Was ist neu?
Ägäisregion: Geflüchtete sind Spielball für Faschist*innen und Regierungen
Da sich die Europäische Union weigerte, das Erdogan-Regime bei seinem Angriff auf das Assadregime zu unterstützen, hob Erdogan den EU-Türkei-Deal auf. Gemäss diesem Abkommen übernimmt das Erdogan-Regime für Europa die Repression gegen Geflüchtete, um Europa abzuschotten. Bezahlt wird Erdogan dafür mit politischer und finanzieller Anerkennung. Da das türkische Regime nun die Grenzen geöffnet hat, schaffen es täglich immer mehr Geflüchtete nach Europa. 117.000 Migrant*innen befinden sich laut dem türkischen Innenminister Süleyman Soylu im Grenzgebiet zu Griechenland. Auf den griechischen Inseln ist die Lage eskaliert. Faschist*innen haben sich organisiert. Bewaffnet verfolgen sie wahllos Geflüchtete, NGO-Mitarbeiter*innen sowie Medienschaffende. Auch Faschist*innen der Identitären aus Deutschland sind angereist. An gewissen Orten wurden Checkpoints und auf den Strassen Richtung Moria Strassensperren errichtet. Auf der griechischen Insel Lesbos wurde am Samstagabend ein Aufnahmezentrum für Geflüchtete in Brand gesteckt. Auch viele rechte Inselbewohner*innen beteiligen sich aktiv an der Hetze. Während immer mehr Faschist*innen – vom Festland und aus anderen Ländern – auf die Inseln gelangen, ziehen die NGOs aus Angst ihr Personal ab. Die aktuelle Situation wird von der rassistischen Politik der Nea Dimokratia, die im vergangenen Juli die Wahlen gewann, befeuert. Faktisch hat sie das Grundrecht auf Asyl nun aufgehoben. Das hatte sie sowieso vor. Die Grenzöffnung hat dies aber erleichtert. Zudem tut die Regierung so, als befinde sie sich in einer Art Kriegszustand. Im Fernsehen sind Bilder zu sehen, wie Truppen und Panzer an der Grenze Übungen durchführen, wie Landungsboote am Strand landen und Soldat*innen sich mit Maschinengewehren in den Dreck werfen. Trotz Ausmass dieser Krise geht es in den Reaktionen der anderen europäischen Staaten weiterhin darum, keine Geflüchteten in ihre Staaten aufnehmen zu müssen. Während die EU-kritischen rechten Regierungen offen nach Gewalt gegen Geflüchtete schreien, geben die EU-dominanten rechten Regierungen dieselbe Botschaft in verschleierter Form wider. Wie das geht, zeigt EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen. Nach einem Heliflug über die Grenzgebiete dankte sie dem griechischen Regierungschef Mitsotakis für die offizielle Grenzgewalt gegen Geflüchtete. Griechenland sei das Schutzschild Europas. Sie sprach von einem Feind, der allerdings nicht Erdogan sei. Sie kündigte „konzentrierte Aktionen“ zwecks „Grenzsicherung“ und eine massive „Frontex-Aufrüstung“ an. Von einer Perspektive für die in der Türkei und Griechenland gestrandeten Geflüchteten oder von einem Verteilschlüssel war nicht die Rede. Dabei drängen immer mehr solidarische Städte darauf, Menschen aufzunehmen. Allein in Deutschland sind es bereits über 140.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1133697.seebruecke-das-asylrecht-ist-abgeschafft.html
https://taz.de/Gefluechtete-an-EU-Aussengrenze/!5666518/
https://www.tagesschau.de/ausland/tuerkei-griechenland-123.html
https://gazete.taz.de/article/?article=!5668249
https://www.nzz.ch/international/zehntausende-afghanen-syrer-und-iraker-harren-an-der-tuerkisch-griechischen-grenze-aus-doch-nur-ganz-wenigen-gelingt-es-in-die-eu-zu-gelangen-ld.1543849
https://www.jungewelt.de/artikel/373701.griechenland-migration-entrechtet-in-europa.html
