antira-Wochenschau: Kein Fortschritt an Libyenkonferenz, keine Ausschaffung in Basel-Land, keine Ausschaffung wegen Klimakrise

Bild: Übergabe von zehn Wärmebildgeräten an die kroatische Grenzpolizei durch den deutschen Innenminister Seehofer

Was ist neu?

Libyen-Konferenz in Berlin ändert nichts an der miserablen Situation für Geflüchtete
Acht Jahre nachdem westliche Mächte das Regime von Muammar al-Gaddafi gestürzt haben, ist Libyen ein Tummelplatz von Milizen. Die in den Bürgerkrieg verwickelten Staaten verpflichteten sich nun an der Libyen-Konferenz in Berlin zur Einhaltung eines UN-Waffenembargos und zu einem Ende der militärischen Unterstützung für die Konfliktparteien. Die Teilnehmenden thematisierten die katastrophale Situation in den libyschen Lagern nur oberflächlich, obwohl diese eine direkte Folge der europäischen Migrationspolitik ist. Höhepunkt der Gefühle war die Forderung nach der Wiederaufnahme der europäischen Marinemission Sophia. Ein Lippenbekenntnis, denn in diesem Jahr wurden bereits mehrere hundert Menschen von der sogenannten libyschen Küstenwache zurück nach Libyen verschleppt. Diese wird von der EU umfassend unterstützt. Für die rassistische Abschottungspolitik hat die EU bisher mehr als 320 Millionen Euro nach Libyen geschickt und ist bewusst eine Kooperation mit einem Regime eingegangen, das Menschen willkürlich in Haft sperrt, foltert, ausbeutet, versklavt und sexuell missbraucht. Bereits am Freitag wurde der Vorschlag zur Wiederaufnahme der Sophia-Mission in einem weiteren Treffen wieder verworfen.
https://www.dw.com/de/libyen-konferenz-einigt-sich-auf-waffenembargo/a-52061354
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1131672.seenotrettung-mission-lifeline-libyen-konferenz-bringt-keine-fortschritte-fuer-fluechtlinge.html
https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-01/seenotrettung-heiko-maas-rueckfuehrung-libyen-eu-marinemission-sophia
https://www.tagesschau.de/investigativ/panorama/fluechtlingslager-libyen-105.html
https://www.welt.de/politik/ausland/article205333227/Rettung-von-Migranten-Plaene-fuer-Wiederbelebung-von-EU-Marinemission-Sophia-gescheitert.html

Keller-Sutter am Abschottungstreffen der europäischen Innenminister*innen
Bundesrätin Karin Keller-Sutter (KKS) diskutierte in Zagreb am Treffen der Justiz- und Innenminister*innen der Schengen-Staaten über die verstärkte Gewalt an den EU-Aussengrenzen und die laufenden Projekte zur Verknüpfung der Informationssysteme des europäischen Grenzregimes. Die Redebeiträge von Karin Keller-Sutter zeigten mal wieder in aller Deutlichkeit auf, welch rassistische Haltung sie bei Fragen zum Grenz –und Migrationsregime an den Tag legt.
– Keller-Sutter wies darauf hin, dass die zunehmende Verbindung der Informationssysteme nebst der Bekämpfung von Schwerstkriminalität und Terrorismus vor allem der Migrationssteuerung dienen soll. Der Ausbau der Informationssysteme macht Geflüchtete noch stärker kontrollierbar und überwachbar, sodass sie sich kaum mehr unbemerkt vom Staat bewegen können. Dadurch erhoffen sich die EU-Staaten illegalisierte Migrant*innen eher aufzuspüren und anschliessend auszuschaffen. 
– Auch über die Umsetzung der neuen Frontex-Verordnung wurde gesprochen. Diese sei u.A. wichtig um die „Glaubwürdigkeit“ und die „Akzeptanz“ der europäischen Asylpolitik sicherzustellen. Es werden also kilometerlange Grenzzäune und –mauern aufgebaut und ein Heer an Prügelbeamt*innen an die Grenze geschickt, die tausende von Lebensverläufen zerstören, einfach nur um „glaubwürdig“ dazustehen.
– KKS begrüsste ausserdem die Vorschläge Kroatiens, verstärkt gegen den Menschenschmuggel auf der westlichen Balkanroute vorzugehen. Die Schweiz engagiert sich laut KKS seit langem in diesem Bereich und ist unter anderem auch mit Polizeiattachés vor Ort. Wie genau sich die Polizeiattachés vor Ort gegen den Menschenschmuggel einsetzten, ist etwas unklar. Aus der medialen Berichterstattung ist vor allem bekannt, dass Polizeibeamt*innen auf der Balkanroute Push-Backs durchführen und Menschen auf der Flucht verprügeln (s. antira-Wochenschau vom 20. Januar: https://antira.org/2020/01/20/antira-wochenschau-toedliche-schuesse-auf-gefluechtete-feuriger-aufstand-nach-todesfall-600-urteile-gegen-rassistinnen/)
– Am Rande des Treffens wiederhohlte KKS, dass die EU einen Aktionsplan für Griechenland entwerfen müsse. Denn einerseits sei die humanitäre Situation in Griechenland prekär, andererseits gebe es dort eine wichtige Schengen-Aussengrenze, die zu schützen sei. Wer schafft es schon, in einen Satz zur total prekären Situation der Menschen in Griechenland trotzdem noch die „Interessen“ der offiziellen Schweiz zu verpacken? 
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-77898.html

