Medienspiegel 8. Februar 2020

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+++BERN
derbund.ch 08.02.2020

Schnegg will Flüchtlingen die Sozialhilfe kürzen

Vorläufig Aufgenommene, die auch nach sieben Jahren ohne Job sind, sollen im Kanton Bern massiv schlechter gestellt werden. Experten sind konsterniert.

Andres Marti

Finanziell könnte es für Flüchtlinge ohne Job im Kanton Bern bald noch viel enger werden. Vorläufig Aufgenommene, die nach sieben Jahren Aufenthalt weiterhin auf Sozialhilfe angewiesen sind, sollen künftig massiv weniger Geld erhalten. Dies plant die bernische Gesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektion (GSI) von Regierungsrat Pierre Alain Schnegg (SVP). Die Änderung der entsprechenden Verordnung über die Sozialhilfe im Asyl- und Flüchtlingsbereich befindet sich derzeit in der Konsultation.

Schon heute erhalten vorläufig aufgenommene Flüchtlinge in den ersten sieben Jahren deutlich weniger Unterstützung als die einheimischen Sozialhilfebeziehenden. Während ein Einheimischer monatlich rund 977 Franken bekommt, muss ein vorläufig Aufgenommener mit 382 Franken auskommen, also mit rund 13 Franken pro Tag. Begründet werden diese unterschiedlichen Ansätze durch den Status dieser Flüchtlinge. Sie dürfen zwar arbeiten, müssen die Schweiz aber eigentlich verlassen (siehe Text unten). Der Bund übernimmt die Kosten nur für die ersten sieben Jahre, danach sind die Gemeinden und Kantone zuständig.

Die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe warnte schon vor Jahren vor einer «tickenden Zeitbombe», weil sich die hohen Asylzahlen des letzten Jahrzehnts verspätet in der Sozialhilfe niederschlügen. Nach wie vor schrecken viele Betriebe davor zurück, Flüchtlinge mit F-Ausweis einzustellen. Viele bleiben in der Sozialhilfe.

«Massive Besserstellung»

«Es ist sachlich gerechtfertigt, für Personen mit einem negativen Asylentscheid tiefere Sozialhilfeansätze vorzusehen als für jene mit einem positiven Asylentscheid», schreibt GSI-Sprecher Gundekar Giebel. Dies werde denn auch in den ersten sieben Jahren schweizweit so umgesetzt, «ohne dass dies Grundrechte verletzen würde».

Heute erhalten die vorläufig Aufgenommenen im Kanton Bern nach sieben Jahren Aufenthalt gleich viel Sozialhilfe wie die Einheimischen. Die GSI findet das problematisch: Die Regelung habe dazu geführt, dass die finanziellen Mittel der vorläufig Aufgenommenen nach sieben Jahren sprunghaft und stark angestiegen seien. Giebel spricht von einer «massiven finanziellen Besserstellung dieser Personengruppe in der Sozialhilfe, die einzig auf dem Ablauf einer gewissen Aufenthaltsdauer fusste und die an keinerlei Fortschritte in der Integration gebunden war». Laut Schnegg soll mit der neuen Verordnung auch ein «Signal an die vorläufig Aufgenommenen ausgesandt werden, dass von ihnen eine Integration und Ablösung aus der Sozialhilfe erwartet wird».

Die Gegner der Kürzungen reagieren empört. Schnegg missachte damit auch das Ergebnis der Volksabstimmung zum Sozialhilfegesetz vom Mai 2019, heisst es in einer Stellungnahme des Vereins Faire Sozialhilfe. Das Berner Stimmvolk hatte damals die von Regierung und Parlamentsmehrheit vorgeschlagenen Kürzungen in der Sozialhilfe abgelehnt. Nun versuche es Schnegg halt bei den Ausländern, so die Kritik. Fritz Freuler, Sprecher des Vereins, nennt die vorläufig Aufgenommenen «die perfekte Prügelgruppe der Rechten».

