Medienspiegel 8. September 2019

+++FRANKREICH
Räumung des Jungle von Calais in der kommenden Woche
Offenbar steht die Räumung des neu entstandenen Jungle in Calais unmittelbar bevor. Unten dazu die provisorische Übersetzung einer Erklärung der Auberge des Migrants, der wichtigsten zivilgesellschaftlichen Organisation in Calais.
https://ffm-online.org/raeumung-des-jungle-von-calais-in-der-kommenden-woche/


+++GRIECHENLAND
Griechenland ruft EU zur Aufnahme von Flüchtlingskindern auf
Griechenland hat die anderen EU-Staaten aufgerufen, zumindest minderjährige Flüchtlinge aus den Registrierlagern auf den Inseln der Ägäis aufzunehmen. Dort sind zurzeit mehr als 24’000 Menschen untergebracht.
https://www.tagblatt.ch/newsticker/international/griechenland-ruft-eu-zur-aufnahme-von-fluchtlingskindern-auf-ld.1149990
-> https://www.tagesschau.de/ausland/fluechtlinge-griechenland-197.html
-> https://www.zdf.de/nachrichten/heute/fluechtlinge-griechenland-appelliert-an-eu-100.html



neues-deutschland.de 08.09.2019

Halber Quadratmeter pro Mensch

Qualvolle Enge in griechischen Flüchtlingslagern unter den Augen der EU

Immer mehr Geflüchtete kommen auf Lesbos und den Nachbarinseln an. Griechenland ist überfordert und die Europäische Union fordert schnelle Abschiebungen in die Türkei.

Von Lea Schönborn

Vor ein paar Tagen hatte Zeyneb einen schweren epileptischen Anfall mitten in der Nacht. »Es kam aber kein Doktor oder medizinisches Personal, um uns zu helfen«, erzählt ihr Bruder. Zeyneb ist ein 12-jähriges afghanisches Mädchen, das mit ihrer Familie in dem Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos lebt. Vor sechs Monaten wurde ihr in der Türkei ein Gehirntumor diagnostiziert, deswegen hat die siebenköpfige Familie, inklusive der 97-jährigen Großmutter, den schwierigen Weg nach Griechenland auf sich genommen. Jetzt teilt sich die Familie ein Zelt mit drei anderen Familien. Jede Familie hat ungefähr vier Quadratmeter Platz. Das heißt, beim Schlafen hat Zeyneb noch nicht einmal genug Platz, um ihre Beine auszustrecken.

Dass Zeyneb in der Nacht vor ein paar Tagen keine Hilfe bekam, ist kein Einzelfall: Auf die 11 000 Menschen im Lager kommen zwei Ärzt*innen und zwei Pflegekräfte. Über den Fall des afghanischen Mädchens berichtete kürzlich die Organisation Ärzte ohne Grenzen, die den Namen der Betroffenen änderte, um ihre Identität zu schützen.

Vergangene Woche Mittwoch hatten 300 minderjährige unbegleitete Flüchtlinge wegen der unmöglichen Bedingungen für die Verlegung auf das Festland demonstriert. Als sie anfingen, Mülleimer in Brand zu setzen, machte die griechische Polizei Gebrauch von Tränengas. Das löste Empörung aus. Die EU-Kommission hat Griechenland inzwischen Hilfe bei der Verlegung von besonders Schutzbedürftigen von Lesbos angeboten. Doch die Bedingungen in Nordgriechenland sind nicht besser. Neuankömmlinge im Lager Nea Kavala bei Kilkis klagen über Engpässe bei Wasser, Strom und Zelten.

Derzeit sitzen auf den griechischen Inseln Lesbos, Chios, Samos, Leros und Kos mehr als 24 000 Schutzsuchende in fünf verschiedenen Lagern fest. Die sind eigentlich für 6300 Menschen ausgelegt. Eines davon ist Moria, welches vergangene Woche von den Bundestagsabgeordneten der LINKEN, Michel Brandt und Cornelia Möhring, besucht wurde. Sie berichteten von einer »absurden Lage« in Moria. Das Camp ist für 3000 Geflüchtete ausgelegt, dort leben aber momentan viermal so viele Menschen. Fast die Hälfte der Schutzsuchenden sind Kinder. Möhring appellierte an die Bundesregierung: Sie habe die humanitäre Pflicht, zu helfen.

In den vergangenen Wochen stieg die Zahl der Schutzsuchenden schlagartig an. Im August setzten nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR 8103 Menschen aus der Türkei zu den griechischen Inseln über. Auch am Wochenende haben nach Angaben der griechischen Küstenwache weitere 332 Migranten zu den Inseln, Rhodos, Kalymnos, Samos, Farmakonisi und Lesbos und damit auch in die EU übergesetzt. Im August 2018 waren insgesamt nur 3200 gekommen. Als das Abkommen zwischen der EU und der Türkei im März 2016 in Kraft getreten war, lebten in den Lagern nur etwa 5800 Menschen.