Nationallistischer Streik auf den griechischen Inseln
Auf den griechischen Inseln rief die ultrarechte Regierungspartei Nea Dimokratia zu einem nationalistischen Streiktag auf. Regional- und Kommunalbehörden sowie die meisten Geschäfte blieben geschlossen. Die Bürgermeister*innen und Verbände fast aller Berufe protestieren damit gegen die Geflüchteten, da sie für die kleinen Inseln eine zu starke Belastung darstellen würden. Der Streik bot der Regierung die Gelegenheit zu wiederhohlten, dass sie die Hotspot-Lager in Moria sowie weitere Lager bis zum Sommer schliessen und durch geschlossene Abschiebelager ersetzen wird. Auch das Stage 2 Transit Camp an der Nordküste von Lesbos soll geschlossen werden. An der Nordküste der Insel kommen über die Hälfte der Geflüchteten in Lesbos an. Allein im vergangenen Jahr wurden 15’000 Menschen im Camp versorgt, von denen die Hälfte Kinder waren. Obwohl es sich auch bei diesem Lager um eine Institution einer rassistischen Lagerpolitik handelt, bringt dessen Schliessung in der heutigen Welt kaum eine Verbesserung mit sich. Es bedeutet, dass die Menschen, die ankommen, wieder den stundenlangen Weg an Stränden und Strassenrändern in den Süden auf sich nehmen müssen – bei aktuell tiefen Temperaturen, ohne Zugang zu Schutz oder medizinischer Hilfe. Gegen den nationalistsichen Charakter der Mobilisierung gab es linke Gegenaktionen, die eine verbesserte Situation für geflüchtete Menschen forderten.
https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2020-01/griechenland-fluechtlingslager-lesbos-chios-samos-generalstreikhttps://aegeanboatreport.com/weekly-reports/
https://secure.avaaz.org/en/community_petitions/hellenic_ministry_of_public_order_and_citizen_prot_an_urgent_call_to_action_from_lesvos_save_the_last_transit_camp_on_lesvos/details/
https://www.derstandard.at/story/2000113650608/athen-will-nach-protesten-fuenf-migrantenlager-schliessen

Klimakrise: kein Asylgrund, schützt aber vor Abschiebung
Wer wegen des Klimawandels sein Land verlassen muss, weil das Leben in Gefahr ist, dem darf das Recht auf Asyl nicht verweigert werden. Zu diesem Urteil kommen Expert*innen eines UN-Menschenrechtsausschusses. Der Klimawandel gilt weltweit als eine der häufigsten Fluchtursachen. Allein 2015 sollen deshalb 20 Millionen Menschen ihre Heimat verlassen haben. Gleichzeitig anerkennt die Genfer Flüchtlingskonvention (die definieren darf wer „Flüchtling“ ist und wer nicht) die Folgen des Klimawandels bisher nicht als Fluchtgrund. Dies betraf auch Ioane Teitiota aus dem pazifischen Inselstaat Kiribati. Dieser hatte 2010 in Neuseeland einen Asylantrag gestellt und geltend gemacht, dass er aufgrund des steigenden Meeresspiegels seine Lebensgrundlage verloren habe. Der neuseeländische Staat lehnte den Asylantrag ab. Ioane hat sich in der Folge an das UNO-Menschenrechtskomitee gewandt. Das Gremium bestätigte, die Abschiebung sei rechtens, da die Lage in Kiribati nicht unmittelbar lebensbedrohend sei. Es schaffte jedoch einen Präzedenzfall indem es festhielt, dass für Staaten eine Verpflichtung bestehe, bei Wegweisungen auch lebensbedrohliche Aspekte der Klimakrise im Herkunftsland mitzuberücksichtigen. Dies schafft die absurde Situation, dass Menschen, die vor der Klimakrise flüchten, zwar keinen positiven Asylentscheid erhalten werden, jedoch auch nicht abgeschoben werden können.
https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2020-01/un-menschenrechtsausschuss-klimafluechtlinge-asylrecht
https://www.fluechtlingshilfe.ch/news/archiv/2020/klimaflucht-uno-urteil-bestaetigt-forderung-der-sfh.html


