Medienspiegel 23.04.2020

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++SCHWEIZ
Nachgefragt: Bezahlen Basel, Bern und Luzern während Corona finanzielle Nothilfe an Sans-Papiers?
Wegen Corona kündigten zahlreiche Firmen und Haushalte ihren angestellten Sans-Papiers fristlos. Ohne das geringe Einkommen gerieten viele Sans-Papiers direkt in eine finanzielle Notlage. In der Stadt Zürich wurde eine Art Lösung für diese Situation gefunden. Das städtische Sozialdepartement bezahlt für die betroffenen Sans-Papiers eine finanzielle Nothilfe. Bzw. leitet sie Geld an die Zürcher Anlaufstelle für Sans-Papiers, die es dann direkt an die Sans-Papiers weiterleitet. Es handelt sich dabei nicht um einen einmaligen Betrag, sondern um Geld «in dem Umfang, den es jetzt braucht», sagt das Sozialdepartement gegenüber den Medien. Laut Studien leben in der Stadt Zürich 20000 Sans-Papiers.
https://antira.org/2020/04/23/nachgefragt-bezahlen-basel-bern-und-luzern-waehrend-corona-finanzielle-nothilfe-an-sans-papiers/


Notverordnungsrecht im Asyl- und Ausländerbereich
Die Kommission hat sich von einer Vertretung des Bundesrates über die aktuelle Situation im Asyl- und Ausländerbereich informieren lassen. Sie hat feststellen können, dass sich die Situation in der Schweiz momentan weitgehend unproblematisch darstellt. Der Bundesrat hat die notwendigen Massnahmen getroffen, so dass Asylverfahren auch in der gegenwärtigen Pandemiesituation nach rechtsstaatlichen Grundsätzen durchgeführt werden können.
Zu diskutieren gab die Situation der Flüchtlinge in Griechenland. Die Kommission anerkennt, dass die Schweiz in diesem Bereich schon viel unternommen hat. Sie möchte jedoch ein klares Signal für ein weiterhin engagiertes Verhalten der Schweiz senden. Sie hat deshalb mit 15 zu 9 Stimmen eine Kommissionsmotion beschlossen, wonach der Bundesrat beauftragt werden soll, sich auf europäischer Ebene dafür einzusetzen, dass die Situation auf den ägäischen Inseln substanziell verbessert wird. Der Bundesrat soll sich für eine Reform des Dublin-Abkommens einsetzen, so dass die Flüchtlinge gleichmässiger und gerechter verteilt werden (20.3143 Mo. SPK-NR. Aufnahmen von Flüchtlingen aus Griechenland sowie Reform des Dublin-Abkommens).
Bezüglich des Aufenthaltsrechts von sich in der Schweiz aufhaltenden Ausländerinnen und Ausländern möchte die Kommission sicherstellen, dass den betroffenen Personen aus einer pandemiebedingten Arbeitslosigkeit oder Sozialhilfeabhängigkeit keine Nachteile entstehen, wenn sie zum Beispiel ein Einbürgerungsgesuch stellen. Die Kommission hat mit 16 zu 9 Stimmen beschlossen, ein entsprechendes Schreiben an den Bundesrat zu richten.
https://www.parlament.ch/press-releases/Pages/mm-spk-n-2020-04-23.aspx?lang=1031


Motion: Aufnahme von Flüchtlingen aus Griechenland sowie Reform des Dublin-Abkommens
Der Bundesrat wird beauftragt, sich auf europäischer Ebene dafür einzusetzen, dass die Situation auf den ägäischen Inseln substanziell verbessert wird. Zudem soll die Schweiz auch eigene Solidaritätsleistungen ergreifen. Weiter wird der Bundesrat damit beauftragt, sich auf europäischer Ebene für eine Reform des Dublin-Abkommens einzusetzen, hin zu einer gerechteren und gleichmässigeren Verteilung unter Sicherstellung einer menschenwürdigen Behandlung der Flüchtlinge.
https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20203143


+++DEUTSCHLAND
In Unterkunft jede*r Dritte infiziert: Lecker Essen gegen Corona
In einem Bremer Flüchtlingsheim sind 120 Bewohner*innen mit Corona infiziert. Statt das Lager aufzulösen, speist man Betroffene mit besserem Essen ab.
https://taz.de/In-Unterkunft-jeder-Dritte-infiziert/!5678268/


