Medienspiegel 22. November 2019

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++SCHWEIZ
Asylzentren sind keine Gefängnisse
Das neue Bundesasylzentrum in Zürich steht medial in der Kritik: Bewohnerinnen und Bewohner berichten unter anderem von systematischen Körperkontrollen und willkürlichen Zimmerdurchsuchungen. Die SFH fordert, die Unterkunft für Schutzsuchende menschenwürdig zu gestalten.
https://www.fluechtlingshilfe.ch/news/archiv/2019/asylzentren-sind-keine-gefaengnisse-1.html


+++DEUTSCHLAND
Flüchtlingsrat zur Anwalt-Festnahme in Ankara„Das sind alles hoch sensible Daten“
Dündar Kelloglu vom Flüchtlingsrat Niedersachsen hat das Bundesamt für Migration kritisiert. Die Festnahme des Anwalts bedeute, dass die Türkei jetzt an Daten von Menschen kommen könne, die in Deutschland Schutz suchen, sagte Kelloglu. Die Behörde habe ihren Aussagen nicht geglaubt und den Anwalt recherchieren lassen.
https://www.deutschlandfunk.de/fluechtlingsrat-zur-anwalt-festnahme-in-ankara-das-sind.694.de.html?dram:article_id=464034
-> https://www.deutschlandfunk.de/dagdelen-zu-anwalt-festnahme-anschlag-auf-deutsch.694.de.html?dram:article_id=464031


+++GROSSBRITANNIEN
Offenbar zehn Migranten in Lastwagen nahe London entdeckt
Zehn mutmaßliche Migranten waren im Laderaum eines Lkws versteckt. Einer von ihnen musste ins Krankenhaus gebracht werden
https://www.derstandard.at/story/2000111379698/offenbar-zehn-migranten-in-lastwagen-nahe-london-entdeckt


+++GRIECHENLAND
«35’000 Menschen leben im Chaos und ohne Würde»
Die Organisation Ärzte ohne Grenzen fordert von der EU ein radikales Umdenken in der Flüchtlingspolitik.
https://www.derbund.ch/ausland/europa/aerzte-ohne-grenzen-fordern-radikales-umdenken-in-fluechtlingspolitik/story/23593696
-> https://www.tagesschau.de/ausland/eu-tuerkei-fluechtlinge-109.html


Migrationsminister George Koumoutsakos: „Aus Griechenland werden keine grausamen Bilder mehr kommen“
Die griechische Regierung reagiert auf den Flüchtlingsandrang – und will geschlossene Lager bauen. Der neue Migrationsminister Koumoutsakos über seine Pläne und Seehofers Vorschlag für ein neues EU-Asylsystem.
https://www.spiegel.de/politik/ausland/griechenland-migrationsminister-will-keine-grausamen-bilder-mehr-a-1297127.html


++MITTELMEER
Menschenrechtsexpertin rügt Kooperation mit Libyen bei Seenotrettung
Menschenrechtsverstöße in Libyen seien gut dokumentiert, sagt Dunja Mijatović. Der Schutz des menschlichen Lebens sei zu garantieren
https://www.derstandard.at/story/2000111380768/menschenrechtsexpertin-ruegt-kooperation-mit-libyen-bei-seenotrettung


+++GASSE
Brennpunkt Schützenmatte – Vermittler können Probleme nicht lösen
Nach Drogenhandel und Überfällen auf der Schützenmatte in Bern: Interkulturelle Vermittler alleine sind keine Lösung.
https://www.srf.ch/news/regional/bern-freiburg-wallis/brennpunkt-schuetzenmatte-vermittler-koennen-probleme-nicht-loesen
-> https://www.telebaern.tv/telebaern-news/vermittler-sollen-schuetzenmatte-sicherer-machen-136010428



bernerzeitung.ch 22.11.2019

Gewalt auf der «Schütz»: Ein Fall für das «Team Kidane»

Es ist ein aussergewöhnlicher Vorgang: In einem Brief an die Stadtregierung wählt der Regierungsrat klare Worte. Beim Vorhaben, die Reitschule-Security stärker in die Pflicht zu nehmen, fühlt er sich von der Stadt zu wenig unterstützt.

Esther Diener-Morscher, Michael Bucher

Jeden Freitag um 17 Uhr nimmt das «Team Kidane» seine Arbeit auf der Berner Schützenmatte auf. Denden Kidane, der Geschäftsführer, meldet sich bei den Platzbetreibern, dem Verein Platzkultur, und bespricht die Situation: Wer ist da? Gibt es irgendwo Probleme? Dann dreht ein Zweierteam seine Runden über die Schützenmatte.

Eigentlich ist es ein Notfalleinsatz, den das «Team Kidane» leistet. «Im Juni kamen wir zum Schluss: Jetzt brauchen wir Hilfe», erklärte Christoph Ris vom Verein Platzkultur am Freitag. Seit einem Jahr organisiert dieser Verein die Aktivitäten auf der Schützenmatte. Nicht blauäugig, wie Ris betont. «Ein bisschen Drogendeal bringt uns nicht aus der Fassung.»

Aber im Sommer nahmen Gewalt, Diebstähle und Raubüberfalle dermassen zu, dass sich Ris und seine Mitstreiter an Alex Haller, den Leiter der Abteilung Familie & Quartier der Stadt Bern, wandten. Für Probleme sorgten vor allem Jugendliche aus Somalia, Eritrea und Nordafrika, die ohne Beschäftigung «auf der Schützenmatte gestrandet sind», wie Ris es formuliert.