Was geht ab beim Staat?

Bern eröffnet neue Ausschaffungslager mit einem Sonder-Angebot für „Freiwillige Rückkehrer*innen“
Wie schon in der antira-Wochenschau (KW 49) berichtet, werden nun die bereits bestehenden Asyllager in Aarwangen, Biel-Bözingenfeld und Gampelen zu Ausschaffungslagern umfunktioniert. Im Frühjahr soll das erste Lager und bis spätestens im Sommer alle drei Lager mit insgesamt 500 Ausschaffungsplätzen zur Verfügung stehen. Eine Person kommt ins Ausschaffungslager, sobald sie einen rechtskräftigen Wegweisungsentscheid erhalten hat. Mittlerweile sind schon 390 Personen über diese Änderung per Brief informiert worden. Nebst der Info, dass sie in ein Ausschaffunglager müssen, wurde ihnen gleichzeitig noch die sogenannte „freiwillige Ausschaffung“ schmackhaft gemacht. Der Kanton bietet finanzielle Ausschaffungshilfe an. Das sind 1’500 Franken oder mehr – nur bis Ende Februar erhältlich. Danach ist wieder mit den regulären 500 Franken oder mehr zu rechnen. Zynisch ist schon nur die Bezeichnung dieses Angebots. Keine Ausschaffung kann jemals als freiwillig bezeichnet werden, wenn als Alternative nur der Knast existiert.Natürlich bekam einmal mehr die ORS Service AG vom Amt für Migration und Personenstand (MIP) den Auftrag, diese Ausschaffungslager zu „führen“. Mit einer Preisdifferenz von 2 Millionen Franken hatten sie wohl auch die besten Argumente gegen die Konkurrenz von (christlichen) Abschiebe-Organisationen wie der Heilsarmee. Die ORS Service AG betreibt ja schon alle Bundesasyllager, warum dann nicht auch noch die kantonalen Ausschaffungslager. Mehr Profit wäre nur noch möglich, wenn diese Privatfirma die verwalteten Menschen gleich auch ausschaffen könnte. Doch dieses Mandat hat ihnen die OSEARA AG schon weggeschnappt. Die ORS Service AG steht immer wieder wegen miserablen Betreuungssituationen in der Kritik. Lasst uns Organisationen benennen und gegen jegliche Art von profitorientiertem Isolieren und der Verwaltung von Menschen vorgehen. Bei der Isolation und Verwaltung geht es einzig und allein darum, Menschen zu brechen, statt ihnen die Möglichkeit zu geben, irgendwo einmal anzukommen. 
https://www.be.ch/portal/de/index/mediencenter/medienmitteilungen.meldungNeu.html/portal/de/meldungen/mm/2020/01/20200121_1726_transfer_der_abgewiesenenasylsuchenden?cq_ck=1579624237148
https://www.derbund.ch/bern/rueckkehrzentren-im-kanton-bern-nehmen-bald-den-betrieb-auf/story/14273110
https://www.nzz.ch/schweiz/die-zahl-der-illegalen-aufenthalte-in-der-schweiz-geht-erneut-deutlich-zurueck-ld.1535669
https://www.derbund.ch/bern/streit-um-unterbringung-der-nothilfebezueger/story/18282096


Was ist aufgefallen?