«Einfach nur zynisch»

Selbstverständlich müsse man Anreize schaffen, so Freuler. Dies werde aber heute schon auf verschiedenen Ebenen gemacht. «Gleichzeitig muss man aber anerkennen, dass es Menschen gibt, die nicht von der Sozialhilfe loskommen, viele von ihnen sind krank oder traumatisiert.» Der Gewerkschafter, der früher auch für die Grünen im Bieler Stadtrat politisierte, arbeitet seit 30 Jahren mit sozial benachteiligten Menschen. Er ist überzeugt: «Wer es als Erwachsener nach sieben Jahren nicht geschafft hat, im Arbeitsmarkt Fuss zu fassen, schafft es auch im achten Jahr nicht. Das Anreizsystem ist einfach nur zynisch.»

Harte Perspektive

Auch in der Stadt Bern werden die geplanten Kürzungen heftig kritisiert: Für den scheidenden Leiter des städtischen Sozialamts, Felix Wolffers, sind «schon diese ersten sieben Jahre im Grunde unzumutbar». Bislang hätten die Leute aber zumindest noch eine Perspektive gehabt. Immer wieder werde zudem vergessen, dass von den Kürzungen auch Kinder betroffen seien. Nebst moralischen Gründen würden auch fachliche gegen die zeitlich unbefristeten Minimalleistungen sprechen: «Um sich zu integrieren, muss man am sozialen Leben teilnehmen können. Das ist mit 382 Franken im Monat schlicht nicht möglich.»

2018 wurden im Kanton Bern rund 1300 vorläufig Aufgenommene, die länger als sieben Jahre im Kanton sind, durch die Sozialhilfe unterstützt. Tritt die neue Verordnung in Kraft, rechnet die GSI mit jährlichen Einsparungen von rund sieben Millionen Franken. FDP-Grossrat Hans-Peter Kohler ist auch deshalb ganz klar für die beabsichtigten Kürzungen. Die neue Verordnung bezeichnet er als «Korrektur»: Die heutigen Regelungen widersprächen nämlich dem Bundesrecht. Dies schreibe nun mal vor, dass der Ansatz für die Unterstützung der vorläufig Aufgenommenen unter dem Ansatz der einheimischen Bevölkerung liegen müsse. Um wie viel darunter, wird allerdings nicht vorgegeben. Aber reichen 382 Franken im Monat? Kohler findet ja.

Was sagt man bei der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe von den geplanten Kürzungen in Bern? Der Skos sei Integration wichtig, so Sprecherin Ingrid Hess diplomatisch. Wenn jemand «existenziell derart am Limit» sei, werde diese aber umso schwieriger.



Vorläufig aufgenommene Ausländerinnen und Ausländer

Vorläufig Aufgenommene sind Personen, die aus der Schweiz weggewiesen wurden, wobei sich aber der Vollzug der Wegweisung als unzulässig, unzumutbar oder unmöglich erwiesen hat. Sie erhalten einen F-Ausweis. Es handelt sich dabei nicht um eine Aufenthaltsbewilligung, sondern nur um die Bestätigung, dass eine Ausschaffung nicht durchführbar ist. Die kantonalen Behörden können vorläufig aufgenommenen Personen eine Bewilligung zur Erwerbstätigkeit erteilen. Personen mit F-Ausweis dürfen den Wohnort innerhalb des Kantons frei wählen, allerdings nur, wenn sie keine Sozialhilfeleistungen beziehen. Sie wohnen aber in der Regel nicht in einer Kollektivunterkunft. Heute leben in der Schweiz rund 48’000 Menschen mit einem F-Ausweis. Viele stammen aus Bürgerkriegsländern, viele aus Eritrea. Nach fünf Jahren Aufenthalt können vorläufig aufgenommene Personen beim zuständigen Kanton ein Härtefallgesuch stellen.
(https://www.derbund.ch/bern/schnegg-will-fluechtlingen-die-sozialhilfe-kuerzen/story/20093357)



bernerzeitung.ch 08.02.2020

Der Kanton Bern verweigert ihm die Chance auf Arbeit

Tesfom Andemariam hätte eine Lehrstelle, darf sie aber nicht antreten. Die Sicherheitsdirektion ist nicht gewillt, beim Bund ein Härtefallgesuch einzureichen.

