Medienspiegel 6. Dezember 2019

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++BERN
Diskussion im Kantonsparlament – Auch abgewiesene Asylsuchende sollen Lehre fertig machen dürfen
Für Asylsuchende, Lehrbetriebe und Berufsschulen ist die Situation derzeit schwierig. Sie hoffen auf eine Änderung.
https://www.srf.ch/news/regional/bern-freiburg-wallis/diskussion-im-kantonsparlament-auch-abgewiesene-asylsuchende-sollen-lehre-fertig-machen-duerfen


Interpellation Grüne – Welche Verantwortung übernimmt der Kanton als Auftraggeber für Massenentlassungen im Asyl- und Flüchtlingsbereich
https://www.gr.be.ch/gr/de/index/geschaefte/geschaefte/suche/geschaeft.gid-fba99d6655ba410a98e720397eb50571.html


Freiwillig engagiert – Stadt Bern verleiht Sozialpreis 2019 – RaBe-Info 06.12.2019
Freiwillig.engagiert – so heisst der Sozialpreis der Stadt Bern, der jedes Jahr verliehen wird. Ausgezeichnet wird ehrenamtliches Engagement in der Stadt Bern. Von den 27 eingereichten Projekten erhielten in diesem Jahr vier eine Auszeichnung. Mit jeweils 3000 Franken honoriert wurden zwei Sprachintegrationsprojekte: Der Asyltreff der Länggasse und Deutsch Lernfoyer und Deutsch Bern West. Beide bieten kostenlose Deutschkurse für Geflüchtete und Migrant*innen an. Je 7000 Franken erhielten zwei Gartenprojekte: Food for Souls und HEKS neue Gärten Bern.
https://rabe.ch/2019/12/06/besuch-beim-samichlous/


+++GRAUBÜNDEN
Streitpunkt Übertritt – Der Grosse Rat will an den umstrittenen Asylschulen nichts ändern
Geflüchtete Kinder besuchen teilweise jahrelang heiminterne Schulen. Trotz Kritik hält das Bündner Parlament daran fest.
https://www.srf.ch/news/regional/graubuenden/streitpunkt-uebertritt-der-grosse-rat-will-an-den-umstrittenen-asylschulen-nichts-aendern


+++NIWALDEN
Dieser Brasilianerin droht die Ausschaffung: Warum darf sie keine Lehre machen?
Trotz guter Integration droht Kelly Alves die Ausschaffung. Die junge Brasilianerin fühlt sich von den Behörden im Stich gelassen.
https://www.luzernerzeitung.ch/schweiz/dieser-brasilianerin-droht-die-ausschaffung-warum-darf-sie-keine-lehre-machen-ld.1175327
-> https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/nidwalden/kopie-von-dieser-brasilianerin-droht-die-ausschaffung-warum-darf-sie-keine-lehre-machen-ld.1175399


+++SCHWEIZ
Trotz der diplomatischen Krise schafft die Schweiz Tamilen nach Sri Lanka aus
Die Beziehungen zu Colombo sind nach der Attacke auf eine Botschaftsmitarbeiterin an einem Tiefpunkt angelangt. Dennoch will der Bund weiter abgewiesene Asylbewerber zurückführen. Dies stösst auf Unverständnis.
https://www.nzz.ch/schweiz/trotz-der-diplomatischen-krise-schafft-die-schweiz-tamilen-nach-sri-lanka-aus-ld.1526306
-> Medienmitteilung SFH: https://www.fluechtlingshilfe.ch/news/archiv/2019/keine-rueckfuehrungen-nach-sri-lanka.html


+++BALKANROUTE
Migranten in Bosnien: Zwischen Kälte und dem Traum von der EU
Wegen der Kälte haben viele das Zeltlager Vucjak verlassen. Doch manche möchten bleiben, weil sie in der Nähe der kroatischen Grenze bleiben wollen
https://www.derstandard.at/story/2000111928155/migranten-in-bosnien-zwischen-kaelte-und-dem-traum-von-der


+++MITTELMEER
Warum Seenotrettung auch die Schweiz etwas angeht
In diesem Jahr starben über 1000 Menschen, die versuchten über das Mittelmeer nach Europa überzufahren. Europa, auch die Schweiz, hadert an einer solidarischen Lösung.
https://tsri.ch/zh/seenotrettung-schweiz-sos-mediterranee-politik-migration/


Seenotrettung: “Sea-Watch 3” fährt nun unter deutscher Flagge
Das Boot “Sea-Watch 3”, mit dem im Mittelmeer Schiffbrüchige geborgen werden, trägt nun Schwarz-Rot-Gold. Wegen zu strenger Auflagen durch die Niederlande ist das Schiff nun in Deutschland registriert.
https://www.spiegel.de/politik/deutschland/sea-watch-3-bei-seenotrettung-nun-unter-deutscher-flagge-a-1299947.html


+++ATLANTIK
Tote vor Kanarischen Inseln – «Der Atlantik ist viel gefährlicher als das Mittelmeer»
Für Migranten ist es schwerer geworden, übers Mittelmeer nach Europa zu kommen. Immer mehr weichen auf den Atlantik aus.
https://www.srf.ch/news/international/tote-vor-kanarischen-inseln-der-atlantik-ist-viel-gefaehrlicher-als-das-mittelmeer


Migrationsabwehr – Über dem Ärmelkanal fliegen jetzt Drohnen
1.700 MigrantInnen sollen dieses Jahr mit kleinen Booten die Meerenge zwischen Frankreich und Großbritannien überquert haben. Beide Regierungen haben im nächsten Jahr Patrouillen mit Drohnen bei der Europäischen Union bestellt. Bis dahin fliegen die Grenzbehörden mit eigenen Luftfahrzeugen.
https://netzpolitik.org/2019/ueber-dem-aermelkanal-fliegen-jetzt-drohnen/#spendenleiste