Doofe Argumente des Komitees für einen Transitplatz in Wileroltigen
Für nichtschweizerische Fahrende stehen schweizweit gerade mal sieben offizielle Plätze zur Verfügung. Das ist unbedeutsam wenig im Vergleich zu all den Orten, an denen sich Fahrende direkt und unbemerkt vom medial-politischen Gebashe mit Landbesitzenden über einen Halteplatz einigen. Trotzdem haben sich Antiziganist*innen organisiert, um einen weiteren staatlich verwalteten Platz zu verhindern. Wir berichteten bereits einige Male über den Antiziganismus der Gegner*innen, doch wie argumentieren eigentlich die Befürworter*innen des Platzes? In einem Pro-Komitee organisieren sich Organisationen von Roma, Sinti oder Jenischen zusammen mit staatlichen Vertreter*innen der Kommission gegen Rassismus (EKR), der Gemeinden sowie aus allen parlamentarischen Parteien ausser der SVP. Wir haben uns ihre gemeinsame Stellungnahme durchgelesen. Und kamen zum Schluss, dass Fahrende auch im Pro Komitee vorwiegend als bedrohliches Problem gesehen werden. Bereits im dritten Satz betonen die Befürworter*innen, mit dem Platz könne „das Problem der irregulären Landnahmen durch Fahrende entschärft werden“. Um dieses „Problem“ zu unterstreichen, zitiert das Komitee einen Gemeindepräsidenten: „Unsere Gemeinde wurde schon oft von Fahrenden aufgesucht, das war jedes Mal ein Tohuwabohu.“Damit rechtfertigt das Komitee die zunehmende Kriminalisierung des (spontanen) Halts an nicht offiziellen Orten, obwohl dies ein wichtiges Element der fahrenden Lebensweise ist.Des Weiteren argumentiert dasKomitee stark legalistisch: „Der Kanton Bern ist rechtlich verpflichtet, Plätze zu bauen“ und stellt vor allem die staatlichen Interessen an einer rationalen Menschenverwaltung in den Mittelpunkt: „Ein Transitplatz ermöglicht klare Regeln“; mit dem Platz „verringert sich der hohe Aufwand für Kontrollen und polizeiliche Räumungen“; für Fahrende ist „die Nutzung des Platzes (…) nicht gratis“. Richtig schlimm wird es, wenn das Komitee auf die antiziganistische Forderung, Fahrende schlicht weghaben zu wollen, antwortet und indirekt anerkennt: „Der Transitplatz liegt an einem optimalen Ort, (…) ausschliesslich erreichbar über die Autobahn und rund einen Kilometer vom Dorfzentrum Wileroltigen entfernt“. Zudem wird der Platz ständig von Behörden und Polizei kontrolliert, ist umzäunt und durch einen Sichtschutz von der Aussenwelt abgetrennt. Darüber, warum der Platz für Fahrende gut sei, verliert das Komitee nur einen einzigen Satz: „Ausländische Fahrende wissen, dass es einen Platz im Kanton gibt und wo sie sich aufhalten dürfen,“ um dann schlusszufolgern: „Der Transitplatz führt zu einem Gewinn für alle“. Der Wille, mit der antiziganistischen Tradition, ihren Strukturen und Akteur*innen zu brechen, ist nicht vorhanden. Diskurse, die Fahrende als bedrohliche Gruppe stigmatisieren und ihnen gleichwertige Grundrechte absprechen, werden nicht dekonstruiert. 
https://jimdo-storage.global.ssl.fastly.net/file/1c8d4a71-c556-477f-be68-d181660c78eb/Medienmitteilung_14012020%20def.pdf
https://www.bernerzeitung.ch/news/standard/transitplatz-fuehrt-zum-wertedilemma/story/11984455
http://www.swissinfo.ch/ger/antiziganismus_-die-roma-wurden-zur-idealen-zielscheibe-/45494276

