Was ist neu?
Griechenland: Faschistische Gewalt und Abschaffung des Asylrechts
Auf Lesbos hat die Gewalt gegen Geflüchtete, Journalist*innen und Freiwillige eine neue Dimension angenommen. Zuvor hatte der türkische Präsident Erdoğan die Grenzen der Türkei zu Griechenland geöffnet. Seitdem gelangen Menschen auf der Flucht an die Festland-, aber auch an die Seegrenze. Eine enorme Polizeipräsenz verteidigt gewaltsam die griechische Festlandgrenze. Auf den Inseln, insbesondere auf Lesbos, haben sich rechte Bürgerwehren formiert und Faschist*innen greifen überall auf der Insel schutzsuchende Geflüchtete, Journalist*innen und NGO-mitarbeiter*innen an. Sie hielten am Sonntag Geflüchteten auf einem manövrierunfähigen Boot davon ab, an Land zu kommen. Rechte Inselbewohner*innen versuchten auch, einen Polizeibus mit Geflüchteten auf dem Weg nach Moria zu blockieren. Ein Zwischencamp für Geflüchtete wurde in Brand gesteckt. Mehrere Journalist*innen und NGO-Mitarbeiter*innen wurden auf der Strasse angegriffen, verletzt und verfolgt. Am Flughafen werden Menschen die nicht-„griechisch“ aussehen, angegriffen. In der Folge der eskalierenden Situation verkündete der griechische Regierungschef Mitsotakis, dass Griechenland einen Monat lang das Asylrecht aussetzen und keine neuen Asylgesuche annehmen werde. Zudem forderte er eine schnelle Eingreiftruppe von Frontex an. Solche Entscheidungen bestärken die Rechten in ihrem Handeln. Es ist dringend eine Evakuation der Inseln notwendig. In der Zwischenzeit versucht bereits die griechische Küstenwache mit brutalsten Mitteln, Boote daran zu hindern, nach Europa zu gelangen. Am Montag wurde ein Video publik, das zeigt, wie die griechische Küstenwache offenbar versucht, ein Boot mit geflüchteten Menschen auf See zum Kentern zu bringen und Warnschüsse abgibt. (Link Video: https://www.independent.co.uk/news/world/europe/migrant-child-killed-greek-coast-lesbos-syria-refugee-deaths-a9369826.html).
Zudem starb ebenfalls am Montag ein Kind, als ein Boot vor der Insel Lesbos kenterte. Ein Mann auf der Flucht, der versuchte, die griechische Grenze zu überqueren, wurde von der Polizei erschossen. Die Situation ist katastrophal und scheint sich jeden Tag zu verschlimmern. Versuchen wir mit allem Mitteln, die abscheuliche Lage auf den griechischen Inseln und an allen europäischen Aussengrenzen zu entschärfen.
https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-03/lesbos-griechenland-fluechtlinge-proteste-tuerkei-eu
https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-02/tuerkei-recep-tayyip-erdogan-eu-grenze
https://www.oe24.at/welt/Gewalteskalation-Mob-attackiert-Migranten-auf-Lesbos/419640920
https://orf.at/stories/3156210/
https://taz.de/Gefluechtete-an-EU-Aussengrenze/!5668019/
https://www.zdf.de/nachrichten/politik/migrationsforscher-knaus-eu-fluechtlingspakt-100.html
Italien: Seenotrettungsschiffe in Quarantäne
Die über 200 von den Seenotrettungsschiffen Sea-Watsch und Ocean Viking im Meer geretteten geflüchteten Menschen wurden nach ihrer Ankunft in italienischen Häfen von den Behörden unter Quarantäne gestellt. Weder Besatzung noch Gerettete zeigten jedoch Krankheitssymptome. Die Quaratäne wird nur gegen Seenotrettungsschiffe angewandt. Andere Schiffe in italienischen Häfen sind nicht davon betroffen. Es geht also nicht um Gesundheitsschutz der Bevölkerung, sondern darum, die Schiffe davon abzuhalten, Menschen aus Seenot zu retten.