Quentin Schlapbach

Zwei Monate ist es her, da wurde genau über solche Fälle wie Tesfom Andemariam im Grossen Rat diskutiert. Der junge Eri­treer kam 2015 in die Schweiz, stellte ein Asylgesuch und musste danach vier Jahre lang auf einen Entscheid warten. In dieser Zeit integrierte er sich, lernte Deutsch und schloss im Malereibetrieb von Jürg Lüthi erfolgreich eine Vorlehre ab. «Er überzeugte uns, als Lehrling, aber auch als Mensch», sagt Malermeister Lü­thi, der politisch in der FDP aktiv ist.

Der Malermeister schloss mit Andemariam im Frühling 2019 einen Lehrvertrag ab. Aber zwei Wochen nach Vertragsabschluss kam die ernüchternde Nachricht: Andemariams Asylgesuch wurde vom Staatssekretariat für Migration abgelehnt. Er lebt seither von der Nothilfe – arbeiten darf er in der Schweiz nicht mehr. Und wegen der drohenden Zwangsarbeit in der Armee Eritreas ist eine Rückkehr für ihn keine Option.

Der Kanton blockt ab

Abgewiesene Asylsuchende wie Andemariam, die sich um ihre Integration dermassen bemüht und sogar eine Lehrstelle ge­funden haben, sollten ihre Ausbildung abschliessen können:Zu diesem Schluss gelangte der Grosse Rat im Dezember nach stundenlanger Debatte. Die Sicherheitsdirektion von Regierungsrat Philippe Müller (FDP) solle in solchen Fällen beim Bund ein Härtefallgesuch be­antragen, so der Beschluss. ­Dieser fiel mit 90 zu 52 Stimmen relativ deutlich.

Philippe Müller machte aber während der Parlamentsdebatte deutlich, dass er vom neuen Gesetzespassus nicht viel hält. «Es ist eigentlich egal, wie Sie abstimmen. Es wird sich nichts ändern», sagte er zu den Parlamentariern. Der Passus bestätige lediglich die bestehende Praxis und sei letztlich toter Buchstabe. Bereits im Vorfeld der Debatte wehrte sich Müller vehement gegen den latenten Vorwurf, dass er für Menschen wie Andema­riam mehr machen könnte. ­Seine Direktion schöpfe die vorhandenen Möglichkeiten vollends aus, so der Regierungsrat.

Die leise Hoffnung, dass der Entscheid im Grossen Rat vielleicht doch eine Signalwirkung auf die Praxis der Behörden haben könnte, bestand dennoch. Aber wie sich nun zeigt, ist diese Hoffnung nur von kurzer ­Dauer. Der Verein Give a Hand stellte im Januar beim Migrationsdienst des Kantons Bern einen Antrag auf ein Härtefallgesuch für Tesfom Andemariam. Der Antrag wurde postwendend abgelehnt. Andemariam erfülle nicht «sämtliche Voraussetzungen», heisst es im Antwort­schreiben des Migrationsdienstes. «Es besteht demnach kein Anspruch auf eine Erteilung einer Härtefallbewilligung.» Der Kanton Bern versucht also gar nicht erst, beim Bund ein Gesuch für Andemariam einzureichen – trotz des klaren politischen Willens seitens des Parlaments.