Trends des europäischen Migrationsregimes
2015 rief die ungarische Regierung den Notstand aus. Seither verschärft die rechte Regierung unter Orban die Asylgesetze ständig. Asylanträge können nur noch in zwei Transitlagern direkt an der serbischen Grenze gestellt werden. Dort leben Geflüchtete in gefängnisähnlichen Zuständen. Sie dürfen die Lager nicht verlassen. Journalist*innen und den meisten Hilfsorganisationen ist der Zutritt untersagt. Der Zugang zu den Camps ist nur aus Serbien möglich. Da Serbien als sicher eingestuft wird, sind Asylanträge beinahe aussichtslos. Die Zahl der Menschen in den Transitzonen, denen Ungarn Asyl gewährt, belief sich zwischen Juli 2018 und Juli 2019 laut Hungarian Helsinki Committee auf drei. Mehrmals wurde Menschen in diesen Lagern die Nahrung verweigert – in manchen Fällen acht Tage lang. Die Begründung der ungarischen Regierung: Sie sei für die Versorgung abgewiesener Asylsuchender nicht verantwortlich. Das Ungarn-Modell macht Schule. Beispielsweise schiebt Kroatien Migrant*innen nach Bosnien oder Serbien zurück. Die Praxis der sogenannten Pushbacks, der illegalen Rückführung von Migrant*innen, zieht sich entlang der gesamten Balkanroute. Von Serbien nach Nordmazedonien, von Nordmazedonien nach Griechenland, von Griechenland in die Türkei. Die kroatische Polizei wird die Praxis der Push-Backs zudem in Zukunft noch effektiver durchführen können, da sie letzte Woche netterweise zehn Wärmebildkameras im Wert von 350’000 Euro vom deutschen Innenminister Seehofer geschenkt bekommen hat.Auch in Österreich kam der Vorschlag der grenznahen Asyllager auf. Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) fordert, dass  in „grenznahen“ Lagern Geflüchtete festgehalten werden sollen, bis ihr Verfahren zumindest in erster, vielleicht sogar in zweiter Instanz abgewickelt sei. Die Beispiele zeigen, dass die Entwicklungen der europäischen Migrationsregimes allesamt in Richtung von geschlossenen Affang -und Abschiebelagern ausserhalb von nationalstaatlichen Grenzen führen.
https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-12/ungarn-fluechtlinge-transitzonen-iran-asylpolitik/komplettansicht
https://www.derstandard.at/story/2000113544993/nehammer-will-fluechtlinge-nahe-der-grenze-in-lagern-festhalten
https://www.proasyl.de/news/kommt-die-komplette-abschottung-eu-innenministerinnen-beraten-ueber-asylrechtsreform/
https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/pressemitteilungen/DE/2020/01/unterstuetzung-kroatien.html

Antifa-Logo in der Arena
Vor fünf Jahren trug ein Mensch im Zuschauer*innenbereich der SRF-Arena einen Pulli der Marke Thor Steinar. Die Marke wird vorallem von Neonazis getragen. Nun kam es glücklicherweise zu einer Antwort. Während Jugendliche in der Arena mit gewählten Politiker*innen diskutieren „durften“, war immer wieder das Logo der Antifa auf einem Pullover zu sehen. Danke SRF für diesen kleinen antifaschistischen Aufheller. Kleine Freuden im Leben tun gut. Unnötig aber die Entschuldigung des SRF gegenüber dem Blick. Der Pulli hätte nicht sichtbar sein dürfen und man distanziere sich von jeder Art von Extremismus. Fraglich, wenn Antifaschismus als extrem abgetan wird…
https://www.blick.ch/news/politik/srf-raeumt-fehler-ein-was-macht-ein-antifa-pulli-in-der-arena-id15710067.html

Wartezeiten für sichere Häfen nehmen wieder zu
Auf der zentralen Mittelmeerroute holte die Crew der Ocean Viking 39 Menschen von einem instabilen Holzboot in Seenot. Nach vier Tagen des Wartens gingen die Überlebenden am Montag in Pozzallo in Italien an Land. Seit die Regierung aus rechter Lega von Ex-Innenminister Matteo Salvini und Fünf-Sterne-Bewegung in Rom nicht mehr im Amt ist, war es einfacher geworden, in die italienischen Häfen einzulaufen. Nun steigen die Zeiten scheinbar wieder. Sicherlich auch deshalb,  weil die europäischen Regierungen sich nicht auf eine Handhabung einigen. Derweil hat die Ocean Viking Crew letzte Nacht 184 Menschen von 2 Schlauchbooten in Seenot geholt. Nach 5 Nacht-Einsätzen in weniger als 72 Std. befinden sich jetzt 407 Überlebende an Bord.‬ Bei schwierigen Wetterbedingungen ist derzeit auch die Alan Kurdi im Einsatz. Am Samstag holte sie in zwei Einsätzen 78 Menschen aus Seenot. Johanna Pohl von Alan Kurdi übte Kritik an der libyschen Küstenwache. Kurz nach der Rettung des ersten Schlauchbootes habe ein Schiff der Küstenwache die Alan Kurdi angewiesen, die libysche Such- und Rettungszone zu verlassen. „Die sogenannte libysche Küstenwache behandelt eine Such- und Rettungszone wie ein Territorialgewässer, bedrängt wiederholt zivile Rettungskräfte und erteilt unrechtmässige Anweisungen“, sagte Pohl. Die von der EU unterstützten libyschen Milizen würden damit bewusst die Gefährdung von Menschenleben in Kauf nehmen. 
https://www.derstandard.at/story/2000113537831/rettungsschiff-ocean-viking-darf-in-italien-anlegen?ref=rss>
https://sea-eye.org/rettungsschiff-alan-kurdi-verlaesst-palermo/
https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2020-01/mittelmeer-alan-kurdi-rettung-libyen-fluechtlinge