Unterkünfte: Wie Hamburg versucht, Geflüchtete vor Corona zu schützen
Risikogruppen aus den Sammelunterkünften evakuieren – das fordert der Hamburger Flüchtlingsrat von der Stadt. Was tun die Behörden, um Geflüchtete vor einer Infektion zu schützen?
https://www.hinzundkunzt.de/wie-hamburg-versucht-gefluechtete-vor-corona-zu-schuetzen/


Sachsen-Anhalt: Quarantäne in einer Massenunterkunft
Hunderte Menschen dürfen die Flüchtlingsunterkunft in Halberstadt wegen Corona nicht verlassen. Auf dem Gelände ist es eng, die Geflüchteten fürchten um ihre Gesundheit.
https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2020-04/zast-coronavirus-erstaufnahme-asylsuchende-sachsen-anhalt/komplettansicht


Corona in Flüchtlingsunterkünften: Der fehlende Abstand wird zum tödlichen Risiko
In Bayern starb ein Asylbewerber am Coronavirus. In Sachsen erstritt ein Flüchtling seine Verlegung aus einer Massenunterkunft. Und jetzt?
https://www.tagesspiegel.de/politik/corona-in-fluechtlingsunterkuenften-der-fehlende-abstand-wird-zum-toedlichen-risiko/25766136.html
-> https://www.neues-deutschland.de/artikel/1135835.corona-und-fluechtlinge-gericht-pocht-auf-einhaltung-von-abstandsregeln-in-asylunterkunft.html


Brief an Merkel und Seehofer: Linke fordern 1500 Euro Corona-Hilfe für Menschen ohne Papiere
In Deutschland leben vermutlich mehrere Hunderttausend Menschen ohne Aufenthaltsgenehmigung. Linkenabgeordnete fordern jetzt Corona-Hilfen – und ihre schnelle Legalisierung.
https://www.spiegel.de/politik/deutschland/corona-virus-linken-politiker-fordern-1500-euro-hilfe-fuer-menschen-ohne-papiere-a-f0152034-ec78-4e60-b7fc-a958c9dad9fd


+++UNGARN
Flüchtlingsunterkunft: Ungarisches Transitlager Röszke laut EU-Gutachter rechtswidrig
Seit 2017 hält Ungarn Asylbewerber in dem Camp im Niemandsland an der Grenze zu Serbien fest – unter denselben Bedingungen wie in Haft, bescheinigt nun ein Gutachten.
https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-04/fluechtlingsunterkunft-transitlager-ungarn-rechtswidrige-lebensbedingungen
-> https://www.spiegel.de/politik/ausland/ungarn-eugh-gutachter-nennt-transitlager-fuer-asylbewerber-rechtswidrig-a-21582bd5-9032-4e0f-a35c-b4a1de3c157a


+++GRIECHENLAND
Lesbos: Schüsse auf Asylbewerber – Polizei nimmt 55-jährigen Griechen fest
Nahe dem Flüchtlingscamp Moria auf der Insel Lesbos sind ein Afghane und ein Iraner mit einer Schusswaffe leicht verwundet worden. Nun hat die griechische Polizei einen Verdächtigen festgenommen.
https://www.spiegel.de/politik/ausland/lesbos-polizei-nimmt-55-jaehrigen-griechen-nach-schuessen-auf-asylbewerber-fest-a-3254bdde-fdb5-4e3b-a229-ac3a99140cef


Griechenland: Zwei Migranten auf Lesbos durch Schüsse verletzt
Auf der griechischen Insel Lesbos wurden zwei Migranten durch Schüsse aus einer Jagdflinte leicht verletzt. Im März hatten Extremisten dort Flüchtlinge angegriffen.
https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2020-04/griechenland-lesbos-moria-fluechtlinge-angeschossen
-> https://www.spiegel.de/politik/ausland/moria-zwei-fluechtlinge-auf-lesbos-angeschossen-a-b93043f5-8a20-4479-9b37-fab69e85a462
-> https://www.neues-deutschland.de/artikel/1135837.moria-fluechtlinge-auf-lesbos-angeschossen.html


+++FREIRÄUME
Münsterplattform ab Montag wieder offen
Ab Montag, 27. April, wird die Münsterplattform der Bevölkerung wieder zur Verfügung gestellt. Die anderen wegen des Corona-Virus geschlossenen Parkanlagen folgen schrittweise und nach Beobachtung der Lage. Wichtig bleibt, dass die Bevölkerung weiterhin Abstand hält und sich im öffentlichen Raum nicht grössere Gruppen bilden.
https://www.bern.ch/mediencenter/medienmitteilungen/aktuell_ptk/muensterplattform-ab-montag-wieder-offen