https://ffm-online.org/diskriminierende-quarantaene-fuer-ngo-boote/
https://www.epochtimes.de/politik/welt/ocean-viking-darf-274-menschen-nach-sizilien-bringen-crew-und-migranten-in-quarantaene-a3164926.html
Menschenverwaltung: Gebäude für Asyllager eignen sich auch als Quarantäne-Stationen
Behörden massen sich an, Menschen zu verwalten. Ihre Arbeit in der ganzen Aufruhr um das Coronovirus zeigt, welchen Menschen sie welche Bedeutung zusprechen: Momentan prüft der Kanton Bern, wo er allfällige Quarantäneplätze einrichten würde, um coronainfizierte Menschen zu isolieren. Diese wird er im ehemaligen Jugendheim in Prêles einrichten. Dort, wo vor ein paar Monaten noch geplant war, abgewiesene Geflüchtete zu isolieren. Orte wie Prêles sind so gelegen und aufgebaut, dass sie genauso gut als Knäste oder als Quarantäne-Stationen dienen können. Es sind Orte, die abgelegen sind, wo mensch nicht so einfach weg kommt. Orte, die der Rest der Gesellschaft nicht sieht und wo der Rest der Gesellschaft möglichst nicht hin will. Solche Orte sind für rassistische Migrationsregimes von grosser Bedeutung, weil sie einen grossen Teil dazu beitragen, geflüchtete Menschen als kriminelle, unerwünschte Sicherheitsbedrohung darzustellen. Diese Orte schaffen ein Bild von Menschen, die von den anderen Menschen ferngehalten werden müssen und die nicht Teil der Gesellschaft sein sollen. Ist dieses Bild erst mal da, rechtfertigt es zahlreiche äusserst brutale und rassistische Massnahmen. Nebst vielen weiteren Gründen ist es auch deshalb so wichtig, diese Orte zu entlarven, sichtbar zu machen und zu bekämpfen.
https://www.derbund.ch/bern/bern-richtet-erste-quarantaeneplaetze-ein/story/20069254
Frontex und Polizei registrieren Minderjährige als Erwachsene
Je verletzlicher, desto mehr Schutz. Diese Logik führt im aktuellen Asylregime zu viel Ausschluss. Jährlich kommen nämlich tausende unbegleitete minderjährige Geflüchtete auf den griechischen Inseln an. Als „Vulnerable“ haben sie einen besonderen Anspruch auf Schutz. Sie müssten in einem gesonderten Bereich untergebracht werden, hätten das Recht auf Familienzusammenführung und Bildung sowie bessere Chancen, die griechischen Inseln zu verlassen. Grundrechte, die allen zustehen sollten, von denen aktuell viele nur träumen können. Nun macht die NGO „Human Rights Watch“ auf mindestens 60 Fälle aufmerksam, in denen Jugendliche als Erwachsene registriert wurden. Mitarbeiter*innen von Frontex und Polizei tragen falsche Daten in die Papiere ein, die Jugendlichen müssen die falschen Angaben unterschreiben. Die Folgen: Die Minderjährigen sind den Bedingungen auf den Inseln schutzlos ausgeliefert und sind betroffen von Ausbeutung, Menschenhandel und Gewalt. Betroffene berichten von Depressionen, Selbstmordversuchen und Vergewaltigungen.
https://www.swr.de/report/warum-frontex-und-die-polizei-aus-kindern-erwachsene-machen-minderjaehrige-fluechtlinge-in-griechenland/-/id=13839326/did=25143438/nid=13839326/1mves0k/index.html
https://www.hrw.org/de/news/2017/07/24/griechenland-migrantenkinder-ohne-schutz
Türkei: Behörden versuchten einen in Plastik eingewickelten Mann per Linienflug auszuschaffen
Um ihn auszuschaffen, haben türkische Polizist*innen einen Mann wie ein Gepäckstück in eine Plastikfolie gewickelt. Zuvor hatten sie ihn bereits an den Handgelenken und Knöcheln gefesselt. So sollte ihn die Türkish Airlines per Linienflug nach Kamerun verschleppen. Die Videos des Vorfalls sind schockierend. Im Flugzeug gelang es dem Mann, das Stoffstück auszuspucken, das die Behörden ihm zuvor in den Mund gestopft hatten. So verschaffte er sich Aufmerksamkeit und die Passagier*innen im Flugzeug protestierten und begannen, ihn zu befreien. Wo sich der Mann heute befindet und wie es ihm geht ist unklar.
https://observers.france24.com/fr/20200221-turquie-cameroun-expulsion-avion-turkish-airlines-passager-plastique?ref=tw
Was ist aufgefallen?