«Es sind Altlasten»

Bei Berner Grossräten sorgt dies für Unverständnis – gerade auch auf bürgerlicher Seite. «Ich bin enttäuscht und wütend über die sture Haltung von Sicherheits­direktor Philippe Müller», sagt Ulrich Stähli (BDP, Köniz). Der Land- und Gastwirt aus Gasel kennt die Problematik aus ei­gener Erfahrung. Auch er beschäftigte in seinem Betrieb Asylsuchende, die teils jahrelang auf einen Entscheid warten mussten. Mit der letzten eidgenössischen Asylgesetzrevision 2016 sollten solche störenden Fälle in Zukunft eigentlich gar nicht mehr vorkommen. «Es sind also Altlasten, für welche die Behörden nicht gewillt sind, eine Lösung zu finden», sagt Stähli.

Er spüre auch seitens der Bevölkerung immer wieder Un­verständnis, wenn gut integrierte Asylsuchende in Kollektivunterkünften untergebracht werden, statt einer Arbeit nachzugehen. «Da kommt bei mir der zivile Ungehorsam auf. Es kann nicht sein, dass wir diese Menschen in Notunterkünften verelenden lassen, wenn sie doch arbeiten könnten.» Dass Asyl­suchende nach jahrelangem Warten auf einen Entscheid und bereits besuchten Deutsch- und Integrationskursen die Schweiz nicht verlassen, sei ein offenes Geheimnis und auch den Be­hörden bekannt, so Stähli. «Für sie suchen wir besser eine Lösung, bevor sie in ihrer Ver­zweiflung untertauchen oder kriminell werden.»

Es besteht noch Hoffnung

Für Malermeister Jürg Lüthi hat die Blockadehaltung seitens des Kantons eine direkte Auswirkung auf seinen Betrieb. «Mir fehlt seit Sommer ein Lehrling», sagt er. Es sei für ihn unverständlich, dass die Berner Behörden trotz des klaren politischen Willens keine Lösungen für junge Menschen wie Tesfom Andemariam suchten. Wie die Praxis in anderen Kantonen – zum Beispiel Basel-Stadt – zeigt, gibt es Möglichkeiten, dass abgewiesene Asylsuchende doch noch einer Ausbildung nachgehen können.

Ganz aufgeben muss Lüthi die Hoffnung aber noch nicht, dass Andemariam doch noch eines Tages in seinen Betrieb zurückkehren wird. Beim Staatssekretariat für Migration wurde ein Wiedererwägungsgesuch für den jungen Eritreer eingereicht. Auch seine Mitarbeiter machen sich für ihren Kollegen stark. Beim Betriebsausflug im Januar war Tesfom Andemariam auch mit dabei. Erstmals in seinem Leben war er schlitteln.



Keine weiteren Härtefallgesuche

Im Dezember äusserte der Grosse Rat den klaren politischen Willen, dass abgewiesene Asylsuchende ihre Lehre beenden dürfen, wenn eine Rückkehr nicht absehbar ist. Der Kanton solle in diesen Fällen ein Härtefallgesuch beim Bund einreichen. Wie kann es nun sein, dass die Behörden dies bei Tesfom Andemariam doch nicht getan haben?

Zum Fall von Tesfom Andemariam kann die Regierung keine Stellung nehmen. Florian Hirte, stellvertretender Generalsekretär der Sicherheitsdirektion, sagt aber, dass der Kanton Härtefallgesuche von Lernenden, welche die bundesrechtlichen Kriterien erfüllen, heute schon einreiche. «Er wird dies auch weiterhin tun.» Sicherheitsdirektor Philippe Müller habe bereits während der Debatte deutlich gemacht, dass der vom Parlament eingefügte Artikel nicht zu zusätzlichen Härtefallgesuchen führen werde. «Er hatte explizit vor falschen Hoffnungen gewarnt, die der Grosse Rat damit bei Betroffenen weckt», sagt Hirte. Die Mindestvoraussetzungen seitens des Bundes blieben unverändert hoch. «Die Regelung des Grossen Rates führt genau genommen gar eine weitere Hürde ein, indem sie zusätzlich ein ‹mehrjähriges Asylverfahren› voraussetzt», erklärt Hirte. (qsc)
(https://www.bernerzeitung.ch/region/kanton-bern/der-kanton-bern-verweigert-ihm-die-chance-auf-arbeit/story/15413143)