https://www.srf.ch/play/radio/echo-der-zeit/audio/fluechtlingskrise-wie-reagiert-bruessel?id=a93e5107-c4a4-435c-be12-03ab7ce65eac
https://frontex.europa.eu/media-centre/news-release/frontex-to-launch-rapid-border-intervention-at-greece-s-external-borders-NL8HaC
https://www.deutschlandfunk.de/migrationsstreit-zwischen-eu-und-tuerkei-europa-gegen-die.720.de.html?dram:article_id=471668
https://t.co/bWiK599XPB
https://twitter.com/SyrianKurdPress/status/1236436229450805255?s=20
https://taz.de/Auseinandersetzungen-auf-Lesbos/!5670004/
Regime der neuen Ausschaffungscamps in Bern
In einigen Wochen beginnt im Kanton Bern die grosse Zwangsumplatzierung von hunderten Geflüchteten mit einem Negativentscheid. Das neue Asylgesetz, das letzes Jahr in Kraft trat, sieht vor, dass Menschen mit einem negativen Asylentscheid separiert von anderen Geflüchteten in sogenannten „Rückkehrzentren“ untergebracht werden. Bisher lebten die meisten abgewiesenen Geflüchteten in den gleichen Asylcamps wie vorläufig Aufgenommene. Obwohl auch die bisherigen Asylcamps der Verwaltung von Menschen dienen und die Geflüchteten stark einschränken, bedeutet die Umplatzierung in die Ausschaffungscamps für viele eine massive Verschlechterung der Situation. Bei vielen Menschen ist Panik ausgebrochen, als die Umplatzierungen bekannt wurden. Der Umzug in die Ausschaffungscamps bedeutet für viele das Ende jeglicher Perspektive. So gab es in den bisherigen Camps wenigstens noch ein Minimum an Programmen und Angeboten, wie bspw. Sprachkurse oder Mittagstische. Da in den Ausschaffungscamps nur noch Menschen mit einem Negativentscheid leben werden, bietet die ORS, welche die Ausschaffungscamps führen wird, null Beschäftigungsprogramme. Da der Staat die Menschen, die dort leben, ausschaffen will, haben diese keinen Anspruch auf gar nichts. Denn in Menschen „investieren“, die offiziell gar nicht anwesend sein dürfen, bringt in der kapitalistischen und rassistischen Logik auch nichts.Kommt dazu, dass die Ausschaffungslager meist total abgelegen sind, um die Menschen zu isolieren. Bisher war es abgewiesenen Geflüchteten auch möglich, bei Freund*innen ausserhalb der Camps unterzukommen, da sie in vielen Camps nur einmal wöchentlich ihre Anwesenheit mit einer Unterschrift bestätigen mussten. Im Ausschaffungslager werden sie dies dreimal pro Tag machen müssen. In Kombination mit der abgelegenen Lage der Ausschaffungscamps wird es unmöglich sein, noch irgendein Leben ausserhalb des Camps zu führen. Und dann sind da noch die rund 100 illegalisierten Kinder, viele von ihnen im schulpflichtigen Alter. Der Besuch der Volksschule ist eine Grundrecht, das auch ihnen zusteht. Im Gegensatz zu den bisherigen Camps sollen die Kinder in den Ausschaffungslagern selbst unterrichtet werden. Eine Massnahme mehr, um bereits die Kinder komplett zu isolieren. Nebst der Option des Untertauchens, gibt es eine weitere Möglichkeit, der Isolation im Ausschaffungscamp zu entkommen. Unter bestimmten Umständen können abgewiesene Geflüchtete bei Privatpersonen unterkommen. Die Privatperson muss dafür aber die Funktion des Ausschaffungslagers übernehmen, das heisst, sie muss dem Migrationsdienst glaubhaft machen, dass sie bis auf die Krankenkasse sämtliche Kosten für die Person übernimmt und der Polizei jederzeit Zugang zur Wohnung gewähren, wenn sie diese Person zwangsausschaffen will. Die neuen Ausschaffungscamps des Kanton Berns entstehen übrigens in Aarwangen, Biel und Gampelen.
