Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel
+++BERN
„Inclusion Program“ für Geflüchtete – RaBe-Info 14.01.2020
Sie schreiben manchmal mehrere dutzend Bewerbungen pro Woche und finden
dennoch keine Stelle. Anerkannte Flüchtlinge mit B oder F Ausweis sowie
vorläufig aufgenommene Geflüchtete haben es hierzulande besonders schwer
den Berufseinstieg zu finden. Und das, obwohl der Schweiz bis ins Jahr
2030 voraussichtlich über 400’000 Fachkräfte in den unterschiedlichsten
beruflichen Sparten fehlen werden.
Der Berner Verein «Netzwärk» will dies ändern. Mit seinem
Integrationsprogramm, dem sogenannten «Inclusion Program», unterstützt
der Verein die geflüchteten Menschen auf ihrem Weg in den Schweizer
Arbeitsmarkt. Dafür sucht er ständig nach potentiellen Arbeitgebern und
schaut dafür, dass die Geflüchteten optimal auf ihren Berufseinstieg
vorbereitet werden. Wie genau das Inclusion Programm funktioniert, das
erklärten Andrea Balmer und Amadeo Disasi vom Verein Netzwärk
https://rabe.ch/2020/01/14/referendum-gegen-jagdgesetz-2/
+++DEUTSCHLAND
Dürfen Städte Flüchtlingspolitik machen?
120 deutsche Städte sind inzwischen Mitglieder des
„Seebrücke“-Bündnisses. Sie streiten mit dem Innenminister um ein Recht
auf eigene Flüchtlingspolitik
https://www.tagesspiegel.de/politik/asyl-in-europa-duerfen-staedte-fluechtlingspolitik-machen/25428766.html
Syrische Flüchtlinge 99,6 Prozent machten richtige Angaben
Gab es Missbrauch bei der Einreise syrischer Flüchtlinge? Sie konnten ab
Ende 2014 mithilfe von Fragebögen schneller anerkannt werden. Fast alle
haben zu Recht Schutz gesucht, ergab eine Überprüfung.
https://www.tagesschau.de/investigativ/hsb/anfrage-syrer-frageboegen-101.html
-> https://www.zeit.de/politik/deutschland/2020-01/fluechtlinge-asylentscheidungen-bamf-migration
+++GRIECHENLAND
Vermehrte Proteste in Griechenland gegen überfüllte Flüchtlingslager
Aufgebrachte Einwohner der griechischen Inseln fordern von der Politik, die Menschen ans Festland zu bringen
https://www.derstandard.at/story/2000113278663/vermehrte-proteste-in-griechenland-gegen-ueberfuellte-fluechtlingslager?ref=rss
+++MITTELMEER
„Niemand kann den Regen aufhalten“, aber Europa gibt sich grosse Mühe
Wie griechische und türkische Behörden unter den Augen von Frontex und
NATO Push-
und Pullbacks praktizieren, um Menschen auf der Flucht nach
Europa systematisch zu hindern, Schutz zu finden. Sie gefährden damit
das Leben der Schutzsuchenden.
https://alarmphone.org/de/2020/01/10/niemand-kann-den-regen-aufhalten
+++JENISCHE/SINTI/ROMA
Transitplatz Wileroltigen: Gegner haben Oberhand
Die Tamedia-Umfrage zeigt einen Nein-Trend zum Millionenkredit für den
Bau eines Transitplatzes für ausländische Fahrende in Wileroltigen.
https://www.bernerzeitung.ch/region/kanton-bern/transitplatz-wileroltigen-gegner-haben-oberhand/story/22997378
«Allianz der Vernünftigen» wirbt für Transitplatz in Wileroltigen
Ideal gelegen und mit festen Regeln: Das Komitee für den Transitplatz Wileroltigen präsentiert seine Argumente.
https://www.derbund.ch/bern/allianz-der-vernuenftigen-wirbt-fuer-transitplatz-in-wileroltigen/story/13269730
-> https://www.bernerzeitung.ch/region/kanton-bern/allianz-der-vernuenftigen-wirbt-fuer-transitplatz-in-wileroltigen/story/28548656
-> https://www.telebaern.tv/telebaern-news/wileroltigen-sollen-auslaendische-fahrende-einen-fixen-platz-erhalten-136226990
-> https://www.telebaern.tv/talktaeglich/transitplatz-in-wileroltigen-136194925
+++FREIRÄUME
Aktivisten wollen Villen-Besitzer enteignen: «Viele Leute finden Bodums Verhalten skandalös»
Die Aktivisten lassen nicht locker: Mit einem politischen Vorstoss
fordern sie die Enteignung von Villen-Besitzer Jørgen Bodum. Das
öffentliche Interesse an den Häusern an der Obergrundstrasse
rechtfertige den extremen Schritt, begründet einer der Köpfe hinter dem
Bevölkerungsantrag.
https://www.zentralplus.ch/viele-leute-finden-bodums-verhalten-skandaloes-1695599/
-> https://resolut.noblogs.org/post/2020/01/14/mm-bodumvillen-bevoelkerungsantrag-eingereicht/
-> https://www.zentralplus.ch/jetzt-sollen-die-bodum-villen-enteignet-werden-1695519/
-> https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/luzern/bevoelkerungsantrag-eingereicht-gruppe-verlangt-enteignung-der-bodumvillen-ld.1185216
-> https://www.20min.ch/schweiz/zentralschweiz/story/Aktivisten-wollen-Villenbesitzer-enteignen-10703515
-> https://www.tele1.ch/artikel/158699/stadt-luzern-bodum-villen-sollen-enteignet-werden
—
Eskalationsgefahr bei besetzten Häuser
Wenn die Stadtpolizei Winterthur zu einem besetzten Haus ausrücken muss,
könnte das zu Ausschreitungen führen. Deshalb verzichten die Polizisten
bei kleineren Vergehen wie Ruhestörungen auf einen Einsatz. Darüber
haben sich jetzt Anwohner beschwert.
https://www.toponline.ch/news/winterthur/detail/news/eskalationsgefahr-bei-besetzten-haeuser-00127182/
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Landbote 13.01.2020
Hausbesetzung – Warum die Polizei nicht überall eingreift
Wenn in der «Gisi» am Altstadtrand laut gefeiert wird, überlegt sich die
Stadtpolizei einen Besuch zweimal. Die Gefahr von gewalttätigen
Ausschreitungen sei oft gross.
David Herter
Das Haus an der General-Guisan-Strasse 31 ist schon über 20 Jahren
besetzt. Seither hängen Fahnen an der Fassade und Leintücher mit Parolen
darauf. Die Bewohnerinnen und Bewohner solidarisieren sich mit
marxistischen Kämpfern und Flüchtlingen, aktuell wünschen sie Kurdinnen
und Kurden Frieden und Freiheit.