+++BASEL
Rund 200 Demonstranten gegen Bässlergut auf der Strasse
Vor einigen Wochen ereignete sich im Ausschaffungsgefängnis Bässlergut in Basler ein Suizid. Gegen die Haftbedingungen demonstrierten am Samstag rund 200 Personen.
https://www.bzbasel.ch/basel/rund-200-demonstranten-gegen-baesslergut-auf-der-strasse-136343527
-> Demoaufruf: https://barrikade.info/article/3132


+++ZÜRICH
tagesanzeiger.ch 08.02.2020

«Ich darf nicht einmal gratis und freiwillig arbeiten»

Etwa 700 Menschen leben trotz abgewiesenem Asylgesuch im Kanton Zürich – meist unsichtbar. Was das heisst, erzählen Samsom und Diana O.*

Liliane Minor

Sie treten am Montag öffentlich auf und diskutieren als abgewiesene Asylsuchende mit Kirchenvertretern und Politikern über Ihr Leben in der Schweiz. Was erhoffen Sie sich davon?

Samsom: Wir möchten auf unsere Situation aufmerksam machen. Und natürlich hoffen wir, dass die Politiker etwas tun können, um unsere Lage zu verbessern. Unser Leben im Moment ist schwer erträglich, wir haben keine Perspektive und leben in ständiger Angst.

Angst wovor?

Diana: Vor der Polizei. Davor, verhaftet zu werden.

Samsom: Deshalb bleiben wir meist daheim. Wir waren schon mehrmals im Gefängnis, weil wir keine Aufenthaltsbewilligung haben. Unser dreijähriger Sohn hat deshalb panische Angst vor der Polizei, er beginnt sofort zu weinen, wenn er Polizisten sieht.

Diana: Manchmal kommen die Polizisten auch in die Notunterkunft und verhaften dort Leute vor den Augen der Kinder. Eine Nachbarin war mit zwei kleinen Kindern zwei Wochen im Gefängnis. Und ich musste vier Wochen im Flughafengefängnis bleiben, als ich im siebten Monat schwanger war. Es ging mir sehr schlecht damals, Ich habe Flugzeuge gezählt, um nicht durchzudrehen. Mit meinem Mann durfte ich keinen Kontakt aufnehmen. Drei Tage nach der Geburt wurde ich mit dem Kleinen nochmals zwei Wochen inhaftiert.

Wussten Sie, wo Ihre Frau ist?

Samsom: Nein, ich suchte sie überall. Auch der Anwalt wusste nichts. Nach zwei Wochen war ich überzeugt, dass sie zurückgeschafft wurde. Ich bin so froh, dass das nicht der Fall war.

Warum kamen Sie vor fünf Jahren in die Schweiz?

Samsom: Der Hauptgrund ist die Religion. Wir sind Protestanten, aber unser Glaube ist in Eritrea nicht erlaubt. Wir wollten in ein Land, in dem man frei leben kann. In Eritrea gibt es den Nationaldienst, den alle absolvieren müssen. Das Problem ist, dass man keine Ahnung hat, wie lange der dauert. Sie behalten einen einfach.

Wussten Sie, was Sie erwartet?

Samsom: Nein, wir hatten keine Ahnung. Wir wollten in ein freies Land, in dem wir etwas aus unserem Leben machen können, in dem wir etwas lernen. Erst als unser Asylgesuch nach zwei Jahren abgelehnt wurde, wurde uns das nach und nach klar.

Diana: Meine Schwester, die in Deutschland lebt, hat uns gewarnt. Sie sagte, wir sollten in Deutschland um Asyl bitten – aber leider zu spät. In dem Moment hatten sie in der Schweiz bereits unsere Fingerabdrücke abgenommen.