https://www.derbund.ch/bern/rueckkehr-in-die-perspektivlosigkeit/story/31663014
Kanton Bern lehnt die Härtefallgesuche von 22 Tibeter*innen ab
Die Härtefallgesuche waren für abgewiesene Geflüchtete fast die einzige Chance auf ein Bleiberecht. Nun bleibt nur die Heirat einer Schweizer*in als Option übrig. Die Bedingungen für die Annahme eines Härtefallgesuchs sind rassistisch. Kein*e Schweizer*in muss für eine administrative Anerkennung eine derart entmenschlichende Behandlung über sich ergehen lassen. Im Kanton Bern haben sich die Behörden für eine besonders harte Interpretation des ominösen (Härtefall)-Artikel 14 des Asylgesetzes entschieden. Denn obwohl dieser 5 Jahre vorsieht, werden in Bern 10 Jahre durchgehende Anwesenheit in einem Asylcamp verlangt. Während dieser Zeit tun die Behörden nichts anderes als zu versuchen, die Personen auszuschaffen. Da viele Menschen über keinen Pass verfügen, setzen die Behörden sie unter Druck, sich einen zu besorgen. Von den 22 Tibeter*innen wurde ernsthaft erwartet, beim Staat, vor dem sie fliehen mussten, um einen Pass zu betteln. Wer dies verweigert, kann ohne Gerichtsentscheid monatelang in Administrativhaft landen. Die Behörden ihrerseits setzen auch die Herkunftsländer unter Druck, damit diese einer Zwangsausschaffung ohne Pass zustimmen. Die Behörden laden hierfür Vertreter*innen der Staaten – in diesem Fall China – ein, eine Delegation in die Schweiz zu schicken, um Tibeter*innen, die aus China flüchten mussten, als Chines*innen zu identifizieren, damit diese zwangsabgeschoben werden können. Auch hierfür können abgewiesene Asylsuchende durch einen simplen Behördenentscheid in Administrativhaft gesteckt werden. Dritte Option ist, die Personen dazu zu bringen, nach China zurückzukehren (die sogenannte „freiwillige Rückkehr“). Damit die Personen diese Option wählen, machen die Behörden ihnen das Leben zur Hölle. Die Behörden isolieren die Personen in schäbigen Camps, verbieten ihnen den Zugang zu Arbeit oder Sprachunterricht und geben ihnen pro Tag nur 8-10 Franken zum Überleben. Nebst der ständigen Angst im Nacken, in Administrativhaft zu landen oder abgeschoben zu werden, werden die Personen auch willkürlich von der Polizei wegen „illegaler Anwesenheit“ verhaftet und zu Bussen oder Haftstrafen verurteilt. Wer dieses Regime 10 Jahre aushält, ohne jemals unterzutauchen, darf dann ein Härtefallgesuch einreichen. Doch damit dieses angenommen wird, muss die Person zudem auch gute schweizer Freund*innen, gute Sprachkenntnisse, blanke Straf- und Betreibungsregister und intakte Jobaussichten haben. UND: Erneut wird der Pass verlangt. Genau deshalb lehnte der Kanton Bern die Gesuche der 22 Tibeter*innen ab. Dass viele Menschen auf diesem Planeten nie im Leben die Chance hatten, sich einen Pass ausstellen zu lassen, ist den bernischen Behörden genauso egal, wie die Tatsache, dass es unzumutbar ist, bei der Botschaft des eigenen Peinigers anzutanzen, um sich einen Pass zu erbetteln. Ausserdem garantiert der Kanton Bern den Personen auch keineswegs, dass er die Gesuche annehmen wird, falls die Identität offengelegt würde. Eventuell würde er die Personen auch einfach abschieben lassen.
https://www.derbund.ch/bern/endstation-rueckkehrzentrum/story/12633057
https://www.derbund.ch/bern/haertefallgesuch-von-mutmasslichen-tibetern-abgelehnt/story/23704978
https://www.bernerzeitung.ch/kanton-bern-lehnt-haertefallgesuch-von-tibetern-ab-831203269665
https://www.bielertagblatt.ch/nachrichten/kanton-bern/bei-haertefallgesuchen-muessen-asylsuchende-identitaet-offenlegen
https://www.be.ch/portal/de/index/mediencenter/medienmitteilungen.meldungNeu.mm.html/portal/de/meldungen/mm/2020/03/20200302_1659_bei_haertefallgesuchenmussdieidentitaetoffengelegtwerden
https://www.be.ch/portal/de/index/mediencenter/medienmitteilungen.meldungNeu.mm.html/portal/de/meldungen/mm/2020/03/20200302_1659_bei_haertefallgesuchenmussdieidentitaetoffengelegtwerden
„Betreuung“ von Geflüchteten: Der Preis entscheidet
Die ORS AG bietet die Betreuung der Geflüchteten in der Gemeinde Meilen nicht mehr zum bisherigen Preis an. Die ORS argumentiert mit der höheren Komplexität der zu betreuenden Fälle. Da sich alles ums Geld dreht, hat die Gemeinde der ORS den Auftrag entzogen und neu ausgeschrieben. Die Gemeinde Meilen hat geprüft, die Betreuung selbst zu übernehmen. Das wäre allerdings noch teurer und kommt für die Gemeinde deshalb nicht in Frage. Es wird somit der Preis eines externen Dienstleisters kritisiert, den man nicht einmal selbst unterbieten könnte. Dies zeigt ziemlich deutlich, wie wenig die „Verwaltung“ von Geflüchteten in der Schweiz kosten darf. Die Qualität ist dabei kein Kriterium, das aktuell besprochen wird. Mangels Alternativen behält die ORS nun den Auftrag für ein weiteres Jahr. Auch in Bern gibt es Schwierigkeiten in der Vergabe des Betreuungsauftrags für Geflüchtete. Dieser geht teilweise von der Heilsarmee-Flüchtlingshilfe an die ORS AG. Da ein Rechtsstreit der Heilsarmee-Flüchtlingshilfe mit dem Kanton die Vertragsunterzeichnung mit der ORS AG blockiert, könnte nun der Kanton selbst ab dem 01.07.20 für die Betreuung einspringen müssen.