Keine Sicherheitsleute

Für Haller war klar: Auf der Schütz braucht es keinen Sicherheitsdienst. Sondern interkulturelle Vermittler, die sich der Jugendlichen annehmen, bevor sie gewalttätig werden. Schliesslich engagierte er ein Profiunter­nehmen: das «Team Kidane». Denden Kidane, Schweizer mit Wurzeln in Eritrea, übersetzt und vermittelt, wenn sich Schweizer und Eritreer nicht verstehen.Allerdings sitzt er dann meistens am Tisch mit Behörden: Die Schützenmatte ist für ihn ein neues Arbeitsgebiet. Auch ein gefährlicheres.

Die Mitglieder des «Team Kidane» sind Migranten zweiter Generation und ehemalige Flüchtlinge. Sie haben die Weisung, sich sofort zurückzuziehen, sobald sich die Stimmung auflädt und Gewalt droht. Das Team soll jenen Draht zu den Jugendlichen finden, den die Mitglieder des Vereins Platzkultur nicht ge­funden haben. Ob es funktioniert, weiss Alex Haller noch nicht. Seit dem Sommer hat das Team 180-mal mit Jugendlichen gesprochen, pro Abend also 10 bis 15 Kontakte gehabt.

Dabei versucht das Team, Regeln und Gepflogenheiten des hiesigen Zusammenlebens zu vermitteln. «Oft sind die Jugendlichen wütend, fühlen sich von den Behörden schlecht behandelt», schildert Kidane. Fragt er dann nach, stösst er auf feste Meinungen und falsche Er­wartungen. Etwa: «Ich bin jetzt 18 Jahre alt, da sollte ich doch eine Wohnung bekommen.» Das erzählte ihm ein Jugendlicher trotzig, in der Meinung, er seiein Opfer von Behördenwillkür.

Weniger als 50000 Franken

Die Arbeit des Vermittlungsteams hat laut Stadt bisher «einen Betrag deutlich unter 50000 Franken» gekostet. Am Ziel seien sie noch nicht, räumt Alex Haller ein. Doch er und der Verein Platzkultur möchten gern mit dem «Team Kidane» weiterarbeiten. Sicher bis Ende Jahr. Danach müsste der Gemeinderat einen Nachkredit sprechen.

Zwischen der Kantonsregierung und der Berner Stadtregierung herrscht dicke Luft. Der Grund ist einmal mehr die Reitschule. Der Kanton – namentlich die Polizeidirektion – drängt den Berner Gemeinderat seit geraumer Zeit dazu, das autonome Kulturzentrum zu besseren Sicherheitsstandards zu verpflichten. Ein konkreter Schritt sollte dabei die bessere Kennzeichnung des Reitschule-Sicherheitsdienstes sein. Immerhin steht selbst in dessen Sicherheitskonzept, dass Securitymitarbeiter «für Dritte erkennbar sein» müssen.

Die Gespräche mit der Stadt darüber verlaufen für den Kanton offenbar äusserst unbefriedigend. Vor rund zwei Wochen entlud sich der Frust in einem Brief an den Berner Gemeinderat. Das Schreiben liegt dieser Zeitung vor. Bemerkenswert ist, dass der Brief nicht von der zuständigen Polizeidirektion stammt, sondern vom Gesamtregierungsrat. Unterzeichnet hat ihn Regierungspräsident Christoph Ammann (SP). «Der Regierungsrat ist verwundert über die in seiner Wahrnehmung passive Haltung des Gemeinderats in diesem wichtigen Dossier», heisst es in dem Brief.

Stadt will sich nicht äussern

Der kantonale Polizeidirektor Philippe Müller bestätigt auf Anfrage den einseitigen Briefverkehr mit der Stadt Bern, will aber nicht auf das darin angesprochene Problem mit der Reitschule eingehen. Der FDP-Regierungsrat sagt einzig, dass er es befremdend finde, wenn die Stadtregierung einen konstruktiven Dialog vorschlage, dieser aber seit einem Jahr nur in eine Richtung stattfinde. «So gehen Behörden nicht miteinander um.»

Der Brief heizt einen Konflikt zwischen Kanton und Stadt an, der vergangenen Herbst seinen Ursprung hatte. Nach heftigen Krawallen zwischen Polizei und Reitschülern auf der Schützenmatte stellte Berns Stadtpräsident Alec von Graffenried (GFL) die Verhältnissmässigkeit des Polizeieinsatzes infrage. In einem grossen Interview mit dieser Zeitung ging daraufhin Regierungsrat Philippe Müller hart mit der rot-grünen Stadtregierung ins Gericht. Er warf ihr vor, sich zu wenig für die Sicherheit der Kantonspolizisten einzusetzen. Dieser Frontalangriff wiederum sorgte beim Stapi für Irritation. «Der Gemeinderat ist der Ansicht, dass die Diskussion zwischen den Behörden nicht via Medien stattfinden sollte, sondern im direkten Dialog», hielt von Graffenried damals fest.

In der Folge fand im November letzten Jahres ein Gespräch zwischen den Gesamtexekutiven von Stadt und Kanton statt. Dies geht aus dem Brief hervor. Dort wurde vereinbart, dass Polizeidirektor Müller und Berns Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) ihre eingebrachte Forderung nach einer besseren Kennzeichnung der Reitschule-Security zuhanden des Gemeinde­rates ausformulieren.

Aus Sicht des Kantons ist dies eine Mindestmassnahme, welche «rasch, problemlos und unbürokratisch» realisiert werden könnte. Nachdem die beiden das Anliegen deponiert hatten, blieb es jedoch lange ruhig. Anfang August – als sich auf der Schützenmatte Raubüberfälle und Gewalt häuften – verfasste der kantonale Polizeidirektor einen ersten Brief, der dieser Zeitung ebenfalls vorliegt. Müller forderte Auskunft über den Stand der Dinge. Eine Antwort blieb jedoch aus, weshalb sich jetzt der Gesamtregierungsrat einschaltet.