An das politische Engagement der Besetzerinnen und Besetzer der «Gisi»
haben sich Nachbarn und Anwohner gewöhnt. Im Alltag seien die Besetzer
unauffällig und würden zur kulturellen Vielfalt der Stadt beitragen,
schreibt eine Anwohnerin dem «Landboten». «Ab und zu aber, wenn drüben
mehrtägige Feste gefeiert werden, wünsche ich Haus samt Bewohner dahin,
wo der Pfeffer wächst.» Vor allem im Sommer, wenn die Feten auf die
Neustadtgasse übergriffen, sei an Schlaf nicht mehr zu denken.
Ungestörte Lärmer
Die Ruhestörungen der Polizei zu melden bringe gar nichts, sagt die
Anwohnerin. «Wir können nichts tun», habe der Polizist geantwortet, dem
sie nachts um 2 Uhr den Lärm aus dem Haus an der General-Guisan-Strasse
31 gemeldet habe. «Das ist ein politisches Problem», habe der Polizist
gesagt und: «Sonst kommt noch der Schwarze Block». Von denselben und
ähnlichen Antworten der Polizei hätten ihr auf Nachfrage auch andere
Anwohnerinnen und Anwohner berichtet.
Die Stadtpolizei gehe der Sache intern nach, sagt Medienchef Michael
Wirz. «Wenn ein Polizist oder eine Polizistin die Antworten tatsächlich
so gegeben habe, wäre dies nicht im Sinne der Stadtpolizei». Im
Normalfall werde eine Patrouille zu dem Ort geschickt, wo die
Ruhestörung gemeldet wurde. Diese kläre ab, welche Massnahmen angezeigt
seien. «Das kann von einem Gespräch bis zu einer Busse gehen.»
Zu wenig schwerwiegend
Bei Ruhestörungen handle es sich um ärgerliche Übertretungen, die jedoch
nicht schwer wiegen würden, sagt Wirz. Vor einem Einsatz prüfe die
Polizei deshalb sorgfältig, ob Zwangsmassnahmen verhältnismässig seien.
«Insbesondere, wenn die Stadt nach einer Intervention mit grosser
Wahrscheinlichkeit von grösseren Ausschreitungen betroffen wäre.»
Auch an der General-Guisan-Strasse 31 suche die Stadtpolizei
Ruhestörungen zu unterbinden. Müsse infolge eines Einsatzes jedoch mit
gewalttätigen Auseinandersetzungen gerechnet werden, könne die Polizei
aus Verhältnismässigkeitsgründen auf einen Einsatz aber verzichten. «Es
muss immer der Einzelfall betrachtet werden.»
Bei Verbrechen und schweren Vergehen wie Delikten gegen Leib und Leben
sei ein Einschreiten unumgänglich. Politische Weisungen vom Stadtrat an
die Polizei zum Umgang mit den Bewohnerinnen und Bewohnern der «Gisi»
gebe es keine, sagt Wirz. «Bei einer besetzten Liegenschaft handelt es
sich einerseits um eine Sache der Polizei oder um eine Sache zwischen
den Besitzern und der Polizei.» Liege ein Strafantrag der Eigentümer
vor, werde die Liegenschaft geräumt. Dies mache «gemäss Schweiz weit
bewährter Polizeipraxis» aber nur Sinn, wenn die Liegenschaft
unmittelbar nach der Räumung umgebaut oder abgebrochen werde. Sonst
werde die leer stehende Liegenschaft rasch wieder besetzt.
Die Liegenschaft an der General-Guisan-Strasse 31 gehört der von Bettina
Stefanini präsidierten Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte und
wird von der Terresta Immobilien- und Verwaltungs AG verwaltet. «Zurzeit
bestehen noch keine Pläne für bauliche Massnahmen», sagt Matthias
Meier, Leiter Kommunikation. Die Terresta sei im Sommer 2019 letztmals
über die Ruhestörungen informiert worden. «Um das Jahr 2009 gab es
bereits einmal Klagen über Ruhestörungen, seither aber nicht mehr.» Im
vergangenen September hätten Stadtpolizei, Nachbarn, Anwohner und die
Terresta AG an einem Runden Tisch Informationen ausgetauscht und die
Probleme analysiert.
Eigentümerin bedauert
Die Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte und die Terresta AG
bedauerten die von den Bewohnern der Liegenschaft an der
General-Guisan-Strasse 31 verursachte Lärmbelästigung, der die Anwohner
ausgesetzt seien, sagt Meier. «Die Eigentümerin und die von ihr mit der
Bewirtschaftung der Liegenschaft beauftragte Terresta arbeiten aktuell
gemeinsam daran, mögliche Lösungen im Hinblick auf den Umgang mit der
Liegenschaft und ihren Bewohnerinnen und Bewohnern zu entwickeln.»
Die Bewohnerinnen und Bewohner des besetzten Hauses wurden vom
«Landboten» kontaktiert. Sie haben Fragen zu den Vorwürfen der
Anwohnerin aber nicht beantwortet.
(https://www.landbote.ch/winterthur/standard/warum-die-polizei-nicht-ueberall-eingreift/story/22024643)
+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Klimaaktivisten besetzen UBS – Urteil wird weitergezogen
Nach dem Freispruch im CS-Prozess blockieren Umweltschützer die UBS in Lausanne. Die Staatsanwaltschaft zieht das Urteil weiter.
https://www.derbund.ch/wirtschaft/unternehmen-und-konjunktur/klimaaktivisten-nehmen-lausanner-ubs-in-beschlag/story/14237872
-> https://www.20min.ch/ro/news/vaud/story/Les-militants-pro-climat-visent-une-nouvelle-banque-23199921
-> https://www.blick.ch/news/schweiz/wegen-federer-aktion-bei-der-credit-suisse-zwoelf-klimaaktivisten-muessen-wieder-vor-gericht-id15702708.html?utm_source=twitter&utm_medium=social_page&utm_campaign=bli&__twitter_impression=true
-> https://www.watson.ch/!812719561
-> https://www.20min.ch/schweiz/romandie/story/12-Klimaaktivisten-vor-Gericht-freigesprochen-18954196
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/klima-aktivisten-besetzen-die-ubs-in-lausanne-65644092
-> https://www.telezueri.ch/zuerinews/klimaaktivisten-nach-tennis-partie-in-credit-suisse-freigesprochen-136227220
Rechtfertigt politischer Protest Straftaten? Wie es nach dem Freispruch der Klimaaktivisten in Lausanne weitergeht
Der Freispruch für die zwölf Klimaaktivisten in Lausanne durch das
zuständige Bezirksgericht wirft hohe Wellen. Die Rede ist von einem
historischen Urteil. Weshalb? Und wie geht es jetzt weiter?