https://www.zsz.ch/meilen/meilen-muss-die-asylbetreuung-neu-vergeben/story/29745071)
https://www.srf.ch/news/regional/bern-freiburg-wallis/asyl-und-fluechtlingswesen-im-emmental-und-im-oberaargau-kommt-es-zu-problemen
Was geht ab beim Staat?
Tausend Verurteilungen wegen sogenannter „Solidaritätsdelikte“
Wer Geflüchteten in der Schweiz in einer Notsituation hilft, macht sich auch weiterhin strafbar. Der Nationalrat stimmte gegen die parlamentarische Initiative von Lisa Mazzone. Diese forderte Artikel 116 des Ausländergesetzes (AIG) anzupassen. Damit Personen, die Hilfe leisten, sich nicht strafbar machen, wenn sie dies aus „achtenswerten Gründen“ tun. Jährlich werden in der Schweiz etwa 1.000 Personen wegen sogenannter „Solidaritätsdelikte“ verurteilt. Auch in anderen Ländern werden im Zuge der europäischen Abschottungspolitik solidarische Menschen kriminalisiert. Wer sich für eine menschenwürdige Behandlung Geflüchteter einsetzt, zum Beispiel durch die Versorgung mit Nahrung oder Gewährung einer Unterkunft, wird schnell des Terrorismus oder Menschenschmuggels bezichtigt. Allerdings kennen andere europäische Staaten im Vergleich zur Schweiz einen Unterschied zwischen humanitären Motiven und Bereicherungsabsicht.
https://www.fluechtlingshilfe.ch/news/archiv/2020/uneigennuetzige-hilfe-fuer-gefluechtete-bleibt-strafbar.html
http://www.swissinfo.ch/ger/migration_hilfe-fuer-sans-papiers-bleibt-in-der-schweiz-eine-straftat/45597950
https://www.luzernerzeitung.ch/newsticker/schweiz/sp-nationalrat-waehnt-jesus-auf-seiner-seite-trotzdem-lehnt-die-grosse-kammer-straffreiheit-fuer-das-solidaritaetsdelikt-ab-ld.1201163
https://www.amnesty.ch/de/themen/menschenrechtsverteidiger/frei/dok/2020/kriminalisierung-der-solidaritaet
https://www.aargauerzeitung.ch/panorama/bestraftes-mitgefuehl-amnesty-kritisiert-strafverfolgung-von-fluechtlingshelfern-136453017
Was ist aufgefallen?
Nazi Konten bei Credit Suisse
In Argentinien hat ein Historiker eine Liste mit 12’000 Namen von Nazis, die in den 1930er-Jahren unter anderem nach Argentinien geflüchtet sind und dort geduldet wurden, in Buenos Aires in einem ehemaligen Nazi-Hauptquartier gefunden. Darauf seien viele Namen damaliger Nazis, die in den 1930er Jahren Konten bei der Schweizerischen Kreditanstalt in Zürich unterhalten haben. Warum Argentinien? In den 1930er Jahren stand das Militärregime von José Félix Uriburu dem Faschismus nahe. 1938 hatte die NSDAP/AO 1.400 Mitglieder in Argentinien. Nach dem Krieg suchten zahlreiche Nazis, darunter Mengele und Eichmann Zuflucht in Argentinien. Das Simon-Wiesenthal-Zentrum, eine jüdische, politisch tätige internationale Nichtregierungsorganisation, die sich gegen Antisemitismus und die Aufarbeitung der Verbrechen des Nationalsozialismus einsetzt, hat sich nun mit der Credit Suisse – der Nachfolgebank der damaligen Schweizerischen Kreditanstalt – in Verbindung gesetzt. Die Organisation schreibt an die Credit Suisse: «Wir halten es für wahrscheinlich, dass diese ruhenden Konten Geld enthalten, das in den 1930er Jahren unter den Nürnberger Ariergesetzen von jüdischen Opfer erbeutet wurde». Die Nichtregierungsorganisation verlangt Zugang zum Archiv der Bank. Diese beteuert, sie hätten bereits in den 1990er – Jahren Untersuchungen vorgenommen um ehemalige Nazigelder auf ihren Konten zu eruieren. Vielleicht haben sie nicht gut genug gesucht?