Die Stadt bestätigt auf An­frage den Erhalt des Briefes von Anfang November. Aus der Präsidialdirektion von Alec vonGraffenried heisst es nur, man werde sich nicht via Medien, sondern «im Rahmen des partnerschaftlichen Dialogs direkt mit dem Regierungsrat darüber austauschen».

Druck durch neues Gesetz

Die Kritik am Sicherheitsdienst – von der Reitschule Wellness-Team genannt – ist ein Dauerbrenner. «Die Reitschule hat einen Sicherheitsdienst, der weder erkennbar ist noch mit der Polizei in Dialog treten möchte», hielt Reto Nause erst diese Woche gegenüber der Zeitung «Der Bund» fest.

Warum tut sich die Reitschule schwer mit der Forderung? «Die Mitarbeiter*innen des Wellness-Teams tragen einen Ausweis auf sich, mit dem sie sich bei Bedarf ausweisen können», teilte die Medienstelle der Reitschule bereits im August dieser Zeitung mit. Eine Uniformierung ziehe man nicht in Betracht. «Wir sehen darin keinen Gewinn, sondern lediglich einen Versuch, sich durch Markierung Autorität zu verschaffen. Wir wollen Probleme aber im Dialog lösen», hielt die Reitschule damals fest.

Die Situation könnte sich jedoch schon bald ändern. Denn ab Januar tritt im Kanton ein verschärftes Gesetz in Kraft, welches eine Bewilligungspflicht für private Sicherheitsdienste verlangt. Dabei sollen auch allfällige Strafregistereinträge rigoros geprüft werden. Die nötigen Bewilligungen wird die Kantonspolizei erteilen. Zwei Jahre Zeit gewährt der Kanton den Sicherheitsdiensten, um sich an die neuen Vorgaben anzupassen.

Im Leitbild der Stadt Bern steht: «Die Mitarbeitenden erbringen ihre Leistungen effizient und innert kürzestmöglicher Frist.» Im Reitschule-Dossier leben Stadtpräsident Alec von Graffenried (GFL) und die übrigen rot-grünen Mitglieder der Stadtregierung dieser Maxime nicht nach. Der Kanton hat bis heute von der Stadt­regierung keine Antwort auf ein Schreiben des kantonalen Polizeidirektors Philippe Müller (FDP) von Anfang August erhalten. Das ist Arbeitsverweigerung. Die ausstehende Antwort zeigt, dass der Gemeinderat offenbar nicht gewillt ist, von der Reitschule zu ver­langen, dass deren Sicherheitsleute eine Weste tragen.

Regierungsrat Philippe Müller mag manchmal forsch und direkt auftreten. Er geniesst deshalb bei gewissen Mitgliedern der Stadtregierung nicht die höchsten Sympathiewerte. Doch es ist seine Aufgabe, auf sicherheitsrelevante Probleme bei der Reitschule hinzuweisen. Denn es sind Kantonspolizisten, die bei Ausschreitungen den Kopf hinhalten und riskieren, verletzt zu werden.

Der Stadtpräsident bezeichnet sich gern als Brückenbauer. Er muss jetzt den Beweis antreten, dass er tatsächlich einer ist. Es ist seine Aufgabe, den Dialog mit dem Regierungsrat wieder aufzunehmen. Da die Verhandlungen mit der Reitschule über den neuen Leistungsauftrag derzeit laufen, ist zudem jetzt der perfekte Zeitpunkt dafür, die Pflicht einer Kennzeichnung der Sicherheitsleute in diesen einfliessen zu lassen.
(https://www.bernerzeitung.ch/region/bern/gewalt-auf-der-schuetz-ein-fall-fuer-das-team-kidane-der-kanton-macht-druck-die-stadt-reagiert-nicht-ein-versagender-stadtregierung/story/21728960)



Konfliktzone Dreirosenanlage in Basel – Schweiz Aktuell
Die Basler Dreirosenanlage, gedacht als attraktive Parkanlage in der Stadt mit Spielplätzen und Sportanlagen, ist immer häufiger Konfliktzone. Die Basler Regierung will nun diesen Hotspot entschärfen.
https://www.srf.ch/play/tv/popupvideoplayer?id=60f3bf4a-fea3-4292-9007-5f9523bee215&startTime=271.154


+++SEXWORK
Xenia wird 35 – RaBe-Info 22.11.2019
Die Fachstelle für Sexarbeiter*innen im Kanton Bern feiert das 35 Jahre Jubiläum. Gegründet wurde der Verein 1984 mit dem Ziel, die Akzeptanz der Bevölkerung für die Sexarbeit zu fördern und die Arbeitsbedingungen für Sexarbeiter*innen zu verbessern. Was als Projekt von Frauen für Frauen in der Stadt Bern begann, ist inzwischen gewachsen. XENIA ist heute mit einem erweiterten Tätigkeitsfeld für den ganzen Kanton Bern zuständig und erreicht jährlich an die 4000 Sexarbeiter*innen. Beratung und Betreuungsangebote haben sich also verbessert, nicht aber die Arbeitsbedingungen im Sexgewerbe.
Christa Ammann, Stellenleiterin von XENIA: „Die Fixkosten sind gestiegen, die gesetzlichen Vorschriften haben sich verschärft etc. All das macht es für viele Sexarbeiter*innen unglaublich kompliziert, überhaupt legal zu arbeiten. Sie sind auf Unterstützung angewiesen, um überhaupt all die Vorschriften einzuhalten zu können. Was wiederum neue Abhängigkeiten fördert.“
Ab dem ersten Januar 2020 wir XENIA einmal wöchentlich auch in Thun und Biel Beratungen vor Ort anbieten. Ausserdem will der Verein vermehrt einen Fokus auf die Digitalisierung legen, die auch in der Sexarbeit Einzug gehalten hat.
Zur Feier des Jubiläums von XENIA läuft im Schlachthaus Theater die Produktion Traumboy, die sich mit der Auswirkung von Geschlechterrollen und Sexarbeit befasst und bis am 7. Dezember ist im Theaterladen des Schlachthauses zudem eine Schaufenster Projektion zu sehen, mit dem Titel «Sexwork on screen».
https://rabe.ch/2019/11/22/fachstelle-sexarbeit-xenia-zu-besuch/