Antisemitismus: Vorfälle und Trends im 2019
Tödliche Angriffe auf jüdische Institutionen sind in jüngster Zeit erschreckend häufig geworden: In Pittsburgh und Poway (USA) oder Halle (Deutschland) ereigneten sich drei tödliche Attentate seit Oktober 2018. Was diese Anschläge verbindet, sind auch verschwörungstheoretische Ideologien, die den Attentätern als Rechtfertigung zugrunde liegen. Antisemitische Verschwörungstheorien haben Hochkonjunktur. Das hält auch der neue Antisemitismus-Bericht der Schweiz fest. Im Folgenden einige Resultate:
– Die Zahl der Personen mit einer «Feindseligkeit gegenüber Jüdinnen und Juden» liegt laut Bericht zwischen acht und zehn Prozent.
– Der gewalttätige Antisemitismus, der sich durch Tätlichkeiten oder Sachbeschädigungen ausdrückt, ist im Vergleich eher selten. Es ist jedoch anzunehmen, dass viele Vorfälle der Polizei nicht gemeldet werden und somit die Dunkelziffer relativ hoch sein dürfte.
– In der Romandie haben verbale Übergriffe zugenommen – im Gegensatz zur Deutschschweiz. Es gibt auch mehr beschädigte Synagogen in der Westschweiz und die Zahl der Fälle einer Leugnung des Holocausts ist deutlich angestiegen. In der Deutschschweiz gab es 38 antisemitisch motivierte Vorfälle wie Beschimpfungen oder Schmierereien.
– In der digitalen Welt ist weiterhin ein stark verbreiteter verbaler Antisemitismus festzustellen. So gab es im Jahr 2019 online 485 Vorfälle und 105 grenzwertige Aussagen. Twitter und Facebook machen dabei mit über neunzig Prozent der Vorfälle den mit Abstand grössten Teil aus.
– Häufig in Verbindung mit Antisemitismus anzutreffen sind Verschwörungstheorien, die eine «jüdische Weltverschwörung» als Kern haben. Dies belegt auch die Statistik: So haben 36.3 Prozent der gesamthaft 523 Vorfälle antisemitische Verschwörungstheorien zum Inhalt. Es fällt auf, dass eine grosse Anzahl Anhänger*innen solcher Verschwörungstheorien die verschiedensten Theorien wie «New World Order», «Soros» und «Rothschild», «Replacement Theory», «Israel als Gründer des IS» usw. miteinander vermischen und weiterverbreiten. Neben vielen Einzelpersonen zeigte sich im Jahr 2019 besonders die rechtsextreme Szene in diesem Bereich in der Schweiz sehr aktiv.Eine der zurzeit populärsten Verschwörungstheorien ist die sogenannte «Replacement Theory» oder zu Deutsch «Umvolkungstheorie». Sie besagt, dass die alles beherrschenden Jüd*innen die europäische, weisse Bevölkerung durch arabische und afrikanische Einwanderer*innen ersetzen wollen. Es sei der Versuch, eine neue Mischrasse zu erschaffen, die von minderer Intelligenz sei und so besser kontrolliert werden könne. Anhänger*innen dieser Theorie waren auch die rechtsextremen Attentäter von Pittsburgh im Oktober 2018, von Christchurch im März 2019, von Poway im April 2019 und von Halle im Oktober 2019. Sie begründeten ihre Attentate zudem jeweils mit diesem angeblichen Replacement der weissen Bevölkerung. Dies zeigt auch, wie gefährlich diese Verschwörungstheorie ist, denn sie dient dazu, Angriffe auf Minderheiten als legitime Selbstverteidigung darzustellen. Die Attentate machen deutlich, dass auf die Verbreitung von Verschwörungstheorien reale Taten mit gravierenden Konsequenzen folgen können.Auch in Italien wurden die Ergebnisse einer Antisemitismus-Umfrage veröffentlicht. Jede vierte Person denkt Dinge wie „Jüd*innen kontrollieren die Wirtschaft“ oder „Jüd*innen kontrollieren die USA“ und jede fünfte Person ist überzeugt, dass Jüd*innen die Medien unter ihrer Kontrolle haben. Während andere Rassismen den diskriminierten Menschen Fähigkeiten absprechen, um sie herabzusetzen, schreibt Antisemitismus den Jüd*innen eine scheinbare Machtposition in der Gesellschaft zu. Diese erleben Antisemitist*innen als Bedrohung, die (faschistisch) bekämpft werden müsse.
