antira-Wochenschau: Tödliche Schüsse auf Geflüchtete, feuriger Aufstand nach Todesfall, 600 Urteile gegen Rassist*innen

Bild: Das UMA-Kampfkollektiv besetzt das Kulturzentrum Grütli in Genf.

Was ist neu?

In Libyen werden Menschen erschossen, die versuchen zu fliehen
Die anhaltenden Kämpfe in Tripolis zwingen immer mehr Menschen auch zur kalten Jahreszeit auf das Mittelmeer. In der letzten Woche waren es laut Ärzte ohne Grenzen 1.100. Die Mehrheit wurde von der EU-unterstützten sogenannten libyschen Küstenwache zurückgezwungen. Allein am Wochenende griff sie über 300 Menschen auf dem Meer auf und brachte sie nach Libyen zurück. Eine Gruppe von etwa 60 Menschen wehrte sich gegen die Rückführung. Die Menschen hatten Angst, wieder in libyschen Haftlagern interniert zu werden. Daraufhin soll die libysche Armee einen Mann erschossen und die Leiche ins Wasser geworfen haben.https://taz.de/Flucht-uebers-Mittelmeer/!5655171/

Malta verweigert Mithilfe in Seenot und sperrt Angekommene wieder in Lager
Jeweils knapp 120 Personen retteten die privaten Seenotretter*innen von Sea-Watch und Open Arms im Verlauf der Woche. Anders die maltesischen Behörden. Ein maltesisches Marineschiff habe in Seenot geratene Geflüchtete am Samstag erst nach dem Eintreffen der »Sea-Watch 3« gerettet, obwohl es bereits mehrere Stunden zuvor am Unglücksort eingetroffen sei. Die maltesische Marine rettet offenbar nur dann Leben, wenn sie dazu durch die Gegenwart ziviler Akteur*innen gezwungen ist. Die Mehrheit der geretteten Personen brachte die Polizei in die Internierungseinrichtungen Safi und Marsa. Malta hatte die Praxis der Internierung 2015 eingestellt, ist aber nach einem Anstieg der Ankünfte zuletzt wieder dazu übergegangen, Angekommene einzusperren. Die beiden Lager sind mit derzeit über 1.500 Insass*innen total überfüllt. Manche werden nach Angaben des UNHCR seit über fünf Monaten dort festgehalten. Derweil warteten die Geretten auf den zivilen Booten wieder eine knappe Woche darauf, an Land gehen zu können. 
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1131297.seenotrettung-mindestens-fluechtlinge-im-mittelmeer-ertrunken.html
https://taz.de/Flucht-uebers-Mittelmeer/!5655171/>

Zwei Menschen verstarben im östlichen Mittelmeer
Im östlichen Mittelmeer gab es zwei tödliche Vorfälle. In der Nacht zum Sonntag sank ein Boot vor der Küste von Cesme, westlich von Izmir. Elf Menschen starben. Das Boot war auf dem Weg zur nur fünf Kilometer von der türkischen Küste entfernten griechischen Insel Chios. Wenige Stunden zuvor war nahe der Insel Paxos an der griechischen Westküste ein weiteres Boot von Geflüchteten auf dem Weg nach Italien gekentert. Die griechische Küstenwache barg zwölf Leichen. Einige der zwanzig geretteten Überlebenden berichteten, auf dem Boot hätten sich insgesamt fünfzig Personen befunden. Dies war bereits der vierte tödliche Vorfall in der Ägäis seit Jahresbeginn. Nach jüngsten Angaben der Regierung in Athen harren in den Lagern der griechischen Inseln mehr als 42.000 Menschen aus. Noch im April 2019 lebten dort 14.000 Migrant*innen. In den vergangenen Monaten wurden mehr als 10.000 Menschen aufs Festland gebracht. Die griechische Regierung setzte sich aber gleichzeitig das Ziel, in der ersten Hälfte 2020 alle ankommenden Geflüchteten in geschlossenen Camps zu isolieren, um 10.000 Geflüchtete pro Jahr in die Türkei abzuschieben. Viele sind aber nicht mehr länger bereit, die katastrophalen Bedingungen in den griechischen Camps noch länger auszuhalten. Die Proteste gegen die Zustände in den Lagern sowie gegen den Bau neuer Lager nehmen zu. Aufgebrachte Bewohner*innen beschimpften am Montagabend im Rathaus der Insel Chios den konservativen Vizeminister für Arbeit und Lokalabgeordneten Notis Mitarakis. Auch auf anderen Inseln sowie auf dem Festland gibt es Proteste.
https://taz.de/Flucht-uebers-Mittelmeer/!5655171/
https://www.heise.de/tp/features/Wir-sind-Opfer-eines-kollektiven-Versuchs-das-Land-zu-verderben-4633829.html
https://www.derstandard.at/story/2000113278663/vermehrte-proteste-in-griechenland-gegen-ueberfuellte-fluechtlingslager