https://fr.timesofisrael.com/le-centre-wiesenthal-revele-une-liste-de-12-000-nazis-en-argentine/
https://www.luzernerzeitung.ch/wirtschaft/liste-mit-12000-namen-in-argentinien-aufgetaucht-liegt-noch-nazi-geld-bei-der-credit-suisse-ld.1200749
Was tun Antiziganist*innen so?
Nach der ganzen antiziganistischen Hetze im Abstimmungskampf um den Transitplatz in Wileroltigen geht es gleich nahtlos weiter. Geht es nach dem Kanton Aargau, soll der nächste offizielle Halteplatz für Fahrende in Merenschwand errichtet werden. Das Komitee ProMerenschwand stellt sich mit antiziganistischen „Argumenten“ gegen den Transitplatz. Der Ort eigne sich nicht für einen Transitplatz, weil das Komitee Konkurrenz für das lokale Gewerbe durch die Fahrenden befürchte, die «teils aufdringlich» ihre Dienste anbieten würden. Zudem sei die Lage in Waldnähe nicht ideal. Werde der Platz genutzt, seien Umweltverschmutzung und Störung der Wildtiere wahrscheinlich. Die antiziganistische Stigmatisierung von Fahrenden zeichnet stets denselben Stereotyp von Fahrenden: Unzivilisierte, schmutz- und lärmproduzierende Menschen, die Lohndumping betreiben. Diese Woche wurden zudem die antiziganistischen Aussagen von Roland Schöni (SVP) vor Gericht verhandelt. Er hatte in einem Interview im Mai 2018 Fahrende als „Schlitzohren, Kleinkriminelle, Wahrsager und Lügner“ bezeichnet. Sowohl die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) als auch der Verband Sinti und Roma Schweiz (VSRS) reichten Strafanzeige ein. Das Bezirksgericht verurteilte den ehemaligen Polizisten wegen Rassendiskriminierung zu einer Busse von 450 Franken. Zudem auferlegte es ihm die Verfahrenskosten in Höhe von 4.200 Franken. Schöni akzeptierte den Schuldspruch nicht und gelangte ans Obergericht. Dieses behandelte seinen Fall am Mittwoch, fällte aber noch kein Urteil. Sein Anwalt forderte einen Freispruch wegen fehlender gesetzlicher Grundlage. Fahrende seien im Strafrecht nicht als Ethnie vor Diskriminierung geschützt. Insofern sei es gar nicht möglich, seinen Mandanten im konkreten Fall zu belangen. Und die Meinungsfreiheit dürfe nicht «allzu stark» zugunsten des Schutzes vor Rassendiskriminierung eingeschränkt werden, so sein Anwalt weiter. Rechte berufen sich immer wieder auf die sogenannte Meinungsfreiheit, um ihre rassistischen Ideen und Vorstellungen kundzutun. Ihnen scheint der Unterschied zwischen Meinungsfreiheit und Rassismus nicht ganz klar zu sein.
https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/kanton-aargau/widerstand-gegen-fahrende-in-merenschwand-136448554
https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/kreuzlingen/roland-schoeni-will-eine-reine-weste-der-arboner-svp-fraktionschef-wehrt-sich-am-obergericht-gegen-die-verurteilung-als-rassist-ld.1200752
Rekordzahlen bei Schweizer Waffenexporten
Die Schweizer Waffenindustrie exportierte letztes Jahr Waffen im Wert von 728 Millionen Franken. Ein Rekordwert seit 2011 (827.7 Millionen) und eine Steigerung von 43% im Vergleich zum Vorjahr. Die Waffen werden in Staaten wie Bangladesch, Pakistan, Malaysia, Bahrain oder Saudi-Arabien eingesetzt. Staaten, die Krieg führen und/oder aus denen auch Menschen vor (staatlicher) Gewalt fliehen müssen.
https://www.gsoa.ch/press_release/rekordzahlen-bei-schweizer-waffenexporten/
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-78277.html
Was war eher gut?