Kurz
Diese Frage können sich auch nur rassismusprivilegierte Expert*innen stellen (korr)Podiumsdiskussion «Wie viel Migration braucht die Schweiz»
https://www.bhm.ch/de/jetzt-aktuell/podiumsdiskussion-wie-viel-migration-braucht-die-schweiz-2622020/

Doppelt so viele Geflüchtete durchquerten 2019 die Sahara
Hunderttausende Menschen durchqueren jedes Jahr die Region Agadez im Niger. Nach Angaben der „International Organisation for Migration“ (IOM) hat sich die Zahl in den ersten zehn Monaten 2019 im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt – von 267.000 auf 540.000. Die Menschen befinden sich aus unterschiedlichen Gründen in der Region. Weil sie aus Libyen fliehen, weil sie aus Algerien abgeschoben werden (in diesem Zeitraum über 23.800 Menschen) oder weil sie die Sahara von Süden her durchqueren wollen. Viele sterben in den Sanddünen der Ténéré-Wüste. Die mörderischen Zustände in der Sahara sind eine direkte Folge der Kriminalisierung von (Flucht-)Migration durch die afrikanischen und europäischen Staaten. Dies hat zur Folge, dass (flüchtende) Migrant*innen immer gefährlichere Routen auf sich nehmen und Gewalt und Missbrauch ausgesetzt sind.
https://www.aerzte-ohne-grenzen.de/presse/aerzte-ohne-grenzen-unterstuetzt-such-und-rettungseinsaetze-der-sahara-zahl-der-fluechtlinge-und


Was nun?

Trotz Ausschaffungsstopp für Familien gehen die Italien-Ausschaffungen für alle anderen weiter
Die Bedingungen für Asylsuchende in Italien sind miserabel. Immer mehr Geflüchtete haben kaum Zugang zu Unterbringung. Mit dem „Salvini-Dekret“ des ehemaligen italienischen Innenministers Matteo Salvini wurden in Italien Ende 2018 die Sicherheits- und Einwanderungsgesetze massiv verschärft. Dies hat insbesondere schwerwiegende Auswirkungen auf die Unterbringungssituation von asylsuchenden Personen. Das italienische Sozialsystem ist auf die familiäre Unterstützung ausgerichtet. Personen aus dem Asylbereich haben oft keine Familien vor Ort, die sie unterstützen. Dies lässt die Menschen auch nach Anerkennung eines Schutzstatus in einer sehr prekären Situation, in der sie dem Risiko einer extremen materiellen Not und der Ausbeutung ausgesetzt sind. Obwohl dies bekannt ist, wendet die Schweiz die Dublin-Regeln sehr strikt an. Sie schickt Geflüchtete konsequent dorthin zurück, wo sie erstmals europäischen Boden betreten haben – die meisten nach Italien. Mehrere Organisationen fordern deshalb seit längerer Zeit, dass Dublin-Ausschaffungen nach Italien einzustellen seien. Nun hat das Bundesverwaltungsgericht Stellung bezogen. Es hält Überstellungen nach Italien im Rahmen des Dublin-Verfahrens grundsätzlich weiterhin für zulässig. Geflüchtete Familien und schwer erkrankte Personen dürfen aber nur noch nach Italien zurückgeführt werden, wenn die italienischen Behörden individuelle Garantien zur Unterbringung und Betreuung abgeben können. Diese Personengruppen werden zurzeit deshalb nicht nach Italien weggewiesen, sondern die Fälle bleiben bis auf Weiteres hängig. Das SEM muss nach eigenen Angaben nun zuerst klären, ob Italien so detaillierte Garantien sprechen kann. Die konkreten Auswirkungen der Urteile auf die Ausschaffungspolitik der Schweiz seien deshalb noch nicht klar. Für alle anderen Geflüchteten gilt trotz der Zustände in Italien: Deportation as usual. 
https://www.fluechtlingshilfe.ch/medien/medienmitteilungen/2020/asylsuchenden-in-italien-drohen-menschenrechtsverletzungen.html
https://beobachtungsstelle.ch/news/dublin-rueckfuehrungen-nach-italien-strengere-kriterien/


Was war gut?