Die EU-Kommission drängt Griechenland seit langem, schneller und effektiver abzuschieben. Die neue konservative griechische Regierung hat schon angekündigt, die Asylverfahren zu beschleunigen. Unter dem abgewählten linken Regierungschef Alexis Tsipras haben die Verfahren in vielen Fällen mehr als zwei Jahre gedauert. Jetzt soll es kein Recht mehr auf Berufung geben. Das heißt, wer kein Asyl bekommt, soll direkt in die Türkei abgeschoben werden.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sprach am Donnerstag davon, eine »Sicherheitszone« im Norden Syriens einzurichten. Er wolle »mindestens eine Million« Geflüchtete dorthin abschieben. Die Türkei hatte sich Anfang August mit den USA auf eine solche »Sicherheits- oder Pufferzone« geeinigt. Die Türkei hat 3,6 Millionen Syrer*innen seit Beginn des Krieges 2011 aufgenommen, damit mehr als jedes andere Land der Welt. Im Rahmen des EU-Türkei-Deals wurden der Türkei von der EU sechs Milliarden Euro Hilfe zugesichert. Erdogan möchte aber mehr Geld. In dem Deal wurde vereinbart, dass die Türkei die Geflüchteten zurücknimmt, die in Griechenland abgelehnt werden. Falls Erdogan seine Drohung wahrmacht, Schutzsuchende in eine »Sicherheitszone« abzuschieben, sind Abschiebungen in die Türkei auf keinen Fall verantwortbar.

Außerdem hat Erdogan in seiner Rede am Donnerstag angedroht, die Grenzen Richtung Europa zu öffnen. Es wird spekuliert, dass die hohe Zahl von Ankömmlingen im August auf den griechischen Inseln mit sinkendem Interesse der türkischen Küstenwache zusammenhängt.

Pro Asyl fordert derweil, dass Deutschland und andere EU-Staaten Schutzsuchende aus Moria und den anderen Lagern aufnehmen und selbst die Asylverfahren durchführen. »Es ist das Mindeste, dass die Minderjährigen sofort aus dem Hotspot Moria geholt und auf dem EU-Festland verteilt werden«, sagte LINKE-Abgeordneter Michel Brandt dem »nd«. »Das ist menschenrechtliche Pflicht, dafür braucht es kein Programm.«
(https://www.neues-deutschland.de/artikel/1125478.fluechtlinge-in-griechenland-halber-quadratmeter-pro-mensch.html)


+++ITALIEN
neues-deutschland.de 08.09.2019

Eine Zukunft für Riace

Wegen der solidarischen Aufnahme von Flüchtlingen wird das kalabrische Dorf vom Staat kriminalisiert

Italiens kürzlich abgelöster Innenminister Matteo Salvini ließ keine Gelegenheit aus, Flüchtlinge und ihre Unterstützer*innen zu attackieren. Ein Beispiel ist das Dorf Riace.

Von Elisabeth Voß

Riace ist ein kleines Bergdorf im süditalienischen Kalabrien, das seit 20 Jahren Geflüchtete solidarisch aufnahm und dafür weltweit bekannt wurde. Der ehemalige Bürgermeister Domenico Lucano war seit Mitte Oktober 2018 aus Riace verbannt und durfte sein Dorf nicht betreten. Das war besonders schmerzlich, weil er seinen 93-jährigen Vater nicht besuchen konnte, der schwer erkrankt ist. Erst in der vergangenen Woche hob ein Gericht im kalabrischen Locri das Verbot auf. Lucano darf wieder in sein Dorf zurück.

Der Politiker war polizeilich überwacht worden. Dies geschah unter der zynischen Bezeichnung »Operation Xenia« – was auf Griechisch Gastfreundschaft bedeutet. Eineinhalb Jahre lang – beginnend also schon vor Salvinis Amtsübernahme – zeichnete die Finanzpolizei sämtliche Telefonate des Bürgermeisters auf, als sei er schwerster Straftaten verdächtig, nachdem die Verwendung der staatlichen Fördermittel für die Flüchtlingsaufnahme überprüft worden war. Die Ergebnisse waren widersprüchlich, wiesen zwar auf formale Fehler hin, jedoch ebenso darauf, dass in Riace neue Möglichkeiten des Willkommens gefunden wurden.

Das Dorf des Willkommens

Es gab Werkstätten für altes kalabrisches Handwerk wie Weberei, Töpferei, Stickerei, Glas- und Holzverarbeitung. Die Produkte wurden in kleinen Geschäften im Dorfzentrum verkauft, in der »Villa Globale« oben im Bergdorf. Wie viele Orte an der kalabrischen Ostküste hat auch Riace zwei Ortsteile, eine Marina unten am Meer und ein kleineres Bergdorf. Die meisten der etwa 2300 Einwohner*innen leben am Meer, Riace Superiore in den Bergen leidet seit Jahrzehnten unter Abwanderung. In den Projekten arbeiteten Einheimische und Zugereiste gemeinsam, so entstand kein Neid.