Samsom: So, wie wir im Moment leben, ist es ehrlich gesagt fast wie in Eritrea. Die ständige Angst, verhaftet zu werden, immer wieder bekommen wir Bussen, die wir aber nicht zahlen können. Mit 8 Franken 50 pro Tag geht das nicht, die Bussen betragen teils 1000 Franken und mehr. Deshalb haben wir Schulden. Und wir müssen demnächst vor Gericht. Wer Bussen nicht zahlen kann, dem droht eine Ersatz-Freiheitsstrafe.

Wären Sie auch aus Eritrea geflohen, wenn Sie das gewusst hätten?

Diana: Ja. In Eritrea gibt es keine Zukunft für uns.

In der Schweiz haben Siederzeit kaum Perspektiven. Haben Sie schon an eineRückkehr gedacht?

Samsom: Das können wir nicht. Wir haben das Land illegal verlassen, das ist strafbar.

Diana: Unser Sohn soll eine Zukunft haben, ein gutes Leben. Er soll in Freiheit aufwachsen.

Wie halten Sie diese Situation aus? Sie dürfen nicht arbeiten, haben Angst hinauszugehen…

Samsom: Das ist schwer zu erklären, wenn man es nicht selbst erlebt. Wir besuchen Deutschkurse, ich boxe, und wir gehen in die Kirche. Gott wird uns helfen. Wir geben die Hoffnung nicht auf, wir haben keine andere Wahl. Irgendwann wird es besser.

Haben Sie schon überlegt, unterzutauchen und ­schwarzzuarbeiten?

Samsom: Das wäre nicht legal. Ich will das Gesetz nicht brechen. Ich möchte, dass unser Leben besser wird, nicht schlechter.

Diana: Wenn wir von Leuten hören, die das tun, halten wir uns von ihnen fern.

Wenn Sie wünschen dürften, wie sähe Ihr Leben aus?

Diana: Wir könnten uns frei hier bewegen, wir könnten Deutsch lernen, uns integrieren und Schweizerinnen und Schweizer kennen lernen. Und wir müssten keine Angst vor der Polizei haben.

Samsom: Wir möchten auch nicht von der Sozialhilfe leben. Ich habe in Eritrea Schreiner gelernt, und ich würde gern als Schreiner arbeiten, damit ich unseren Lebensunterhalt selbst bestreiten kann. Derzeit darf ich nicht einmal freiwillig und kostenlos arbeiten, obwohl mich ein Schreiner in der Nähe gern beschäftigen würde.

Diana: Ich glaube, das geht allen abgewiesenen Asylsuchenden ähnlich. Wir alle möchten hier bleiben. Wir hoffen, dass die Menschen das verstehen, wenn wir über unsere Lage erzählen.

* Name der Redaktion bekannt



Wie es ist, unsichtbar zu leben

Am Montag, 10. Februar, präsentieren acht Abgewiesene ihre Geschichten öffentlich. Anschliessend diskutieren unter anderem Nationalrat Balthasar Glättli (Grüne), Kantonsrat Lorenz Schmid (CVP), Walter Leimgruber, der Präsident der Eidgenössischen Migrationskommission, und Pfarrerin Verena Mühlethaler mit den Betroffenen. Organisiert wird der Anlass vom NCBI, einem Verein, der sich für Integration und Konfliktlösung einsetzt.
Der Anlass findet von 17 bis 20.15 Uhr in der Helferei Grossmünster statt. (leu)
www.ncbi.ch/unsere-stimmen
(https://www.tagesanzeiger.ch/zuerich/region/ich-darf-nicht-einmal-gratis-und-freiwillig-arbeiten/story/19964476)
-> Flyer auf Deutsch, Tigrinya, Arabisch, Farsi: https://www.ncbi.ch/de/unsere-stimmen