Basel Land zeigt, dass Kantone grundsätzlich Ausschaffungen verhindern könnten
Das SEM lehnte das Asylgesuch einer geflüchteten Familie zwei Mal ab. Auch das Bundesverwaltungsgericht und der europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) bestätigten die menschenverachtende Entscheidung der SEM-Behörden. Für die Ausschaffung nach Tunesien ist der Kanton Basel Land zuständig. Trotzdem weigert sich dieser, die Ausschaffung durchzuführen. Der Grund liegt in der solidarischen Unterstützung, welche die Familie erfährt. In der Wohngemeinde wurde der Verein «Miteinander Langenbruck» ins Leben gerufen. Dieser organisierte einen Anwalt und mobilisierte den Gemeinderat. Zusammen setzten sie den Kanton unter Druck, indem sie aufzeigten, was es für die Familie bedeuten würde, abgeschoben zu werden. Der Kanton und nicht das SEM ist verantwortlich für die Folgen einer Abschiebung. Deshalb ist er frei in der Entscheidung, eine Abschiebung durchzusetzen oder nicht. So entschied die kantonale Sicherheitsdirektorin Kathrin Schweizer: „Wir versichern Ihnen, dass wir im Rahmen unserer Möglichkeiten bereit sind, zu einer Lösung beizutragen, welche der speziellen Situation der Familie Rechnung trägt.“ Konkret muss die Familie nun darauf warten, ein Härtefallgesuch einreichen zu dürfen. Dies ist frühestens nach fünf Jahren in der Schweiz möglich. Die Behörden verlangen bei Härtefallgesuche allerdings meist 10 Jahre Aufenthalt – ohne gesetzliche Grundlage. Der Fall zeigt auf, dass nicht das SEM bei Abschiebungen das letzte Wort hat, sondern dass Kantone die Durchführung ebendieser grundsätzlich verweigern können. Nur leider tun sie dies quasi nie.
https://www.bzbasel.ch/basel/baselbiet/trotz-bundesurteil-baselland-schafft-eine-fluechtlingsfamilie-nicht-aus-zumindest-vorerst-136241016


Wo gabs Widerstand?

Proteste gegen das WEF in der ganzen Schweiz
Zum Auftakt des diesjährigen WEF in Davos wanderten innerhalb von drei Tagen insgesamt mehr als 1’500 Aktivist*innen die knapp 50 km lange Strecke von Landquart nach Davos. Die Aktivist*innen wollen mit ihrem Marsch „Klimagerechtigkeit nach Davos bringen“. Die Winterwanderung erzielte breite mediale Aufmerksamkeit. Auch in Bern, Zürich und Lausanne demonstrierten über 2000 Personen gegen das WEF. Die Kapitalismusgegner*innen bezeichneten das Weltwirtschaftsforum als «Eispalast der Sozialen Kälte». Am WEF würden nicht Lösungen für die Konflikte in der Welt gesucht, sondern die Probleme geschaffen. Dem Aktionsbündnis gegen das WEF geht es auch um die Kritik an der Ausbeutung südlicher Weltregionen durch den «globalen Norden», durch multinationale Firmen wie Nestlé, Glencore oder UBS. Eine kleine Anti-WEF-Demo lief auch in Lausanne.
https://www.derbund.ch/bern/wefgegner-zogen-durch-bern/story/27576466
https://www.20min.ch/schweiz/bern/story/Anti-WEF-Demo-zieht-durch-Berner-Innenstadt-19290546
https://www.nau.ch/news/schweiz/kapitalismusgegner-protestieren-in-bern-gegen-das-wef-65646956
https://www.blick.ch/news/wirtschaft/newsticker-zum-wef-2020-in-davos-alle-infos-bilder-und-videos-id15691386.html
https://www.tagesanzeiger.ch/zuerich/grosse-wefdemo-in-zuerich/story/17619708
https://www.blick.ch/news/schweiz/graubuenden/ueber-500-aktivisten-marschieren-ab-landquart-richtung-wef-stoppt-trumps-fuerze-das-klima-freut-sich-id15710186.html
https://twitter.com/hashtag/strikeWEF?src=hashtag_click


Was steht an?