https://www.antisemitismus.ch/content/analyse-antisemitismusbericht-2019
https://www.srf.ch/news/schweiz/bericht-zu-antisemitismus-verschwoerungstheorien-sind-auf-dem-vormarsch
https://www.derbund.ch/schweiz/standard/antisemitismusbericht-judenhass-als-chamaeleon/story/15746058
https://www.conspiracywatch.info/sondage-pour-un-italien-sur-quatre-les-juifs-controlent-le-pouvoir-economique-et-financier.html
Frontex schickt Rechnung an NGO
Die Grenzschutzagentur Frontex ist hochgradig intransparent. Um Auskunft über deren Mittelmeereinsätze zu bekommen, klagte die NGO „FragDenStaat“ 2019, verlor aber vor Gericht. Nun stellt Frontex knapp 23.700 € in Rechnung, angeblich für externe Anwaltskosten. Frontex verfügt sowohl über ein Milliardenbudget als auch über eine Vielzahl eigener Anwält*innen. Es ist das erste Mal, dass EU-Behörden der Zivilgesellschaft Kosten dieser Art in Rechnung stellen. Die Abschreckungswirkung für Auskunftsgesuche dürfte hoch sein. FragDenStaat wollen der Zahlungsaufforderung nicht nachkommen und fordern in einer Petition die Rücknahme dieser.
https://taz.de/Frontex-schickt-Rechnung-an-NGO/!5664291/https://netzpolitik.org/2020/frontex-schickt-fragdenstaat-rechnung-ueber-24-000-eurohttps://fragdenstaat.de/aktionen/frontex/
NGOs auf Lesbos werden geschlossen
Die griechische Regierung geht gegen Hilfsorganisationen vor und schliesst zwei NGOs auf Lesbos: Eine Schule und eine Anlaufstelle für Rechtsberatungen. Die NGO „Stand By Me Lesvos“ bietet Englisch- und Griechischunterricht für geflüchtete Menschen an. Gleichzeitig ist die Schule ein sicherer Ort für die Menschen in Moria, die das Camp über den Tag verlassen können. Die Begründung der Behörden zur Schliessung der NGOs sei der Zustand der Toiletten. Geflüchtete vermuten dahinter Repression in Folge von antirassistischen Demonstrationen. Auch die NGO „Fenix“, die Rechtsberatung für Geflüchtete anbietet, ist von der Schliessung betroffen. Etwas 200 Menschen am Tag nehmen diese Beratung in Anspruch. Für die Geflüchteten bedeutet dies eine weitere Verschlechterung ihrer Lage.