+++FREIRÄUME
«Räume für Frauen und Queers entsprechen einem Bedürfnis»
Mit einem Fest öffnet das feministische Streikhaus am Sihlquai 115 morgen Samstag seine Tore. Weshalb es in Zürich ein solches Haus braucht, erklären Anna Schmid und Linda Zobrist vom Zürcher Frauen*streikkollektiv im Gespräch mit Nicole Soland.
https://www.pszeitung.ch/raeume-fuer-frauen-und-queers-entsprechen-einem-beduerfnis/#top


+++GASSE
«Wir halten uns an die Regeln der Leute auf der Gasse»
Seit 31 Jahren bietet die kirchliche Gassenarbeit Bern Begleitung für Menschen an, die ihren Lebensmittelpunkt auf der Gasse haben. Das m* hat mit Nora und Eva gesprochen, die für den Verein als Gassenarbeiterinnen arbeiten.
https://www.megafon.ch/uf-dr-gass/?artikel=%C2%ABWir+halten+uns+an+die+Regeln+der+Leute+auf+der+Gasse%C2%BB


Uf dr Gass
Ausschnitte aus einem Gespräch mit fünf Frauen über ihr Leben auf der Strasse. Eine Textcollage, die Einblicke bieten soll in Realitäten von Frauen, die von Armut betroffen sind und/oder ohne Obdach leben.
https://www.megafon.ch/uf-dr-gass/?artikel=Uf+dr+Gass


+++DROGENPOLITIK
bernerzeitung.ch 06.12.2019

Vitali Klitschko will nach Treffen mit von Graffenried «Fixerstübli» einrichten

Alec von Graffenried (GFL) trat in Kiew an einer Konferenz zur Drogenpolitik auf. Der Berner Stadtpräsident überzeugte den dortigen Bürgermeister Vitali Klitschko, ein Fixerstübli zu eröffnen.

Der Berner Stadtpräsident legt grossen Wert auf den internationalen Austausch unter Seinesgleichen. Am Donnerstag und Freitag weilte Alec von Graffenried (GFL) in der ukrainischen Hauptstadt Kiew.

Am Donnerstag traf er den weltweit berühmtesten Kollegen, den früheren Boxweltmeister Vitali Klitschko zu einem zweistündigen Austausch. Dieser ist Bürgermeister von Kiew.

«Bürgermeister Vitali Klitschko will ein Fixerstübli nach Berner Vorbild bauen», freute sich von Graffenried in seinem Tweet. Laut dem Stadtpräsidenten besuchte bereits vor etwa zwei Jahren eine Delegation aus Kiew die Stadt Bern und informierte sich über die Institutionen der städtischen Drogenpolitik.

    Austausch mit 9 osteuropäischen und zentralasiatischen Städten über Nothilfe in der Drogenpolitik. Bürgermeister Vitali Klitschko will ein Fixerstübli nach Berner Vorbild bauen. Merci für die Einladung nach Kyiv! pic.twitter.com/yTFPraSlRD

    — Alec von Graffenried (@avongraffenried) December 6, 2019

Werbung fürs Fixerstübli

Am Freitag stellte er an einer Konferenz zum Thema Drogenpolitik die Berner Drogenabgabestelle vor. «Ich habe meinen Kollegen erklärt, dass sie diesen Menschen aus humanitären Gründen helfen müssen.

Die Bürgermeister müssen die Verantwortung für die Nothilfe übernehmen, also zum Beispiel eine Drogenanlaufstelle eröffnen, damit es funktioniert», erzählte Alec von Graffenried am Freitagabend nach seiner Rückkehr in die Schweiz.

An der Konferenz haben zahlreiche Bürgermeister aus Osteuropa und Zentralasien teilgenommen. «Viele von ihnen haben in ihren Städten grosse Drogenprobleme. Zahlreiche Drogenabhängige stecken sich nach wie vor mit dem HI-Virus und Hepatitis an. Die dortigen Bürgermeister können sich gar nicht vorstellen, was eine Drogenanlaufstelle ist», sagte von Graffenried.

Bei den Drogenanlaufstelle handle es sich um eine Schweizer und eine Berner Erfindung, die sich bewährt habe. Er habe versucht, den anwesenden Bürgermeistern Mut zu machen, in ihren Städten ebenfalls solche Institutionen aufzubauen, um die Not zu lindern.

Die zweite Auslandreise

Bereits Anfang November hatte sich der Stadtpräsident Zeit für ein Erfahrungsaustausch unter Kollegen genommen. Er nahm an einer mehrtägigen Konferenz von Stadtpräsidenten in Südafrika teil.

Die SVP kritisierte den Stadtpräsidenten angesichts der Flugreise als inkonsequent, weil er noch im Sommer den Klimanotstand ausgerufen habe. Der Gemeinderat hielt in seiner Antwort auf einen SVP-Vorstoss fest, dass die Stadt für den Flug eine Klimakompensation geleistet habe.

Auch für die Reise nach Kiew nahm der Stadtpräsident das Flugzeug. Er wurde dabei von Stadtschreiber Jürg Wichtermann begleitet.
(https://www.bernerzeitung.ch/region/bern/vitali-klitschko-will-nach-treffen-mit-von-graffenried-fixerstuebli-einrichten/story/26339368)


+++KNAST
Jetzt kann das Solothurner Untersuchungsgefängnis im «Schachen» geplant werden
Nach dem Bundesasylzentrum und dem Neubau des Justizvollzugsanstalt Solothurn ist ein weiteres Bauprojekt im Flumenthaler «Schachen» geplant: Ein Untersuchungsgefängnis. Auch dagegen regte sich Widerstand; die letzten Einsprachen hat der Solothurner Regierungsrat nun abgeschrieben. Das Projekt geht damit in die nächste Runde.
https://www.solothurnerzeitung.ch/solothurn/kanton-solothurn/jetzt-kann-das-solothurner-untersuchungsgefaengnis-im-schachen-geplant-werden-136069417


+++BIG BROTHER
Datenschutzkonvention des Europarates: Bundesrat verabschiedet Botschaft
Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 6. Dezember 2019 die Botschaft über die Genehmigung des Protokolls zur Änderung der Datenschutzkonvention des Europarates verabschiedet. Mit einem Beitritt zur modernisierten Konvention kann die Schweiz ein hohes Datenschutzniveau für die Privatsphäre gewährleisten und den grenzüberschreitenden Datenverkehr im öffentlichen Sektor sowie in der Privatwirtschaft erleichtern.
https://www.ejpd.admin.ch/ejpd/de/home/aktuell/news/2019/2019-12-061.html


