Medienspiegel 15. Dezember 2019

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++BASEL
Solidarität mit dem Widerstand im Bässlergut
Vorletzte Woche kam es im Gefängnis Bässlergut zu einem Akt des Widerstandes. Gefangene einer Station des Ausschaffungstraktes nahmen die Schikanen und Provokationen der Wärter*innen nicht mehr länger hin und drängten sie aus der Station heraus. Sie konnten die Station für eine gewisse Zeit frei halten, bis die Polizei mit Schusswaffen und Kampfhunden anrückte. Darauf wurden Drei Inhaftierte für zehn bis fünfzehn Tage in Isolationshaft gesperrt.
https://barrikade.info/article/2979


+++ZÜRICH
Hunderte Päckli für Asylsuchende fehlen noch
Flüchtlinge und Asylsuchende im Raum Zürich sollen ein Weihnachtsgeschenk erhalten. Doch diese Jahr harzt es mit der Aktion.
https://www.20min.ch/schweiz/zuerich/story/Hunderte-Paeckli-fuer-Asylsuchende-fehlen-noch-17072398


+++SCHWEIZ
Merkel fehlt, Cassis zögert: Eiertanz ums Flüchtlingsforum
Aussenminister Ignazio Cassis ist Gastgeber des ersten Globalen Flüchtlingsforums, wird aber kaum dabei sein. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel hat zur symbolträchtigen Konferenz in Genf abgesagt.
https://www.blick.ch/news/schweiz/merkel-fehlt-cassis-zoegert-eiertanz-ums-fluechtlingsforum-id15665619.html


+++ITALIEN
Wir fordern eine würdige Aufnahme für die Überlebenden der häufigen Schiffbrüche
Pressemitteilung – Einige Wochen nach dem schrecklichen Schiffbruch vom 7. Oktober wird Lampedusa erneut zum Schauplatz von Tod und Gewalt: am 23. November ist ein aus Libyen kommender Kahn vor dem Strand der Isola dei Conigli untergegangen und hat so den Tod von mindestens 8 Migrant*innen verursacht. Es gibt 149 Überlebende und weitere 10 Vermisste, von denen es bisher noch keine Spur gibt.
https://www.borderlinesicilia.org/de/wir-fordern-eine-wuerdige-aufnahme-fuer-die-ueberlebenden-der-haeufigen-schiffbrueche/


+++GRIECHENLAND
Flüchtlinge in Griechenland: Mitsotakis fordert mehr Hilfe von Europa
Griechenlands Ministerpräsident Mitsotakis hat Deutschland aufgerufen, weitere Flüchtlinge direkt von der Insel Lesbos aufzunehmen. Grundsätzlich sei mehr Lastenteilung innerhalb der EU nötig, sagte er in einem Zeitungsinterview.
https://www.tagesschau.de/ausland/mitsotakis-asyl-101.html


+++JENISCHE/SINTI/ROMA
bernerzeitung.ch 15.12.2019

Fahrende verunreinigten Gewässer

Farben, mit denen die Fahrenden offenbar hantierten, gerieten in Wileroltigen in einen Gewässerlauf.

Stephan Künz

Im Herbst hielten sich die kantonalen Behörden noch zurück. Ja, bestätigten sie zwar, beim Autobahnrastplatz Wileroltigen sei es zu einer Gewässerverschmutzung gekommen. Aber nein: Ob dafür tatsächlich die hier seit Monaten geduldeten Fahrenden verantwortlich seien, wisse man noch nicht. Die Abklärungen liefen.

Mittlerweile herrscht Klarheit. Das zumindest lässt sich aus einem offenen Brief an die Berner Regierung schliessen, den der Gemeinderat und das Bürgerkomitee von Wileroltigen am Freitag unterzeichnet haben. Darin beziehen sich die Behörden und die Kritiker der Fahrenden auf den Bericht eines Gewässerschutzexperten, der den Vorfall untersucht hat.

Gemäss dem Schreiben stellte der Fachmann im betroffenen Gewässerlauf «weissliche Verfärbungen und Schaumkrusten» fest. Zudem hingen Gerüche in der Luft, die «eindeutig auf Malerarbeiten hindeuteten». Ein Augenschein auf dem Platz förderte weiter zutage, dass «das Schmutzwasser von Waschmaschinen ungereinigt und unsachgemäss in die gleiche Leitung entsorgt wurde».