https://www1.wdr.de/nachrichten/wdrforyou/deutsch/wdrforyou-ngos-auf-lesbos-de-100.html
#StoppFasnachtsrassismus
Das Coronavirus hilft nicht nur gegen Italienabschiebungen (vgl. unter „Was nun“). Auch auf den Fasnachtsrassismus hat er eine hemmende Wirkung, denn zahlreiche Fasnachtsveranstaltungen wurden abgeblasen. Trotzdem kam es auch dieses Jahr zu rassistischen Vorfällen. In Wangs im Kanton St. Gallen mussten die Organisator*innen eingreifen, um zu verhindern, dass ein Wagen spezifisch gegen einen schwarzen FDP-Politiker hetzte, indem das N-Wort zum Einsatz kam: „Wieviele N**** braucht St. Gallen?“ Es ist aber spannend zu beobachten, dass der Einsatz des N-Wortes in diesem Fall nicht mehr unter Narrenfreiheit verharmlost wurde, wie dies letztes Jahr in Basel noch der Fall war. In Basel tat sich auch was. Die Lokalpresse befasste sich mit dem seit Jahren andauernden Faschismusproblem der Gugge „Gülle Schlüch“. Mitglieder zeigen während Proben den Hitlergruss, verwenden das Logo der Nazi-Kleidermarke Thor Steinar im Guggenlogo oder schreiben Ku Klux Klan Basel auf ihre Pauken. Obwohl es zu solchen Vorfällen kommt, scheinen Medienschaffende allgemein etwas weniger Verständnis für Fasnachtsrassismus aufzubringen. Menschen, die Rassismus an der Fasnacht als Tradition oder Narrenfreiheit gutheissen, erhalten dieses Jahr weniger unkommentierte Mendienplattformen, sondern müssen mit der einen oder anderen kritischen Frage rechnen. Trotzdem bleibt das mediale Aufmerksamkeit für rassistische Menschenverachtung gering. Mach deshalb auch mit bei der Kampagne: #StoppFasnachtsrassismus und verbreite dieses Video: https://antira.org/2020/02/24/stoppfasnachtsrassismus/
https://www.watson.ch/!558375777
https://www.derbund.ch/leben/gesellschaft/an-der-fasnacht-tritt-rassismus-offen-zutage/story/27069677
https://telebasel.ch/2020/02/25/gugge-mit-nazi-gesinnung
https://www.srf.ch/news/regional/basel-baselland/fall-guggemusik-guelle-schluech-das-ist-unschoen-aber-kein-strukturelles-rassismus-problem
http://www.tvo-online.ch/mediasicht/78549
https://www.srf.ch/play/radio/rendez-vous/audio/rassismus-und-antisemitismus-an-der-fasnacht?id=ab535ad0-84b2-4b32-9b97-83123fb728d0
https://telebasel.ch/2020/02/27/gugge-mit-nazi-gesinnung-2
https://barrikade.info/article/3208
Kopf der Woche
Philippe Müller
„Dort haben sie alles, was sie brauchen“ sagt der bernische Regierungsrat Philippe Müller gegenüber SRF. Für ihn ist es total in Ordnung, abgewiesene Geflüchtete über Jahre in knastähnlichen „Rückkehrzentren“ zu isolieren. Als kantonaler Sicherheitsdirektor trägt er die Verantwortung für die Ausgestaltung der Nothilfestrukturen bzw. für drei neue Ausschaffungscamps. Diese werden anfangs April von der ORS AG in Betrieb genommen. Während der freiheitsbeschränkende Anwesenheitszwang in den Ausschaffungscamps des Bundes auf einige Monate beschränkt ist, dauert er in den kantonalen Ausschaffungscamps von Philippe Müller unbeschränkt lang. Mangels Alternativen gibt es abgewiesene Geflüchtete, die über 10 Jahre von der Nothilfe leben müssen. Die ORS muss in den neuen Camps alle, die nicht im Camp übernachten und tagsüber nicht drei Mal die Anwesenheit durch Unterschreiben bezeugen, als untergetaucht melden. Diese Personen verlieren dann ihre Chance auf Legalisierung über ein Härtefallgesuch. Härtefälle sind abgewiesene Menschen, die in den Augen der Behörden eine gute „Integration“, gute Jobaussichten, gute Sprachkenntnisse und ein gutes Strafregister vorweisen. Das Gesetz sieht vor, dass Härtefallgesuche eingereicht werden können, nachdem abgewiesene Geflüchtete 5 Jahre lang durchgehend in Camps lebten, um ausgeschafft zu werden. Philippe Müller fordert von den Behörden jedoch, dass Härtefallgesuche nur dann behandelt werden, wenn die Personen 10 Jahre durchgehenden Aufenthalt in Camps und einen Pass vorweisen können. Deshalb sind die Nothilfecamps für Geflüchtete Gefängnisse, aus denen sie nicht einfach freiwillig rauskönnen. Auch wenn Philippe Müller sagt: „Es ist ihr persönlicher Entscheid, nicht zurückzukehren.“
https://www.srf.ch/news/regional/bern-freiburg-wallis/asylwesen-im-kanton-bern-philippe-mueller-sind-die-rueckkehrzentren-eine-gute-idee
Was war gut?