Migrantischer Widerstand gegen Asylcamps und Ausschaffungen, wie weiter?
Schweizweites Treffen vom Migrant Solidarity Network2.2.2020 | 12h: Essen | 13h30 – 17h: Inputs und Workshops | Waldmannstrasse 17 | Bern 
Im Frühling 2019 haben die Behörden das Asylregime verschärft. Neu werden Geflüchtete, die neu in der Schweiz ankommen, in grossen Asylcamps des Bundes isoliert. Gleichzeitig haben die Kantone das Leben in ihren Camps strenger gemacht. Die Camps sind immer mehr wie Gefängnisse organisiert. Auch die Ausschaffungen werden intensiviert. Z.B. indem die Behörden Ausschaffungsdeals abschliessen mit Staaten und Diktaturen aus denen Menschen flüchten müssen. Das Migrant Solidarity Network lädt geflüchtete Aktivist*innen und migrantische Gruppen, Vereine oder Organisationen ein zur Diskussion: Was sind die aktuellen Probleme? Was wollen wir dringend verändern? Wie können wir Erfolge erzielen? 
https://migrant-solidarity-network.ch/2020/01/20/2-2-2020-migrantischer-widerstand-gegen-asylcamps-und-ausschaffungen-wie-weiter/


Lesens -/Hörens -/Sehenswert

Unsichtbare Arbeitskräfte – Echo der Zeit
Menschen mit den falschen Papieren putzen in Schweizer Haushalten, pflegen alte Menschen, betreuen Kinder. In Basel-Stadt zum Beispiel arbeitet die Hälfte der geschätzt 4000 Menschen ohne die richtigen Papiere in Privathaushalten. Eine Arbeit im Schatten, in vielen Fällen ohne soziale Absicherung, ohne Altersvorsorge. Ein versteckter Arbeitsmarkt, mit eigenen Regeln.
https://www.srf.ch/play/radio/echo-der-zeit/audio/sans-papiers-die-unsichtbaren-arbeitskraefte?id=76975723-9b06-468f-8d5f-39ccd5332b7f

Landscapes of Border Control
https://borderlandscapes.law.ox.ac.uk/

Warum weisse Menschen so gerne gleich sind
„Aber wir sind doch alle gleich!“ So reagieren vor allem weisse Menschen oft, wenn die Sprache auf Rassismus kommt. Sobald weisse Menschen und ihre Privilegien in der Gesellschaft benannt werden, sagt Autorin Alice Hasters, scheint ihnen Gleichsein plötzlich wichtig und Hautfarbe egal zu sein.
https://www.deutschlandfunk.de/identitaeten-7-7-warum-weisse-menschen-so-gerne-gleich-sind.1184.de.html?dram:article_id=466836

„Zwingendes Völkerrecht“ als Grenze von demokratischen Entscheiden gerät in der Schweiz unter Druck
Die Schweizerische Bundesversammlung will Personen, die für dschihadistische Taten verurteilt wurden, in Staaten ausschaffen können, in denen ihnen Folter droht. Dieser Entscheid verstösst gegen das Folterverbot und wirft ernste verfassungsrechtliche Fragen auf.
https://geschichtedergegenwart.ch/zwingendes-voelkerrecht-als-grenze-von-demokratischen-entscheiden-geraet-in-der-schweiz-unter-druck/

Chatten, um Leben zu retten
Rund um die Uhr nimmt das Alarmphone die Notrufe von Menschen entgegen, die über das Mittelmeer nach Europa gelangen wollen und in Seenot geraten sind. Marion Beyer ist von Anfang an dabei – und weiss, dass auf freudige Momente immer auch dunkle Stunden folgen.
https://www.fr.de/politik/chatten-leben-retten-13456126.html

Warum stärkere Grenzen nicht funktionieren
Striktere Grenzregimes halten Menschen nicht von der Flucht ab. Sie machen sie nur gefährlicher. Menschen begeben sich nicht in Lebensgefahr bei ihrer Reise über das Mittelmeer, weil sie wissen, dass sie gerettet werden. 
https://www.theguardian.com/uk-news/video/2020/jan/21/why-stronger-borders-dont-work