Worte: With physical distancing against social distancing

Mit Transparenten und je 2 Meter Abstand voneinander protestierten gestern antirassistische Aktivist*innen in Bern. Die Aktion sieht sich als Teil von #RiseAgainstBorders. Während der Bundesrat die Medien über seine neusten Beschlüsse informierte, hielten sie folgende Rede:

„In der aktuellen Pandemiesituation haben wir – in der Theorie – alle das gleiche Risiko, an Corona zu erkranken. Doch in der Praxis haben nicht alle die gleichen Möglichkeiten, sich zu schützen. Es trifft die ohnehin diskriminierten Personen und Gruppen am stärksten: Sei es aufgrund von Flucht, infolge eines illegalisierten Status oder bedingt durch andere soziale Faktoren. Während überall von Solidarität gesprochen wird, wollen wir nicht vergessen, dass viele Menschen aus dem Solidaritätskreis ausgeschlossen werden.

  • In den Kantonen und Gemeinden leben Menschen in Asyllagern auf engstem Raum zusammen. Der Schutz vor Corona ist dadurch verunmöglicht. Die kantonalen Migratiosbehörden sowie das SEM sollen geflüchteten Personen Wohnungen oder leerstehende Hotelzimmer anbieten. Wir fordern: Dezentrales Wohnen ermöglichen und Asylzentren evakuieren!
  • Für einen effektiven Rechtsschutz brauchen Geflüchtete rechtliche Unterstützung. Bereits vor Corona war es für Asylsuchende schwierig, sich gegen einen negativen Asylentscheid zu wehren. Nun ist es fast unmöglich geworden. Der Zugang zu Fürsprechenden und Rechtsvertretungen ist wegen Corona nicht gewährleistet. In vielen Bereichen ist das Justizsystem lahmgelegt worden. Nur im Asylsystem geht es weiter wie zuvor. Selbst das SEM macht kein Geheimnis daraus, dass Asylverfahren zur Zeit teilweise ohne die Anwesenheit einer Rechtsvertretung durchgeführt werden. Statt auf die Erteilung von negativen Asylentscheiden zu verzichten, hat das SEM lediglich die Beschwerdefrist im beschleunigten Verfahren von sieben Arbeitstagen auf 30 Tage verlängert. Diese Massnahme wird die Situation kaum verbessern. Erstens bringt in der Abwesenheit von rechtlichem Beistand auch eine verlängerte Beschwerdefrist nichts und zweitens gilt die Massnahme ausschliesslich für die beschleunigten Verfahren. Bei Dublin und erweiterten Verfahren gelten somit die üblich kurzen Beschwerdefristen. Der Bundesrat soll die angeordnete Verlängerung der Gerichtsferien auch auf das asylrechtliche Beschwerdeverfahren ausdehnen, wodurch negative Asylentscheide nicht in Kraft treten können. Wir fordern deshalb: Unverzüglich auf die Eröffnung negativer Asylentscheide zu verzichten!
  • Wir kritisieren grundsätzlich, dass Menschen inhaftiert und unter Zwang abgeschoben werden. Angesichts der weltweiten Gesundheitslage ist der Aufenthalt in Ausschaffungsknästen noch unzumutbarer geworden als zuvor. Auch sind die gesetzlichen Voraussetzungen für die Haftanordnung nicht mehr gegeben, da die meisten Ausschaffungen aktuell nicht durchführbar sind. Unter den aktuellen Bedingungen handelt es sich tatsächlich um nichts anderes mehr als Inhaftierung von Geflüchteten. Wir fordern deshalb, dass alle Menschen unverzüglich aus der Administrativhaft freigelassen werden!
  • Schweizer*innen werden per Sonderflüge zurückgeflogen und Arbeitskräfte dürfen weiterhin einreisen. Ansonsten bleiben die Grenzen- zum Schutz der schweizer Bevölkerung- zu. Doch auf der anderen Seite der Grenzen sind auch Menschen und die haben dasselbe Recht auf Schutz, Sicherheit und Freiheit. Recht auf Asyl ist nicht irgendein Luxus, den wir einfach „pausieren“ können: Flucht bleibt bestehen, Fluchtursachen bleiben bestehen, Kriege gehen weiter, Ausbeutung geht weiter, Rassismus, Klassismus, Sexismus und jegliche Form von Diskriminierung hören nicht auf. Also lasst uns etwas unternehmen gegen diese pseudo-solidarische, rassistische Politik der schweizer Regierung  Wir fordern, dass die Grenzen für asylsuchende Personen unverzüglich wieder geöffnet werden!
  • Die Situation an der griechisch-türkischen Grenze sowie in Griechenland war schon vor Corona untragbar. Im Moment verschärft sich die Situation zusätzlich. Mehr als 40’000 Menschen leben schon nur auf der Insel Lesvos auf engstem Raum ohne genügende Gesundheitsversorgung, ohne genügend Zugang zu Wasser und Essen. Dazu kommen staatliche Gewalt oder Angriffe von Faschist*innen, denen die Geflüchteten täglich ausgesetzt sind. Der Bundesrat kann und soll diesen Menschen durch die Vergabe des «Status S» die direkte Einreise gewähren. Wir fordern die sofortige Aufnahme von Geflüchteten aus dem türkisch-griechischen Grenzgebiet!

Was wir hier nennen, sind einige Massnahmen, die sofort ergriffen werden können. Sie sollen die aktuelle Situation entschärfen. Geflüchtete, Illegalisierte und Sans-Papiers werden aber nicht erst seit Corona diskriminiert und verfolgt. Sie werden es täglich, an den Grenzen, in den Lagern, in den Knästen, bei der Arbeit, in der Schule, im alltäglichen Leben. Wir kämpfen deshalb grundsätzlich für die Bewegungsfreiheit aller Menschen, egal woher sie kommen und welche Papiere sie besitzen.

Solange die Solidarität an Grenzen und Aufenthaltsstati stoppt, setzen wir uns ein für: #RiseAgainstBorders.