https://www.nzz.ch/schweiz/rechtfertigt-politischer-protest-straftaten-ld.1533810
Eine Bank im Dilemma – Rendez-vous
Die Credit Suisse hatte zwölf Klimaaktivsten angezeigt, die im November
2019 eine Filiale der CS besetzt hatten. Das Bezirksgericht hat die
Besetzer nun freigesprochen. Soll die Bank das Urteil anfechten? Frage
an Jörg Gasser, Geschäftsleiter der Schweizerischen Bankiervereinigung.
https://www.srf.ch/play/radio/rendez-vous/audio/eine-bank-im-dilemma?id=45a2f3ac-108d-47b3-ad1f-cdd3c305057f
-> https://www.derstandard.at/story/2000113301254/gericht-klimanotstand-rechtfertigt-zivilen-ungehorsam?ref=rss
-> https://www.nzz.ch/schweiz/cs-klimaaktivisten-gerichtsurteil-experten-verstaendnislos-ld.1533930
-> https://www.nzz.ch/meinung/freispruch-der-klima-tennisspieler-richter-im-aktivistenmodus-ld.1534018
—
tagesanzeiger.ch 14.01.2020
«Im Kalten Krieg hätte ein Richter die Aktivisten wohl verurteilt»
Ist der Freispruch für die Lausanner Klimaaktivisten politisch
motiviert? Der ehemalige Bundesrichter Niklaus Oberholzer über das
umstrittene Urteil.
Philippe Reichen
Herr Oberholzer, Lausanner Klimaaktivisten demonstrierten 2018 im
Vorraum einer Bankfiliale. Die Staatsanwaltschaft sah darin einen
Hausfriedensbruch. Einzelrichter Philippe Colelough hat sie am Montag
vom Vorwurf freigesprochen, weil er in der Klimakrise einen
«rechtfertigenden Notstand» sieht. Können Sie seinen Entscheid
nachvollziehen?
Ohne weiteres. Die Begründung leuchtet ein. Der Entscheid ist aber kein Freipass für irgendwelche Aktionen.
Doch er weckt Emotionen. Von einem rein politischen Entscheid ist die Rede.
Rein politische Entscheide wurden zu Stalins Zeit in sogenannten
verkleideten Strafprozessen, also Schauprozessen, gefällt. Der
Freispruch der Lausanner Klimaaktivisten halte ich juristisch für
sorgfältig begründet. Aber natürlich hat das Strafrecht an sich immer
eine politische Komponente. Wofür wir bestraft werden, ist auch eine
politische Frage. Ereignisse werden zu unterschiedlichen Zeiten anders
beurteilt. In Zeiten des Kalten Kriegs hätte ein Richter die
Klimaaktivisten wohl verurteilt.
Was ist ein «rechtfertigender Notstand»?
Es geht darum, dass jemand sein eigenes Rechtsgut oder das Gut eines
anderen rettet, weil eine unmittelbare, nicht anders abwendbare Gefahr
droht oder höhere Interessen gewahrt werden können. Das kann bei einer
Ehefrau der Fall sein, die ihren schwer verletzten Ehemann mit
übersetzter Geschwindigkeit ins Spital fährt und dabei Rotlichter
überfährt.
Wie beurteilt das Bundesgericht in seiner Rechtsprechung den Notstand?
Zurückhaltend. Ende der 1990er-Jahre blockierten Greenpeace-Aktivisten
während elf Tagen die Zufahrt und die Werkgleise zu den Atomkraftwerken
in Gösgen, Leibstadt und Beznau. Die Aktivisten benützten technische
Hilfsmittel und blieben elf Tage lang. Das Bundesgericht sah in diesem
Fall keinen Rechtfertigungsgrund. Anders als im Fall von Studenten, die
vor einer Fakultätssitzung ein Sitzungszimmer blockierten. Der Streik
dauerte fünf bis zehn Minuten. Die Hochschule verklagte die Studenten
wegen Nötigung, doch das Gericht schützte die Klage nicht. Das
Bundesgericht verfolgt im Fall des rechtfertigenden Notstands nicht
immer eine ganz klare Linie.
Halten Sie den Entscheid von Richter Coleloughs für mutig?
Ja. Dabei halte ich es aber mit dem verstorbenen Zürcher
Strafrechtsprofessor Peter Noll, der kritisch anmerkte: «Schon braucht
es offenbar wieder Mut, ein guter Richter zu sein.» Ein Richter muss
eine sachgerechte Lösung finden und nicht seinen Entscheid danach
ausrichten, was der Öffentlichkeit gefällt.
Die Anwälte der Aktivisten sprechen gar von einem historischen Urteil.
Es ist sicher ein Urteil, das aufhorchen lässt und aus verständlichen
Gründen Anlass zu Diskussionen gibt. Es ist aber die Aufgabe der
Rechtsprechung, auf veränderte Situationen zu reagieren und sich einem
Wandel anzupassen.
Sie meinen den Klimawandel.
Im vorliegenden Fall, ja. Aber das gilt auch für das Ehe-, Familien- und
Kinderrecht. Ich erinnere mich an den Moment, als die St. Galler Justiz
das Konkubinatsverbot kippte, obschon das Verbot noch im Gesetz war.
Stellen wir uns vor, rechte Aktivisten würden aus Protest gegen das
Schweizer Engagement gegen die Flüchtlingskrise ins Staatssekretariat
für Migration ziehen und Bratwürste braten. Liesse sich dies in der
Logik des Lausanner Entscheids ebenfalls mit einem Notstand
rechtfertigen?
Mit dem wochenlangen Geruch nach Bratwürsten in einem Verwaltungsgebäude
würde dann wohl selbst einem St. Galler etwas gar viel zugemutet. Aber
ich gebe Ihnen recht, wenn Sie nach dem Lausanner Urteil fragen: Darf
nun jeder sein Recht in die eigenen Hände nehmen?
Darf er?
Nein. Zu berücksichtigen bleibt aber, dass in der CS in Lausanne die
Klimaaktivisten friedlich protestiert, keine Gewalt angewendet und von
selbst Mediatoren eingesetzt und sich nur für relativ kurze Zeit in
einem Vorraum der Bank aufgehalten haben. Es hätte wohl weniger
Diskussionen gegeben, wenn sie draussen demonstriert hätten. Urteile
hängen immer von den ganz spezifischen Umständen und auch von der
Wertung der einzelnen Richter ab. Ein anderer Richter hätte vielleicht
anders entschieden.
Richter Colelough sass 11 Aktivisten und 13 Anwälten gegenüber. Die
Staatsanwaltschaft war ebenso abwesend wie die Credit Suisse als
Klägerin. Hat die Kulisse den Richter zu sehr beeindruckt?