+++POLICE BE
Motion SVP/BDP/FDP/EDU – Verbesserungen beim Neubau des Polizeizentrums Niederwangen
https://www.gr.be.ch/gr/de/index/geschaefte/geschaefte/suche/geschaeft.gid-8149419f413347949974702fb41db599.html


+++POLIZEI ZH
Maschinenpistolen, Schutzwesten, Mini-Zelle: Das steckt in einem Zürcher Polizeiauto
Es ist drei Tonnen schwer und kostet über 80’000 Franken: Das Auto der Stadtpolizei Zürich. Polizist Marc Surber zeigt BLICK, was sich alles in einem Polizeiauto befindet.
https://www.blick.ch/news/schweiz/zuerich/maschinenpistolen-schutzwesten-und-eine-mini-zelle-das-steckt-in-einem-zuercher-polizeiauto-id7928833.html


+++POLIZEI CH
Neue Strategie des EJPD zur Kriminalitätsbekämpfung 2020-2023
Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) hat den Bundesrat in seiner Sitzung vom 06. Dezember 2019 über die neue Strategie zur Kriminalitätsbekämpfung 2020-2023 informiert. Die Strategie legt den Fokus auf die Bekämpfung von Terrorismus, organisierter Kriminalität und anderer Formen transnationaler Kriminalität. Der gewählte Ansatz ist umfassend und reicht von der Prävention bis hin zur Repression, immer vereint mit Kooperation.
https://www.ejpd.admin.ch/ejpd/de/home/aktuell/news/2019/2019-12-06.html


+++RECHTSPOPULISMUS
«Zigeuner»-Plakat: JSVP-Chefs erneut verurteilt
Das Obergericht hat das erstinstanzliche Urteil bestätigt: Die Co-Präsidenten der Berner JSVP haben rassendiskriminierend gehandelt und erhalten Geldstrafen.
https://www.bernerzeitung.ch/region/kanton-bern/zigeunerplakat-jsvpchefs-erneut-verurteilt/story/17228633
-> https://www.20min.ch/schweiz/bern/story/-Wir-lassen-uns-nicht-unterdruecken–17640874
-> https://www.blick.ch/news/co-praesidenten-der-jungen-svp-verurteilt-zigeuner-plakat-war-rassistisch-id15651237.html
-> https://www.20min.ch/schweiz/bern/story/JSVP-Praesidenten-stehen-heute-vor-dem-Richter-18520207
-> https://www.srf.ch/news/regional/bern-freiburg-wallis/obergericht-bestaetigt-urteil-zwei-berner-politiker-wegen-rassendiskriminierung-verurteilt
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/berner-gericht-verschiebt-urteil-im-fall-von-zigeuner-plakat-65621027
-> https://www.bielertagblatt.ch/nachrichten/kanton-bern/chefs-der-jsvp-kanton-bern-erneut-verurteilt
-> https://twitter.com/jungesvp/status/1202970809184194562
-> https://www.nzz.ch/schweiz/zigeuner-plakat-chefs-der-jsvp-kanton-bern-erneut-verurteilt-ld.1526908
-> https://telebasel.ch/2019/12/06/adrian-spahr-erneut-wegen-rassen-diskriminierung-verurteilt/?channel=105105
-> https://www.telebielingue.ch/de/sendungen/2019-12-06-1#chapter-594b5ed0-6627-4e3e-8300-006661356fca
-> https://www.telebaern.tv/telebaern-news/-jsvp-praesidenten-schockiert-ueber-rassismus-urteil-136074754
-> https://primenews.ch/news/2019/12/urteil-gegen-basler-polizist-wegen-rassen-diskriminierung-bestaetigt



derbund.ch 06.12.2019

JSVP-Präsidenten schuldig gesprochen

Es war Rassendiskriminierung. Das Berner Obergericht verurteilt Adrian Spahr und Nils Fiechter und bestätigt damit das Urteil der Erstinstanz.

Mathias Streit

Der Facebook-Post der Jungen SVP Kanton Bern, der als «Zigeunerplakat» bekannt wurde, ist rassistisch. Das hat das Berner Obergericht heute entschieden und die beiden Co-Präsidenten der Partei, Nils Fiechter und Adrian Spahr, der Rassendiskriminierung schuldig gesprochen worden. Das Berner Obergericht bestätigt damit das Urteil der Vorinstanz. Diese hatte die beide Jungpolitiker im Januar 2019 zu bedingten Geldstrafen verurteilt.

Verband der Fahrenden wehrte sich

Grund für den Schuldspruch ist eine Karikatur, welche die bernische JSVP im Februar 2018 in einem Beitrag auf Facebook veröffentlichten. Das Bild zeigte Fahrende in einem riesigen Unrathaufen bestehend aus Abfall und Kot. Ein Schweizer in Tracht mit Sennenmütze hielt sich ob des Gestanks die Nase zu. «Wir sagen Nein zu Transitplätzen für ausländische Zigeuner!», stand unter dem Bild.

Die Gesellschaft für bedrohte Völker und der Verband Sinti und Roma Schweiz erstatteten darauf Anzeige. Der Facebook-Beitrag verunglimpfe die Fahrenden pauschal als schmutzig und kriminell. Das Regionalgericht Bern teilte diese Ansicht in erster Instanz und verurteilte Fiechter und Spahr wegen Rassendiskriminierung. Seinen Entscheid begründete das Gericht mit einer «feindselige Haltung», die mit der Karikatur vermittelt werde und die jegliches «Augenmass» vermissen lasse. Weil die beiden Jungpolitiker das Urteil nicht akzeptierten, ging der Fall am Obergericht in eine zweite Runde.