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Der «Graue Block» darf seine Personalien abgeben
Eine Gruppe von älteren Demonstranten solidarisiert sich mit den Linksaktivisten, die von der Basler Polizei via Online-Fahndung gesucht werden. Sie sollen sich bei der PNOS-Gegendemonstration vor einem Jahr strafbar gemacht haben.
https://www.bazonline.ch/basel/stadt/der-graue-block-versammelt-sich-auf-dem-messeplatz/story/21215560
-> https://telebasel.ch/2019/11/22/der-graue-block-bekennt-farbe/?channel=105100
-> https://www.bajour.ch/baselnazifrei-der-graue-block-will-zur-polizei-und-die-macht-den-laden-dicht


EA während der „Revolutionäre Kämpfe verbinden“-Demo
Während der Demo „Revolutionäre Kämpfe verbinden“ vom 23. November 2019 in Bern, wird es einen vom AntiRep Bern betreuten EA (Ermittlungsausschuss) geben, welcher ab 13.00 Uhr erreichbar sein wird.
Die EA-Nummer lautet: 077’414’99’60
https://barrikade.info/article/2910


Bank im Visier von Klima-Aktivisten
Am Freitagnachmittag machten Aktivisten von Climate Justice bei der Credit Suisse in Basel mit Ballons und Transparenten auf den Börsengang von Saudi-Armaco aufmerksam.
https://www.20min.ch/schweiz/basel/story/Ballon-Demo-14328166
-> https://www.bzbasel.ch/basel/basel-stadt/klima-aktivisten-stuermen-die-credit-suisse-136010050
-> https://www.climatejustice.ch/wp-content/uploads/2019/11/Medienmitteilung_22.11.19_Credit-Suisse-cares-for-climate_Nichts-als-heisse-Luft.pdf
-> https://www.climatejustice.ch/


«Eine Bewilligung der Polizei geht zu weit»: Experte setzt Fragezeichen hinter Bewilligungspflicht für Anti-Scientology-Aktivisten
Die Freien Anti-Scientology-Aktivisten brauchen für ihre Aktionen in St.Gallen eine Bewilligung der Polizei. Ein Experte hält das für fragwürdig.
https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/stgallen/eine-bewilligung-der-polizei-geht-zu-weit-experte-setzt-fragezeichen-hinter-bewilligungspflicht-fuer-anti-scientology-aktivisten-ld.1170771


+++REPRESSION DE
40 Jahre Republikanischer Anwaltsverein: „Bürgerrechte werden relativiert“
Seit 40 Jahren ist der RAV Wächter der Bürger- und Freiheitsrechte gegen Machtansprüche des Staates. Der Vorsitzende Peer Stolle zieht Bilanz.
https://taz.de/40-Jahre-Republikanischer-Anwaltsverein/!5640210/


Behörde als Datenkrake
Im Rahmen der Ermittlungen gegen linksunten.indymedia wurden Unterlagen der Studierendenschaft der Uni Freiburg beschlagnahmt
Im Rahmen der Ermittlungen gegen linksunten.indymedia wurden Unterlagen der Studierendenschaft der Uni Freiburg beschlagnahmt. Jetzt wehrt sie sich gegen deren Auswertung.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1129006.linksunten-indymedia-behoerde-als-datenkrake.html


+++POLICE BE
Ab Januar 2020 gilt die neue Polizeigesetzgebung
Bessere rechtliche Voraussetzungen für die Bekämpfung schwerer Kriminalität: Der Regierungsrat des Kantons Bern hat das neue Polizeigesetz und die Ausführungsbestimmungen per 1. Januar 2020 in Kraft gesetzt. Wegen einer hängigen Beschwerde vor Bundesgericht gelten jedoch drei Bestimmungen des Polizeigesetzes vorerst nicht.
https://www.be.ch/portal/de/index/mediencenter/medienmitteilungen.meldungNeu.mm.html/portal/de/meldungen/mm/2019/11/20191121_0959_ab_januar_2020_giltdieneuepolizeigesetzgebung
-> https://www.derbund.ch/bern/noch-koennen-fahrende-nicht-einfacher-wegewiesen-werden/story/10292638
-> https://www.bernerzeitung.ch/news/standard/neues-berner-polizeigesetz-tritt-in-kraft/story/10254010
-> https://www.20min.ch/schweiz/bern/story/Bald-tritt-das-neue-Polizeigesetz-in-Kraft-17142098
-> https://www.neo1.ch/news/news/newsansicht/datum/2019/11/22/neues-berner-polizeigesetz-tritt-2020-mit-ausnahmen-in-kraft.html


+++POLIZEI ZH
Bei Meldungen über Delikte – Zürcher Polizei soll Nationalitäten nennen
In Medienmitteilungen soll auch die Stadtpolizei die Staatsangehörigkeit eines Täters oder eines Opfer wieder angeben.
https://www.srf.ch/news/regional/zuerich-schaffhausen/bei-meldungen-ueber-delikte-zuercher-polizei-soll-nationalitaeten-nennen
-> https://www.telezueri.ch/zuerinews/polizei-zuerich-soll-nationalitaet-von-taetern-angeben-muessen-136010628
-> https://www.toponline.ch/news/zuerich/detail/news/zuercher-stadtpolizei-soll-in-meldungen-nationalitaet-angeben-00124014/
-> https://www.zsz.ch/ueberregional/Nationalitaet-soll-genannt-werden-Migrationshintergrund-aber-nicht/story/13045446
-> https://www.landbote.ch/contentstationimport/nationalitaet-soll-genannt-werden-migrationshintergrund-aber-nicht/story/13045446


+++RECHTSPOPULISMUS
derbund.ch 22.11.2019

Reto Nause will sich nichts vorschreiben lassen

CVP-Gemeinderat Reto Nause sieht sich nicht als Totengräber der bürgerlichen Allianz im Kampf um die Sitze in der Stadtberner Regierung. Er kritisiert nun seinerseits die GLP.