Eskalation im Asylzentrum: Rätsel um Kieferbruch nach Handgemenge
Securitas-Mitarbeiter sollen einem Asylsuchenden in Embrach den Kiefer gebrochen haben. Das Opfer verbrachte danach drei Nächte mit geringster medizinischer Versorgung in Polizeihaft.
https://www.limmattalerzeitung.ch/limmattal/zuerich/eskalation-im-asylzentrum-raetsel-um-kieferbruch-nach-handgemenge-136341033
-> https://www.ajourmag.ch/securitas-gewalt-embrach/


+++SCHWEIZ
Geht es nun zu schnell mit den Asylverfahren?
«Das neue Asylsystem funktioniert noch nicht perfekt, aber es funktioniert.» So fasste Mario Gattiker, Staatssekretär für Migration, die ersten Erfahrungen mit den neuen, schnelleren Asylverfahren zusammen.
https://www.srf.ch/sendungen/samstagsrundschau/geht-es-nun-zu-schnell-mit-den-asylverfahren


Mario Gattiker will Griechen-Hilfe & Italien-Rückführungen
Die Chefs von SEM und DEZA machen sich ein Bild vor Ort in Griechenland. Schweizer Know-How soll helfen, die Flüchtlingssituation zu entschärfen.
https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/mario-gattiker-will-griechen-hilfe-italien-ruckfuhrungen-65658289


Der Bund will Familien und Kranke wieder nach Italien abschieben
Man arbeite an einer entsprechenden Gesetzesänderung, sagt der Staatssekretär für Migration, Hans-Peter Künzli.
https://www.luzernerzeitung.ch/news-service/inland-schweiz/der-bund-will-familien-und-kranke-wieder-nach-italien-abschieben-koennen-ld.1193028


+++DEUTSCHLAND
Verdrängte Verrohung
Lager, Folter, Repressionen – niemand leidet so sehr unter dem Erfolg der politischen Rechten wie Geflüchtete. Zeit, Migrationspolitik juristisch von links zu adressieren
https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/verdraengte-verrohung


+++BALKANROUTE
Flüchtlinge an EU-Außengrenze: „Serbien ist wie eine Pufferzone“
Ungarn schloss einen Grenzübergang, weil Migranten dort demonstrierten. Täglich wollen Hunderte die EU-Außengrenze passieren.
https://kurier.at/politik/ausland/fluechtlinge-an-eu-aussengrenze-serbien-ist-wie-eine-pufferzone/400748607


+++GRIECHENLAND
Lesbos und die Migranten
Die Flüchtlingskrise im Mittelmeer ist nicht vorbei. Erst kürzlich protestierten Migranten gegen die Bedingungen in den Flüchtlingslagern auf der griechischen Insel Lesbos. Die Bewohner der Insel sind den Neuankömmling gegenüber immer noch größtenteils hilfsbereit eingestellt, doch es kommen immer weniger Touristen nach Lesbos, was die Situation komplizierter macht.
https://www.arte.tv/de/videos/095439-000-A/lesbos-und-die-migranten/


Illegale Abschiebungen am Evros Ausgeliefert
Ayse Erdogan wurde in der Türkei als Gülen-Anhängerin verfolgt. Die Lehrerin floh nach Griechenland und wollte einen Asylantrag stellen. Doch dann gelangte sie in die Hände griechischer Polizisten.
https://www.spiegel.de/politik/ausland/pushbacks-am-evros-gefluechtet-nach-griechenland-ausgeliefert-in-die-tuerkei-a-2badeaf8-79f2-47df-b04d-ffc3c7dbb45e?sara_ecid=soci_upd_KsBF0AFjflf0DZCxpPYDCQgO1dEMph