Das kann ich nicht sagen. Druck auf den Richter entsteht in einem
Prozess immer. Er muss in der Lage sein, ihm zu widerstehen und eine
Güterabwägung treffen.
Die Generalstaatsanwaltschaft rekurriert gegen das Urteil, was ist Ihre Prognose?
Eine Prognose zu stellen, bringt nichts. Die Hauptfrage wird sein: Was
lässt ein Richter bei den aktuellen gesellschaftspolitischen
Entwicklungen zu und was nicht? Besteht beim Klimawandel eine konkrete
Gefahr für den einzelnen Menschen? Ist er eine kollektive Gefahr? Man
darf gespannt sein.
–
Zur Person
Der langjährige St. Galler Kantonsrichter Niklaus Oberholzer trat Ende
2019 als Bundesrichter zurück. Der 66-jährige Strafrechtsspezialist ist
Mitglied der SP. Er präsidierte bis 2018 die Aufsichtsbehörden über die
Bundesanwaltschaft (AB-BA). (phr)
(https://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/im-kalten-krieg-haette-ein-richter-die-aktivisten-wohl-verurteilt/story/13050425)
—
tagesanzeiger.ch 14.01.2020
Zürcher Anarchist muss dreieinhalb Jahre ins Gefängnis
Er verübte zwei Brandanschläge in Zürich und Hinwil. Nun wurde der 31-Jährige verurteilt – und in einem Punkt freigesprochen.
Patrice Siegrist
Seine Zeit hinter Gittern geht weiter. Das Bezirksgericht Hinwil hat
einen 31-jährigen Zürcher zu einer dreieinhalbjährigen Freiheitsstrafe
verurteilt – wegen mehrfacher Brandstiftung, mehrfachen
Hausfriedensbruchs und Sachbeschädigung. Zudem verpflichtet ihn das
Gericht, Schadenersatz von knapp 230’000 Franken zu leisten.
Der Mann verübte in Hinwil und in Zürich Brandanschläge. In Hinwil hat
er sich mit einem Seitenschneider Zugang auf das abgesperrte
Militärgelände verschafft und mithilfe von Benzin dicht an dicht
stehende Militärfahrzeuge in Brand gesetzt. Ein Sachschaden von rund
150’000 Franken entstand, 23 Militärfahrzeuge wurden beschädigt.
Ganz ähnlich ging der Mann in Zürich vor. Auch dort verschaffte er sich
Zugang zum Funkturm, setzte diesen in Brand und verursachte damit einen
Sachschaden von rund 55’000 Franken.
DNA an beiden Orten
Das Gericht entschied entgegen der Forderung des Staatsanwalts, der die
Brandanschläge auch als schwere Sachbeschädigung zur Anklage brachte.
Dieses Vorgehen der Staatsanwaltschaft bezeichnete der Verteidiger
bereits am Prozess als fragwürdig, weil Brandstiftung die schwere
Sachbeschädigung impliziere, sagte er.
Zum Verhängnis wurden dem 31-Jährigen seine DNA-Spuren, die er an beiden
Tatorten hinterliess. In Hinwil fanden die Ermittler Spuren am
Maschendrahtzaun, in Zürich an Handschuhen, Schutzbekleidung und anderen
Gegenständen, die er dort zurückgelassen hatte. Zurückgelassen wurden
diese, weil er und sein Komplize den Tatort laut Staatsanwaltschaft
fluchtartig verlassen mussten.
Freispruch gefordert
An der Gerichtsverhandlung Mitte Dezember beschrieb der Staatsanwalt den
31-Jährigen als einen gewaltbereiten und professionell agierenden
Anarchisten. Der Mann selbst beantwortete vor Gericht keine Fragen. Sein
Verteidiger plädierte auf Freispruch. Die DNA-Spuren seien einzig
Indizien, keine Beweise. Alles sei möglich, sagte er. Wie die DNA des
Zürchers auch an den Tatort hätte gelangen können, schilderte der Mann
in einer schriftlichen Stellungnahme an das Gericht selbst. Kurz vor dem
Prozess widerrief er diese allerdings.
Was war passiert? Weil er die Stellungnahme an das Gericht verfasst
hatte, beendeten politisch Gleichgesinnte alle Solidaritätsaktionen. Die
vermeintliche Kooperation mit den Behörden kam bei den Autonomen
schlecht an. Er lenke damit den Verdacht auf andere und verrate die
politischen Ziele, wie sie auf einer einschlägigen Website bekannt
gaben. Zuvor protestierten Anarchisten sogar in Griechenland für den
Zürcher. An den Prozess nach Hinwil kam schliesslich nur eine Handvoll
Unterstützer, dafür wimmelte es von Polizisten, die wohl mehr autonome
Besucherinnen und Besucher befürchteten.
Fluchtgefahr bestätigt
Dass die Ermittler den 31-Jährigen überhaupt mit den Brandanschlägen in
Verbindung bringen konnten, verdanken sie seinen DNA-Spuren in einem
ganz anderen Zusammenhang. Der Mann war in einer anarchistischen
Bibliothek tätig. Dort soll er Plakate, die zu Gewalt aufriefen,
aufgehängt oder zumindest geduldet haben. Die Behörden stellten dabei
seine DNA sicher, die mit jener bei den Brandanschlägen übereinstimmte.
Allerdings fanden sie keine DNA auf den fragwürdigen Plakaten. Der
mehrfachen öffentlichen Aufforderung zu Verbrechen oder Gewalttätigkeit
wurde der 31-Jährige nun vom Gericht freigesprochen.
Das Gericht verfügte aber, dass der Mann wegen Fluchtgefahr weiterhin in
Sicherheitshaft bleiben wird. Dort sitzt er bereits seit knapp einem
Jahr.