Verteidigungstaktik ging nicht auf

In der Anhörung letzte Woche hatten Fiechter und Spahr noch mit ihrem Unwissen argumentiert. Ihnen sei nicht bewusst gewesen, dass dieser Facebook-Post rassistsich sein könnte. Hinter diesem Vorgehen steckte auch juristisches Kalkül: Gegen das Antirassismusgesetz kann nämlich nur verstossen, wer dies bewusst macht.

Ihr Verteidiger Patrick Freudiger, der für die SVP im Berner Kantonsparlament sitzt, präsentierte seine beiden Klienten deshalb als unbeholfene Polit-Frischlinge. «Fiechter und Spahr sind weder Berufspolitiker noch Kommunikationsprofis», sagte Freudiger. Es müsse auch Nicht-Akademikern möglich sein, sich politisch zu äussern, ohne gleich eine Klage zu befürchten. Und sowieso sei es bei der Karikatur um die umstrittenen Transitplätze für ausländische Fahrende gegangen, nicht um die Fahrenden selbst.

«Sind auf dünnem Eis eingebrochen»

Der Generalstaatsanwalt liess dieses Argument nicht gelten. Aus seiner Sicht hätte die politische Botschaft problemlos anders formuliert und der «Strudel der Rassendiskriminierung» umgangen werden können. «Stattdessen haben sich die beiden Angeklagten auf dünnes Eis begeben und sind eingebrochen.»

Der Fall der beiden SVP-Jungpolitiker interessiert weit über die Kantonsgrenzen hinaus. Das bekamen die beiden Angeklagten auch selbst zu spüren. Der Polizist Spahr wurde nach seiner erstinstanzlichen Verurteilung bis auf Weiteres in den Innendienst versetzt. In der Anhörung am Obergericht hatte er sich beschwert, dass er wegen dieser Versetzung mehrere tausend Franken weniger verdient habe, als wenn er Schichteinsätze hätte leisten dürfen. Und Fiechter sah nach dem erstinstanzlichen Urteil seine Stelle als Simmentaler Gemeindeverwalter gefährdet. Eine Sorge, die am Ende unbegründet war. Fiechter ist noch heute Gemeindeverwalter in Oberwil im Simmental.
(https://www.derbund.ch/bern/jsvppraesidenten-schuldig-gesprochen/story/17176347)


+++RECHTSEXTREM
tagesanzeiger.ch 06.12.2019

Wo Neonazis in Ruhe hassen dürfen

In einer Schwyzer Berghütte trafen sich letzte Woche Dutzende Rechtsextreme. Die Behörden waren im Bild, wollten die Feier aber nicht stören.

Kurt Pelda

Filmreife Szenen ereignen sich am letzten Freitag auf einer Schnellstrasse in der Nordostschweiz. Ein Kastenwagen des Grenzwachtkorps fängt ein Auto aus Deutschland mit drei Passagieren ab und geleitet es auf einen Rastplatz. Bald trifft ein zweiter Kastenwagen ein. Dieser bringt die Gäste zurück zum Grenzposten bei Schaffhausen, wo die Reisenden in Einzelzellen gesteckt werden und sich zur Leibesvisitation splitternackt ausziehen müssen. So schildert es einer der Betroffenen in einem im Internet veröffentlichten Video.

Frank Kraemer heisst der Mann. Als er am Freitag festgesetzt wird, ist er gerade unterwegs zu einem der grössten Neonazi-Treffen, das in den letzten Jahren in der Schweiz stattfand. In einer idyllischen Berghütte oberhalb von Galgenen SZ versammeln sich an jenem Wochenende gegen hundert Rechts­extreme zu einem munteren Anlass. Es gibt Vorträge, Verpflegung – rechte Geselligkeit.

Das Treffen ähnelt jenem rechtsextremen Festival, das 2016 in Unterwasser SG stattfand und dann wochenlang die Schlagzeilen beherrschte, weil die St. Galler Polizei den Hass-Event schulterzuckend geduldet hatte. Im Toggenburg spielten Rechtsrockbands, ein grosser Teil der Besucher kam aus Deutschland. In Galgenen dagegen gibt es nur Lieder mit Klavierbegleitung, und die meisten Teilnehmer sind Schweizer. Aber auch hier wissen die Behörden Bescheid. Und sie schauen einfach zu.

«Wie wärs mit kastrieren?»

Drei Stunden verbringt Frank Kraemer an jenem Freitag am Schaffhauser Grenzposten. Dass sich die Zöllner für ihn interessieren, kommt nicht von ungefähr: Kraemer ist in der Neonazi-Szene bestens bekannt als Gitarrist der Gruppe Stahlgewitter. Ihre Texte sind berüchtigt. Da heisst es zum Beispiel: «Es gibt diese Leute, die in ferne Länder fliegen, um schwitzend in der heissen Mittagssonne rumzuliegen. Die Typen schwarz wie Neger (…), wissen die denn nicht: Gesunde Bräune kommt von innen.» Und zu Schwulen singt die Band: «Für mich bist du ein perverses Schwein (…), pervers und abnormal – wie wärs denn mit kastrieren? Wenn ihr nicht kapiert, dass wir so etwas hassen. Keiner hindert euch, Deutschland zu verlassen.»

Während in Deutschland der Verfassungsschutz gefährliche Hetzer genau unter die Lupe nimmt, hat Kraemer in Schaffhausen nichts zu befürchten. Die Kontrolleure beschlagnahmen Bücher und Neonazi-Pamphlete des Gitarristen, dann aber lassen sie ihn seine Reise fortsetzen. Am Samstag erreicht Kraemer schliesslich die Neonazi-Feier in der Schwyzer Berghütte. Er hält dort einen Vortrag, wie er später auf Instagram berichtet. Zusammen mit einem zweiten deutschen Neonazi, Nikolai Nerling, der sich «der Volkslehrer» nennt und in seinen Internetvideos gern den Holocaust relativiert.