Es entwickelte sich ein bescheidener Wohlstand, Kindergarten und Schule konnten wieder öffnen, denn viele Geflüchtete waren jung und hatten Kinder. Die überwiegend älteren Einheimischen freuten sich, dass Leben ins Dorf kam. Wandbilder und Objekte, beispielsweise kleine Holzschiffe, erinnern an Flucht und Willkommen. Einige Bilder weisen auf Morde durch die Mafia hin, und auf vielen sind offene Handflächen zu sehen, ein Anti-Mafia-Symbol. Die selbstorganisierte lokale Ökonomie entrichtete kein Schutzgeld. Lucanos Hunde wurden vergiftet, und bis heute sind zwei Einschusslöcher in der Seitentür eines früheren Restaurants des Willkommensprojekts zu sehen.

Die Fördergelder wurden nur für die Dauer des Asylverfahrens gezahlt. Danach zogen die meisten Flüchtlinge weiter nach Norden, aber es kamen immer wieder neue an. Die Regierung nutzte gerne die Aufnahmebereitschaft von Riace, und der Bürgermeister lehnte nie eine Anfrage ab. So lebten durchgängig etwa 300 bis 400, mitunter auch mehr Geflüchtete in Riace.

Lucano, der von allen »Mimmo« genannt wird, hatte schon vor seiner Wahl zum Bürgermeister 2004 den Verein »Città Futura« (Stadt der Zukunft) gegründet. Weitere Vereine und Genossenschaften kamen hinzu, und vielleicht lagen einigen die eigenen finanziellen Vorteile dabei mehr am Herzen als das Wohl der Flüchtlinge, aber durch die breite Beteiligung der Einwohner*innen und Weggezogenen, die ihre verlassenen Häuser an die Aufnahmeprojekte vermieteten, entstand eine würdige Alternative zu den überfüllten, menschenunwürdigen Massenlagern, an denen oft die Mafia gut verdient.

In Riace gab es keine Gemeinschaftsverpflegung, sondern die Gäste, wie die Zugereisten dort freundlich genannt werden, konnten selbst einkaufen und kochen, was ihnen schmeckt. Allerdings kamen die Fördermittel aus Rom oft erst mit monatelanger Verspätung an, so dass Domenico Lucano mit Genehmigung der Behörden eine Regionalwährung einführte. Die Gutscheine mit dem Aufdruck »No Razzismo« und Bildern von Martin Luther King, Rosa Parks, Mahatma Gandhi, Che Guevara und anderen konnten zum Einkaufen verwendet, und von den Geschäften in Euro getauscht werden, sobald die Fördermittel da waren.

Bürokratie gegen Menschlichkeit

Mit der Inspektion wurde diese regionale Währung plötzlich kritisiert. Es wurde bemängelt, dass Geflüchtete länger geblieben waren, als sie finanziert wurden, und dass mit dem Geld eine größere Anzahl Flüchtlinge unterstützt worden war, als vorgesehen. Obwohl diese Übererfüllung der Aufgaben auf eine sparsame Verwendung der Fördergelder hinwies, stellte das Innenministerium 2017 die Auszahlung ein. Die Staatsanwaltschaft ermittelte.

Am 2. Oktober 2018 wurde Lucano verhaftet, erst unter Hausarrest gestellt, dann verbannt. Er und etwa 30 Einwohner*innen von Riace wurden angeklagt, die Willkommensprojekte geschlossen – auf Anweisung des Innenministeriums, nun unter Salvini, der Lucano schon zuvor als »Null« beschimpft hatte. In einem ersten Ermittlungsverfahren, das bis zum Obersten Kassationsgericht in Rom ging, wurden alle Vorwürfe, bis auf die Unterstützung illegaler Einreise durch Scheinehen, als unbegründet abgewiesen. Ein Missbrauch von Fördermitteln war gerichtlich nicht feststellbar. Lucano streitet nicht ab, eine nigerianische Zwangsprostituierte bei der Eheschließung unterstützt zu haben. Er habe einem ausgebeuteten Menschen helfen wollen, weil der Staat sich nicht um die Opfer von Menschenhandel kümmere, erklärte er in seiner 70-minütigen Rede am ersten Prozesstag des Strafprozesses am 11. Juni 2019 im kalabrischen Regionalgericht in Locri.

Der Prozess fand unter Sicherheitsbedingungen statt, wie sie nicht einmal bei Mafiaprozessen üblich sind. Mit Straßensperrungen, Polizeieinheiten mit Hunden und Hubschraubern wurden die solidarisch Demonstrierenden vom Gerichtsgebäude ferngehalten und eingeschüchtert. Lucano erklärte vor Gericht: »Wenn man mir vorwirft, dass ich den Verzweifelten und Geringsten der Welt eine Heimat gegeben habe – ich würde ich es wieder tun.«

Wie unabhängig ist das Gericht in Locri? Es beharrte auch nach der Entscheidung des Obersten Kassationsgerichts vom 3. April 2019 zunächst auf der Fortdauer von Lucanos Verbannung. Damit wurde verhindert, dass er im Wahlkampf zur EU-Wahl am 26. Mai 2019, wo gleichzeitig die Bürgermeisterwahlen stattfanden, in Riace sein konnte. Nach drei Wahlperioden durfte er nicht erneut kandidieren, stand aber auf Platz zwei der Liste »Der Himmel über Riace«.