Neue Töne von Amnesty International
Es ist für antira.org etwas schwierig, über wirklich Gutes zu berichten. Denn wir kämpfen für eine radikale Abwendung von jeglichem Rassismus und daher erscheinen uns einzelne Vorfälle oder verhindertes Schlimmeres immer nur eher gut als wirklich gut. Als eher gut werten wir die leicht kritischere Haltung von Amnesty International in der Schweiz. Zum einen ist es den zahlreichen bezahlten Mitarbeitenden von Amnesty nun auch aufgefallen, dass die Bundesasylcamps sind, was sie sind: Orte der Entrechtung, Disziplinierung und Isolation. 2016 hatte Amnesty den Lagerplänen Sommarugas noch den Menschenrechtssegen erteilt, weil diese bereit war, in den Bundesasylcamps Gratisanwält*innen für alle Geflücheten anzubieten. Obwohl bereits damals absehbar war, dass diesen Gratisanwält*innen die Unabhängigkeit, die Mittel, die Zeit und der juristische Handlungsspielraum fehlen wird, um eine wirklich positive Wirkung für Geflüchtete zu haben, stellte sich AI hinter die Asylverschärfungen. Fazit nach einem Jahr Bundesasylcamps ist nun: „Problematisch sind aus Sicht von Amnesty insbesondere das stark auf Kontrolle und Sicherheit ausgerichtete Regime in den Zentren und die in Anbetracht der sehr kurzen Fristen nicht immer gewährleistete Identifizierung und Abklärung besonderer Bedürfnisse von verletzlichen Asylsuchenden.“ Ebenfalls interessant ist, dass es AI kurz vor dem totalen Durchbruch der entrechtenden und repressiven Antiterrorgesetze einfällt, sich kritisch zu ihnen zu äussern. In der Tat debattiert das Parlament aktuell über präventive Repressionsmassnahmen gegen sogenannte „Gefährder*innen“. Gegen Menschen also, die nicht verurteilt sind, aber von den Behörden als politisch gewaltbereit eingestuft werden. Ihnen drohen Kontaktverbot, Meldepflicht, elektronische Überwachung, Ein- und Ausgrenzungen usw. Amnesty dazu (in der unbeholfenen Art einer QGO, die quasi von staatlicher Anerkennung lebt): „«Es ist irritierend zu sehen, wie sorglos die Politik mit den Grundrechten umgeht. (…) Freiheitsentzug zur allgemeinen Gefahrenabwehr ist nicht mit der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar.“ Allgemeine Solidarität mit allen wird danach sofort auf gut vermarktbares Mitleid mit besonders verletzlichen Gruppen reduziert.
https://www.amnesty.ch/de/laender/europa-zentralasien/schweiz/dok/2020/ein-jahr-beschleunigtes-asylverfahren
https://www.amnesty.ch/de/laender/europa-zentralasien/schweiz/dok/2020/auf-kollisionskurs-mit-kinderrechten-und-genfer-konventionen
Was nun?
Petitionen fordert Aufnahme von Geflüchteten aus griechisch-türkischen Grenzgebiet
Angesichts der Gewalt gegen Geflüchtete an der türkisch-griechischen Grenze wurden in der Schweiz verschiedene Petitionen gestartet. Das ist begrüssenswert, doch Solidarität mit den Geflüchteten könnte grundsätzlicher ausfallen, als lediglich für eine Aufnahme in das ebenfalls brutale schweizer Migrationsregime zu plädieren. Die SP fordert, Geflüchtete aufzunehmen, weil es in den vorhandenen (Bundes-)Asylcamps Platz hat. Besonders Frauen und Kinder möchte die SP in die Schweiz holen. Eine zweite Petition fordert, dass Geflüchtete „entschlossen und unbürokratisch“ aufgenommen werden sollen. Doch leider ausschliesslich „Kriegsflüchtlinge“. Es ist gefährlich, Geflüchtete in „schutzbedürftig“ und „nicht schutzbedürftig“ oder „Kriegsflüchtlinge“ und „Nicht-Kriegsflüchtlinge“ aufzuteilen. Wir finden, alle Menschen haben eine Perspektive verdient, unabhängig von Geschlecht, Fluchtgrund oder Plätzen in Asylcamps. Denn die offizielle Schweiz würde über das nötige Geld und die Infrastruktur verfügen, um Geflüchteten ein menschenwürdiges Leben zu bieten und über politische Handlungsmacht, um das Elend an Europas Grenzen zu bekämpfen.
https://actionsprout.io/DA1A12
https://act.campax.org/petitions/die-schweiz-muss-handeln-jetzt-kriegsfluchtlinge-aufnehmen
Wo gabs Widerstand?