Das lässt auf die Quelle der Verunreinigung schliessen. Immerhin ist rund um die Wohnwagen handwerklich gearbeitet und dabei mit Farben hantiert worden. Und immerhin sind in den Wohnwagen regelmässig Waschmaschinen gelaufen. Deshalb sieht heute auch der Kanton die Ursache bei den Fahrenden. Die Kosten für die Abklärungen und die anschliessenden Reinigungsarbeiten belastete er jedenfalls dem «Projekt Fahrende Rastplatz Wileroltigen», wie dem offenen Brief weiter zu entnehmen ist.

Keine Beeinträchtigung

Bei den Behörden und dem Bürgerkomitee aus Wileroltigen löst diese Kostenübernahme «grosses Befremden» aus. Sie befürchten bereits, dass «Kosten, welche von Langzeit-Rastplatzbenutzern (ausländische Fahrende) durch gesetzeswidriges Handeln entstehen, dem bernischen Steuerzahler belastet werden». Oder ob die Aufwände den Fehlbaren allenfalls weiterverrechnet worden seien?

Dies wollen sie von der Regierung wissen, und sie fragen weiter, ob Anzeigen verhängt und Bussen eingezogen worden sind. Ganz generell verlangen sie Auskunft darüber, welche Kosten während des Aufenthalts der Fahrenden für Zusatzaufwände wie die Präsenz des Sicherheitsdienstes, die Kehrichtentsorgung oder den vermehrten Reinigungsaufwand entstanden sind. Und was davon nicht durch die eingezogenen Gebühren gedeckt werden konnte.

Eine gute Nachricht hält der offene Brief auch noch bereit. Der Experte kam zu Schluss, dass die Verschmutzung für die Bibere, in die der betroffene Gewässerlauf mündet, «keine erkennbare Beeinträchtigung» zur Folge hatte. Er habe die Sache daher «als erledigt» betrachtet.
(https://www.bernerzeitung.ch/region/region-bern/fahrende-verunreinigten-gewaesser/story/10863702)


+++GASSE
Neue Drogenwelle bei Baselbieter Jugendlichen: Polizist Wenger beisst sich durch
Daniel Wenger rettet Jugendliche – und wurde dafür verlacht. Seit 35 Jahren steht er im Dienst. Aktuell bereitet ihm eine neue Drogenwelle Sorgen.
https://www.bzbasel.ch/basel/baselbiet/neue-drogenwelle-bei-baselbieter-jugendlichen-polizist-wenger-beisst-sich-durch-136104785


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
«Wir werden kommen, so Gott will!»: Erdogan plant Propaganda-Auftritt in der Schweiz
SonntagsBlick-Recherchen zeigen: Der türkische Machthaber Erdogan will Anfang Woche vor Anhängern in Genf auftreten. Aus der ganzen Schweiz wollen Fans sowie Gegner des Autokraten anreisen.
https://www.blick.ch/news/politik/wir-werden-kommen-so-gott-will-erdogan-plant-propaganda-auftritt-in-der-schweiz-id15665376.html
-> https://www.nzz.ch/schweiz/der-tuerkische-praesident-erdogan-plant-offenbar-auftritt-in-genf-ld.1528650
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/recep-tayyip-erdogan-plant-auftritt-in-der-schweiz-65628730
-> https://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/erdogan-plant-propagandaauftritt-in-genf/story/17661791
-> https://www.aargauerzeitung.ch/ausland/erdogan-kommt-fuer-fluechtlingsforum-in-die-schweiz-und-plant-gleich-noch-einen-propaganda-auftritt-136110445


Nekane bleibt frei!
Da wir den erneuten Haftbefehl gegen Nekane T. nicht unbeantwortet lassen wollen haben wir am Abend des 13. 12. das spanische Generalkonsulat mit Farbe und Parolen verschönert.
https://barrikade.info/article/2976


Extinction Rebellion blockieren Autoverkehr in Bern
Um auf den Klimawandel aufmerksam zu machen, haben Aktivisten am Sonntag in Bern vorübergehend mehrere Strassen blockiert.
https://www.derbund.ch/bern/extinction-rebellion-blockieren-autoverkehr-in-bern/story/12995321
-> https://www.bernerzeitung.ch/region/bern/aktivisten-blockieren-sonntagsverkehr/story/21103856
-> https://www.20min.ch/schweiz/bern/story/Aktivisten-blockieren-Strassen-fuers-Klima-26220020