Jedoch kam Lucano nicht einmal in den Gemeinderat. Der Lega-nahe Antonio Trifoli wurde zum Bürgermeister gewählt. Das hat sicher viele Ursachen. Die gesamtgesellschaftliche Entwicklung erschwert Solidarität und fördert Rassismus. Der Stopp der Fördermittel hatte ein großes Loch in der Gemeindekasse verursacht, Geschäfte blieben auf dem Regiogeld sitzen, viele Leute sind auch privat verschuldet. Vielleicht ließ Trifolis Nähe zur Regierungspartei hoffen, er würde wieder Geld für Riace besorgen. Gegen ihn läuft nun aber ein Amtsenthebungsverfahren, weil er aus formalen Gründen gar nicht wählbar war. Eine Gerichtsentscheidung wird am 1. Oktober erwartet.

Eine Welle der Solidarität

Seit Beginn der Repressionen gibt es regelmäßig Proteste und Solidaritätsaktionen. Am 31. Januar 2019 wurden beim Nobelpreiskomitee in Oslo 90 000 Unterschriften für die Verleihung des Friedensnobelpreises an Riace eingereicht. Im Februar 2019 unternahmen Aktivist*innen eine Friedens-Radtour von Rom über Neapel nach Riace. Der lateinamerikanische Künstler Carlos Atoche hat an der Mauer der nun wieder geschlossenen Schule ein Murales (Wandbild) gestaltet. Es stellt das Gesicht von Domenico Lucano im Stil der berühmten Bronzestatuen dar, die 1973 im Meer vor Riace gefunden wurden. Allein in diesem Sommer gab es zwei Kulturfestivals und eine Anti-Rassismus-Weltmeisterschaft in Riace, für den Herbst ist ein Filmfest geplant. Die Initiative »Solidarity City Freiburg« will einen Verein zur Unterstützung von Riace gründen.

Es gibt noch Hoffnung

Auf dem Kulturfestival am 11. Mai 2019 wurde die Gründung der Stiftung »È stato il vento« (Es war der Wind) bekannt gegeben. Der Name ist ein Satz, den Domenico Lucano oft sagt, wenn er über die Ankunft von Geflüchteten spricht. Denn es ist Zufall, wohin es die Menschen verschlägt, von Geburt an, immer angetrieben von ihrer Hoffnung, aber auch vom Zufall ihrer Begegnungen auf der Flucht, vom Zufall des Windes auf ihrem Weg übers Meer. Nur was sie nach ihrer Flucht erwartet, das ist nicht dem Zufall überlassen.

Die Stiftung wurde vom Netzwerk solidarischer Städte ReCoSol (Rete dei Comuni Solidali) und von langjährigen Weggefährt*innen Lucanos ins Leben gerufen, darunter Juristen der Organisationen ASGI (Associazione per gli Studi Giuridici sull’Immigrazione) und Magistratura Democratica, sowie Mitglieder der Europäischen Kooperative Longo Mai, die über mehr als 40 Jahre Erfahrung in lokaler solidarischer Ökonomie in Frankreich und anderen Ländern verfügt. Ehrenvorsitzender ist der ehemalige Bürgermeister von Rosarno, Peppino Lavorato.

Die Stiftung möchte die Aufnahme von Geflüchteten in Riace wieder ermöglichen und damit »eine lokale Wirtschaft schaffen und sichern, die auf den Kriterien der Solidarität, der Emanzipation und des Respekts für die Umwelt basiert«. Sie unterstützt die verbliebenen etwa 50 Flüchtlinge in Riace, hat Räume für den Verein Città Futura erworben und möchte eine Ölmühle zur Herstellung von Olivenöl in Gang setzen. Sie richtet Wohnungen für einen neuen Solidaritätstourismus her und bereitet die Wiedereröffnung der Werkstätten vor. Es scheint, dass Riace eine Zukunft hat, aber angesichts des massiven Gegenwinds wird es einen langen Atem brauchen.
(https://www.neues-deutschland.de/artikel/1125481.fluechtlinge-in-italien-eine-zukunft-fuer-riace.html)


+++MITTELMEER
Petition bei maltesischem Gericht: „Alan Kurdi“ meldet erneuten Selbstmordversuch eines Minderjährigen
„Warum diese Gefahr, dieses unnötige Leiden“: Das deutsche Seenotrettungsschiff „Alan Kurdi“ darf weiterhin keinen sicheren Hafen ansteuern – die Stimmung an Bord wird immer verzweifelter.
https://www.spiegel.de/politik/ausland/alan-kurdi-meldet-erneuten-selbstmordversuch-eines-minderjaehrigen-a-1285806.html
-> https://www.nau.ch/news/europa/alan-kurdi-meldet-neuen-selbstmordversuch-eines-minderjahrigen-65581193