Deutsche Gemeinden wollen gerettete Menschen aufnehmen dürfen
120 Gemeinden aus dem Bündnis „Sichere Häfen“ können bis heute ihre Bereitschaft, mehr aus Seenot gerettete Menschen aufzunehmen, nicht in die Tat umsetzen. Migrationspolitik ist in Deutschland Bundessache – selbst die Länder müssen hier Innenminister Seehofer um Erlaubnis bitten. Der ignoriert die Aufnahmebereitschaft der Sicheren Häfen. Ende Januar steht ein Treffen mit dem Bundesinnenministerium an. Das Bündnis „Sichere Häfen“ gehört zur „Seebrücke“-Aktion, die auch in der Schweiz aktiv ist.
https://taz.de/Seenotrettung-und-Sichere-Haefen/!5655324/
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1131385.staedte-sicherer-haefen-kommunen-draengen-darauf-gefluechtete-aufzunehmen.html

Der rassistische Nationalrat Andreas Glarner ist neuer Chef der SVP-Aargau
Glarner wird mit 201 zu 106 Stimmen zum Parteipräsidenten der SVP Aargau gewählt. Wer Glarner ist, zeigt ein Überblick zu 2019: Im Januar wirft Glarner einer geflüchteten Familie öffentlich vor, zu viele Kinder zu haben. Im Februar fordert er im Nationalrat, dass für Muslim*innen das Beten in der Öffentlichkeit unter Strafe gestellt wird. Im März schlägt er ebenfalls im Nationalrat vor, dass der Bund die Stadt Bern als Landeshauptstadt wegen der Reithalle nicht mehr finanziell subventionieren soll. Im Juni postet er auf Facebook die Telefonnummer einer Lehrerin, die einem muslimischen Kind für das Fastenbrechen frei gegeben hatte. Er fordert alle auf, die Lehrperson telefonisch unter Druck zu setzen. Im August gründet er Glarner.tv. Im September startet er die antimuslimische Plakatkampagne “Religionsfreiheit statt Islamisierung“ und postet ein unverpixeltes Bild von Jugendlichen, die ein SVP-Plakat verkleben. Auf sie setzt er ein Kopfgeld von 1000.- aus. Im November löst Glarner als deren Präsident die aargauische „Vaterländische Vereinigung“ auf. Diese wurde 1918 als Bollwerk gegen Bolschewik*innen gegründet. Nebst Glarner waren darin andere Rechte wie Ulrich Giezendanner, Luzi Stamm oder Philipp Müller organisiert. Glarner wurde bisher eher als medienwirksame Rand- oder Witzfigur der SVP wahrgenommen und schaffte es weder 2005 noch 2012, sich an die Spitze der Kantonalpartei wählen zu lassen. Nun ist sein offen-aggressiver Rassismus gefragt. antira.org wünscht ihm viele Misserfolge und viele Begegnungen mit der antirassistischen Bewegung.
https://www.20min.ch/schweiz/zentralschweiz/story/Glarner-brueskiert-Eltern-mit-Post-zu-ihrem-Baby-30563089
https://www.nau.ch/news/videos/andreas-glarner-will-bundesmillion-wegen-reitschule-stoppen-65493770
https://www.telem1.ch/aktuell/-glarner-provoziert-mit-pseudo-arabischem-wahlplakat-135670555
https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/kanton-aargau/nach-101-jahren-vaterlaendischer-verein-loest-sich-auf-das-sagt-praesident-andreas-glarner-136005513
https://www.20min.ch/wahlen2019/news/story/Glarner-setzt-1000-Fr–Kopfgeld-auf-Teenager-aus-20854295
https://www.handelszeitung.ch/politik/andreas-glarner-macht-glarnertv
https://www.watson.ch/!414113544
https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/andreas-glarner-will-betverbot-fur-muslime-in-der-offentlichkeit-65483268
https://www.blick.ch/news/politik/jetzt-uebernimmt-der-hardliner-nationalrat-glarner-ist-neuer-aargauer-svp-praesident-id15705072.html