Demonstrationen gegen rassistische Gewalt an griechischer Grenze
Die Eskalation an der griechisch-türkischen Grenze hat europaweit eine Welle der Solidarität ausgelöst. Zehntausende Menschen gingen gegen die Festung Europa auf die Strasse. In der Schweiz machte Zürich am Montag mit einer starken Demo mit fast 1.000 Teilnehmer*innen den Anfang. Luzern folgte mit ca. 300, Basel mit rund 500 Demonstrierenden. Weitere Veranstaltungen sind geplant. Auch in Griechenland selbst gehen Tausende in Solidarität mit den Geflüchteten und Angegriffenen auf die Strasse.
https://www.toponline.ch/news/zuerich/detail/news/demonstration-gegen-unmenschlichkeit-an-der-griechischen-grenze-00130009/
https://www.zentralplus.ch/luzern-rund-300-demonstranten-kritisieren-umgang-mit-gefluechteten-1742585/
https://www.pressenza.com/de/2020/03/griechenland-tausende-von-menschen-marschieren-fuer-solidaritaet-mit-fluechtlingen-und-migranten/
Aktion gegen Uniter in Zug
Uniter hat seinen Vereinssitz von Stuttgart nach Rotkreuz im Kanton Zug verlegt. Dagegen demonstrierten rund 30 Antifaschist*innen auf dem Landsgemeindeplatz in Zug. Nach Rotkreuz dürfte das Netzwerk gezogen sein, weil gemäss NZZ-Informationen dort der Vereinspräsident wohnt. Gemäss eigenen Angaben will sich das rechte Netzwerk in der Schweiz niederlassen, um seine „Unabhängigkeit und Neutralität“ zu unterstreichen. Bei Uniter organisieren sich Elite-Soldat*innen aus Deutschland, Polizist*innen, und Sicherheitsleute. Offiziell geht es ihnen darum, sich zu vernetzen und auszutauschen, sich um traumatisierte Einsatzkräfte zu kümmern oder Spenden für Obdachlose zu sammeln. In Wirklichkeit bestehen enge Verbindungen zu Neonazis und anderen faschistischen und rassistischen Kreisen. So war z.B. der Soldat Franco A. im Uniter-Netzwerk aktiv. Er wurde wegen illegalem Waffenbesitz und Vorbereitungen von Anschlägen gegen Politiker*innen und Unterkünfte von Geflüchteten verhaftet. Auch der rassistische Attentäter von Christchurch unterstützte Uniter und bei Demonstration der «Identitären Bewegung» taucht das Logo von Uniter immmer mal wieder auf. Uniter ist jedoch keine klassische Naziorganisation, die von „Bevölkerungsaustausch“ oder „Volkstod“ spricht oder auf Hakenkreuze und andere NS-Symbolik steht. Gemäss einer super Recherche der TAZ (https://taz.de/Interne-Dokumente-des-Vereins-Uniter/!5664632/?goMobile2=1581120000000ist) ist Uniter eine Art rechte Männersekte, die sich auf den „Tag X“ vorbereitet, an dem sie Menschen, die anders denken und anders aussehen, als sie sich das vorstellen, gefangen nehmen oder sogar töten wollen. Kampftraining, Militärtaktik und Hierarchien nehmen bei Uniter eine zentrale Rolle ein. Wer beispielsweise in Rang III aufsteigen möchte, der soll sich laut der internen „Checkliste für den III Grad“ mit „Taktik, Verhalten und Vorgehen in kleinen Einheiten und Kampfverbänden“ auskennen, in Nahkampf und Selbstverteidigung geübt sein und auch im Fernkampf mit Waffen umgehen können“. In Deutschland wird Uniter vom Verfassungsschutz als Prüffall beobachtet. In der Schweiz beurteilt der NDB Uniter „nicht als Bedrohung für die innere Sicherheit“.
https://barrikade.info/article/3224
https://gruene-zug.ch/interpellation-uniter-ein-deutscher-verein-mit-naehe-zum-rechtsextremismus-zieht-nach-zug/https://barrikade.info/article/3220
https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/zug/verein-uniter-ruft-die-zuger-politik-auf-den-plan-ld.1199892
https://www.nzz.ch/schweiz/umstrittener-verein-uniter-sorgt-fuer-beunruhigung-im-kanton-zug-ld.1544117
Was steht an?