Noch acht aus Seenot Gerettete an Bord: Malta lehnt „Alan Kurdi“ weiter ab
Über eine Woche sucht das Seenotrettungsschiff „Alan Kurdi“ nach einem sicheren Hafen. Malta lehnt das Schiff weiterhin ab – trotz eines Suizidversuchs.
https://taz.de/Noch-acht-aus-Seenot-Gerettete-an-Bord/!5624040/


55. Kapitänstag: Carola Rackete in Bremen – Ikone und Feindbild
Carola Rackete hat der Krise im Mittelmeer ein Gesicht gegeben. Nun ist die Seenotretterin zu Gast in Bremen gewesen, beim 55. Kapitänstag. Ein Abend mit einer, die beides ist: Kapitänin und Aktivistin.
https://www.weser-kurier.de/bremen/bremen-stadt_artikel,-ikone-und-feindbild-_arid,1858367.html
-> https://taz.de/Carola-Rackete-beim-Kapitaenstag/!5624028


+++EUROPA
Griechenland weist Drohungen Erdogans zurück
Wenn Erdogan das Abkommen mit der EU neu aushandeln möchte, dann könne man darüber sprechen, sagte Mitsotakis.
https://kurier.at/politik/ausland/griechenland-weist-drohungen-erdogans-zurueck/400599521


+++SEXWORK
Tabu männliche Sexarbeit – Rabe-Bi aller Liebi 08.09.2019
Bi aller Liebi…über Sexarbeit wird doch überall diskutiert! Nicht aber über die männliche Sexarbeit.
https://rabe.ch/2019/09/08/tabu-maennliche-sexarbeit/



NZZ am Sonntag 08.09.2019

Mordserie in Zürich: Wie am Sihlquai Frauen spurlos verschwanden – eine Recherche zum Hören und Lesen

Zuerst ist es nur eine Vermisstenanzeige vom Drogenstrich. Dann nimmt der Fall ungeahnte Dimensionen an.

Christine Brand, This Wachter, Simon Meyer

Zahlreiche Frauen verschwinden vom 1986 bis 2007 vom Zürcher Sihlquai, einige werden tot gefunden, andere bleiben vermisst. Vom Täter fehlt jede Spur. In einem Podcast rollen wir die Fälle neu auf. Und in einem Hintergrundartikel recherchieren wir, wieso in der Schweiz ungelöste Fälle wie die Morde von Zürich schnell in Vergessenheit geraten.

Podcast, Kapitel 1: Die Liste: https://cdn.podigee.com/media/podcast_13783_sihlquai_episode_1_kapitel_1_die_liste.mp3

(https://nzzas.nzz.ch/notizen/sihlquai-wir-rollen-eine-ungeloeste-zuercher-mordserie-neu-auf-ld.1503337)



NZZ am Sonntag 08.09.2019

Die vergessenen Toten vom Zürcher Sihlquai

Über Jahre sind in Zürich unzählige Frauen verschwunden. Vom Täter fehlt jede Spur. Ungelöste Fälle wie diese drohen in der Schweiz vergessen zu gehen.

Christine Brand

Die Scheinwerfer der vorbeifahrenden Autos zerschneiden das Schwarz der Nacht. Heidi K. steht am Strassenrand des Zürcher Sihlquais. Sie ist auf Entzug, sie braucht Geld für Drogen, doch keiner hält an. Die 36-Jährige wartet auf ihren letzten Freier – und auf sie wartet der Tod.

Eine Kollegin erinnert sich später, dass sie ungeduldig war, sich beklagte über das schlechte Geschäft. Doch dann findet sie doch noch einen Kunden. Es ist zirka 1 Uhr 30 in der Nacht auf den 9. Juni 2004, als Heidi K. das letzte Mal gesehen wird. Die Kollegin sagt aus, sie sei in ein Auto gestiegen, eine andere meint, ein Lastwagen habe sie mitgenommen. Danach verliert sich ihre Spur. Noch heute, 15 Jahre später, ist Heidi K.s Vermisstenanzeige auf der Website der Kantonspolizei Zürich aufgeschaltet.

In der neuen Audioreportage «Sihlquai» begibt sich die «NZZ am Sonntag» auf Spurensuche in dem ungelösten Verbrechen. Zuerst geht es nur um diese eine Vermisstmeldung – doch dann nimmt der Fall ungeahnte Dimensionen an. Während der Recherchen zeigte sich: Heidi K. ist nicht die einzige Drogenprostituierte, deren Schicksal ungeklärt ist.

Es geht nicht um einen Einzelfall, sondern um eine Mordserie. Die Liste der Opfer ist lang: Zwischen 1986 und 2007 verschwanden zehn Frauen, die für Drogen auf dem Zürcher Sihlquai anschafften – ohne dass die Öffentlichkeit Notiz davon nahm. Denn die Opfer haben keine Lobby: Es sind Drogenabhängige, Prostituierte, Frauen der untersten gesellschaftlichen Stufe. Sieben Frauen werden später tot aufgefunden, drei bleiben vermisst. Die meisten Fälle konnten nie gelöst werden. Der oder die Täter sind bis heute auf freiem Fuss.