Zürcher Polizei nennt bei Straftaten wohl bald wieder die Nationalität
Etliche Statistiken belegen immer wieder, dass Kriminalität in etwa soviel mit der Nationalität zu tun hat, wie mit der Farbe der Socken. Viel eher ist Kriminalität abhängig von der sozialen Schicht einer Person. Und da nun mal Menschen mit Migrationshintergrund systematisch rassistisch unterdrückt werden, befinden sie sich überproportional in den tieferen sozialen Schichten, was den Zusammenhang (nicht aber die Kausalität) mit der Kriminalität erklärt. Trotzdem nutzt die SVP das Argument der Kriminalität immer wieder, um gegen Menschen ohne schweizer Pass zu hetzen und Angst zu schüren. Um diese Strategie effektiver verfolgen zu können, hat die SVP nun im Kanton Zürich eine Volksinitiative gestartet. Vor zwei Jahren wurde dort nämlich die Nennung der Nationalität durch die Stadtpolizei eingestellt. Die Initiative fordert nun, dass dieser Entscheid wieder rückgängig gemacht wird. Zudem solle zusätzlich zur Nationalität auch noch der Migrationshintergrund einer Person durch die Polizei bekanntgegeben werden. Der Kantonsrat diskutierte am Montag über diese Initiative. Die meisten anderen Parteien konnten der Bekanntgabe des Migrationshintergrundes wenig abgewinnen, vor allem deshalb, weil es schlicht nicht praktikabel wäre. Denn, wo fängt der Migrationshintergrund an? Bei Familien, die vor über 300 Jahren eingewandert sind? Zur SVP Initiative gibt es auch einen Gegenvorschlag. Dieser fordert, dass sämtliche Polizeien des Kantons zur Nationalitätennennung verpflichtet werden, auf die Angabe des Migrationshintergrundes jedoch verzichten. Die Diskussion im Rat zeigte, dass es die SVP einmal mehr geschafft hat, die Position der sogenannt linken Parteien weiter nach rechts zu schieben. Denn selbst Teile der „Linken“, wie bspw. Huonker (al., Zürich), machten sich für den Gegenvorschlag stark, nur damit die SVP-Initiative nicht durchkommt und somit auch noch der Migrationshintergrund genannt würde. Die SVP hat es also geschafft, eine Situation zu schaffen, in der sich Menschen der Alternativen Linken aus taktischen Gründen für die Nennung der Nationalität bei Straftaten einsetzen.
https://www.nzz.ch/zuerich/dzuerich-mehrheit-fuer-nennung-der-nationalitaet-in-polizeimeldungen-ld.1533562
https://www.srf.ch/play/radio/rendez-vous/audio/zuercher-polizei-soll-nationalitaet-von-taetern-nennen?id=e79b00ba-ff40-4b0b-a035-dca6ce62e518


Was geht ab beim Staat?