+++KNAST
Durchzug, Wassereinbrüche, enge Zellen: Am St.Galler Karlstor sind die Verhältnisse sowohl für Polizisten als auch für Häftlinge eine Zumutung
Die Kantonspolizei St.Gallen gewährte auf Einladung der SP einen seltenen Einblick in ihren Alltag in der Notrufzentrale und im Untersuchungsgefängnis. Beide Institutionen brauchen dringend Verbesserungen, die allerdings erst ab 2024 zu erwarten sind.
https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/durchzug-wassereinbrueche-enge-zellen-am-stgaller-karlstor-sind-die-verhaeltnisse-sowohl-fuer-polizisten-als-auch-fuer-haeftlinge-eine-zumutung-ld.1192387


Ein Leben für den Knast
Er war hart aber herzlich. 38 Jahre lang prägte Christian Harder die JVA Lenzburg. Der 65-jährige Sicherheitsinstruktor sorgte für die technische Aufrüstung im Gefängnis. Seine Devise: Mehr Sicherheit gegen aussen, mehr Freiheit im Innern für einen würdevollen Strafvollzug. Jetzt geht er in Rente.
https://www.srf.ch/play/tv/reporter/video/ein-leben-fuer-den-knast?id=49e44c8a-4a76-4c01-a6dd-418016391532


+++ARMEE GEGEN INNEN
Armeeübung entsetzt Klimaaktivisten
Die Armee inszenierte eine Klima-Demo mit gewaltbereiten und verletzten Teilnehmern. Klima-Streik Schweiz verurteilt die Übung aufs Schärfste.
https://www.20min.ch/schweiz/news/story/Armeeuebung-entsetzt-Klimaaktivisten-16826377


+++POLIZEI BS
Nur einer von zehn schafft es in die Polizeischule
Zwei, die aufgenommen wurden, sind Noëlle Schirmaier (24) und Yannick Wiedmer (27). Sie sind Aspiranten bei der Kantonspolizei Basel-Stadt. Wir haben mit ihnen gesprochen.
https://www.20min.ch/schweiz/basel/story/Nur-einer-von-zehn-schafft-es-in-die-Polizeischule-19568937
-> https://telebasel.ch/telebasel-news/?channel=15881


+++POLIZEI LU
Rentner Kurt Vonwyl stritt sich an der Luzerner Fasnacht mit der Polizei – jetzt klagt er an: «Ich dachte, ich müsse sterben»
Kurt Vonwyl stritt sich an der Luzerner Fasnacht mit Polizisten. Und landete im Spital. Nun erhebt der Rentner schwere Vorwürfe.
https://www.blick.ch/news/schweiz/rentner-kurt-vonwyl-stritt-sich-an-der-luzerner-fasnacht-mit-der-polizei-jetzt-klagt-er-an-ich-wurde-von-polizisten-massiv-verletzt-id15739935.html


+++HOMOHASS
Nach Pädophilie-Verdacht im Bistum Freiburg: Bischof Morerods Kirchenmann war «Schwulen-Heiler»
Bischof Charles Morerod suspendierte einen Pfarrer wegen Pädophilie-Verdacht. Nun folgt der nächste Skandal: Einer seiner Kirchenmänner betätigte sich als Homosexuellen-Heiler.
https://www.blick.ch/news/nach-paedophilie-verdacht-im-bistum-freiburg-bischof-morerods-kirchenmann-war-schwulen-heiler-id15740159.html


+++RECHTSEXTREMISMUS
Small Talk mit Miro Dittrich von der Amadeu-Antonio-Stiftung über das Online-Monitoring von Rechtsextremen
»Es gibt in Deutschland keine Internet-Antifa«
Am Donnerstag vergangener Woche stellte die Amadeu-Antonio-Stiftung die Ergebnisse ihres zweijährigen Monitorings zur sogenannten Online-Radikalisierung von Rechtsextremisten und Rechtsterroristen vor. Die Jungle World hat mit Miro Dittrich gesprochen. Er ist Experte für Online-Monitoring und einer der Autoren der -Broschüre.
https://jungle.world/artikel/2020/06/es-gibt-deutschland-keine-internet-antifa