«Es ist beides möglich: Dass es mehrere Täter sind oder dass ein Täter mehrere Frauen umgebracht hat», erklärt Hans-Peter Meister. Der Kriminalanalyst betreut die Datenbank VICLAS, mit deren Hilfe Seriendelikte erkannt werden sollen. Meister schliesst nicht aus, dass es schweizweit sogar noch weitere ungelöste Tötungsdelikte an Prostituierten geben könnte, die in das Muster der Todesserie am Sihlquai passen – wenn man in anderen Kantonen danach recherchieren würde.

Wird ein Mord nicht geklärt, leiden manche Angehörige ein Leben lang. Wie zum Beispiel Marco Hauenstein. Er war drei Jahre alt, als seine Mutter verschwand. Mit 19 machte er sich mit der Hilfe eines Detektivs auf die Suche nach ihr – eine Suche, die er in der «Sihlquai-Reportage» als «Sucht» beschreibt. Auch manchen Ermittler lassen ungelöste Delikte nicht mehr los. «Fälle, die man nicht klären kann, bleiben präsent», sagt Alain Loretan, stellvertretender Chef des Dienstes Leib/Leben der Kantonspolizei Zürich. «Sie bleiben im Kopf hängen, weil man immer mal wieder daran zurückdenkt.»

Die Fälle der verschwundenen und getöteten Frauen vom Sihlquai sind nur einige von zahlreichen ungeklärten, schweren Verbrechen in der Schweiz. Zwar ist die Aufklärungsquote bei Tötungsdelikten mit über 90 Prozent so hoch wie in kaum einem anderen Bereich, da sich Täter und Opfer in den meisten Fällen zuvor gekannt haben. So konnten letztes Jahr 47 von insgesamt 50 vollendeten Tötungsdelikten geklärt werden.

Trotzdem kommen jedes Jahr mehrere Fälle hinzu, die nicht gelöst werden können. Man nennt sie Cold Cases – kalte Fälle, in denen die Ermittler auch ein Jahr, zwei Jahre oder zwanzig Jahre nach dem Verbrechen keinen Täter finden.

Manche ungeklärte Morde haben sich in das kollektive Gedächtnis der Schweiz eingebrannt – die verschwundenen Kinder in den achtziger Jahren zum Beispiel, von denen etliche Fälle nie gelöst wurden, oder der Fall Seewen, bei dem 1976 in einem kleinen Wochenendhäuschen im Kanton Solothurn fünf Menschen erschossen wurden. Auch der Kristallhöhlen-Mord, bei dem 1982 zwei Mädchen während einer Velotour in der Ostschweiz verschwanden und später bei den Höhlen tot aufgefunden wurden, beschäftigt noch heute.

Akte zu, Fall ungelöst

Nebst den prominenten Fällen finden sich in der Kriminalgeschichte unseres Landes zahlreiche weitere Tötungsdelikte, in denen die Täterschaft ungeschoren davongekommen ist. Zum Beispiel die Tötung des Metzgermeisters aus Freienbach, dessen Leiche auf dem Areal einer Bauunternehmung gefunden wurde; sie wies Schussverletzungen auf und wurde verbrannt.

Oder das unerklärliche Verbrechen vom Zürcher Bucheggplatz, als an einem Novemberabend ein Mann in seinem Auto über die Kreuzung fuhr und von einer Kugel tödlich getroffen wurde. Der Mord an Yasemin Y., einer 28-jährigen, zweifachen Mutter; sie wurde in Zürich in einem Tankstellen-Laden erstochen. Das Rentnerpaar Georges S. und Gerda K.: getötet in ihrem Haus im bernischen Laupen. Gertrud K., 81: in ihrer Wohnung in Luzern mit einem Japanmesser tödlich verletzt. Michi, 17: vor einem Zürcher Klub niedergestochen. Hardy J.: in Burgdorf zu Tode geprügelt.

Motiv und Täter sind in allen Fällen bis heute unbekannt. Die Liste von ungesühnten Tötungsdelikten liesse sich beliebig fortführen.

Was passiert mit einem Fall, wenn jede Spur erkaltet und nirgendwo mehr hinzuführen scheint? Wenn die Ermittler einfach nicht mehr weiterkommen? Wann geben sie auf? «Nach Abschluss der erfolglosen Ermittlungen wird der ungelöste Fall in der Regel noch einmal von einem unabhängigen Sachbearbeiter der Kriminalanalyse untersucht», sagt Fahnder Alain Loretan. In Fällen, bei denen es zwar Hinweise, Verdachtsmomente oder Mutmassungen gab, aber keine Beweise erbracht werden konnten, erhalte ein neues Ermittlerteam den Auftrag, den Fall noch einmal zu beurteilen. «Es gibt aber auch Fälle, die spurenarm sind, das heisst, dass es weder faktische Sachspuren noch Hinweise im Opferumfeld gibt», sagt Loretan. «Diese Fälle ruhen dann, bis neue Hinweise bei uns eingehen.»