Kommuniqué zur internationalistischen Demo in Basel
Am Samstag 14.12. demonstrierten rund 800 Menschen in Basel in Solidarität mit den weltweit stattfindenden sozialen Kämpfen.
https://barrikade.info/article/2977


+++JUSTIZ
Sonntagszeitung 15.12.2019

Militärgerichte haben ein Frauenproblem

Fast immer entscheiden Männer, selbst bei Sexualdelikten. So auch in einem aktuellen Fall um einen Grenzwächter.

Roland Gamp

Eigentlich wollte er mit seinem Partner am Bahnhof zwei Männer kontrollieren. Doch dann sei ihm die Frau auf dem Perron aufgefallen. «Die Sonne schien, und sie trug eine schwarze Sonnenbrille und telefonierte», gibt der Grenzwächter später an. Er habe die Dominikanerin gebeten, ihn auf den Posten zu begleiten. Überwachungsvideos zeigen, wie beide im Stützpunkt verschwinden. Darüber, was in den nächsten 20 Minuten passiert, gibt es zwei komplett verschiedene Versionen.

Er sagt, er habe Handtasche, Jacke und Schuhe der Frau durchsucht. Und einige Fragen gestellt, um zu erfahren, was sie in Olten mache. Die Tür des Kontrollraums habe immer offen gestanden, mit einem Kollegen in Sichtweite. Sein Verdacht auf ein Drogendelikt habe sich nicht erhärtet. Zwar trug die Frau zwei Tausendernoten auf sich. «Suspekt» sei ihm das vorgekommen. Eine vertiefte Kontrolle habe er aber nicht durchgeführt.

Sie sagt, der Grenzwächter habe seine Jacke bei der Kontrolle bewusst zur Seite gehalten, damit sie seine Pistole sehen konnte. Er habe auf seinen Schritt gezeigt und sie mit einer Geste zum Oralverkehr aufgefordert, was sie verweigert habe. Dann habe er ihr bedeutet, Bluse und BH zu öffnen. Und ihr 30 Sekunden lang an die nackten Brüste gefasst, so stark, dass es schmerzhaft gewesen sei. Die Tür war laut Klägerin geschlossen.

12 Prozent Frauen – kaum eine in leitender Position

Aussage gegen Aussage. Für den Grenzwächter gilt die Unschuldsvermutung. Wer die Wahrheit sagt, darüber muss die Militärjustiz entscheiden. Sie behandelt alle Straffälle gegen Armeeangehörige, aber auch gegen Beamte des Grenzwachtkorps. Fast immer entscheiden am Ende Männer. Auch bei Sexualdelikten, wo die Geschlechterperspektive eine entscheidende Rolle spielen kann.

Die SonntagsZeitung hat erstmals die Sitzverteilung der ersten zwei Instanzen ausgewertet. Für die Periode 2016 bis 2019 waren ursprünglich 181 Richterämter zu vergeben. Gerade einmal sieben Frauen wählte der Bundesrat.

2018 kamen bei Ergänzungswahlen 30 Richter hinzu. Der Bundesrat betonte in einer Mitteilung: «Indem die Hälfte der gewählten Personen Frauen sind, kann der ausgewiesene Bedarf an Richterinnen flexibler abgedeckt werden.» Insgesamt liegt die Frauenquote nun bei 12 Prozent. Zum Vergleich: Am Bundesgericht sind 37 Prozent der Richterposten mit Frauen besetzt, beim Bundesstrafgericht gar 41 Prozent.

Die Auswertung nach Funktion zeigt zudem: Nur zwei Frauen amten bei der Militärjustiz als Gerichtspräsidentin. Dieser Posten ist besonders einflussreich. Präsidenten bestimmen Ort und Zeit von Verhandlungen, können Sachverständige vorladen oder Beweisaufnahmen anordnen. Und sie übernehmen direkt die Befragung von Zeugen und Angeklagten.