+++GASSE
Prostituierte, Junkies und eine Nonne: Wie Schwester Ariane die Randständigen der Zürcher Langstrasse umsorgt
Durch die Pandemie werden Menschen am Rande der Gesellschaft noch weiter ins Abseits gedrängt. Für sie dürften die letzten Wochen erst der Anfang der Krise gewesen sein.
https://www.nzz.ch/zuerich/coronavirus-in-zuerich-schwester-ariane-und-die-randstaendigen-ld.1552632


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Die Autodemo zeigte: Die Corona-Regeln gelten für alle ausser die Polizei
Unter dem Motto „Safety for all Refugees“ wurde in Zürich am Samstag eine Autodemonstration veranstaltet. Schon im Vorfeld hatte die Stadt repressive Massnahmen angekündigt. Dabei stützte sie sich auf das Corona-Veranstaltungsverbot. Die Schutzmassnahmen missachtete dann aber vor allem die Polizei.
https://daslamm.ch/die-auto-demo-zeigte-die-corona-regeln-gelten-fuer-alle-ausser-die-polizei/


Videobotschaft vom besetzten Juch Squat
https://barrikade.info/article/3417


Besetzer müssen Juch-Areal räumen – die Stadt hält sich über die Pläne für das Gelände bedeckt
Die links-grüne Stadtregierung und linke Aktivisten liegen sich in den Haaren. Grund des Disputs ist ein besetztes Areal in Altstetten. Es fällt auf, dass die Hausbesetzer-Szene derzeit sehr aktiv ist.
https://www.nzz.ch/zuerich/coronavirus-in-zuerich-besetzer-muessen-juch-areal-raeumen-ld.1553249?mktcid=smsh&mktcval=Twitter


+++BIG BROTHER
Zentrale Überwachung bevorzugt
Pläne des Gesundheitsministers sehen immer mehr Corona-Apps vor. Opposition kritisiert intransparentes Vorgehen
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bleibt in seinen Aussagen zu Corona-Apps vage. Seine anvisierten Lösungen lassen mehr staatliche Überwachung erwarten. In Hessen sucht sich das umstrittene US-Unternehmen Palantir seinen Weg in die Corona-Verwaltung.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1135874.datenschutz-zentrale-ueberwachung-bevorzugt.html


Corona-Apps: Die Wahl zwischen Pest und Corona
In der Schlammschlacht um die richtige Corona-App geht das Augenmaß verloren. Der Streit könnte die Akzeptanz der Apps gefährden und damit das bisher wichtigste Versprechen: dass die Nutzung freiwillig bleibt.
https://www.spiegel.de/netzwelt/apps/corona-apps-der-streit-um-die-richtige-app-gefaehrdet-das-ziel-a-0acd38fe-e59c-4a20-bb5e-c3dd9de0a76e


Coronavirus-App Infizierte nachverfolgen, Datenschutz wahren
Streitigkeiten zwischen Wissenschaftlern und Regierungen verzögern die Entwicklung einer Corona-App. Nach SWR-Recherchen haben ausgerechnet zwei große Technologiekonzerne den Richtungsstreit möglicherweise schon entschieden.
https://www.tagesschau.de/investigativ/swr/tracking-app-101.html


Coronavirus: Experten und Datenschützer streiten über Download-Zwang
Mehrere Rechtsexperten sagen: eine Tracing-App könnte in Zeiten des Coronavirus für obligatorisch erklärt werden. Der Datenschützer stellt sich klar dagegen.
https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/coronavirus-experten-und-datenschutzer-streiten-uber-download-zwang-65697092


Coronavirus: Anwendung von Contact-Tracing-App nur mit gesetzlicher Grundlage
Die Staatspolitische Kommission (SPK) des Nationalrates hat sich mit dem Notverordnungsrecht des Bundesrates in ihrem Zuständigkeitsbereich befasst. Im Bereich Datenschutz hat sie eine Kommissionsmotion eingereicht, welche eine gesetzliche Grundlage für Contact-Tracing-Apps fordert. Im Migrationsbereich fordert sie ein Engagement des Bundesrates für eine Verbesserung der Situation der Flüchtlinge in Griechenland.
https://www.parlament.ch/press-releases/Pages/mm-spk-n-2020-04-23.aspx?lang=1031



derbund.ch 23.04.2020

Zur Verfolgung von Infektionen: Bund könnte Corona-App für obligatorisch erklären

Eine Handy-App soll die Schweizer Bevölkerung nach dem Kontakt mit Infizierten vor einer Ansteckung warnen. Die App solle Pflicht werden, schlägt CVP-Fraktionspräsidentin Andrea Gmür vor. Das verhindere drastischere Massnahmen.