Basel Nazifrei – Infosammlung Antirep Basel
Das Antirep Basel bittet nochmals alle, die im Zusammenhang mit der Basel-Nazifrei Demo vom 24.11.2018 von Repression (Vorladungen, Hausdurchsuchungen o.ä.) betroffen sind zwecks Übersicht und Koordination (von Anwälten etc.) sich per Email bei antirep-basel@riseup.net (mit PGP-Verschlüsselung) zu melden! Die Bitte geht deshalb auch an jene, die momentan keine weitere Unterstützung benötigen. Danke!https://barrikade.info/article/3234
Migrantischer Streik am 8. MaiAufruf: „Wir migrantischen Selbstorganisationen rufen unsere Geschwister und Genoss*innen am 08. Mai 2020 zu einem Tag des Zorns und damit einhergehenden Generalstreik auf. Wir fordern alle Menschen mit Migrationserbe, jüdische Menschen, Sinti*ze und Rom*nja, Schwarze Menschen, people of colour, #BIPoC und alle solidarischen Menschen auf, mit uns zu streiken.“
https://barrikade.info/article/3239
Demo in Bern: Kein Mensch ist illegal – Antifaschismus kennt keine Grenzen
Samstag | 14. März 2020 | 15:00 | Bern
Durch das aktuelle Verhalten des türkischen, griechischen und bulgarischen Staates, sowie durch die Reaktion Europas, wird vor unseren Augen tausenden Menschen mit Fluchterfahrung Leid angetan. Deshalb wollen wir am Samstag in Bern auf die Strasse. Bring deine Freund*innen, Eltern, Nachbar*innen, etc. mit!Through the recent actions of the turkish, greek and bulgarian states and through europe’s reaction, thousands of refugees are being hurt in front of our eyes.This is why we want to take to the streets on saturday in Berne. Bring your friends, parents, neighbors, etc.!
Handeln gegen die Festung EuropaAngesichts der jüngsten Eskalation an den EU-Aussengrenzen lädt Open Eyes (https://www.openeyes.ch) zu offenen Sitzungen ein, um gemeinsam mögliche Aktionen und Interventionen zu besprechen:- Donnerstag, 12. März um 19.30 Uhr- Sonntag, 15. März um 14.00 UhrOrt: Postgasshalde 21, 3011 Bern.(wenn nicht beide Daten terminlich passen, kann auch an einer von beiden Sitzungen teilgenommen werden)Die Einladung darf gerne auch an Freund*innen weitergeleitet werden.
«Black queer music: Schwarze queere Musik und Musikvideos als Interventionsform» – Vortrag von SchwarzRund
28. März 2020 | Stube im PROGR | Türöffnung: 17h00 | Eintritt: kostenlos, Kollekte
SchwarzRund analysiert Videos von queeren Schwarzen Künstler*innen und regt die Teilnehmenden dazu an, über ihre eigenen Seh- und Konsumgewohnheiten nachzudenken. Der Titel ihres Vortrags „Schwarze Queere Musik als Intervention“ ist bewusst gewählt: „Wenn ich das Wort Interventionen benutze, dann denken Menschen erstmal an total krasse politische Interventionen, zum Beispiel eine Veranstaltung unterbrechen, aber Intervention kann zum Beispiel auch einfach sein, etwas zu machen, das gesellschaftlich abgewertet wird oder Kultur zu produzieren, die so nicht gewollt ist, oder oder oder.“ Mithilfe der Musik-, Interventions-, Gender und Medienforschung hat SchwarzRund einen multimedialen Vortrag erarbeitet, der queere Schwarze Musik in den Fokus rückt. Es werden gemeinsam Videos geschaut und neue Konzepte verstanden, die unseren Umgang mit Musik und Aktivismus weit über das Thema heraus verändern können.
https://www.facebook.com/events/196067051772036/
Lesens -/Hörens -/Sehenswert
Bulgaria is not changing its push-back policy at its border to Turkey (ENG)
https://bulgaria.bordermonitoring.eu/2020/03/02/bulgaria-is-not-changing-its-push-back-policy-at-its-border-to-turkey/?fbclid=IwAR3QqpzP_5A4DsQKc5DTXTejmIRNMZPCWOWg-_qWXEH6YaxECNDowNlyFIc
Situation on Lesvos / in Moria (ENG)
https://barrikade.info/article/3241
Mitmachen
Hast du Lust bei uns mitzumachen? antira.org lebt von antirassistischer Solidarität und gegenseitiger Hilfe. Wir suchen Menschen, die Lust an Webseitenbetreuung, Texte schreiben oder übersetzten haben, oder auch sonstiges antirassistisches Zeugs machen wollen. Hinweise, Kommentare und vor allem Beiträge zu Anti-/Rassismus können zur Veröffentlichung (verschlüsselt) an antira@immerda.ch geschickt werden.