Freispruch für Carola
Das oberste Gericht Italiens bestätigte, dass die Seawatch-Kapitänin nur ihrer Pflicht nachkam als sie im vergangenen Juni mit 40 geretteten Personen an Bord in den italienischen Hafen von Lampedusa einlief. Durch die Entscheidung wird der Antrag auf die Verhaftung von Rackete abgelehnt. Der Antrag auf eine Verhaftung wurde gestellt, weil sie sich angeblich nicht an die Befehle des damaligen Innenministers und Rechtsextremisten Matteo Salvini gehalten haben soll.
http://www.ansamed.info/ansamed/en/news/sections/politics/2020/02/20/cassation-court-confirms-rackete-respected-duty-to-rescue_b5f4723b-d396-4bbb-bfcd-e43b155d2ce0.html
Was nun?
Wegen dem Coronavirus keine Italienabschiebungen
Italien übernimmt wegen dem Coronavirus vorerst keine Geflüchteten aus der Schweiz mehr. Der Abschiebestopp kam nicht, weil die Schweizer Behörden sich um die Gesundheit der Geflüchteten gekümmert hätten, sondern aufgrund eines Entscheids des italienischen Staats. Auch die bereits vorbereiteten Dublin-Ausschaffungen nach Italien werden aufgeschoben. Es ist nun wichtig alle Geflüchteten, die über Italien in die Schweiz gereist sind und deshalb einen Dublin-Negativentscheid erhalten haben, zu informieren: (1) Sie werden vorerst nicht abgeschoben. (2) Nach sechs Monaten in der Schweiz müssen die SEM-Behörden auf das Asylgesuch eintreten. Die Schweizer Behörden tun dies nicht automatisch. Wir empfehlen allen, nach sechs Monaten rasch ein Gesuch zu stellen, (3) Personen, die sich in Ausschaffungshaft nach Italien befinden, können sofort ein Haftentlassungsgesuch stellen.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-78264.html
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1133531.corona-italien-setzt-dublin-verordnung-wegen-coronavirus-aus.html
Wo gabs Widerstand?
Basel: Antifa-Abfuhr an die Band “Nachtmahr”
Am Samstag 22. Februar 2020 hatte die österreischiche Band „Nachtmahr“ einen Auftritt im basler Konzertlokal Parterre One. Die Band „spielt“ bewusst und sehr direkt mit nationalsozialistischer Ästethik. Sie wurde direkt vor dem Konzertlokal von Antifaschist*innen angegriffen.
https://barrikade.info/article/3202
Bern: Mit Wasserschaden gegen Bundesasylcamps
Das Kollektiv Wassertropf ist im Februar in das momentan leerstehende Bundesasylcamp in Kappelen eingebrochen. Auf allen Etagen haben sie die Feuerwehrschläuche ausgerollt und aufgedreht. Die SEM-Behörden nutzten das Gebäude bis Ende des Sommers 2019 als Ausschaffungscamp. Weil es immer weniger Menschen über die EU-Aussengrenze schaffen, ging die Zahl Geflüchteter zurück und die Behörden schlossen das Camp temporär. Im Interview gegenüber barrikade.info erklärt das Kollektiv, warum die Sabotageaktion für sie richtig war: „Der Wohlstand der Schweiz basiert auf der Kolonialgeschichte Europas (…) Die Schweiz profitiert auch weiterhin von der Ausbeutung und Zerstörung der Menschen und Ressourcen auf der ganzen Welt. Während die Grenzen der Länder für Geld und Güter noch so gerne geöffnet werden (…) werden die Grenzen rund um Europa abgeriegelt und mit den neusten Technologien militärisch überwacht. (…) In dieses System gehört auch die Asyl- und Ausländer*innenpolitik der Länder Europas. (…) Die Bundeslager sind eine der neusten Auswüchse dieser Politik.
https://barrikade.info/article/3185
Reden der Hanau-Gedenkdemo in Bern
Am Sonntag dem 23.2.20 haben sich rund 250 Menschen in Bern an der Demo aufgrund der Rassistischen Anschläge in Hanau und den weiteren Angriffen in Stuttgart und Döbeln beteiligt. An der Demo wurden Namen von Menschen, die in Hanau ermordet wurden, auf den Schildern getragen.
https://barrikade.info/article/3207
Was steht an?