Wie wichtig es sein kann, wer das Präsidium übernimmt, zeigte sich auch bei der Verhandlung gegen den Grenzwächter. In erster Instanz wurde der Vorsitz einer Frau übertragen. Donato Del Duca, Anwalt der Klägerin, hatte dies extra so beantragt. «Die Gerichtspräsidentin hat meine Mandantin eingehend und einfühlsam zur Tat befragt, ihre Vorwürfe ernst genommen», sagt er. «Die Fragen waren sehr detailliert und genau.»

24 Seiten lang ist am Ende das Urteil, gefällt von fünf Richtern, neben der Präsidentin wirkte eine weitere Frau mit. Akribisch analysierten sie die Aussagen. Jene der Dominikanerin «sind geprägt von Detailreichtum und bestechen durch innere Geschlossenheit», schreibt das Gremium. Auch zwei Jahre nach der Kontrolle habe sie den Ablauf «ohne wesentliche Widersprüche» angegeben.

Weiter spreche für die Frau, dass sie den Grenzwächter teils selbst entlastete. So gab sie an, der Beschuldigte habe sie nie geschlagen oder die Waffe gezückt. Auch ein finanzielles Motiv könne man ausschliessen: Die Dominikanerin habe extra einen Kredit aufgenommen, um wiederholt in die Schweiz zu reisen, um am Verfahren mitzuwirken. Es seien «keinerlei Anhaltspunkte für eine Falschbelastung des Angeklagten ersichtlich».

Anders klingt es beim Grenzwächter. Auch er gab seine Version laut Urteil anschaulich und detailliert wieder. «Dennoch sind seine Schilderungen und sein Verhalten im Rahmen der Kontrolle punktuell auffällig.» Dem Gericht erschien es suspekt, dass er die Frau einfach gehen liess, obwohl sie verdächtig viel Bargeld dabeihatte.

Weiter wollte der Beschuldigte ursprünglich mit einem Kollegen zwei andere Männer kontrollieren. Als er die Dominikanerin sah, liess er diesen plötzlich alleine mit den Verdächtigen. «Dieses Vorgehen scheint weder naheliegend noch zwingend», steht im Urteil. «Schliesslich ist darauf hinzuweisen, dass die Aussage des Angeklagten, wonach die Türe des Kontrollraumes immer offen gestanden haben soll, unzutreffend ist.» Die Frau schilderte, dass sie einen Schrank gesehen hatte. Diesen gibt es tatsächlich – sichtbar ist er nur bei geschlossener Tür.

«Geradezu absurd», seinen Ruf so aufs Spiel zu setzen

Steht Wort gegen Wort, so entscheidet die Glaubwürdigkeit, der Eindruck der Beteiligten. Und dabei spielt das Geschlecht offenbar eine Rolle. «Viele Frauen neigen dazu, eine nett gemeinte Geste zum sexuellen Übergriff hochzuspielen.» Diese Aussage legte Professor Dirk Baier von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften über 2000 Erwachsenen in der Schweiz vor. Die Zustimmung durch Männer lag signifikant höher als bei Frauen, wie die Studie aus diesem Jahr zeigt.

Das Militärgericht glaubte der Klägerin und verurteilte den Grenzwächter wegen Ausnützung einer Notlage. Es verhängte eine bedingte Geldstrafe von 22’500 Franken. Doch zogen beide Seiten den Entscheid weiter. Und plötzlich war alles anders.

Nur noch acht Seiten lang ist der Entscheid des Appellationsgerichts. Er enthält kein Wort zum Schrank hinter der Türe. Oder zu den Ungereimtheiten im Verhalten des Angeklagten. Stattdessen fanden es die Richter «geradezu absurd», dass der Angeklagte seinen Ruf «derart leichtfertig» aufs Spiel setzen sollte. Für den Beschuldigten wäre es laut Urteil offensichtlich gewesen, dass ein derartiges Verhalten «nicht folgenlos bleiben kann». Eine Argumentation, die praktisch jeden Beschuldigten entlasten könnte. Sie trug dazu bei, dass der Grenzwächter einen Freispruch erhielt.

Urteilsberatungen seien geheim

«Mein Mandant konnte glaubwürdig schildern, dass dieser Übergriff nie stattgefunden hat», sagt Verteidiger Markus Spielmann. «Das ist am Ende entscheidend.» Die Gegenseite habe eine andere Version geschildert. Aber keine Beweise vorgebracht. «Also gilt: im Zweifel für den Angeklagten», sagt Spielmann. «Einen Zusammenhang mit dem Geschlecht sehe ich nicht, auch ein weibliches Gremium hätte so entschieden.»

