben. Europcar vermietet ihre Autos an verschiedene Bundeslager. Seit Anfang der Nutzung des berner Zieglerspitals als Asyllager stellen sie einen Kleinbus bereit. Auch in anderen Lagern stehen die Autos von Europcar pünktlich zur Eröffnung bereit und bilden so einen Teil zum Funktionieren der Lagerstrukturen. Das lässt vermuten, dass Europcar einen grösseren Vertrag als Partner mit dem SEM hat. Europcar wird in der Schweiz von der AMAG-Gruppe betrieben. AMAG ist der Hauptimporteur von VW-Fahrzeugen und somit besteht die Fahrzeugflotte von Europcar aus den VW-Marken: VW, Audi, Porsche, Seat und Skoda. Volkswagen steht wegen ihrer Beziehungen zum türkischen Regime und ihrem Plan, in naher Zukunft eine grosse Fabrik in der Türkei zu bauen, immer wieder in der Kritik. Das faschistische Regime in der Türkei und ihr Angriffskrieg in Nordostsyrien/Rojava ist verantwortlich für den Tod und die Flucht vieler Menschen. Viele Menschen in Lagern und auf der Flucht sind krank, traumatisiert und müde. Sie benötigen Unterstützung und Schutz. Zurzeit werden in Europa Milliarden ausgegeben, um den Kapitalismus zu retten. Nur ein Bruchteil davon würde reichen, um viele Menschenleben zu retten.
https://barrikade.info/article/3444

Explosion bei Rheinmetall
Letzte Woche gingnen Menschen bei der Rheinmetall Airdefence in Zürich Oerlikon vorbei und haben mit Pyrotechnik ihren Haupteingang angegriffen. Diese Aktion wird in dreierlei Zusammenhänge gestellt. Erstens: Solidarität mit Rojava, nieder mit dem türkischen Faschismus! Zweitens: Rüstungskonzerne angreifen – Krieg dem imperialistischen Krieg! Drittens: Heraus zum 1. Mai, internationaler Kampftag!
Rojava bleibt bekämpft. Zum einen durch die verschiedenen Schläferzellen des sogenannten Islamischen Staats. Zum anderen durch den NATO-Staat Türkei mit seinen jihadistischen Banden. Immer wieder gibt es militärische Auseinandersetzungen, Drohnenangriffe und Artilleriebeschuss. Die medizinische Versorgung in Rojava ist prekär, genau gleich wie die Wasserversorgung, und die Türkei tut, was sie kann, damit die Situation prekär bleibt. Dazu gehört weiter eine Intensivierung der Bekämpfung der Guerilla in den Kandilbergen in Bashur, dem Nordirak. Diese Vorgänge geschehen nicht im luftleeren Raum. Die Türkei kann sich darauf verlassen, dass die kapitalistischen und imperialistischen Staaten des Westens und andere Grossmächte ihr immer wieder Rückendeckung gewähren. Jeder Aufklärungsflug der türkischen Luftwaffe, jeder Luftschlag von türkischen Kampfjets setzt voraus, dass die strategischen Partner der Türkei (Russland oder die USA) ihnen den Luftraum öffnen. Ein anderer Teil der internationalen Unterstützung für die Türkei ist diejenige beim Aufbau einer eigenständigen türkischen Rüstungsindustrie. In diesem Projekt ist die Rheinmetall ein wesentlicher Bestandteil, welcher Waffen an die Türkei liefert, aber vor allem auch sich als Partner zur Verfügung stellt, um den Rüstungsaufbau im Land voranzutreiben. Sie sind etwa Lizenzgeber für die Produktion von KBA Oerlikon Kanonen bei Aselsan (drittgrösster Rüstungskonzern der Türkei), wollten sich zwischenzeitlich an der Entwicklung der Altay-Panzer beteiligen oder planten gemeinsam mit MKEK (staatlicher Rüstungskonzern der Türkei) eine joint venture. Überhaupt, diese Rüstungsindustrie, die Folge und Ursache internationaler Kriegstreiberei ist, die die ganze Menschenfeindlichkeit von Kapitalismus und Imperialismus erhellt, die schonungslos offenlegt, wie Leid und Tod am einen Ort Arbeitsstellen, Profit und Steuern am anderen Ort ermöglicht. Im Zuge der Corona-Krise ist dieses Verhältnis speziell augenfällig. Während grosse Teile der Gesellschaft grosse Bemühungen unternehmen, um sich vor einem mörderischen Virus zu schützen, unternimmt die Rüstungsindustrie weiterhin grosse Bemühungen, damit anderorts gemordet wird. Als etwa in Italien ein Produktionsstopp zum Schutz der ArbeiterInnen gegen den massgeblichen Industrieverband Confindustria durchgesetzt wurde, gehörte die Rüstungsindustrie zu jenen Branchen, die vom Stopp ausgeklammert wurden.
https://barrikade.info/article/3445
https://rheinmetallentwaffnen.noblogs.org/


Was steht an?