Fabian Fellmann

Sie hat einen Nerv getroffen: die Angst vor dem Überwachungsstaat wegen der Corona-Krise. CVP-Fraktionspräsidentin Andrea Gmür verfolgte am Dienstag die Ankündigung des Bundes, er wolle bis zum 11. Mai von den Eidgenössischen Technischen Hochschulen eine neue Corona-App für Mobiltelefone entwickeln lassen. Die sogenannte Contact-Tracing-App alarmiert den Nutzer, wenn er sich in der Nähe einer Person aufgehalten hat, die das Coronavirus eingefangen hat. Allerdings ist die Bevölkerung nur dann geschützt, wenn das Programm auf mehr als 60 Prozent der Mobiltelefone installiert wird.

Doch wie soll das funktionieren in einem Land, in dem selbst die meistgenutzte App nicht einmal die Hälfte der Bevölkerung erreicht? «Damit App volle Wirkung erzielen kann, muss sie während akuter Notphase obligatorisch sein», tippte Andrea Gmür am Dienstagabend in ihr Telefon.

Die Reaktionen darauf folgten schnell und heftig – und sie waren einhellig negativ, quer durch die politischen Lager. SP-Nationalrat Cédric Wermuth warnte, der «autoritäre Digitalüberwachungsstaat kann doch schneller kommen, als man dachte. Und aus unterwarteter Ecke.»

Der freisinnige Berner Nationalrat Christian Wasserfallen kritisierte, ein solches Obligatorium wäre «unverhältnismässig und verfassungswidrig».

Und die grünliberale Zürcher Nationalrätin Corina Gredig warf ein, die Schweiz sei kein Überwachungsstaat, es brauche weiterhin eine Güterabwägung zwischen Freiheit und Sicherheit.

Selbst Vertreter der eigenen Partei reagierten skeptisch auf Gmürs Vorschlag. Der Obwaldner CVP-Ständerat Erich Ettlin etwa sagt: «Ein Obligatorium tönt für mich stark nach Überwachung wie in Nordkorea, da sträuben sich meine Nackenhaare.» Zuerst sei an die Vernunft der Leute zu appellieren, diese befolgten ja auch die Distanzregeln. «Wenn wir mit Freiwilligkeit nur unbefriedigende Resultate erzielen, können wir uns weitere Schritte überlegen», sagt Ettlin aber.

In der Bevölkerung würde ein App-Obligatorium jedoch Widerstand auslösen. Darauf lassen die zahlreichen Reaktionen auf Twitter, aber auch eine Umfrage in Bayern von Anfang April schliessen. Ein Drittel der Befragten sieht in solchen Apps eine Verletzung der Privatsphäre, ein Drittel zu starke staatliche Überwachung, 43 Prozent warnen vor dem Risiko einer potenziellen Überwachung auch nach der Corona-Krise. Die Nationale Ethikkommission kam Anfang April in einer Stellungnahme im Auftrag des Innendepartements ebenfalls zur Schlussfolgerung: Eine solche App dürfe nur auf freiwilliger Basis zum Einsatz kommen.

Genau das stellt CVP-Ständerätin Gmür infrage. «Die Diskussion wird gar nicht erst geführt, die Frage sollte aber geprüft werden», sagt die Luzernerin. «So klar ist es nicht, dass die App freiwillig sein muss.» Auch sie selbst würde das Programm auf freiwilliger Basis wohl nicht installieren, räumt sie ein. «Einen Überwachungsstaat will ich unter keinen Umständen. Aber wenn die App noch grössere Eingriffe in unsere Freiheit verhindern und das wirtschaftliche Leben wieder stärker in Gang bringen kann, sollten wir ein Obligatorium ernsthaft diskutieren.»