Wenn nicht der vielzitierte Kommissar Zufall den Ermittlern irgendwann einen neuen Ansatz zuspielt, bleiben die Akten von sogenannten Cold Cases in der Schweiz meistens jahrelang oder für immer geschlossen. Nicht zuletzt aus Kapazitätsgründen: Für die kalten Fälle sind die gleichen Abteilungen zuständig wie für die aktuellen Gewaltverbrechen, die stets Vorrang haben. Daneben fehlt es an Zeit und Geld für die aufwendigen Ermittlungen in Cold Cases, deren Erfolgsaussichten oft gering sind. Spezialeinheiten, die sich ausschliesslich um die alten, ungelösten Fälle kümmern, existieren in der Schweiz nicht.

Anders sieht es in Deutschland aus. In letzter Zeit mehren sich dort die Meldungen, dass schwere Delikte nach zwölf, zwanzig, sogar vierzig Jahren doch noch geklärt werden konnten. Denn in etlichen Bundesländern wurden spezielle Cold-Case-Einheiten gegründet, die erste 2016 in Hamburg. «Sie beschäftigt sich ausschliesslich mit ausgewählten, bisher ungelösten versuchten und vollendeten Tötungsdelikten wie auch mit Vermisstenfällen, bei denen wir von einem Gewaltverbrechen ausgehen», sagt Ulf Wundrack, von der Polizeipressestelle Hamburg.

Die Einheit stehe ausserhalb der Mordkommission, damit die Beamten frei seien vom Druck der aktuellen Verfahren. In Düsseldorf baut das Landeskriminalamt eine Datenbank mit 900 alten Fällen auf, jenes in Wiesbaden entwickelt Empfehlungen dafür, wie Cold Cases neu aufgerollt werden können.

Ein Kalender für Häftlinge

Auch in Österreich gibt es ein Cold-Case-Management. «Das Ermittlerteam ist dem Bundeskriminalamt angegliedert und für Kapitalverbrechen in ganz Österreich zuständig, die nicht geklärt werden konnten», sagt Vinzenz Kriegs-Au, Pressesprecher des Bundeskriminalamts. Eine Vorreiterrolle in Europa haben die Niederlande eingenommen mit zehn Cold-Case-Einheiten mit bis zu 20 Experten.

Aart Garssen, der diesen Einheiten vorsteht, greift mitunter zu besonderen Methoden. Nach amerikanischem Vorbild hat er in den niederländischen Gefängnissen Cold-Case-Kalender an die Insassen verteilt: Jede Woche ein anderer Fall, mit Details zur Tat und Bildern der Opfer – und mit der freundlichen Bitte um Mithilfe. «Vielleicht halten Sie schon lange Informationen verborgen und wollen dies nicht länger tun», steht auf dem Kalender, in Holländisch, Englisch, Russisch, Arabisch und Spanisch. Die Auflage zählt 48 000 Stück.

Für nützliche Informationen gibt es eine Belohnung von bis zu 20 000 Euro. Im ersten Jahr gingen daraufhin 78 Hinweise ein, 32 davon seien «sehr brauchbar» gewesen. In 9 Fällen wurden die Ermittlungen wieder aufgenommen. Die Idee dahinter ist simpel: Gefangene wissen viel – weil sie viel Zeit haben und sich austauschen.

So was ist in der Schweiz kein Thema. Hierzulande drohen alte Fälle vergessen zu gehen. Für den Strafrechtsprofessor Marcel Niggli geht es um einen Grundsatzentscheid: «Wenn wir beschliessen: Wir wollen kalte Fälle nicht kalt werden lassen – dann braucht es Spezialeinheiten, die sich ausschliesslich darum kümmern.»

Dass sie geschaffen werden, glaubt Niggli indes nicht. «Weil sie nicht gratis zu haben sind; Gerechtigkeit und Strafverfolgung kosten etwas.» Zwar würde jeder sagen, man sollte alte Fälle klären – doch keiner wolle dafür bezahlen.

Nach 30 Jahren ist ein Mord verjährt

Es gibt noch einen anderen Punkt, in dem sich die Schweiz von fast allen europäischen Staaten unterscheidet: Mord verjährt. Während in den meisten umliegenden Ländern Tötungsdelikte bis zum Tode des Täters verfolgt werden können, kann in der Schweiz ein Mörder nicht für seine Tat bestraft werden, wenn sie mehr als 30 Jahre zurückliegt. Bei vorsätzlicher Tötung beläuft sich die Frist sogar nur auf 15 Jahre.

Gleichzeitig läuft auch die Aufbewahrungsfrist der Unterlagen ab: Die Akten eines Tötungsdeliktes, geklärt oder ungeklärt, werden nach 30 Jahren gelöscht. Nur bei besonderen Fällen gehen sie ins Staatsarchiv.

Die Aufhebung der Verjährung von Tötungsdelikten wird alle paar Jahre wieder von einem Politiker auf die Agenda gesetzt, stets ohne Erfolg. Der Bundesrat beruft sich «auf das Recht auf Vergebung und Vergessen und auf die heilende Wirkung des Zeitablaufs». Das Interesse des Staates an der Rechtsverfolgung erlösche mit dem Laufe der Zeit, das Vergeltungsbedürfnis nehme ab.