KKS startet staatsrassistischen Angriff auf nicht-europäische Sozialhilfebezieher*innen
Um die Sozialhilfe für Nicht-Europäer*innen zu senken oder ganz zu streichen, haben Bundesrätin Karin Keller Sutter (KKS) und das EJPD 20 diskriminierende Vorschläge ausgearbeitet. Diese Woche beschloss der Bundesrat, drei davon direkt umzusetzen. Neu hat das SEM und nicht mehr die Kantone das letzte Wort, wenn es darum geht, eine Aufenthaltsbewilligung von sozialhilfebeziehenden Nicht-Europäer*innen zu verlängern oder nicht. Auch ab heute soll über sozialhilfebeziehende Nicht-Europäer*innen intensiver statistisches Material erhoben und aufbereitet werden. Solches statistisches Zahlenwissen fördert die Konstruktion einer Menschenkategorie – in diesem Fall „kostentreibende sozialhilfebeziehende Nicht-Europäer*innen“, deren Diskriminierung in der Folge als logische Notwendigkeit dargestellt wird. Schliesslich will der Bundesrat die Kantone rasch dazu bringen, beim Sanktionieren von sozialhilfebeziehenden Nicht-Europäer*innen einheitlich hart zu sein. Nebst diesen drei Sofortmassnahmen will der Bundesrat drei Gesetzesverschärfungen durchpeitschen, die schon Ende Februar in Vernehmlassung geschickt werden. Erstens sollen Nicht-Europäer*innen mit B Ausweis in den ersten drei Jahren in der Sozialhilfe weniger Geld erhalten. Diese Herabsetzung des materiellen Lebensstandards gibt es bei Schweizer*innen oder Europäer*innen nicht. Zweitens sollen Nicht-Europäer*innen mit C-Ausweis schneller ihren Ausweis verlieren, falls sie Sozialhilfe beziehen. Diesen Automatismus gibt es bei Europäer*innen nicht. Drittens soll die Umwandlung des F-Ausweises zu einem B-Ausweis schwieriger oder unmöglich werden, falls die Person Sozialhilfe bezieht oder ihre finanzielle Selbstständigkeit nicht darlegen kann. Offiziell sagt der Bundesrat, es gehe um Kosten. Da sich die Angriffe einseitig gegen Menschen richten, die seit der Herausbildung der europäischen Staaten Zielscheibe von rassistischer und kolonialer Unterdrückung sind, schlägt antira.org vor, von Staatsrassismus zu sprechen. 
https://www.blick.ch/news/politik/bundesrat-handelt-wegen-hoher-kosten-keller-sutter-schraenkt-sozialhilfe-fuer-auslaender-ein-id15704325.html
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-77775.html
https://www.nzz.ch/schweiz/bundesrat-passt-sozialhilfe-fuer-personen-aus-drittstaaten-an-ld.1534154


Was ist aufgefallen?

Website judas.watch führt eine Liste von Jüd*innen mit Davidstern gebrandmarkt
Auf der antisemitischen Website Judas.watch wurden jahrelang politische Feind*innen von Rechtsextremen gelistet. Ziel der Seite war es nach eigener Aussage, „dass man es wie Wikipedia nutzt und den ganzen Dreck über unsere Feinde findet.“ Die deutschen Behörden sahen lange keinen Grund einzugreifen, da nicht offen zu Gewalt aufgerufen würde. Die Rechtsextremen versuchten mit ihrer Website zu zeigen, dass Rassismus und Antisemitismus etwas völlig Normales seien, sagt ein betroffener Politiker. Dass deutsche Behörden auf dem rechten Auge blind sind, ist nichts Neues. Mit fadenscheinigen Begründungen wird politisches Versagen gedeckt. Mittlerweile ist die Hassseite vom Netz. Die Spuren zum Drahtzieher führen nach Österreich. 
https://blog.zeit.de/stoerungsmelder/2020/01/17/antisemitismus-rechtsextremismus-neonazis-website-judas-watch_29425
https://www.tagesschau.de/investigativ/report-muenchen/judas-watch-103.html