«Black queer music: Schwarze queere Musik und Musikvideos als Interventionsform» – Vortrag von Schwarzrund
28. März 2020 | Stube im PROGR | Türöffnung: 17h00 | Eintritt: kostenlos, Kollekte
SchwarzRund analysiert Videos von queeren Schwarzen Künstler*innen und regt die Teilnehmenden dazu an, über ihre eigenen Seh- und Konsumgewohnheiten nachzudenken. Der Titel ihres Vortrags „Schwarze Queere Musik als Intervention“ ist bewusst gewählt: „Wenn ich das Wort Interventionen benutze, dann denken Menschen erstmal an total krasse politische Interventionen, zum Beispiel eine Veranstaltung unterbrechen, aber Intervention kann zum Beispiel auch einfach sein, etwas zu machen, das gesellschaftlich abgewertet wird oder Kultur zu produzieren, die so nicht gewollt ist, oder oder oder.“ Mithilfe der Musik-, Interventions-, Gender und Medienforschung hat SchwarzRund einen multimedialen Vortrag erarbeitet, der queere Schwarze Musik in den Fokus rückt. Es werden gemeinsam Videos geschaut und neue Konzepte verstanden, die unseren Umgang mit Musik und Aktivismus weit über das Thema heraus verändern können.
https://www.facebook.com/events/196067051772036/
Velorave – strampeld tanzen für unsere Genoss*innen in Rojava
6. März | Bern
https://barrikade.info/article/3212
Lesens -/Hörens -/Sehenswert
Rassismus und weisse Dominanz_Ignoranz
https://www.supernovamag.de/wie-die-linke-bubble-nach-hanau-versagt-hat/
Kakerlaken im Bett, Ratten im Gang und Trinkwasser aus den Toiletten
Die Klagen über die Lebensumstände im Asylzentrum beim Bässlergut sind dem Migrationsamt bekannt. Aber kein Grund, etwas zu unternehmen.
https://www.bajour.ch/a/eEKeGgtBFF/kakerlaken-im-bett-ratten-im-gang-und-trinkwasser-aus-den-toiletten
Alle glücklich? Alles drauf?
Zum rassistischen Anschlag in Hanau liefert der deutsche Polit- und Medienbetrieb routiniert die neuste Ausgabe von «Entsetzen äussern und Massnahmen ankündigen». Die Sendekritik.
https://www.republik.ch/2020/02/25/alle-gluecklich-alles-drauf
Video Rassismus – Coronavirus
https://www.youtube.com/watch?v=h4iQ_UqIvYs
Europol: Polizeiagentur steuert Rüstungskonzerne
Nach Vorbild des US-Verteidigungsministeriums soll Europol zukünftig die europäische Sicherheitsforschung koordinieren. Mit an Bord eines neuen „Innovationszentrums“ ist auch die Rüstungsindustrie. Es soll sich um „disruptive Technologien“ wie verschlüsselte Kommunikation, Waffen aus 3D-Druckern oder vorhersagende Polizeiarbeit kümmern.
https://netzpolitik.org/2020/polizeiagentur-steuert-ruestungskonzerne/
Hanau ist kein Einzelfall
Die Anschläge von Hanau sind keine Tat eines isolierten Einzeltäters, es ist rechter Terror und er steht unter anderem im Kontext von Diskursen die systematisch in diesem Land geschürt werden und das nicht nur von Parteien wie der AfD sondern auch von der sogenannten „bürgerlichen Mitte“. Das „wir“,was jetzt zusammen stehen soll, das „wir“, das in Hanau nicht die Opfer des Anschlags sondern den NSUVertuscher Volker Bouffier zur Sprache kommen lässt, wird uns nicht vor weiteren Angriffen schützen. Dieses „wir“ ist Teil des Problems. Schützen können wir uns nur selbst.
https://lowerclassmag.com/2020/02/25/hanau-ist-kein-einzelfall-shisha-bar-terror/