Laut Militärjustiz sind Urteilsberatungen jeweils geheim. Daher lasse sich nicht beurteilen, ob Frauen grundsätzlich anders urteilen als Männer. «Sicherlich gibt es je nach Geschlecht andere Sichtweisen in Bezug auf den Dienst im Grenzwachtkorps oder in der Armee», sagt Georg Fritz, Mediensprecher der Militärjustiz. «Diese unterschiedlichen Sichtweisen sollten so gut wie möglich auch an unseren Gerichten vertreten sein.» Der tiefe Frauenanteil hänge mit dem System zusammen. «Alle Richter müssen der Armee oder dem Grenzwachtkorps angehören», sagt Fritz. «In der Armee beträgt der Frauenanteil aber nur ungefähr ein Prozent.»

Vor zwei Jahren habe die Militärjustiz alle weiblichen Armeeangehörigen per Brief informiert und aufgezeigt, welche Aufgaben es dort gibt und wie man sich zur Wahl stellen kann. «Das Ergebnis war sehr erfreulich», sagt Fritz. Ab 2020 steigt der Anteil von Richterinnen auf über 20 Prozent. Allerdings nicht bei Gerichtspräsidenten. Dort kommen neu 4 Frauen auf 36 Männer.

Wer den Fall des Grenzwächters übernehmen wird, ist unklar. Der Anwalt der Dominikanerin zog diesen weiter. Er ist nun am Militärkassationsgericht hängig, dem Pendant zum zivilen Bundesgericht. Dort sind aktuell der Präsident, sämtliche Richter und Ersatzrichter männlich.



Rund 50 Verfahren wegen Sexualdelikten

Eine Statistik führt die Militärjustiz nicht. Mediensprecher Georg Fritz gibt aber eine ungefähre Schätzung ab: «In den letzten zehn Jahren führten wir rund 50 Verfahren wegen Sexualdelikten.» Dies gegen Armeeangehörige und auch Grenzwächter. Erst vor einem Monat war ein Soldat angeklagt. «Er hatte laut Anklageschrift vor der Unterkunft eine Frau angesprochen, diese zurückzuhalten und gegen ihren Willen zu küssen versucht.» Das Militärgericht verurteilte den Soldaten im November wegen sexueller Belästigung. Was selten ist. Laut Georg Fritz endete etwa jedes vierte Verfahren der Militärjustiz wegen eines Sexualdelikts in den letzten Jahren mit einem Schuldspruch. Unklar ist, ob es sich bei den restlichen Fällen um falsche Anschuldigungen handelte. Oder ob die Quote damit zusammenhängt, dass Sexualdelikte grundsätzlich schwer zu beweisen sind. Interessant ist der Vergleich zu zivilen Fällen: Laut Bundesamt für Statistik wurden in den letzten fünf Jahren 20 824 Personen wegen Sexualdelikten angezeigt. Gleichzeitig gab es 7168 Verurteilte. Das ergibt eine Quote von einem Drittel.
(https://www.derbund.ch/schweiz/standard/militaergerichte-haben-ein-frauenproblem/story/21314981)


+++BIG BROTHER
Dürfen künftig Links- und Rechtsextreme überwacht werden? 7 Fragen zur Gesetzesrevision
Wird die Revision des Nachrichtendienstgesetzes angenommen, können künftig auch Rechts- und Linksextreme überwacht werden.
https://www.tagblatt.ch/schweiz/duerfen-kuenftig-links-und-rechtsextreme-ueberwacht-werden-7-fragen-zur-gesetzesrevision-ld.1178011
-> https://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/vbs-will-freipass-zum-abhoeren-politischer-extremisten/story/10732583



NZZ am Sonntag 15.12.2019

Tierschützer, Linksextreme und Rechtsextreme werden immer gefährlicher, sagt der Bund. Jetzt will er sie überwachen

Künftig sollen gewalttätige Extremisten überwacht werden können – mit sogenannten genehmigungspflichtigen Beschaffungsmassnahmen.