Bernhard Ott
(…)
Zur Sachpolitik: An Demonstrationen gab es zuletzt kaum mehr Ausschreitungen. Wessen Erfolg ist das?

Das ist primär ein Erfolg jener, die mit Helm und Schild auf der Gasse stehen. Der Gemeinderat formuliert lediglich die strategischen Vorgaben.

Aber die Kapo ist dem Regierungsrat unterstellt und nicht Ihnen, und Sie nehmen gar nicht mehr an den Reitschulgesprächen teil. Bleibt für Sie nur noch die Rolle desjenigen, der bellt?

Nein. Es gibt zurzeit so viele Kundgebungen, dass ich sie schon lange nicht mehr bellend begleiten kann. So gab es seit dem 7. Oktober gegen 30 Kundgebungen von Kurden, die von der linksautonomen Szene für eigene Zwecke missbraucht werden.

Aber im Dossier Reitschule sind Sie machtlos.

Da gibt es denn auch kaum mehr Fortschritte. Die Situation auf der Schützenmatte spitzt sich zu. Die Schützenmatte ist der Kriminalitäts-Hotspot Nummer eins in Bern. Es gibt eine starke Zunahme von Tätlichkeiten. Es geht meist um Gewalt von Dealern. Und es scheint, als ob das Ganze organisiert ist.

Ist der Ansatz mit Security und interkulturellen Vermittlern richtig?

Diese Massnahmen gehen zu wenig weit. Man müsste die Möblierung anders organisieren und sich eingestehen, dass die Belebungsmassnahmen ihre Wirkung verfehlt haben – ganz im Unterschied zur Grossen Schanze. Grundsätzlich müsste man sich überlegen, wie man die Schützenmatte von einem städtischen Unort zu einem zentralen Begegnungsort machen könnte. (Wie die Zwischennutzer mit anderer Architektur die Schützenmatte sicherer machen wollen können Sie hier nachlesen.) Aber es bleibt auch eine Tatsache, dass Polizeiaktionen aus der Reitschule heraus immer wieder behindert werden und dass die Reitschule einen Sicherheitsdienst hat, der weder erkennbar ist noch mit der Polizei in Dialog treten möchte. Wir wissen nicht einmal, ob es sich um Vorbestrafte handelt.

Könnte eine knappere 3-zu-2-Mehrheit im Gemeinderat etwas ändern an dieser verfahrenen Situation?

Ich denke schon. Niemand spricht von einer Schliessung der Reitschule. Aber es werden Gäste bedroht, es gibt viel Gewalt, und es gibt einen aggressiven Deal auf der Schützenmatte, bei dem auch mal Drogen gegen Sex angeboten werden. Wir befinden uns in einer kritischen Situation im Moment.

Was müsste die Stadt denn tun?

Man müsste demokratische Strukturen in der Reitschule etablieren. Ein Gewaltbereiter kann sich an der Vollversammlung querstellen und alles zu Fall bringen. Die Mehrheit ist in Geiselhaft einer radikalen Minderheit.

Demokratische Strukturen in der Reitschule hatte schon ein GFL-Vorstoss gefordert, der vor zehn Jahren überwiesen wurde.

Der Vorstoss ist hochaktuell. Die gewaltbereite Minderheit in der Reitschule ist heute radikalisierter als noch vor zehn Jahren. Die Rhetorik gegenüber der Polizei ist unerbittlicher geworden. Parallel dazu nahmen die Übergriffe zu.
(…)
(https://www.derbund.ch/news/standard/wo-ist-das-selbstvertrauen-der-glp/story/18367790)



Kommentar auf FB Reitschule:
An Reto Nause und alle anderen, die es noch immer nicht begriffen haben:

Wir erklären unsere Strukturen und Entscheidfindungsprozesse gerne ein weiteres – gefühlt 500. – Mal. Sie scheinen uns nicht allzu kompliziert, aber offenbar taugen sie noch immer für Verdrehungen im Wahlkampf. Item: Die Reitschule ist basisdemokratisch organisiert – urdemokratisch sozusagen, denn alle Reitschüler*innen können und sollen sich an den Reitschule-Strukturen in gleichem Masse und nach ihren Bedürfnissen und Interessen beteiligen. Der Entscheidmodus ist auch ein wenig anders als man es von der Parteipolitik gewohnt ist. Wir entscheiden nicht per einfachem oder qualifiziertem Mehrheitbeschluss sondern wenn immer möglich per Konsens (einer Haltung, mit der möglichst alle Reitschüler*innen gut leben können). Um zu einem solchen zu kommen ist manchmal viel Diskussion nötig. Am Schluss kommt ein Konsens zustande – oder auch nicht. Dann bleibt es, wie es ist. Die Reitschule ist also ziemlich konservativ. Aber es ist geradezu eine Karrikatur der Konsensdemokratie zu glauben, eine einzelne Person (oder eine kleine Gruppe) könne die Entscheidfindung unterminieren. So geduldig sind die Reitschüler*innen dann doch nicht. Alles klar? Wir erklären es sonst auch ein 501. Mal und mehr. Es kann doch nicht so schwierig zu verstehen sein.