–
Anzeige gegen Staatsanwaltschaft
Verteidiger Viktor Györffy hat gegen den Staatsanwalt Strafanzeige wegen
Amtsmissbrauch und allfälliger weiterer Delikte eingereicht. Er wirft
ihm vor, in der Schlussbefragung seines Mandanten Informationen
verwendet zu haben, die er nicht hätte verwenden dürfen. Diese gingen
einzig aus Dokumenten hervor, die zwar bei der Hausdurchsuchung des
Beschuldigten sichergestellt wurden, aber zum Zeitpunkt der Befragung
noch versiegelt waren, lautet seine Begründung. (sip)
(https://www.tagesanzeiger.ch/zuerich/region/dreieinhalb-jahre-knast-fuer-zuercher-anarchisten/story/30776490)
—
Linksextremer Brandstifter muss hinter Gitter
Wegen zweier Anschläge auf den Armeemotorpark Hinwil und eine
Notfunkanlage der Zürcher Polizei ist ein junger Schweizer zu einer
Freiheitsstrafe von 42 Monaten verurteilt worden.
https://www.nzz.ch/zuerich/bezirksgericht-hinwil-linksextremer-brandstifter-verurteilt-ld.1533977
Linksradikaler Brandstifter muss ins Gefängnis
Das Bezirksgericht Hinwil hat einen Zürcher Linksradikalen zu drei
Jahren und sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Er hatte mehrere
Armeefahrzeuge sowie eine Funkstation der Stadtpolizei Zürich in Brand
gesteckt.
https://www.toponline.ch/news/zuerich/detail/news/linksradikaler-brandstifter-muss-ins-gefaengnis-00127193/
+++WEF
Das reiche WEF wälzt Kosten für die Sicherheit auf Bund und Kantone ab – das stösst auf Kritik
Für die Sicherheit am WEF müssen auch die Kantone geradestehen. Transparenz zu den Kosten gibt es aber nicht.
https://www.aargauerzeitung.ch/schweiz/das-reiche-wef-waelzt-kosten-fuer-die-sicherheit-auf-bund-und-kantone-ab-das-stoesst-auf-kritik-136222933
WEF-Gegner: «Winterwanderung für Klimagerechtigkeit» sorgt für Wirbel – auch Greta trägt wohl dazu bei
Noch ist unklar, ob die Bündner Behörden grünes Licht zur Wanderung
geben. Knackpunkt ist die dritte Etappe von Klosters nach Davos.
https://www.aargauerzeitung.ch/schweiz/wef-gegner-winterwanderung-fuer-klimagerechtigkeit-sorgt-fuer-wirbel-auch-greta-traegt-wohl-dazu-bei-136221854
BLICK enthüllt WEF-Pläne des US-Präsidenten: Trump hält in Davos Eröffnungsrede
Beim Weltwirtschaftsforum in Davos wird der US-Präsident gleich zu
Beginn sprechen. Trump will auf dem WEF «seine Vision für die Welt und
die USA» teilen.
https://www.blick.ch/news/ausland/blick-enthuellt-wef-plaene-des-us-praesidenten-trump-haelt-in-davos-eroeffnungsrede-am-wef-id15703065.html
-> https://www.20min.ch/finance/news/story/Das-sind-die-Gaeste-am-WEF-2020-24031002
+++ANTITERRORSTAAT
Drastische Gesetze für den Anti-Terrorkampf
Die geplanten drastischen Anti-Terrorgesetze, die der Polizei in der
Schweiz weitreichende Befugnisse einräumen, um «potentielle
terroristische Straftäter», einschliesslich Kinder im Alter von nur 12
Jahren, ins Visier zu nehmen, müssen zurückgewiesen werden, forderte
Amnesty International.
https://www.amnesty.ch/de/laender/europa-zentralasien/schweiz/dok/2020/drastische-gesetze-fuer-den-anti-terrorkampf
-> https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/amnesty-warnt-vor-drastischem-anti-terrorkampf-65643765
+++ANTIRA
Anti-Rassismus-Strafnorm – Nur rund 900 Fälle innert 25 Jahren
Die Anti-Rassismus-Strafnorm wird nicht oft angewendet. Sie hat vor allem eine wichtige Signalfunktion.
https://www.srf.ch/news/schweiz/anti-rassismus-strafnorm-nur-rund-900-faelle-innert-25-jahren
+++HOMOHASS
Studie zeigt: So verbreitet ist Homophobie in der Schweiz wirklich
Eine neue Erhebung zeigt: Homophobie ist in der Schweiz bis heute
verbreitet. Die Lesbenorganisation LOS fordert nun eine Veränderung in
den Klassenzimmern – und dass Homosexualität dort nicht mehr als etwas
Aussergewöhnliches präsentiert wird.
https://www.watson.ch/schweiz/gesellschaft%20&%20politik/778948191-studie-jeder-zehnte-schweizer-findet-homosexualitaet-sei-unmoralisch
Jungparteien setzen sich für besseren Schutz von Homosexuellen ein
Die Junge SVP bekämpfte den Schutz für Homo- und Bisexuelle mit einem
Referendum. Nun treten ihr die übrigen Jungparteien geschlossen
entgegen.
https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/jungparteien-setzen-sich-fur-besseren-schutz-von-homosexuellen-ein-65643817
Antirassismus-Strafnorm – Brandstifter verdienen einen Maulkorb
Am 9. Februar 2020 wird über die Erweiterung der Antirassismus-Strafnorm
auf Hassreden gegen Personen aufgrund ihrer gleichgeschlechtlichen
Veranlagung abgestimmt. Die Gegner befürchten eine übermässige
Einschränkung der Meinungsäusserungsfreiheit und die Einräumung von
Sonderrechten.
https://www.nzz.ch/meinung/antirassismus-strafnorm-brandstifter-verdienen-einen-maulkorb-ld.1532365
+++RECHTSEXTREMISMUS
«Keine Einigung gefunden» – die SVP Rheintal schliesst den Nazi-Sympathisanten Marcel Toeltl aus der Partei aus
Der Vorstand der SVP Rheintal hat an einer ausserordentlichen Sitzung
Kantonsratskandidat Marcel Toeltl aus St.Margrethen wegen «Verstössen
gegen die Interessen der SVP» ausgeschlossen. Vor dem Ausschluss wurde
Toeltl vom Vorstand angehört, in einer Aussprache wurde eine Einigung
gesucht – vergeblich.
https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/die-svp-rheintal-schliesst-den-nazi-sympathisanten-aus-der-partei-marcel-toeltl-aus-ld.1184944
-> https://www.blick.ch/news/politik/svp-kantonalpraesident-hatte-druck-gemacht-svp-schliesst-nazi-sympathisant-toeltl-aus-partei-aus-id15703039.html
-> https://www.20min.ch/schweiz/ostschweiz/story/SVP-schliesst-Nazi-Sympathisanten-aus–20394465
-> https://www.nzz.ch/schweiz/rheintaler-svp-schliesst-nazi-sympathisanten-aus-partei-aus-ld.1533991
+++VERSCHWÖRUNGSWAHN
Wie Verschwörungstheoretiker ticken: Umzingelt von Psychopathen
Lange dachte ich, Verschwörungstheoretiker seien einsame Menschen, die
zu wenig Aufmerksamkeit erhalten, oder Spinner, die nichts Besseres zu
tun haben. Völlig falsch.