Selbstverständlich müsse die Anordnung verhältnismässig sein, etwa mit einer klaren zeitlichen und örtlichen Begrenzung. Ein Beispiel: Für den Spaziergang im Wald wäre die App nicht nötig, wer aber zum Coiffeur, an einen Fussballmatch oder an ein Konzert gehen will, müsste sie auf seinem Telefon installieren. Die Pflicht würde sofort wieder abgeschafft, sobald die Infektionszahlen unter einen bestimmten Stand fielen. «Die Ausbreitung eines tödlichen Virus soll möglichst rasch gestoppt werden. Da ist das Vorweisen einer App bei einer stichprobenartigen Kontrolle während einer limitierten Phase für mich zumutbar», sagt Gmür. «Wenn es um Leben und Tod geht, ist mir das eigene Leben wichtiger als die eigenen Daten.»

App speichert keine persönlichen Daten

Zu ähnlichen Schlüssen gelangen die Juristen Lukas Abegg und Raffael Knecht in einem Aufsatz, der demnächst publiziert werden soll. Abegg ist Gerichtsschreiber am Bundesverwaltungsgericht und im Vorstand der Swiss Legal Tech Association, Knecht arbeitet als Jurist bei der Eidgenössischen Zollverwaltung und ist Dozent an der Privaten Hochschule PHW Bern. In ihrem Artikel, in dem die beiden ihre persönliche Auffassung wiedergeben, kritisieren sie die Nationale Ethikkommission: Diese habe vorschnell und ohne juristische Argumentation festgelegt, eine App müsse freiwillig sein.

Die Stimmbürger hätten dem Bund mit dem Epidemiengesetz mit «grösstmöglicher demokratischer Legitimation» die nötigen Kompetenzen erteilt – mit 60 Prozent Zustimmung und nach einem Abstimmungskampf, in dem die Datenschutzbestimmungen und Zwangsmassnahmen umfassend diskutiert worden seien. Konkret hätten sich die Bürger bereit erklärt, im Fall einer Infektion «Daten zur eigenen Identität, die eine eindeutige Identifizierung und die Kontaktaufnahme ermöglichen, sowie Angaben über Reisewege, Aufenthaltsorte und Kontakte mit Personen in ein Informationssystem des Bundesamts für Gesundheit aufnehmen zu lassen, damit die Identifizierung und Benachrichtigung von Personen, die angesteckt oder ansteckungsverdächtig sind, möglich ist».

Heute seien Apps möglich, die datenschutzfreundlicher seien als gesetzlich nötig. Jene der ETH etwa basiert auf Bluetooth-Technologie: Geräte, die sich einander nähern, tauschen keine persönlichen Daten aus, sondern nur zufallsgenerierte Zahlenkombinationen. Gespeichert werden diese nur auf den Geräten, nicht aber auf einem zentralen Server. Wer positiv auf Corona getestet wird, erhält einen Code, den er in der App einträgt. Diese warnt danach Personen, die in der Nähe waren – ohne dass der positiv Getestete oder die Behörden erfahren, wer dahintersteckt.

Die rechtlichen Grundlagen sind nicht geklärt

Die Juristen Abegg und Knecht sehen den Bund möglicherweise sogar in der Pflicht, ein Obligatorium zu erlassen. Die Bundesverfassung erteile ihm den Auftrag, die Volksgesundheit vor übertragbaren Krankheiten zu schützen. In Südkorea habe das Digital Contact-Tracing gegen die Pandemie Wirkung gezeigt, in Singapur hingegen sei eine freiwillige App wenig genutzt worden und nicht besonders effektiv gewesen: «Es muss daher die Frage aufgeworfen werden, ob der Bund seine Pflicht zum Schutz der Volksgesundheit verletzt, wenn er die in der Schweiz aufgrund des Epidemiengesetzes gegebene Möglichkeit des Einsatzes einer obligatorischen Contact-Tracing-App unbenutzt lässt.» Verzichte der Bund auf das Obligatorium, solle er aber wenigstens dafür sorgen, «dass bestimmte Funktionen der App nötigenfalls zugeschaltet und gar für obligatorisch erklärt werden können». Damit liesse sich sicherstellen, dass im Falle eines erneuten Anstiegs der Infektionszahlen ein deutlich milderes Mittel im Vergleich zum Lockdown zeitnah bereitstünde.

Die Argumentation der beiden Juristen ist jedoch umstritten. Als die Sozialpolitiker des Ständerats am Dienstag der Bundesverwaltung Fragen zu der App stellten, blieben sie mit dem Eindruck zurück, die rechtlichen Grundlagen seien nicht geklärt, wie Kommissionspräsident Paul Rechsteiner sagt. «Ein digitales Contact-Tracing geht viel weiter als das, woran mit dem Epidemiengesetz gedacht wurde», sagt Rechsteiner. «Die Antworten der Bundesverwaltung gingen eher in die Richtung, dass der Einsatz der App per Notrecht geregelt werden soll.» Das sei aus Sicht der Kommission allerdings nicht möglich, sagt Rechsteiner: «Gründlichkeit und Rechtsstaatlichkeit müssen Vorrang haben gegenüber dem Tempo.»