Und noch etwas, das offenbar wieder mal gesagt werden muss: Es ist die Politik dieser Stadt, die es befördert, dass sich im Raum der Reitschule der Deal mit all seine negativem Folgen etabliert. Das hat weder mit den Strukturen der Reitschule, mit der Kennzeichnung des Wellness-Teams noch etwas mit der Möblierung der Schütz zu tun! Hört endlich auf uns zum Sündenbock eurer Politik zu machen!
https://www.facebook.com/Reitschule/posts/10157367270375660



Extinction Rebellion  – Eine gezielte Provokation
Roger Hallam hat die Shoa nicht relativiert, weil er unvorsichtig war. Sondern ganz bewusst. Das legt eine E-Mail nahe, die in Kreisen der XR-Klimabewegung zirkuliert
https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/eine-gezielte-provokation
-> https://www.welt.de/politik/deutschland/article203722910/Extinction-Rebellion-Gruender-legt-mit-neuen-Holocaust-Relativierungen-nach.html
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/klimastreik-schweiz-arbeiten-weiterhin-mit-extinction-rebellion-65612248
-> https://www.nau.ch/das-dustere-weltbild-von-extinction-rebellion-65616700


+++RECHTSEXTREMISMUS
Wenn das Presserecht zur Waffe wird
Eine Anwaltskanzlei bedroht im Auftrag eines Rechtsextremisten eine spendenfinanzierte Online-Zeitung: ein Fall aus Deutschland.
https://www.infosperber.ch/Artikel/FreiheitRecht/Wenn-das-Presserecht-zur-Waffe-wird



neues-deutschland.de 23.11.2019

Von Freikorps bis Alt-Right

Nach gut 40 Jahren wird mit »Männerphantasien« ein Klassiker der Geschlechterforschung neu aufgelegt. Der Autor, Klaus Theweleit, spricht im Interview über die Aktualität seiner Forschung, gefährliche Männlichkeit und rechte Bewegungen.

Von Thomas Gesterkamp

Herr Theweleit, Sie sind 1942 geboren, waren also 35 Jahre alt, als der erste Band der »Männerphantasien« erschien. Nach über vier Jahrzehnten erscheint jetzt eine Neuauflage. Überrascht Sie die anhaltende Wirkung ihrer Recherchen?

Nein. Das »Töten aus Lust«, das ich in diesem Buch am Beispiel der deutschen Freikorps als spezifisch männlich beschreibe, hat ja nicht nachgelassen. Es nimmt eher zu in der heutigen Welt, jeden Tag gibt es frische Belege.

»Männerphantasien, das sind Vorstellungen von dem, was Männer nicht wissen durften: Körperwünsche, Energien und Sehnsüchte wurden unterdrückt und abgetötet, um wieder geboren zu werden im Kampf für Größe und Vaterland«, heißt es im Buch. Was war Ihr Forschungsansatz?

Es gab eine Menge Arbeiten zum deutschen Faschismus, die ideologiekritisch ausgerichtet waren. Sie wollten den Nationalsozialisten und ihren Vorläufern in erster Linie so etwas wie fundamentale Dummheit beweisen. »Blut und Boden«-Zeugs lächerlich zu machen, ist allerdings sehr einfach. Es führt jedoch keineswegs zu irgendwelchen Einsichten, wie diese »blöden Nazis mit ihrem Oberdummkopf Hitler« es denn geschafft hatten, so viel Macht und Attraktion zu entwickeln, dass sie beinahe ganz Europa militärisch-terroristisch in die Tasche steckten. Ich wollte dagegen ein Buch schreiben, in dem man über tatsächliche Nazis tatsächlich etwas erfährt. Das geht nur, indem man erst einmal zur Kenntnis nimmt, was sie überhaupt sagten beziehungsweise sagen. Das Verfahren, das ich dabei anwandte, wurde später unter dem Terminus »Close Reading« bekannt und berühmt. Genau hinsehen, genau hineinhören ins »Material«, genau recherchieren und nicht zu allem sofort eine Meinung haben. »Meinungen« sind eine der Hauptformen, um zu verdecken, dass man sachlich keine Ahnung hat. Mit Meinungen entdeckt man nichts.

Sie haben damals mit dem Thema promoviert, galten aber als eigenwilliger Geist mit Strahlkraft vor allem in die Kulturwissenschaften. Eine Hochschulkarriere ergab sich aus der Doktorarbeit zunächst nicht. Die Universität Freiburg wollte Sie wegen Ihrer »ungezügelten Intelligenz« nicht einmal ein Proseminar abhalten lassen. Warum hat man Sie als »unseriös« abgetan?

»Ungezügelte Intelligenz« ist doch kein »unseriöses« Urteil. Im Gegenteil, es steckt eine Art Bewunderung darin. »Man« (und es waren in der Tat Professoren-Männer) wollte mich am Deutschen Seminar der Uni Freiburg nicht, weil sie mich zu gut kannten und fürchteten: als Aktivisten der Freiburger Gruppe des Sozialistischen Deutschen Studentenbunds (SDS), der sie oft genug in ihren Lehrveranstaltungen attackiert und auch bloßgestellt hatte. Und der sollte nun unter die Kollegenschaft? Bewahre! Ich habe das sogar verstanden.

1998 wurden sie dann schließlich doch noch Professor, an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe. Was hatte sich geändert?

Erstens waren das andere Menschen, eben Künstler – was Philologen in der Regel nicht sind. Zweitens hatte ich denen nichts getan. Im Gegenteil, meine folgenden Bücher, »Buch der Könige« Band 1 und Band 2x/2y hatten sich mit Produktionsweisen der Kunstherstellung befasst. Besonders mit dem Umstand, wie eine bestimmte Sorte Künstler, die ich unter »Orpheische Produktion« zusammenfasste, die Körperlichkeit ihrer Frauen in ihre Werke »einarbeitet«. Und dies nicht nur am Beispiel literarischer, sondern auch »bildender« oder musischer Künstler: Andy Warhol, Elvis Presley. Das hatten Leute aus der Karlsruher Akademie gelesen, fanden es interessant und fragten, ob ich Interesse an einer Professur bei ihnen hätte. Aus der Vertretung, die ich zunächst zusagte, wurde dann eine feste Stelle. Ein weiterer Grund für mich war der Kontakt zu den Kunststudenten. Ich lerne immer gern von Jüngeren.