https://www.higgs.ch/umzingelt-von-psychopathen/28188/
+++SOZIALES
Bundesgericht weist Beschwerde gegen eine Verschärfung des Zürcher Sozialhilfegesetzes ab
Der Zürcher Kantonsrat verschärfte vor mehr als einem Jahr das
Sozialhilfegesetz. Gegen Verfügungen des Sozialamts können
Sozialhilfebezüger weniger leicht rekurrieren. Das Bundesgericht hat nun
eine Beschwerde gegen diese Änderung abgewiesen.
https://www.nzz.ch/zuerich/bundesgericht-weist-beschwerde-gegen-eine-verschaerfung-des-zuercher-sozialhilfegesetzes-ab-ld.1533858?mktcid=smsh&mktcval=Twitter
-> Medienmitteilung Bundesgericht: https://www.bger.ch/files/live/sites/bger/files/pdf/de/8C_152_2019_yyyy_mm_dd_T_d_12_28_03.pdf
-> https://www.blick.ch/news/politik/bundesgericht-gibt-gruenes-licht-zuerich-darf-die-sozialhilfe-schraube-anziehen-id15702422.html
-> https://www.srf.ch/news/regional/zuerich-schaffhausen/umstrittene-aenderung-wie-duerfen-sich-sozialhilfebezueger-gegen-auflagen-wehren
-> https://www.tagesanzeiger.ch/zuerich/region/beschwerderecht-fuer-sozialhilfebezueger-wird-eingeschraenkt/story/28199364
+++HISTORY
Krankenmorde: Ausgewiesen, vergast, vergessen
Die Nationalsozialisten ermordeten mehr als 200’000 psychisch Kranke und Behinderte – darunter auch Menschen aus der Schweiz.
https://www.beobachter.ch/gesellschaft/krankenmorde-ausgewiesen-vergast-vergessen
+++BIG BROTHER
bernerzeitung.ch 17.01.2020
Die Migros schaut beim Stehlen zu
Eine junge Bernerin schmuggelt regelmässig Lebensmittel an
Self-Checkout-Kassen vorbei – dann schlägt die Polizei zu. Die Migros
setzt künftig auf mehr Überwachung.
Jessica King
Der Anruf kommt Mitte November von einer unbekannten Nummer. Ein Mann
mit tiefer Stimme spricht auf die Combox: Da ist die Kantonspolizei
Bern. Bitte zurückrufen.
Die 16-jährige Anna M.* tut dies in ihrer Mittagspause. Sie müsse zur
Einvernahme auf den Polizeiposten, sagt der Mann, die Mutter habe man
schon angerufen. Es gehe um Diebstahl. Die Woche bis zum Termin kann
Anna M. kaum essen, so nervös ist sie. Am Tag der Einvernahme informiert
sie ihren Lehrmeister, dass sie einen Arzttermin habe.
Der Polizist befragt sie über eine Stunde lang. Verschiedene Diebstähle
werden ihr angelastet, begangen zwischen Februar und August 2019, alle
in der Migros, darunter auch in der Filiale am Bahnhof Bern. Kaugummis
hat sie mitgehen lassen, aber auch andere Lebensmittel.
Insgesamt hat sie Waren im Wert von 285 Franken gestohlen. «Die
Beschuldigte erfasste an den Subito-Zahlterminals die Einkäufe und
stornierte anschliessend einzelne oder mehrere Produkte wieder», steht
in der erkennungsdienstlichen Erfassung durch die Polizei. «22
Vorfälle.» Fünf der Diebstähle sind gefilmt worden.
Fingerabdrücke und Fotos
Anna M. gibt die Diebstähle sofort zu, auch wenn sie nicht mehr genau
weiss, ob jedes der Daten stimmt. «Abstreiten wäre falsch gewesen», sagt
sie. Sie unterschreibt jedes Blatt des Befragungsprotokolls, auch
Stillaufnahmen der Videos von den Überwachungskameras. Nachher wird sie
ins Regionalgefängnis Bern geschickt, wo Beamte ihre Fingerabdrücke
abnehmen und sie fotografieren.
Von vorne, von der Seite. Die Ohren müsse man sehen, sagt der Beamte.
Dann zu ihr: Jetzt bist du also im Strafregister. «Das Ganze ist mir so
eingefahren», sagt Anna M. «Ich dachte, auf diesem Stuhl ist vielleicht
schon ein Mörder gesessen.»
Die 16-Jährige ringt um Worte, wenn sie die Diebstähle zu erklären
versucht. «Ich habe mir ehrlich gesagt sehr wenig dabei überlegt.»
Geldsorgen habe sie keine – der Lehrlingslohn sei nicht gross, aber
genügend. In ihrem Freundeskreis gebe es auch andere, die mal was
mitgehen liessen. Es sei einfach, fügt sie hinzu. «Mir war nicht
bewusst, was meine Handlungen für eine Tragweite haben könnten. Dass ich
mich so sehr strafbar mache.»
Der Konsumentenschutz begrüsst auf Anfrage, dass Diebstahl an
Self-Checkout-Kassen in gleichem Mass geahndet wird wie Diebstahl im
Laden. Teilweise erhalte man bei solchen Kassen erst eine Verwarnung,
weil nicht sofort von einem Diebstahl ausgegangen werden könne, sagt
Konsumentenschützerin Sara Stalder. Wer an den normalen Kassen klaue,
werde hingegen sofort belangt. «Das ist Willkür, denn überall sollten
die gleichen Massstäbe benutzt werden – auch wenn das Self-Checkout so
unattraktiver wird, was die Detailhändler natürlich vermeiden möchten.»
Laut den Aussagen von Anna M. war sie vor dem Anruf der Polizei nie
verwarnt worden. Ob das stimmt, sagt die Migros nicht: Auf Anfrage will
eine Mediensprecherin zum Fall nicht öffentlich Stellung nehmen. Falls
tatsächlich zugewartet worden sei, bis sich die 22 Diebstähle angehäuft
hätten, wäre das höchst unüblich, sagt Sara Stalder. «Das wäre quasi
Bespitzelung.» Als Kunde brauche man Klarheit. «Sobald ein Detailhändler
sicher weiss, dass ein Diebstahl vorliegt, müsste er den Kunden
verwarnen.»
Angehäufte Delikte
Solche Klagen mit gesammelten Delikten seien selten, sagt Ramona Mock,
Mediensprecherin der Kantonspolizei Bern. Es könne aber vorkommen, dass
es zunächst unklar sei, wer der Täter oder die Täterin sei. «Bis zu drei
Monate nach Bekanntwerden der Täterschaft darf man Anzeige erstatten»,
sagt Mock. «Und in einem solchen Fall darf man auch vorherige Delikte
anzeigen.»