Neuer Bericht über die Gewalt an europäischer Aussengrenze
Die Organisation „Border Violence Monitoring Network“ dokumentiert Gewalt durch Polizeibeamt*innen an den Grenzen zur EU. Im neusten Bericht geht es um die Grenze zwischen Kroatien und Bosnien. Wie bereits seit längerem bekannt ist, verüben dort Polizeibeamt*innen illegale Push-Backs, d.h. Menschen auf der Flucht werden gewaltvoll und ohne die Chance auf ein Asylverfahren zurück über die Grenze nach Bosnien gejagt. Durch die Push-Backs wird nicht nur das Recht auf Bewegungsfreiheit und Ersuchen von Asyl völlig untergraben, oft wird auch massiv Gewalt eingesetzt und den Menschen werden persönliche Gegenstände und Wertsachen gestohlen. Dabei handelt es sich nicht um Einzelfälle, sondern die Menschen werden systematisch an der grünen Grenze aufgespürt, verprügelt und zurück gejagt. 311 solcher Fälle dokumentierte die Organisation letztes Jahr. Insgesamt waren 2’475 Migrant*innen betroffen. Körperliche Gewalt gibt es oft in Form von Tritten, Schlägen, Einsatz von Schlagstöcken und Elektroschockern. In 42 Fällen wurde geschossen, in 41 Fällen wurden Personen mit Waffen bedroht. Menschen werden gezwungen, sich auszuziehen und in mindestens drei Fällen kam es zu sexueller Gewalt. Zudem wurden den Menschen in vielen Fällen persönliche Gegenstände, Geld, Elektrogeräte und Kleider gestohlen. Nicht zu vergessen ist, dass die Dunkelziffer weit höher sein mag, es handelt sich hier nur um die dokumentierten Fälle. Obwohl dies alles an einer EU-Aussengrenze passiert und gegen etliche Gesetzesartikel verstösst, investiert die EU lieber in noch mehr Grenzbeamt*innen, statt sich gegen diese Push-Backs zu positionieren. Einmal mehr wird deutlich, wieviel Gewalt und Ausbeutung die EU-Politiker*innen in Kauf nehmen, um die Tore zur EU möglichst dicht zu halten.
https://www.borderviolence.eu/proof-of-push-backs/
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1131566.pushback-folter-an-europas-grenzen.html

Nur 600 Urteile wegen Antirassismusstrafnorm in den letzten 25 Jahren
Die mehrheitlich rassismusprivilegierten Schweizer*innen stimmen am 9. Februar über eine Erweiterung der Antirassismusstrafnorm ab. Diese erlaubt es Personen, die „aufgrund einer zugeschriebenen Rasse, Ethnie oder Religion diskriminiert werden“, sich rechtlich zu wehren. Neu soll auch die Herabsetzung und Diskriminierung aufgrund von sexueller Orientierung unter Strafe gestellt werden. Die Gerichtspraxis zeigt, dass nur ein verschwindend kleiner Anteil des stattfindenden Rassismus über die Strafnorm geächtet wird. In den 25 Jahren ihrer Existenz kam es gerade mal zu 900 Verfahren. Antira.org erklärt sich diese tiefe Zahl durch den mangelnden Zugang zur Justiz für Rassismusbetroffene und durch die geringen Aussichten auf Erfolg. In der Tat bestrafen die Gerichte nur in Fällen, in denen Rassist*innen öffentlich zu Hass oder Diskriminierung aufgerufen haben. Es müssen eindeutig krasse menschenverachtende, niederträchtige und verabscheuenswürdige Äusserungen vorliegen. Der grösste Teil alltagsrassistischer Erfahrungen bleibt jedoch straffrei. Schweizweit kommt es durchschnittlich nur zu knapp 24 Schuldsprüchen pro Jahr. Vermutlich machen viele rassismusdiskriminerte Personen für sich allein 24 Rassismuserfahrungen pro Jahr. PS: Diskriminierung aufgrund von sexueller Identität bliebe auch im Fall eines Ja an der Urne ungestraft. Das reaktionäre Parlament war nicht bereit, auch dieses Kriterium in die Liste der schützenswerten Kategorien aufzunehmen. 
https://www.srf.ch/news/schweiz/anti-rassismus-strafnorm-nur-rund-900-faelle-innert-25-jahren
https://www.nzz.ch/schweiz/anti-rassismus-strafnorm-was-man-ungestraft-sagen-darf-und-was-nicht-ld.1532669