Wie andere frühe Männer-Autoren waren Sie stark von der Psychoanalyse geprägt, Herangehensweise und Sprache sind dennoch politisch orientiert. Im Kern stützen sich die »Männerphantasien« auf persönliche Dokumente der Freikorps: deutsche Soldaten, die 1918 enttäuscht aus dem Krieg zurückkamen und später eine verlässliche Stütze der Nationalsozialisten bildeten. Auf insgesamt 1150 Seiten legen Briefe, Biografien und literarische Spuren die sexuell aufgeladenen, gewalttätigen Fantasien dieser Männer offen.

Psychoanalyse, das muss man präzisieren. Mit den Freud’schen Begriffen wie Ich, Es und Über-Ich kommt man bei diesen Männern nicht weit. Sie funktionieren anders. Einen Zugang zu ihren Gefühlen, die sie selber breit darlegen in ihren Schriften, bekam ich über Weiterentwicklungen der Forschungen, die in der Psychoanalyse von Kleinkindern und Adoleszenten gemacht wurden – überwiegend von Frauen, von Melanie Klein, Margaret Mahler und anderen. Dort erscheint der Begriff des »Fragmentkörpers«; psychische Mechanismen wie »Entdifferenzierung« und »Entlebendigung« tauchen auf und der Terminus »Erhaltungsmechanismen« für eigene Gewaltaktionen. Im Inneren der meisten Gewalttäter herrschen diffuse Ängste. Mit diesen Termini kam ich in Berührung über meine Frau, die seit 1970 in der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Uni Freiburg als klinische Psychologin angestellt war. Ich stellte erstaunt fest, dass viele dieser neuen Begriffe die »zerstörte Körperlichkeit« der Figur, die ich dann den »soldatischen Mann« nannte, sehr viel genauer verständlich – und damit beschreibbar – machten als alles, was aus traditioneller Psychoanalyse und aus der Politikwissenschaft gekommen war.

Für die Neuauflage wurden weitere 120 Seiten ergänzt, Sie haben ein ausführliches Nachwort geschrieben. Welche Aktualität haben Ihre Erkenntnisse?

2015 gab es ja schon eine Art Erweiterungsband der »Männerphantasien«: »Das Lachen der Täter«, wo ich auf Anders Breivik eingehe, auf mordende Soldaten und Kindersoldaten in Zentralafrika, auf den Massenmord an angeblichen Kommunisten in Indonesien Mitte der 1960er Jahre, auf die deutsche SS, auf Gewalttäter des sogenannten Islamischen Staates und auf viele weitere. Solche fortlaufende Aktualität bestimmter männlicher Gewalthandlungen weltweit stützte die Erkenntnisse von Männerfantasien. Das neue Nachwort jetzt bezieht jüngste Fälle mit ein, vom Attentäter im Münchner Einkaufszentrum über die amerikanischen Alt-Right-Killer bis zum neuseeländischen Massenmörder Brenton Tarrant. Der Mörder von Halle, der vorhatte, in der dortigen Synagoge ein Massaker anzurichten, ist noch nicht dabei. An Aktualität ist leider kein Mangel. Auch nicht im Punkt des Antifeminismus, der die Rede von Neo-Rechten weiterhin weltweit strukturiert.

Sie diagnostizieren eine Unfähigkeit zu menschlichen Beziehungen, ein aggressionsgeladenes »Inneres« und einen durch militärischen Drill ausgeformten »Körperpanzer«. Ist Männlichkeit per se gefährlich, destruktiv oder gar »toxisch«, wie aus feministischer Perspektive neuerdings behauptet wird?

Bestimmte Sorten »Männlichkeit« sind per se gefährlich. Diese Gefährlichkeit wird aber erworben; Körper werden zugerichtet, werden übel zugerichtet und werden, wenn sie keine mildernde Hilfe erfahren, lebende Bomben, aufs Töten ausgerichtet, das als lustvoll erlebt wird. »Toxisch« klingt demgegenüber so, als wäre dies eine Eigenschaft, die Männerkörper von Geburt an mitbringen. Auch aus Männern aber können nicht-tötende Wesen werden. »Toxisch« ist ein Kampfbegriff, vergleichbar der Formel »kulturmarxistisch-feministisch verseucht« oder »versifft«, den Anders Breivik und andere für Sozialdemokratinnen, Grüne oder Linke verwenden.

Die Forschung zu den Ursachen männlicher Aggression ist immer noch lückenhaft. Erst recht gilt das für die Gewalt, die Männer nicht als Täter ausüben, sondern als Opfer selbst erfahren. Einzelne Wissenschaftler haben darüber geschrieben, stoßen aber bei Anträgen auf finanzielle Unterstützung oft auf Widerstand. Das Thema ist ein geschlechterpolitisches Minenfeld und ein Eingangstor für selbst ernannte Männerrechtler. Was halten Sie von den sogenannten Maskulinisten?

Ich kenne diese Leute kaum. Dass es eine Tendenz unter »Männerrechtlern« gibt, alle Schuld für angebliche oder wirkliche Benachteiligungen, die sie im Leben erfahren, Frauen zuzuschieben, ist mir bekannt. Mordlust geht daraus noch nicht hervor. Insofern sehe ich hier kein »geschlechterpolitisches Minenfeld«: Im Minenfeld kann nicht mehr geredet werden.