Migrantischer Streik am 8. Mai
Migrantische Selbstorganisationen rufen ihre Geschwister und Genoss*innen am 08. Mai 2020 zu einem Tag des Zorns und damit einhergehenden Generalstreik auf. Sie fordern alle Menschen mit Migrationserbe, jüdische Menschen, Sinti*ze und Rom*nja, Schwarze Menschen, people of colour, #BIPoC und alle solidarischen Menschen auf, mit ihnen zu streiken.
https://barrikade.info/article/3239


Lesens -/Hörens -/Sehenswert

Corona in Kamerun: Warum es falsch ist, von „neuem Rassismus“ gegen Weisse zu sprechen
Die Deutsche Botschaft in Kamerun ist nicht nur der festen Überzeugung, dass reverse racism existiert, sondern, dass er strukturiert und organisiert wäre.
https://www.supernovamag.de/corona-in-kamerun/

Prekäre Zustände, unterdrückte Proteste – Das Migrationsregime in Zeiten von Corona
Das Migrationsregime zeigt sich grausam wie eh und je. Während sich die Mehrheit der Bevölkerung in ihr Zuhause zurückzieht, werden Asylsuchende weiterhin eingesperrt. Gesundheitliche Richtlinien scheinen für sie nicht zu gelten. Alternativen zum repressiven Asylregime gäbe es genug, wie die Forderungen zahlreicher Protestaktionen der vergangenen Wochen beweisen. 
https://www.ajourmag.ch/prekaere-zustande-unterdruckte-proteste/

An den Grenzen der Menschlichkeit
Das harte Durchgreifen gegen Geflüchtete an Europas Aussengrenzen und eine „Unsere Leute zuerst“-Rhetorik schützen nicht vor dem Virus
https://www.freitag.de/autoren/the-guardian/an-den-grenzen-der-menschlichkeit

Danger of words: Definitions of concepts most used in anti-racist work
In this information leaflet we (UNITED for Intercultural Action) want to start a discussion about certain terms we use often in our daily work. The ‘definitions’ in this leaflet are ideas. They are not the unique and only expression of an unchangeable truth. Language is constantly changing and so are terms and concepts. In time, they may change and come to mean something else. In international cooperation, but in fact even in cooperation with our next-door neighbours, we must be aware that what we say may mean something else to another person. We should be aware of the ‘danger of words’.
http://www.unitedagainstracism.org/wp-content/uploads/2020/02/DANGER-OF-WORDS_2019.pdf

Schweden missachtet die Rechte der Sami
Die Sami sind ein indigenes Volk in Nordeuropa. Dank internationalen Konventionen wurden ihre Rechte in Norwegen und Finnland gestärkt. Das höchste Gericht Schwedens urteilte im Januar, auch Stockholm müsse die Konventionen ratifizieren. Doch die rotgrüne Regierung schweigt und öffnet damit Tür und Tor für rassistische Angriffe auf die Sami.
https://www.srf.ch/play/radio/echo-der-zeit/audio/schweden-missachtet-die-rechte-der-sami?id=03b73088-9ab1-45a7-aa64-6e9a4e0c27d8

Nach der Quarantäne ist vor der Quarantäne
Nach den dramatischen Ereignissen auf der Alan Kurdi liegt das Schiff von Sea-Eye mit seiner Crew in der Bucht von Palermo in Quarantäne. Im Interview spricht Bordärztin Caterina über die Verarbeitung der Ereignisse der letzten Wochen und die Notwendigkeit der Seenotrettung in Zeiten der Pandemie.
https://sea-eye.org/nach-der-quarantaene-ist-vor-der-quarantaene/



Wer ist antira.org?

antira.org ist ein Zusammenhang von herrschaftskritischen Antirassist*innen in der Deutschschweiz. Wir sind autonom vernetzt, bezahlen keine Löhne und leben von solidarisch-widerständiger Arbeitszeit. Wir sind offen für Menschen, die unsere politischen Analysen, Ziele und Mittel teilen. Aktuell wird antira.org von weiss-sozialisierten Personen betrieben. Wir wollen rassistische Privilegien nutzen, um Rassismus zu bekämpfen. Dennoch sehen wir uns von Rassismus (mit-)geprägt und versuchen unsere Sozialisierung und Position innerhalb der rassistischen Gesellschaft kritisch und intersektional zu reflektieren. Für die Ausrichtung von antira.org finden wir es wichtig, im Austausch und Dialog mit nicht-weissen Personen und Zusammenhängen zu stehen und würden es begrüssen, wenn schwarze oder PoC-Kompliz*innen bei antira.org mitmachen würden. Wann immer möglich, nehmen wir auch Berichte und Analysen von BPoC-Personen, Kollektiven oder Strömungen auf. Bitte schickt uns solche Texte, Berichte, Analysen, Veranstaltungshinweise etc. an antira@immerda.ch.


Wie kannst du antira.org unterstützen?