Schlechte Chancen für den Transitplatz in Wileroltigen
55 Prozent der Stimmberechtigten des Kantons Bern seien gegen den geplanten Transitplatz für nicht-schweizer Fahrende. Ob sich die Antiziganist*innen durchsetzen, wird am 9. Februar entschieden. Allerdings ohne die betroffenen Personen, die von der Abstimmung ausgeschlossen sind. Antiziganismus hat in der Schweiz eine lange Tradition. Von 1888-1972 herrschte eine allgemeine Einreisesperre für nicht-schweizer Jenische, Sinti und Roma. 1906 verboten die Behörden allen „Z-„ die Benutzung von Zügen und Schiffen. Zunehmend viele nicht-schweizerische Jenische, Sinti und Roma wurden abgeschoben. 1911 führten die Behörden ein schweizweites Register zur Erfassung der „Z-“ ein. Von 1926-1972 entrissen die Behörden mit Hilfe der Stiftung Pro Juventute 600 jenische Kinder ihren Familien, um sie in Heimen zu isolieren. Ebenfalls in dieser Zeit kam es zu Zwangssterilisierungen von Frauen, zu Eheverboten und in Gampelen – unweit von Wileroltigen – stand ein Internierungs- und Zwangsarbeitslager für nicht-schweizer Roma und Sinti. Lasst uns alle dazu beitragen, mit dem (strukturellen) Antiziganismus zu brechen. 
https://www.derbund.ch/bern/transitplatz-hat-schweren-stand/story/15947642
https://www.derbund.ch/bern/starker-widerstand-gegen-transitplatz/story/13436531
https://www.bernerzeitung.ch/region/kanton-bern/transitplatz-wileroltigen-gegner-haben-oberhand/story/22997378
https://www.derbund.ch/bern/ein-dorf-fuehlt-sich-uebergangen/story/30285822


Was nun?

Dank der Hilfe der schweizer Rüstungsindustrie führt Saudiarabien im Jemen Krieg
Neue Satellitenbilder zeigen, dass schweizer Kriegsmaterialien für Saudiarabien eine viel wichtigere Rolle im Jemen-Krieg spielen, als bisher angenommen. Bei einer Schlacht um ein saudisches Ölfeld kamen letzten Herbst schweizer Flugabwehrkanonen zum Einsatz. Für Saudiarabien ist es sehr wichtig, solche Angriffe auf Ölfelder zu verhindern – und dabei kommt schweizer Waffen eine entscheidende Funktion zu. Bereits letzten September war auf Satellitenbildern zu erkennen, dass vor dem Angriff mindestens drei Flugabwehrsysteme rund um Abqaiq stationiert waren. Die Flugabwehrsysteme stammen teilweise vom deutschen Rüstungskonzern Rheinmetall, massgeblich beteiligt ist aber auch die zürcher Rheinmetall-Tochter „Oerlikon Contraves“. Der Bund hat zwar seit Beginn des Jemen-Konflikts Lieferungen untersagt, wenn Gefahr droht, dass die Waffen für Menschenrechtsverletzungen oder im Jemen-Konflikt zum Einsatz kommen. Eine Ausnahme macht der Bundesrat aber bei Ersatzteilen für Flugabwehrsysteme, welche Saudiarabien ab den 80er-Jahren in mehreren Tranchen in der Schweiz beschafft hat. Die Ausfuhr der Kanonenteile wird üblicherweise bewilligt, einzig nach der Ermordung des saudischen Journalisten Jamal Kashoggi verhängte die Schweiz eine vorübergehende Blockade. Nach monatelangen Diskussionen mit Saudiarabien hob der Bundesrat die Ausfuhrblockade im Juli wieder auf. Legitimiert werden die Waffenlieferungen stets damit, dass sich die Kanonen nicht für Angriffe eignen und lediglich der Selbstverteidigung Saudiarabiens dienen würden. Doch selbst wenn sich die schweizer Systeme nicht direkt für Angriffe im Jemen eignen: Mit ihren Waffenlieferungen hat sich die schweiz in die brutale saudische Kriegsmaschinerie eingepasst und unterstützt diese. Saudiarabien könnte im Jemen-Krieg nicht so offensiv vorgehen, wenn es seine Ölfelder und andere Infrastruktur nicht mit schweizer Kanonen schützen könnte. 
https://www.derbund.ch/schweiz/standard/schweizer-waffen-sind-eng-in-den-jemenkonflikt-verwickelt/story/10926934