Nur ein Hype?

Bedenken wurden am Mittwochnachmittag auch in der Staatspolitischen Kommission des Nationalrats laut. Viele Fragen seien noch offen, sagte der Neuenburger FDP-Nationalrat Damien Cottier vor der Sitzung: «Die Apps sind noch nicht fertiggestellt, der Datenschutz und die Speicherung sind nicht abschliessend geklärt, das ist eine wichtige politische Diskussion. Und nicht jeder hat ein Smartphone.» Auch stellten sich zahlreiche weitere rechtliche, politische und technische Fragen – etwa, ob Richter später auf die Daten der Telefone zugreifen könnten, wenn ein Infizierter gegen die Person klage, die ihn angesteckt habe. «Diese App zu benutzen, muss unbedingt eine freiwillige Entscheidung sein. Bisher hat der Bund für die Corona-Massnahmen an den Gemeinsinn der Bürger appelliert. Das hat gut funktioniert», sagt Cottier. «Warum sollten wir das jetzt ändern?» Die Debatte über die Antwort beginnt erst.

Cédric Wermuth kam nach der Sitzung zum Schluss, die Diskussion sei vor allem ein «Hype»: Die App sei nicht mehr als eine Erweiterung des herkömmlichen Contact-Tracing, bei dem die Behörden mögliche Gefährdete durch Befragungen ausfindig machen und telefonisch kontaktieren.
(https://www.derbund.ch/bund-koennte-corona-app-fuer-obligatorisch-erklaeren-494639239292)



Corona-Kontaktverfolgung: Apple-Schnittstelle kommt schon bald auf iPhones
Apple will die Schnittstelle, die eine Kontaktverfolgung per Bluetooth ermöglicht, offenbar schon Ende April in iOS integrieren – deutlich früher als geplant.
https://www.heise.de/mac-and-i/meldung/Corona-Kontaktverfolgung-Apple-Schnittstelle-kommt-schon-bald-auf-iPhones-4708472.html


Unschlüssige Politiker, zerstrittene Forscher – so ist die Schweizer Corona-Tracing-App zum Scheitern verurteilt
Schon in drei Wochen will das Bundesamt für Gesundheit eine Handy-Anwendung präsentieren, über die Infektionen verfolgt werden können. Doch der Erfolg ist schon jetzt in Gefahr.
https://www.nzz.ch/meinung/coronavirus-ohne-vertrauen-scheitert-die-tracing-app-ld.1553086


PEPP PT: Spahn entscheidet sich für umstrittene Corona-App
Contact-Tracing gilt als wichtiges Werkzeug, um das Coronavirus einzudämmen. Eine App soll das einfacher machen. Doch für die Umsetzung gibt es mehrere Ansätze. Gesundheitsminister Spahn hat sich nun für einen umstrittenen entschieden.
https://www.stern.de/digital/smartphones/pepp-pt–spahn-entscheidet-sich-fuer-umstrittene-corona-app-9235748.html


Israel Suspends Police Phone-tracking for Coronavirus Quarantine
Law enforcement now to use surprise home visits, other means, to ensure coronavirus isolation orders are obeyed
https://www.haaretz.com/israel-news/.premium-government-freezes-bill-that-would-let-police-track-phones-to-enforce-quarantine-1.8791702


+++RECHTSEXTREMISMUS
Rechtsextremismusforscher: „Statt von ‚Rasse‘ wird von ‚Kultur‘ und ‚Identität‘ gesprochen“
Wie und warum wird im österreichischen Nationalrat über Rechtsextremismus gesprochen? Der Politikwissenschafter Matthias Falter hat für sein Buch hunderte Debatten durchforstet
https://www.derstandard.at/story/2000116741797/rechtsextremismusforscher-statt-von-rasse-wird-von-kultur-und-identitaet-gesprochen


+++WORLD OF CORONA
Wo unsere Rechte eingeschränkt werden
Die Republik schreibt das laufende Protokoll einer überhaupt nicht normalen Zeit.
https://www.republik.ch/2020/04/23/watchblog-wo-unsere-rechte-eingeschraenkt-werden