Noch steht der Entscheid der Jugendanwaltschaft bezüglich Strafe für
Anna M. aus. Bisher hat sie eine Busse von 500 Franken bezahlt und ein
fünfjähriges Ladenverbot erhalten. Nicht nur für alle Migros der
Schweiz, sondern auch für alle anderen Unternehmen, die der Migros
gehören. Also SportXX, Melectronics oder Hotelplan. Selbst das Westside
darf sie nicht betreten.
Seit der Einführung von Self-Checkout-Kassen soll es laut Migros nicht
mehr Diebstähle geben. Eine repräsentative Studie des
Internetvergleichsdienstes Moneyland bei 1500 Personen in der Deutsch-
und der Westschweiz hat 2019 das Diebstahlverhalten von Erwachsenen
untersucht. Acht Prozent der Befragten gaben dabei an, schon einmal am
Self-Checkout absichtlich nicht bezahlt zu haben. Ein Prozent sogar oft
nicht.
Künstliche Intelligenz
Zurzeit investiert die Migros in neue Technologien, um besser gegen
Langfinger vorzugehen. Seit 2019 werden in einer Filiale im Kanton
Zürich neue intelligente Kameras getestet. Bisher muss ein
Filialdetektiv nach der Ergreifung eines Diebes stundenlang
Videomaterial durchforsten, um die Bilder von Diebstählen zu finden.
Wie vermutlich im Fall von Anna M. Die neue Software hingegen soll
potenzielle Diebe anhand von Merkmalen wie Haarfarbe, Körpergrösse oder
Kleidung erkennen. So können Personen innert dreissig Minuten gefunden
werden. Die Idee sei, so eine Mediensprecherin der Migros, der Polizei
gerichtsfestes Videomaterial aushändigen zu können.
Damit folgt die Migros einem Trend in Richtung Überwachung. In
Supermärkten von Walmart in den USA analysiert etwa bereits jetzt eine
künstliche Intelligenz Bilder in Echtzeit, um Fehler am Self-Checkout
sofort zu erkennen. Bewegt ein Kunde ein Stück Fleisch am Scanner
vorbei, ohne dass es registriert wird, informiert das System einen
Angestellten, der dann interveniert.
«Wir stellen fest, dass je länger, je mehr überwacht wird», sagt Beat
Rudin, Präsident der Konferenz der schweizerischen
Datenschutzbeauftragten. Die Verhältnismässigkeit hänge dabei mit der
konkreten Ausgestaltung des Systems zusammen. Das Risiko einer
Persönlichkeitsverletzung sei mit einer automatisierten
Gesichtserkennung grösser: «Je nachdem können die Überwacher mehr über
die Person herausfinden. Viel mehr.»
*Name geändert
(https://www.bernerzeitung.ch/region/bern/die-migros-schaut-beim-stehlen-zu/story/28181296)
+++KRIEG & LEICHEN
derbund.ch 14.01.2020
Saudis schützen sich im Jemen-Krieg mit Schweizer Waffen
Schweizer Kanonen spielen für Saudiarabien eine viel wichtigere Rolle im
Konflikt als bisher bekannt. Das beweisen Satellitenbilder.
Fabian Fellmann
Waffen aus der Schweiz haben im Jemen-Krieg eine viel wichtigere Rolle
gespielt, als bisher bekannt. Das haben mehrere Sachverständige
nachgewiesen, gestützt auf öffentlich zugängliche Satellitenbilder.
Demnach hat Saudiarabien mit Flugabwehrkanonen aus der Schweiz das
Ölfeld Abqaiq zu schützen versucht. Dieses griffen jemenitische
Huthi-Rebellen am 14. September 2019 mit Drohnen an.
Es war ein spektakulärer Überfall. Die Drohnen blieben bis kurz vor dem
Ziel unter dem saudischen Radar. Den Angreifern gelang es, die
weltgrösste Ölförderfabrik in Abqaiq in Brand zu stecken und teilweise
zu zerstören. Die Hälfte der saudischen Ölproduktion blieb für mehrere
Wochen unterbrochen, der Ölpreis schnellte vorübergehend um rekordhohe
20 Prozent nach oben.
Gemäss der Einschätzung zahlreicher westlicher Staaten erhielten die
Huthi dabei Unterstützung aus dem Iran. Zahlreiche Drohnen kamen nach
saudischen Angaben nicht aus Süden, also dem Jemen, angeflogen, sondern
aus Norden und Osten, wo der schiitisch dominierte Südirak und der Iran
liegen.
Drei Schweizer Kanonen beim Ölfeld
Für Saudiarabien ist es vital, solche Angriffe zu verhindern – und dabei
kommt Schweizer Waffen eine entscheidende Funktion zu.
US-Sicherheitsforscher Michael Duitsman von der Universität Monterey in
Kalifornien zeigte bereits im September auf Satellitenbildern, dass vor
dem Angriff mindestens drei Skyguard-Systeme rund um Abqaiq stationiert
waren, möglicherweise auch ein viertes. Nach der Drohnenattacke
beliessen die Saudis nur noch einen der Himmelswächter bei dem Ölfeld.
Zum gleichen Schluss kommt Jeremy Binnie, zuständig für den Nahen Osten
bei der renommierten amerikanischen Verteidigungspublikation «Jane’s
Defense». Auch er stützt sich «auf öffentlich zugängliche
Satellitenbilder, auf denen eine besetzte Position sichtbar ist», wie er
sagt: Mindestens ein Skyguard-System war demnach beim Ölfeld Abqaiq im
Einsatz.
In der Schweiz hat die Öffentlichkeit diese Informationen bisher nicht
zur Kenntnis genommen. Das US-Medium CNN hat über die saudische
Luftabwehr bereits im September detailliert berichtet, allerdings
schrieb es den Skyguards deutsche Herkunft zu. Das stimmt zwar insofern,
als der deutsche Rüstungskonzern Rheinmetall als Lieferant fungiert.
Die Geschütze bestehen jedoch aus mehreren Komponenten, üblicherweise
einem Leitradar und mindestens einer Zwillingskanone. Das System stammt
von Oerlikon Contraves, die Kanonen fertigt die Zürcher
Rheinmetall-Tochter gemäss Website ausschliesslich in der Schweiz.
Armeegegner üben Kritik
Für Lewin Lempert, Sekretär der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee
(GSoA), zeigt der Fall, dass die Schweizer Exportpolitik gegenüber
Saudiarabien widersprüchlich ist. Der Bund hat zwar seit Beginn des
Jemen-Konflikts Lieferungen untersagt, wenn Gefahr droht, dass die
Waffen für Menschenrechtsverletzungen oder im Jemen-Konflikt zum Einsatz
kommen. Seither haben Schweizer Unternehmen kaum noch Kriegsmaterial in
die Golfmonarchie verkauft.