Verschiedene Quellen lassen erahnen, worüber die beiden referierten: Die «Nationale Aktionsfront» (NAF), eine Schweizer Neonazi-Gruppierung, veröffentlicht nach der Veranstaltung ein Foto von Kraemer und Nerling vor einer «Nationale Aktionsfront»-Fahne. Gemäss NAF trug das Treffen den Titel «völkisches Forum». In einer Einladung wurde Kraemers Vortrag mit dem Titel «Authentisches Leben als Nationalist» angepriesen. Ausserdem wurde ein anonymer deutscher Zeitzeuge angekündigt, bei dem es sich – wie wir jetzt wissen – um den «Volkslehrer» handelte.

Warum die Schweizer Neonazis Referenten und ihre Ideologie aus Deutschland importieren müssen? In der kleinen Schweizer Szene gibt es keine vergleichbar charismatischen Köpfe und Redner. Gemäss dem Flyer trat am «völkischen Forum» in Galgenen nur ein Schweizer Referent auf: Es handelt sich um Adrian Segessenmann von der rechtsextremen Avalon-Gemeinschaft. Er sprach zum Thema «Nationaler Sozialismus im 21. Jahrhundert».

Niemand fühlt sich zuständig

Warum aber unternahmen die Schweizer Behörden nichts, um die Feier der Rechtsextremen und die Verbreitung einer rassistischen Ideologie in Galgenen zu verhindern? Warum wurde Kraemer an der Grenze nicht einfach zurück nach Deutschland geschickt?

Die Eidgenössische Zollverwaltung teilt mit, sie habe die Weiterfahrt nicht verhindern können, weil gegen Kraemer kein gültiges Einreiseverbot verhängt worden war. Zuständig für Einreise­verbote wäre das Bundesamt für Polizei (Fedpol). Dieses schreibt, dass das Verhältnismässigkeitsprinzip stets gewahrt werden müsse. «Die Interessen der Fernhaltung werden gegenu?ber den Interessen der Meinungsäusserungsfreiheit jeweils sorgfältig abgewogen.»

Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) wusste schon Wochen vor dem Anlass vom Neonazi-Treffen der Nationalen Aktionsfront und von Kraemers Vortrag. Auf die eigens dazu angereisten deutschen Neonazis angesprochen, antwortete der NDB schriftlich: Solange kein konkreter Gewaltbezug feststellbar sei, würden Personen, die sich politisch radikalisieren, nicht ins Aufgabengebiet des NDB fallen. Der NDB selbst könne auch keine Veranstaltungsverbote aussprechen. Man analysiere aber fortlaufend die Sicherheitslage und stehe in engem Kontakt mit den zuständigen Kantonen. Defensiv äussert sich schliesslich auch die Schwyzer Kantonspolizei zur Neonazi-Feier in Galgenen: Sie habe in enger Zusammenarbeit mit den nationalen Beho?rden Massnahmen getroffen.

Diese Massnahmen bestanden offenbar darin, dass man die knapp hundert Neonazis gewähren liess, ihre Autonummern notierte und sie aus der Ferne beobachtete.

Anhand der Autokennzeichen liessen sich die Namen der meisten Teilnehmer eruieren. Eine starke Abordnung kam zum Beispiel von dem in Deutschland verbotenen, in der Schweiz aber legalen Blood-&-Honour-Netzwerk und von Combat 18 – C18, wobei die Zahl 18 für «Adolf Hitler» steht. Vertreten war auch das vor allem im Zürcher Oberland aktive «Stallhaus Schweiz» (SS). Den Vorträgen lauschten ausserdem einige Mitglieder der «Division Schweiz», die mit den in der Ukraine gegen russische Rebellen kämpfenden Rechtsextremisten des Azov-Bataillons verbandelt sein soll. Darüber hinaus waren einige Vertreter der Partei National Orientierter Schweizer (Pnos) anwesend, unter ihnen der Basler Neonazi Tobias Steiger. Seit längerem hat Steiger Strafverfahren wegen antisemitischer Rassendiskriminierung am Hals, die aber von der Basler Staatsanwaltschaft wegen «Überlastung», wie sie selbst schreibt, nicht prioritär behandelt werden.

Zu den Organisatoren der Neonazi-Feier in Galgenen gehört der im Aargau lebende Marc S., der auch bei den Ausschreitungen zwischen Linksextremisten und Neonazis in Schwyz vom April 2019 zugegen war. Beteiligt war auch der 55-jährige Otto Rölli aus dem Kanton Zug. Er gehört zur rassistischen «Heimatbewegung», die sich unter anderem für die Abtrennung der romanischen Schweiz vom deutschsprachigen Landesteil einsetzt. Rölli schreibt gern Leserbriefe und durfte auch schon in der «Neuen Zürcher Zeitung» vor den Gefahren des Multikulturalismus warnen. Er wurde 1990 wegen mehrerer Anschläge auf Asylunterkünfte zu einer bedingten Gefängnisstrafe von acht Monaten verurteilt.

«Volkslehrer» Nikolai Nerling besuchte in der Schweiz auch das Altdorfer Tell-Denkmal. Der Schweizer Nationalheld inspirierte ihn zu einem Selfie-Video. Zu den Klängen von Rossinis Oper «Wilhelm Tell» sagt Nerling: «Verbeugt hat sich Tell nicht 1307. 2017 habe ich nicht geschwiegen.» 2017 fing Nerling an mit seinen rechtsextremen Aktivitäten in den sozialen Medien, was zu seiner fristlosen Entfernung aus dem öffentlichen Dienst als Grundschullehrer in Berlin führte.
(https://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/wo-neonazis-in-ruhe-feiern-duerfen/story/15982157)



Wir brauchen keine Neonazis aus Deutschland
Die Schweiz als Paradies für ausländische Rechtsextreme – wie lange noch?
https://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/wir-brauchen-keine-neonazis-aus-deutschland/story/22409798



Verstörender Facebook-Kommentar: SVP-Politiker wünscht sich neuen Hitler
Ein SVP-Politiker lobt auf Facebook Adolf Hitler. Es ist schon der zweite rechtsextreme Aussetzer in der Schwyzer Kantonalpartei innert kurzer Zeit.
https://www.blick.ch/news/politik/verstoerender-facebook-kommentar-svp-politiker-wuenscht-sich-neuen-hitler-id15651972.html
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/svp-mitglied-wunscht-sich-neuen-dolf-nach-deutschland-65624539