Frauen gehören im Denken der Männer, die Sie beschreiben, prinzipiell »nach unten«, werden abgewertet oder gar gehasst. Die Forderung nach politischer »Gleichstellung« der Geschlechter kann in diesem Weltbild nur verstören und irritieren. Ist Antifeminismus stets klar dem rechtem Spektrum zuzuordnen?

Der Typus, den ich beschreibe – und zwar aus seinen eigenen Äußerungen heraus beschreibe -, erträgt alle Verhältnisse um ihn herum nur, wenn sie hierarchisch angeordnet sind. Darin gehören Frauen notwendig »nach unten«; zumindest weiter nach unten, als er selbst sich einordnet. Der Gedanke, dass es fundamentale Gleichheit geben könnte unter Menschen, bedroht ihn körperlich, »bringt ihn um«. Und so muss er sich wehren. Nazis handeln immer aus notwendiger »Gegenwehr«. Was sie bedroht, muss getötet werden; die Welt muss so angeordnet sein, dass alle wissen, wo ihr Platz in der Gesellschaft ist: unter ihnen. Das nennen sie die »natürliche Ordnung« der Dinge. Diese Haltung kann auch anderswo als im rechten Spektrum gefunden werden. Dort aber ist sie ein Strukturmerkmal, das nie fehlt.

Weit mehr Männer als Frauen wählen die AfD, auch in der Neonazi-Szene sind sie überdurchschnittlich vertreten. Sind rechte Bewegungen ein Männerphänomen?

»Rechte Bewegungen« differenziert nicht genug. Es gibt viele Frauen überall auf der Welt, die eher zur politischen Rechten neigen: Sie bezeichnen sich als »konservativ«, wählen rechte Parteien und organisieren sich in Tea-Partys oder Ähnlichem. Es gibt Untersuchungen unter streng muslimischen Frauen, die belegen, dass etliche von ihnen der familiären, sexuellen und rechtlichen Unterordnung, die sie in ihren männerdominierten Gesellschaften erfahren, im Prinzip zustimmen. Der Punkt ist: Sie sind damit noch keine »rechte Bewegung«, sind nicht notwendig gewalttätig. Rechte Bewegungen, die man so nennen kann, laufen immer auf Auslöschung des Gegners hinaus. Der wirkliche Rechtsextremismus beginnt für mich da, wo der Tötungswille das Handeln oder Reden bestimmt. Das ist der Point of No Return. Wie dieser Tötungswille jeweils begründet wird, ist ziemlich egal: Breivik mordet als »Christ«, die IS-Leute für »Allah«, die Nazis im Auftrag der »höheren Rasse«, die Alt-Rights, um dem »Genozid an den Weißen« vorzubeugen, und so weiter. Begründungen sind beliebig aus dem Hut zu zaubern, sind aufklebbare Ideologien. Faschismus ist aber keine Ideologie, Faschismus ist eine Art und Weise, die Realität herzustellen. Eine zerstörerische Art, der man argumentierend nicht begegnen kann.

Ein wichtiger Impuls für Ihre Arbeit war die in den 1970er Jahren noch nicht sehr weit reichende Aufarbeitung des deutschen Faschismus. Sind die Psychogramme der Freikorps übertragbar auf Soldaten allgemein? Hatten auch die Angehörigen des US-Militärs oder der Roten Armee »Männerfantasien«?

Etliche von ihnen, ja, sicher. Im Falle der US-Marines hat Stanley Kubrick das gezeigt mit dem Film »Full Metal Jacket«. Dessen erster Teil ist wie eine Verfilmung von »Männerphantasien«.

Klaus Theweleit: Männerphantasien. Matthes & Seitz, 1270 S., geb., 38 €.



Klaus Theweleit

Klaus Theweleit, 1942 in Ostpreußen geboren, war bis zu seiner Pensionierung 2008 Professor für Kunst und Theorie an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe. Heute lebt er in Freiburg, ist als freier Autor tätig und hat Lehraufträge in Deutschland, den USA, der Schweiz und Österreich.

ein Buch »Männerphantasien« erschien 1977 und 1978  in zwei Bänden und wurde zu einem frühen Klassiker der Genderliteratur und der Gewaltforschung; verkauft wurden damals mehr als 100 000 Exemplare. Gestützt auf historische Selbstzeugnisse von Rückkehrern aus dem Ersten Weltkrieg beschreibt Theweleit den Soldatenkörper und den zerstörerischen Charakter männlicher Gewalt. Das Interesse an seinen Thesen ist heute größer denn je: Sein Buch »Männerphantasien« bietet Erklärungen dafür, warum es so deutlich überwiegend Männer sind, die sich im Rechtsradikalismus bewegen oder sich diesem zuwenden.
(https://www.neues-deutschland.de/artikel/1129010.klaus-theweleit-von-freikorps-bis-alt-right.html)


+++HISTORY
Nach 101 Jahren: Vaterländischer Verein löst sich auf – das sagt Präsident Andreas Glarner
Die Aargauische Vaterländische Vereinigung, 1918 als Bollwerk gegen die Bolschewiken gegründet, löst sich auf.
https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/kanton-aargau/nach-101-jahren-vaterlaendischer-verein-loest-sich-auf-das-sagt-praesident-andreas-glarner-136005513


30 Jahre Fichenskandal – Ignoranz als Staatsschutz?
Vor genau 30 Jahren geriet die Schweiz in eine der schwersten institutionellen und politischen Krisen ihrer Geschichte. Der so genannte „Fichenskandal“ explodierte.
http://www.swissinfo.ch/ger/30-jahre-fichenskandal_ignoranz-als-staatsschutz-/45378176


Der Schweizer Mauerbau
Am 22. November 1989 wurde die Fichenaffäre öffentlich gemacht. Sie wurde zum nationalen Trauma. In Berlin war die Mauer gefallen, in der Schweiz wurde eine hochgezogen, die bis heute steht.
https://www.republik.ch/2019/11/22/der-schweizer-mauerbau