Menschen mit schweizer Pass bestimmen im Mai, ob die Zuwanderungsregeln in die Schweiz noch strikter werden
Die SVP-Begrenzungsinitiative bzw. im SVP-Slang Initiative «für eine massvolle Zuwanderung» am 17. Mai zur Abstimmung. Die Initiative verlangt eine eigenständige Zuwanderungsregelung in die Schweiz ohne Personenfreizügigkeit. Das Freizügigkeitsabkommen mit der Europäischen Union soll innerhalb eines Jahres durch Verhandlungen aufgelöst, andernfalls einseitig gekündigt werden.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-77779.html


Wo gabs Widerstand?

Italien: Proteste im Auschaffungsgefängnis nach dem Tod eines Mannes
Im Ausschaffungsgefängnis Piano del Lago auf Sizilien starb diese Woche ein junger Mann. Die Behörden, die den Mann trotz seiner gesundheitlichen Probleme nach Tunesien abschieben wollten, behaupten er sei eines natürlichen Todes gestorben. Gleichzeitig sagen Mitarbeiter*innen von Piano del Lago, der Mann habe nicht genügend medizinische Hilfe erhalten. Die gefängniskritische Organisation LasciateCIEntrare beschreibt die Lage in Piano del Lago als verabscheuungswürdig. Die Zellen seien kalt, es habe keine Fenster und der Zugang zu medizinischer Versorgung oder Rechtshilfe sei nicht gewährleistet. Als die anderen Gefangenen vom Todesfall erfuhren, beteten sie zuerst für den Verstorbenen. Dann starteten die Gefangenen einen Protest, indem sie Matratzen anzündeten. Bereits 2018 kam es zu feurigen Protesten. Drei Pavillons brannten. Piano del Lago musste zeitweise geschlossen werden. Seit der Wiedereröffnung haben die Proteste nie aufgehört. Seit dem sogenannten „Salvini-Dekret“können die italienischen Behörden Geflüchtete 180 Tage in Ausschaffungshaft nehmen. In der Schweiz kann diese Haft bis zu 18 Monaten verlängert werden. 
https://www.ecre.org/italy-death-of-a-young-man-stirs-protests-in-detention-centre/

Genf: Das UMA-Kampfkollektiv besetzt das Kulturzentrum Grütli
Seit Juli setzt sich das UMA-Kampfkollektiv in Genf dafür ein, dass der Kanton den sogenannten unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden (UMA) menschenwürdige Wohnungen organisiert und ihnen den Zugang zu Bildung sicherstellt. Der Kanton hielt es bisher trotz eskalierender Gewalt gegen UMAs in Camps und trotz der zunehmenden Zahl obdachloser UMAs nicht für nötig, auf die Forderungen des Kollektivs einzugehen. Seit dem 13. Januar besetzt das Kollektiv deshalb das Kulturzentrum Grütli. In einer Medienmitteilung des Kollektivs heisst es: „Wir sind im Grütli, um uns hier niederzulassen und der Stimme der UMAs Gehör zu verschaffen. Wir bleiben so lange, bis in Genf eine würdige und angepasste Betreuung für alle gewährleistet ist“. Direkte Aktionen wie diese Besetzung können sehr wirksam sein. Wer sich in den Augen der Behörden und der Dominanzgesellschaft immer nur ruhig und dankbar zeigen muss, findet im Stören und Querstehen meist eine Machtquelle, die die Handlungsfähig erhöht, um Kritik zu formulieren und die Situation zu verbessern. Am 21. Januar startet um 18 Uhr auf der Place Neuve eine Demo. 
https://renverse.co/VIDEO-3eme-et-4eme-jour-d-occupation-du-Grutli-par-le-collectif-lutte-des-MNA-2403
https://renverse.co/VIDEO-2eme-jour-d-occupation-du-Grutli-par-le-collectif-de-lutte-MNA-2398