Strafverfahren gegen Journalisten: Tierschützer Erwin Kessler gibt klein bei
Weil er sich über den Titel eines Artikels geärgert hat, hat der streitbare Thurgauer Tierschützer einen Journalisten angezeigt. Nach mehreren Niederlagen stellt er seinen juristischen Kampf nun unvermittelt ein.
https://www.tagblatt.ch/schweiz/strafverfahren-gegen-journalist-tierschuetzer-erwin-kessler-gibt-klein-bei-ld.1174859


+++FUNDIS
Als Samichlaus verkleidet: Scientology missioniert in Zürich getarnt
Am Samstag findet in Zürich eine Samichlaus-Veranstaltung statt. Neben Nüssen werden auch Büchlein an die Kinder verteilt. Der Autor: L. Ron Hubbard – Gründer der Scientology-Kirche. Einen Zusammenhang mit der Sekte soll es aber angeblich nicht geben.
https://www.blick.ch/news/schweiz/zuerich/als-samichlaus-verkleidet-scientology-missioniert-in-zuerich-getarnt-id15652398.html


+++PATRIARCHAT
Buser droht mit Klagen wegen Rufschädigung
Peter Buser wehrt sich gegen Vorwürfe, seine Veranstaltung im Historischen Museum sei antifeministisch. Und lädt Regierungspräsidentin Elisabeth Ackermann als Gesprächsteilnehmerin ein.
https://www.bazonline.ch/basel/stadt/buser-droht-mit-klagen-wegen-rufschaedigung/story/29768032
-> https://www.bzbasel.ch/basel/basel-stadt/umstrittenes-feministen-stadl-mit-nietzsche-ackermann-gibt-buser-einen-korb-136069155
-> https://www.bzbasel.ch/basel/basel-stadt/also-sprach-dr-buser-136073891


+++JENISCHE/SINTI/ROMA
derbund.ch 06.12.2019

Platz für Fahrende: «Enteignung von Land ist die Ultima Ratio»

Der geplante Platz für Fahrende in Muri stösst auf Widerstand. Ein Grundeigentümer legt sich quer. Regierungsrätin Evi Allemann (SP) und die schwierige Suche nach einer Lösung.

Simon Wälti

Für den Stand- und Durchgangsplatz Froumholz in Muri braucht es einen Ausbau der Erschliessung durch ein Waldstück. Die Grundeigentümer weigern sich aber, dafür Land abzutreten. Wie geht es nun weiter?

Wir sind bestrebt, eine einvernehmliche Lösung zu finden. Wir befinden uns in der Phase der Planung. Die Mitwirkung läuft. Wir wollen zuerst die Antworten und Eingaben der Mitwirkung analysieren. Eventuell wird das Projekt verändert oder angepasst. Anschliessend wird es eine öffentliche Auflage geben, bei der die Möglichkeit zu Einsprachen besteht.

Was passiert, wenn die Grundeigentümer nicht einwilligen?

Es gibt keine andere Möglichkeit der Erschliessung, das haben die Abklärungen im Vorfeld gezeigt. Wir sind also darauf angewiesen, dass wir den Weg ausbauen können. Sobald eine kantonale Überbauungsordnung vorliegt, können wir mit den Grundeigentümern über den Landerwerb verhandeln und einen Preis vereinbaren.

Die kantonale Überbauungsordnung bietet allerdings auch die Möglichkeit einer Enteignung.

Enteignung ist die Ultima Ratio, wenn die kantonale Überbauungsordnung beschlossen und rechtskräftig ist. Ich hoffe aber, dass es nicht so weit kommt. (Lesen Sie hier den Hintergrund zum Knatsch über den Platz für Fahrende.)

Eine Enteignung würde Gerichtsverfahren auslösen. Die Grundeigentümer haben bereits angekündigt, sie würden bis vor Bundesgericht gehen. Käme es also zu grossen Verzögerungen?

Es ist natürlich möglich, den Rechtsweg zu beschreiten. Die Einrichtung des Platzes würde sich dann verzögern, und die Kosten würden steigen. Wir haben den Platz unter Einbezug der Gemeinde Muri sehr sorgfältig geplant. Planungsprozesse sind aber immer unberechenbar.

Kritisiert wurde zum Beispiel auch, dass der Kanton zu brüsk vorgegangen sei und die Grundeigentümer vor vollendete Tatsachen gestellt habe. Was sagen Sie dazu?

Dieser Vorwurf ist meiner Meinung nach nicht gerechtfertigt und nicht nachvollziehbar. Die Pläne sind seit Jahren bekannt. Die Grundeigentümer waren von Anfang an involviert und konnten sich einbringen.

Es scheint, dass bei einem Teil der Bevölkerung auch grundsätzliche Vorbehalte gegenüber Fahrenden vorhanden sind.

Ich bin nicht überrascht über Vorbehalte. Man erlebt das oft bei raumplanerischen Vorhaben, weil diese mit Eingriffen in das Eigentum und in die Landschaft verbunden sind. Das ist auch so bei Projekten, die nicht die Fahrenden betreffen.

Mit den Fahrenden hat es nichts zu tun?

Es ist sicher noch ein Stück emotionaler als bei anderen Planungen des Kantons. Das hat auch damit zu tun, dass die fahrende Lebensweise ungewohnt und nicht alltäglich ist. Dies löst Ängste aus. Die Erfahrung zeigt aber: Sobald mit den Fahrenden ein Austausch besteht, nehmen die Vorbehalte schnell ab.

Also keine grundsätzliche Skepsis?

Beim Umgang mit Minderheiten befinden wir uns auf einem sensiblen Terrain. Aber auch bei Verkehrsplanungen oder bei der Planung neuer Arbeitszonen gibt es Widerstand.

Am 9. Februar folgt die Abstimmung über den umstrittenen Transitplatz für ausländische Fahrende in Wileroltigen. Wie sehen Sie die Chancen?

Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir das Stimmvolk mit nüchternen, sachlichen Argumenten überzeugen können. Im Grossen Rat war der Transitplatz breit akzeptiert. Besteht ein solcher Platz für ausländische Fahrende, dann können wir Halte an unerwünschten Orten besser verhindern. Das ist eine Entlastung für Landeigentümer, Gemeinden und Bauern. Wie überall müssen sich die Fahrenden auch in Wileroltigen an klare Regeln halten.

Und was ist mit dem lokalen Widerstand?

Der lokale Widerstand war zwar sehr stark. Ich denke aber, dass wir viele Anliegen der Gemeinde haben aufnehmen können, und hoffe, dass die Akzeptanz auch in Wileroltigen selber gestiegen ist. Der Platz liegt relativ weit entfernt vom Wohngebiet auf der anderen Seite der Autobahn, und für den Betrieb des Platzes ist allein der Kanton zuständig. Die Junge SVP, welche das Referendum ergriffen hat, werden wir aber nie überzeugen können; unabhängig davon, wo der Platz liegt.

Ist die Opposition beim Platz Froumholz nicht ein schlechtes Zeichen?

Der Kanton hat bei der Planung partnerschaftlich mit der Gemeinde zusammengearbeitet. Diese unterstützt das Vorhaben denn auch, was ein gutes Zeichen ist. Knackpunkt bleibt der Widerstand der Grundeigentümer betreffend Erschliessung.

Der Kanton plant zusätzliche Plätze für Schweizer Fahrende in Herzogenbuchsee und in Erlach. Wie weit ist man dort?
In beiden Fällen sind wir weiter fortgeschritten. In Erlach wollen wir Anfang 2020 die kantonale Überbauungsordnung auflegen. In Herzogenbuchsee bereinigen wir die Pläne. Die Auflage soll auch 2020 erfolgen. Die Eingaben und Anliegen der Mitwirkung konnten aufgenommen und berücksichtigt werden.
(https://www.derbund.ch/bern/platz-fuer-fahrende-enteignung-von-land-ist-die-ultima-ratio/story/28220427)



bernerzeitung.ch 06.12.2019

Widerstand gegen Fahrende «bis vor Bundesgericht»

Muri – Die ersten Fahrenden werden kaum schon im Sommer 2021 auf dem neuen Platz im Froumholz haltmachen: Die betroffenen Waldbesitzer kündigen massiven Widerstand an.

Stephan Künzi

Die Pläne sind schon länger bekannt, jetzt soll es vorwärtsgehen. Am Donnerstagabend informierten die Behörden darüber, wie es mit dem Platz für Schweizer Fahrende am Autobahnanschluss bei Muri weitergehen soll. Der Zeitplan, den Kantonsplanerin Katharina Dobler dabei skizzierte, tönte ehrgeizig. Wenn alles rundläuft, machen die ersten Fahrenden schon im Sommer 2021 auf dem Areal unterhalb des Froumholzwaldes halt.

Eigentlich könnten sie das schon länger tun. Zumindest im Winter – seit fast dreissig Jahren ist der schmale Streifen Land im Zonenplan der Gemeinde Muri nämlich als Winterstandplatz für Fahrende ausgeschieden. Dass die Gäste bislang trotzdem ausgeblieben sind, hat den einfachen Grund, dass die Zufahrt fehlt. Der einzige fahrbare Weg gehört Privaten.

Mit der neuen Planung soll das ändern. Geplant ist, dass der Weg ausgebaut und zum Teil sogar mit einem Belag versehen wird. Gleichzeitig geht er ins Eigentum der Gemeinde über.

Muri betreibt, Kanton zahlt

Auf dem Platz selber kommen 15 Familien unter, womit bei voller Belegung mit dreissig Wagen und 60 bis 70 Personen zu rechnen ist, wie die Verantwortlichen weiter informierten. Er wird Wasser-, Abwasser- und Stromanschlüsse sowie eine sanitäre Anlage bieten. Für sie wird ein Holzmodulbau aufgestellt.

Betrieben wird er das ganze Jahr über. Im Sommer dürfen die Fahrenden allerdings nur einen Monat lang haltmachen und müssen dann weiterziehen. Im Winter dauert der Aufenthalt bis zu sechs Monate.

Gebaut und betrieben wird die Anlage von der Gemeinde Muri, der das 3500 Quadratmeter grosse Gelände grösstenteils auch gehört. Die auf knapp 800’000 Franken geschätzten Baukosten übernimmt der Kanton. Er steht auch für ein allfälliges Defizit aus dem Betrieb gerade, wenigstens zu 80 Prozent. Mit roten Zahlen sei allerdings nicht von vornherein zu rechnen, hiess es. Immerhin müssten die Fahrenden ja eine Platzgebühr zahlen.

In der Diskussionsrunde zeigte sich, dass die Kantonsplanerin mit ihrem Fahrplan wohl zu ehrgeizig ist. Der Vertreter der betroffenen Wald- und Wegbesitzer kündigte jedenfalls massiven Widerstand an. Unter anderem war ihm in die Nase gestochen, dass der Kanton den Platz über eine kantonale Überbauungsordnung realisieren will. Diese kann allein von der zuständigen Regierungsrätin Evi Allemann (SP) in Kraft gesetzt werden, ein Ja der Stimmbürger ist nicht nötig.

Gefahr aus dem Wald

Mit der bewilligten Überbauungsordnung im Rücken kann die öffentliche Hand anschliessend den Zufahrtsweg und das für den Ausbau nötige Land auch gegen den Willen der Waldbe­sitzer übernehmen. Ihr Vertreter sprach bereits von einer Enteignung, die man so nicht einfach hinnehmen werde. «Wir ziehen bis vor Bundesgericht», kündigte er an.