Lukas Häuptli

Das Nachrichtendienstgesetz der Schweiz ist erst seit etwas mehr als zwei Jahren in Kraft – und bereits wird es revidiert. Der Bundesrat erteilte dem Verteidigungsdepartement einen entsprechenden Auftrag, worauf dieses eine Arbeitsgruppe mit Vertretern verschiedener Departemente einsetzte. Anfang Dezember schloss die Gruppe ihre Arbeit ab, wie eine Sprecherin des Nachrichtendienstes sagt.

Jetzt zeigt sich, in welche Richtung die Gesetzesrevision geht: Der Geheimdienst der Schweiz soll künftig auch gewalttätige Linksextremisten, Rechtsextremisten und radikale Tierschützer mit sogenannten genehmigungspflichtigen Beschaffungsmassnahmen überwachen können. Das sagen mehrere gut informierte Personen.

Zu den besagten Beschaffungsmassnahmen zählen die Verwanzung privater Wohnungen und Häuser mit Video- und Audiogeräten, die Computerüberwachung mit Trojanern, die Telefon- und Postüberwachung sowie die Ortung verdächtiger Personen. Das heutige Gesetz erlaubt diese Massnahmen lediglich bei Bedrohungen der Schweiz durch Terrorismus, Spionage, Atom-, Bio- und Chemiewaffen sowie bei Angriffen auf wichtige Infrastrukturanlagen des Landes.

2014 tönte es noch anders

Der Nachrichtendienst hält zur geplanten Gesetzesrevision lediglich fest, es würden zurzeit «mehrere Optionen» geprüft. Vorgesehen sei, dass der Bundesrat die Revision im nächsten Juni in die Vernehmlassung schicke.

Doch Alfred Heer, SVP-Nationalrat und Vizepräsident der parlamentarischen Geschäftsprüfungsdelegation, erklärt: «Das Verteidigungsdepartement hat die Geschäftsprüfungsdelegation dieses Jahr über seine Überlegungen informiert, genehmigungspflichtige Beschaffungsmassnahmen künftig auch zur Überwachung des gewalttätigen Extremismus einzusetzen und dafür das Nachrichtendienstgesetz zu revidieren.» Die Geschäftsprüfungsdelegation beaufsichtigt den Geheimdienst.

Der Plan, dem Nachrichtendienst mehr Macht zu verleihen, ist aus zwei Gründen brisant. Erstens: Beim Erlass des Nachrichtendienstgesetzes hatte der Bundesrat ausdrücklich darauf verzichtet, dem Geheimdienst die Überwachung Links- und Rechtsextremer zu erlauben. In der Botschaft zum Gesetz vom Februar 2014 schrieb er: «Der gewalttätige Extremismus soll von den Beschaffungsmassnahmen ausgenommen sein.

Der Bundesrat ist der Auffassung, dass dies gerechtfertigt ist, da gewalttätiger Extremismus näher an politisch-ideologischen Bewegungen angesiedelt ist, was besondere Zurückhaltung erfordert.» Die Landesregierung begründete das mit dem Verweis auf den Schweizer Fichen-Skandal. In den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts war bekannt geworden, dass die Staatsschutzbehörden von Bund und Kantonen mehrere hunderttausend Personen überwacht, bespitzelt und fichiert hatten. Unter ihnen befanden sich auch zahlreiche Politiker und Politikerinnen.

Zweitens: Bei der Beratung des Nachrichtendienstgesetzes im Parlament hatte der damalige Verteidigungsminister Ueli Maurer (svp.) gesagt, der Geheimdienst werde von den «bewilligungspflichtigen Beschaffungsmassnahmen» nur zurückhaltend Gebrauch machen. Er bezifferte die Zahl der Fälle, in denen diese nötig würden, auf zehn bis zwölf pro Jahr.

Die geringe Zahl war in der Abstimmung über das Gesetz, die im September 2016 stattfand, ein wichtiges Argument der Befürworter. Es ist absehbar, dass sich diese Zahl mit der Möglichkeit erhöht, künftig auch gewalttätige Linksextreme und Rechtsextreme zu überwachen.