Bern: Eingeschlagene Scheiben bei einer Naziwohnung
Im Länggassquartier in Bern lebt eine Person, die eine Naziflagge im Wohnzimmer aufgehängt hat. Die Flagge ist beim Vorbeigehen gut sichtbar. Nazis sollen keinen Steinwurf entfernt in der Nachbarschaft wohnen, sagten sich Antifaschist*innen. Diese Woche haben sie deshalb die Scheiben der Wohnung eingeschlagen.
https://www.bernerzeitung.ch/region/bern/hier-kannst-du-einen-nazi-treffen/story/14729856)
https://www.facebook.com/jugendbern/photos/a.409006116445824/457419304937838https://twitter.com/antifa_bern/status/1218272674276892673

Plakataktion in Berner Trams
Letzte Woche tauschten Aktivist*innen in Berner Trams diverse Werbeplakate aus. Auf diesen sprachen die schweizer Kriegsprofiteur*innen für einmal ehrliche Worte.
https://brrkd.info/article/3094

Wien – Antifa blockiert Vorlesung von „FPÖ-Historiker“ Höbelt
Am Dienstag, 14. Januar 2020, wurde an der Universität Wien nach wochenlangen Protesten erstmals eine Vorlesung des rechten Professors Lothar Höbelt aktiv verhindert. Als Reaktion auf erste antifaschistische Protestaktionen zu Semesterbeginn im Herbst stellten Rechtsextreme in den letzten Wochen einen Saalschutz aus Identitären, Deutschnationalen Burschenschaftern und anderen Rechtsextremen zusammen. Dieses Mal kamen ihnen jedoch über 200 Antifaschist*nnen zuvor.
https://brrkd.info/article/3093


Lesens -/Hörens -/Sehenswert

„Niemand kann den Regen aufhalten“, aber Europa gibt sich grosse Mühe
Wie griechische und türkische Behörden unter den Augen von Frontex und NATO Push-und Pullbacks praktizieren, um Menschen auf der Flucht nach Europa systematisch zu hindern, Schutz zu finden. Sie gefährden damit das Leben der Schutzsuchenden.
https://alarmphone.org/de/2020/01/10/niemand-kann-den-regen-aufhalten

Alltagserfahrungen: Lebenswirklichkeiten Schwarzer Menschen in Deutschland
Herabgesetzt, beleidigt, attackiert – so beschreiben Medien nicht selten die Lebenswirklichkeit Schwarzer Menschen in Deutschland. Doch wie sehen sie selbst ihren Alltag und mit welchem Selbstverständnis leben sie?
https://www.deutschlandfunk.de/alltagserfahrungen-lebenswirklichkeiten-schwarzer-menschen.1176.de.html?dram:article_id=467508

Die national-soziale Gefahr. Pegida, Neue Rechte und der Verteilungskonflikt – sechs Thesen
http://www.theoriekritik.ch/?p=2833

Was Christoph Blocher mit dem Mord an Rosa Luxemburg zu tun hat. Eine deutsch-schweizerische Zeitreise
Vor hundert Jahren ermordeten rechtsextreme Freikorps – mit Zustimmung von SPD-Reichswehrminister Gustav Noske – die spartakistischen Führungspersonen Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Waldemar Pabst, der Organisator des Doppelmords, lebte von 1943 bis 1955 in der Schweiz. Von hier aus versorgte er die Wehrmacht mit Kriegsmaterial, betrieb Spionage und wirkte nach 1945 massgeblich am Aufbau einer faschistischen Internationale mit. Dabei wurde Pabst von einem mächtigen Netzwerk aus dem Schweizer Herrschaftsapparat gedeckt und unterstützt. Noch heute leben die Strukturen fort, die den Nazi-Verbrecher protegierten.
https://www.ajour-mag.ch/waldemar_pabst_in_der_schweiz/