Eine Ausnahme macht der Bundesrat aber bei Ersatzteilen für
Flugabwehrsysteme, welche die Saudis bereits ab den 80er-Jahren in
mehreren Tranchen in der Schweiz beschafft hatten. Die Ausfuhr der
Kanonenteile wird üblicherweise bewilligt, einzig nach der Ermordung des
saudischen Journalisten Jamal Kashoggi verhängte die Schweiz eine
vorübergehende Blockade.
Öffentlich reagierten die Saudis darauf kaum, doch hinter den Kulissen
intervenierten sie auf allen Kanälen beim Bund. Dieser Protest wird nun
erst richtig verständlich, indem die Bedeutung der Schweizer Geschütze
für die saudische Luftabwehr im Jemen-Konflikt klar wird.
Rheinmetall weist Kritik zurück
Nach monatelangen Diskussionen mit den Saudis hob der Bundesrat die
Ausfuhrblockade im Juli wieder auf. Die genauen Zahlen über die
letztjährigen Exporte nach Saudiarabien veröffentlicht der Bund erst im
März. 2019 Jahr seien aber verschiedene Gesuche für die Ausfuhr solcher
Ersatzteile bewilligt und diese in der Folge auch ausgeführt worden,
hält ein Sprecher des zuständigen Staatssekretariats für Wirtschaft
fest. «Es handelt sich dabei um Waffensysteme defensiver Natur, die sich
nicht zur Verübung von Menschenrechtsverletzungen eignen.»
Oliver Hoffmann, Sprecher von Rheinmetall, will zur konkreten
Geschäftsbeziehung mit Saudiarabien keine Angaben machen, verweist aber
ebenfalls auf die Verteidigungsfunktion der Luftabwehrwaffen aus der
Schweiz. «Unsere Flugabwehrsysteme sind rein defensiver Natur und dienen
in vielen Ländern der Welt zum Schutz militärischer oder ziviler
Objekte vor Angriffen und Bedrohungen», sagt er. «Im Übrigen halten wir
die Argumentation, wonach der Schutz kritischer Infrastruktur im eigenen
Land einen Waffeneinsatz in einem Konfliktgebiet anderswo darstellen
soll, für nicht nachvollziehbar.»
FDP-Sicherheitspolitiker Josef Dittli stärkt Rheinmetall den Rücken.
«Saudiarabien war legal im Besitz dieser Waffen. Dann hat es gemäss
Völkerrecht auch das Recht, sich damit gegen Angriffe zu verteidigen»,
sagt der Ständerat. «Ich sehe überhaupt kein Problem darin, dass
Saudiarabien die Kanonen zum Schutz seiner Ölfelder einsetzt.»
Argumente für Abstimmungskampf
Aus rechtlicher Sicht trifft es zu, dass die Schweizer Kanonen nicht
direkt im Jemen-Konflikt im Einsatz standen – weil sie in Saudiarabien
und nicht im Jemen stationiert waren. Waffenexportkritiker Lewin Lempert
hält entgegen, die Unterscheidung zwischen Angriffs- und
Verteidigungswaffen sei künstlich. «Saudiarabien könnte im Krieg im
Jemen nicht so offensiv vorgehen, wenn es seine Ölfelder und andere
Infrastruktur nicht mit Schweizer Kanonen schützen könnte», sagt er.
Zudem sei nicht ausgeschlossen, dass die Saudis die mobilen
Flugabwehrkanonen auf jemenitisches Territorium verschieben, um die
Stellungen ihrer Truppen dort zu sichern. Hinweise darauf haben die
Forscher auf Satellitenbildern bisher jedoch nicht gefunden. Die Kanonen
werden in der Regel stationär verwendet, lassen sich dank ihrer vier
Räder aber rasch verschieben.
Die Schweizer Kanonen am saudischen Ölfeld sind für Lempert ein
willkommenes Argument für die Korrekturinitiative. «Die
Korrekturinitiative würde endlich Kriegsmaterialexporte ohne Ausnahme
verbieten, wenn das Empfängerland die Menschenrechte verletzt oder in
einen bewaffneten Konflikt verwickelt ist», sagt Lempert. Zudem müssten
die genauen Exportkriterien in Zukunft nicht mehr auf Verordnungs-,
sondern auf Gesetzesstufe geregelt werden. Dies würde dem Parlament das
Mitentscheiden ermöglichen. Wenn ein Referendum ergriffen würde, könnten
darüber sogar die Stimmbürger befinden.
Zeichen stehen auf Verschärfung
Der Bundesrat hat im Dezember entschieden, die Initiative abzulehnen,
als indirekten Gegenvorschlag aber ein strengeres Kontrollregime
auszuarbeiten. In beiden Varianten des Gegenvorschlags würden die
Exportkriterien verschärft und auf Gesetzesstufe verankert. Mit der
einen Option erhielte der Bundesrat aber die Befugnis, eine
Ausnahmeklausel anzurufen. Zudem würde die heutige Bestimmung
beibehalten, dass ein Export möglich wäre, wenn ein geringes Risiko
bestünde, dass mit dem Kriegsmaterial schwerwiegende
Menschenrechtsverletzungen begangen würden.
In der strengeren Fassung hingegen wären diese beiden Ausnahmen nicht
möglich, gleich wie bei der Initiative. Ende März soll der Entwurf
vorliegen, erst nach der Vernehmlassung ist dann das Parlament an der
Reihe. Eine allfällige Abstimmung über die Initiative ist damit
frühestens 2021 zu erwarten.
Im Abstimmungskampf werden die Initianten der Korrekturinitiative auf
eine lange Liste von Ungereimtheiten mit Schweizer
Kriegsmaterialexporten hinweisen. Auch im Jemen-Konflikt sind schon
früher Schweizer Waffen aufgetaucht. Saudische Soldaten schossen Ende
2017 in der Provinz Jazan im Nordwesten Jemens Fotos, auf denen sie mit
SIG-Sturmgewehren posieren, wie der «Blick» berichtete. Wie die Waffen
dorthin gelangten, ist unklar. Im Jahr 2006 wurden zuletzt 106 dieser
Gewehre an die saudische Marine geliefert, mit Bewilligung des Bundes.
(https://www.derbund.ch/schweiz/standard/schweizer-waffen-sind-eng-in-den-jemenkonflikt-verwickelt/story/10926934)
—
Wir Kriegsgehilfen der Saudis
Im Jemen-Krieg werden Schweizer Waffen eingesetzt. Die Kriegsmaterialexporte nach Saudiarabien müssen endlich auf null sinken.
https://www.derbund.ch/schweiz/standard/wir-kriegsgehilfen-der-saudis/story/13600347
-> https://www.blick.ch/news/politik/flugabwehr-kanonen-in-saudi-arabien-erneut-schweizer-waffen-im-jemen-krieg-aufgetaucht-id15702158.html