Politischer Grabenkampf

Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass die Gesetzesrevision umstritten sein wird. Zwar sagt Ida Glanzmann, CVP-Nationalrätin und Präsidentin der nationalrätlichen Sicherheitskommission: «Ich begrüsse es, wenn der Nachrichtendienst künftig auch gewalttätige Links- und Rechtsextremisten überwachen kann. Die letzten zwei, drei Jahre haben gezeigt, dass von ihnen eine beträchtliche Gefahr ausgeht.»

Ähnlich tönt es bei FDP-Nationalrat Philippe Nantermod: «Es ist wichtig, dass die Behörden genügend Ressourcen und die juristisch notwendigen Instrumente zur Verfügung haben, um die Sicherheit zu gewährleisten.»

Demgegenüber sagt SP-Nationalrätin Priska Seiler Graf: «Das Nachrichtendienstgesetz ist erst seit 1. September 2017 in Kraft. Das Versprechen, dass keine Bespitzelung aufgrund der politischen Gesinnung möglich sei, war im Abstimmungskampf zentral. Das darf nach so kurzer Zeit nicht schon wieder umgestossen werden.»

Noch ablehnender gibt sich Martin Steiger von der Digitalen Gesellschaft, die seinerzeit das Referendum gegen das Gesetz ergriffen hatte: «Wenn das Nachrichtendienstgesetz revidiert werden soll, dann so, dass der Nachrichtendienst zurückgebaut wird und nicht mehr als mächtige Sicherheitsbehörde operiert, die ohne wirksame Aufsicht die Bevölkerung ohne Anlass und Verdacht überwacht.»

Der Nachrichtendienst, aber auch andere Behörden des Bundes haben in den letzten Monaten auf die wachsende Gefahr hingewiesen, die von Links- und Rechtsextremen ausgeht. Die Zahl der entsprechenden Ereignisse habe letztes Jahr einen Höchststand erreicht, hielt der Nachrichtendienst fest. Bei 78 der total 279 Vorfälle sei Gewalt im Spiel gewesen.
(https://nzzas.nzz.ch/schweiz/gewalttaetige-extremisten-sollen-ueberwacht-werden-koennen-ld.1528626)


+++RECHTSEXTREMISMUS
Das steckt hinter der „Schwarzen Sonne“ und dem Verein Uniter
Die Kenia-Koalition streitet sich um den Umgang mit der rechtsextremen Vergangenheit eines CDU-Mitglieds. Es geht um ein Tattoo und die Mitgliedschaft im Verein Uniter des Kommunalpolitikers Robert Möritz. MDR SACHSEN-ANHALT erklärt, was dahinter steckt.
https://www.mdr.de/sachsen-anhalt/landespolitik/moeritz-schwarze-sonne-verein-uniter-100.html


+++HISTORY
30 Jahre Lesbenorganisation Schweiz LOS
«Lesben im Damenfussball – Angst vor homosexueller Ansteckung?»– darüber diskutierten die Gäste am 12. April 1994 im Zischtigsclub des Schweizer Fernsehens. Im Zentrum der Debatte stand der Skandal beim Fussballclub Wettswil-Bonstetten im Kanton Zürich: Der Club-Vorstand hatte beschlossen, die Frauenmannschaft aufzulösen, weil es laut der offiziellen Medienmitteilung zu viele Lesben hatte, welche die Jungmannschaften gefährden würden. Diese Entscheidung sorgte für riesigen Medienrummel und der Blick goss mit der Schlagzeile «Sexskandal»in Wettswil-Bonstetten kräftig Öl ins Feuer.
Zum ersten Mal überhaupt geriet die lesbische Community damit ins Zentrum der Schweizer Medienöffentlichkeit und die lesbische Bewegung für Gleichstellung und gleiche Rechte erhielt mächtigen Auftrieb.
Eingeladen in den Zischtigsclub war damals auch Barbara Brosi, Mitgründerin und damalige Pressesprecherin der Lesbenorganisation Schweiz LOS. Obwohl sie im Rahmen der Debatte viele pauschale diskriminierende Vorwürfe einstecken musste, spricht sie heute von einem der wichtigsten Momente, nicht nur für sie persönlich, sondern für die ganze Schweizer Lesbenbewegung.
Zum 30. Jubiläum der LOS blickt Barbara Brosi auf den denkwürdigen Skandal zurück, der über die Schweiz hinaus hohe Wellen schlug:
https://rabe.ch/2019/12/15/30-jahre-lesbenorganisation-schweiz-los/