Auch der Landwirt, der das angrenzende Pachtland bewirtschaftet, hatte für die Pläne nicht viel übrig. Ihn störte, dass der Platz weitab vom Siedlungsgebiet gebaut werden soll, wo doch der Kantons sonst immer den Anschluss an eine Bauzone fordere. Und er warnte vor der Gefahr, die vom nahen Wald ausgehe: Wenn es heftiger winde, fielen die bis zu 30 Meter hohen Tannen nur zu gern um.
(https://www.bernerzeitung.ch/region/region-bern/widerstand-gegen-fahrende-bis-vor-bundesgericht/story/21858245)



ES DROHT EIN JAHRELANGER RECHTSSTREIT
In Muri wehren sich Grundbesitzer gegen einen Standplatz für Fahrende. Ob dieser überhaupt erstellt werden kann, ist aber unklar. Das Problem: Noch weiss niemand, wie man dahingelangt.
(Mathias Streit, derbund.ch 05.12.2019)

Hinter einem Waldstück an der Autobahn plant Muri den Bau eines Ganzjahresstandplatzes für Fahrende. Solche Plätze sind Mangelware, Schweizer Fahrende bemühen sich seit Jahren um mehr davon. Gemeinsam mit dem Kanton Bern wollte Muri für Entlastung sorgen. Die Ausgangslage schien günstig: Das Gebiet im Froumholz ist schon seit 1992 als Standplatz für Fahrende vorgesehen und dementsprechend eingezont. Bereits 2021 sollte der neue Platz bereitstehen. Doch nun tauchen plötzlich Zweifel auf, ob der Bau tatsächlich so einfach realisierbar ist. Und in der Nachbargemeinde Allmendingen formiert sich Widerstand.

Anruf vom Regierungsrat

Einem raschen Baubeginn im Weg steht die ungeklärte Zufahrt zum geplanten Standplatz. Die Gemeinde Muri möchte den Weg durch den Wald verbreitern, damit die Fahrenden mit ihren Wohnwagen durchkommen. Dagegen wehrt sich aber Urban Kofmel, dessen Frau eines der betroffenen Waldstücke besitzt. Kofmel erklärt seinen Widerstand mit dem «rüden» Vorgehen der Behörden. 2014 habe die Gemeinde Muri überstürzt und ohne Bewilligung mit dem Ausbau des Weges beginnen wollen. Kofmel leistete Widerstand, worauf die Gemeinde vorerst auf den Bau verzichtete.

Daraufhin nahm sich der zuständige Regierungsrat Christoph Neuhaus (SVP) der Sache an. «Er hat mich mehrmals angerufen, um mich zum Einlenken zu bewegen», sagt Kofmel, der stur blieb. Das kantonale Amt für Gemeinden und Raumordnung (AGR) stellte ihn, gemäss eigenen Aussagen, daraufhin vor die Wahl: Verkauf der Wegfläche oder Enteignung. Letzteres ist mithilfe einer Kantonalen Überbauungsordnung (KUeO) möglich. Kofmel verzichtete auf den Verkauf, die KUeO ist seit Mitte November in der öffentlichen Mitwirkung.

Kofmel will nicht aufgeben. «Ich gehe von einem jahrelangen Rechtsstreit aus», sagt er. Er plant eine Einsprache, deren Erfolgsaussichten er als «gut» einschätzt. Hoffnung schöpft er aus dem revidierten Raumplanungsgesetz (RPG) des Bundes. Dieses sieht vor, dass zuerst dasjenige Bauland verwendet werden muss, das räumlich erschlossen ist. «Und im Fall des geplanten Standplatzes ist das klar nicht so», sagt Kofmel. Der Beschluss von 1992, im Froumholz einen Standplatz für Fahrende zu schaffen, sei deshalb mit dem revidierten RPG nicht mehr vereinbar. Das AGR habe es in diesem Fall verpasst, genaue Abklärungen zu treffen.

«Es hat dort weder Strom noch Wasser»

Vom AGR war am Donnerstag niemand für eine Stellungnahme zu erreichen. Am Abend organisierte das Amt in Muri eine öffentliche Informationsveranstaltung zum geplanten Standplatz. Mit dabei war auch der Bauer Walter Lüthi. Er bewirtschaftet das Feld gleich neben dem geplanten Platz. Lüthi kritisiert die Standortwahl: «Im Froumholz hat es keinen Strom, kein Wasser, und für den Platz wird wertvolles Landwirtschaftsland geopfert.» Er fürchtet zudem, dass die Fahrenden die Grenzen zu seinem Feld nicht einhalten würden und er dadurch zu Schaden käme. Aus diesem Grund wehrte er sich bereits letzte Woche an der Gemeindeversammlung in Allmendingen gegen die Pläne des Kantons. Ob er auch juristisch dagegen vorgehen wird, hat er noch nicht entschieden.

Auch die «Hündeler» vom Verein Tannental stören sich ob des geplanten Standplatzes. Ihre Ausbildungsanlage liegt gleich nebenan. Von den kantonalen Behörden fühlen sie sich übergangen. «Wir haben unsere Anliegen früh beim AGR deponiert», sagt Vereinspräsident Ueli Emch. Diese seien aber weitgehend ignoriert worden. Er befürchtet deshalb, dass «die Anwesenheit der Fahrenden den täglichen Übungsbetrieb mit den Hunden stören, wenn nicht sogar verunmöglichen könnte».

Fahrende beklagen «Platznotstand»

Simon Röthlisberger, Geschäftsleiter der Stiftung Zukunft für Schweizer Fahrende, versteht diese Vorbehalte: «Die fahrende Lebensweise löst bei vielen Unbehagen aus.» Er erläutert: «Schweizer Fahrende sind aber unproblematisch», auf anderen Standplätzen mit ähnlicher Ausgangslage klappe das Zusammenleben gut. Wichtig sind für Röthlisberger klare Regeln. «Mit einem Platzwart und einer Platzordnung entstehen die meisten Probleme gar nicht erst.»

Das Bedürfnis an Plätzen ist für Röthlisberger unbestritten, er spricht gar von einem «Platznotstand». Der Standplatz Buech in Bern stosse an seine Kapazitätsgrenzen. Muri könnte da für Entlastung sorgen. Röthlisberger ist denn auch optimistisch, dass der Platz bald gebaut wird: «Was schon lange vorgesehen war, wird nun endlich umgesetzt.»
(https://www.derbund.ch/bern/es-droht-ein-jahrelanger-rechtsstreit/story/17688578)