«Man muss sich sehr gut überlegen, ob man eine Unverjährbarkeit will», sagt auch Marcel Niggli. «Der Mensch, der als 20-Jähriger tötet, ist nicht mehr der gleiche Mensch, wenn er 30 Jahre später der Tat überführt wird.» Niggli meint, dass die Verjährung der schweizerischen Kultur entspricht – dass etwas, das sehr lange zurückliegt, auch einmal vorbei und vergessen sein darf. «Mit der Unverjährbarkeit würden wir zudem ein Versprechen abgeben, das wir nicht halten können», sagt Niggli. «Denn die Wahrscheinlichkeit, nach 20 oder 25 Jahren ein Delikt strafrechtlich nachweisen zu können, ist wahnsinnig klein.»

Doch nicht immer arbeitet die Zeit gegen die Ermittler. Manchmal kann sie auch helfen; wenn Zeugen, die geschwiegen haben, plötzlich reden wollen oder können, weil sich vielleicht in ihrer Beziehung etwas geändert hat oder ihnen nicht klar war, dass sie etwas Wichtiges wissen. So hat letzte Woche ein Beitrag über einen ungeklärten Mordfall aus dem Kanton Schwyz in der TV-Sendung «Aktenzeichen XY» zu mehr als zwei Dutzend Meldungen geführt – 15 Jahre nach der Tat.

Auch die Entwicklung der Kriminalistik eröffnet den Fahndern manchmal plötzlich neue Wege. In Zürich wurden 2007 alte Fälle neu auf DNA-Spuren untersucht, von denen man in den achtziger Jahren noch nicht einmal ahnte, dass es sie gibt. Auch der jüngste Entscheid von Bundesrätin Karin Keller-Sutter, dass künftig bei schweren Verbrechen die DNA breiter analysiert werden darf, dürfte in Bezug auf einige alte Fälle interessant sein. Demnach könnten aus einer DNA-Spur nicht nur das Geschlecht, sondern auch äussere Merkmale wie Haar- und Augenfarbe, die regionale Herkunft und das Alter herausgelesen werden.

In der Mordserie um die verschwundenen Drogenprostituierten, die in der Audioreportage «Sihlquai» neu aufgerollt wird, sind zwei der Tötungsdelikte bereits verjährt. Ein Fall ist geklärt. In sieben Fällen könnte der Täter noch immer überführt werden. «Es wäre schön, wenn wir aufgrund der Reportage den einen oder den anderen Fall mit Hilfe von neuen Hinweisen aus der Bevölkerung vielleicht doch noch klären könnten», sagt der Fahnder Alain Loretan.

Falls sich jemand meldet, der etwas weiss, und falls sich neue Ansätze ergeben, dann würden die Akten der Fälle wieder geöffnet. Denn jeder ungeklärte Mord ist ein Verbrechen, das niemals endet.



Ein Kriminalfall zum Hören

Von Michael Furger

Die Wahl fiel auf den Fall von Heidi K., die 2004 am ehemaligen Drogenstrich am Zürcher Sihlquai verschwand. Während der Recherche stieg der Fahnder Alain Loretan ins Archiv, und es zeigte sich: Hier handelte es sich nicht um einen Einzelfall, sondern um eine Serie von zehn Tötungsdelikten an Prostituierten.

Das Besondere an «Sihlquai» ist, dass sich die Kantonspolizei Zürich bereit erklärt hat mitzuwirken. Sie hat die Hoffnung, dass sich neue Hinweise ergeben, die helfen, den Fall zu lösen. Für die Audio-Aufnahmen fuhren die Podcast-Reporter mit Alain Loretan an den Ort, an dem die Frauen verschwanden. Sie begleiteten den heute pensionierten Staatsanwalt Jaroslav Jokl zu jener Scheune, bei der ein Opfer tot aufgefunden wurde. Sie besuchten den Kriminalanalyst Hans-Peter Meister und liessen sich von der Sozialarbeiterin Ursula Kocher zeigen, wo die Sexarbeiterinnen heute anschaffen.

Schwieriger war es, Angehörige der Opfer zu finden, die bereit waren, über das Erlebte zu erzählen. Die heute erwachsenen Kinder des Opfers Irene H. wollten nicht mehr über das Geschehene reden, auch ein Interview mit einem Bruder von Heidi K. kam nicht zustande. Umso eindrücklicher waren schliesslich die Aufnahmen mit Marco Hauenstein, der über seine Suche nach seiner Mutter berichtet, die verschwand, als er drei Jahre alt war.

16 Stunden Gesprächsaufnahmen kamen zusammen, die Transkripte füllten 143 Seiten. Daraus produzierte das Team fünf Folgen à 15 bis 20 Minuten, die mit Kommentaren und komponierten Musiksequenzen gestaltet wurden.



Hinweise gesucht

Lösen der Podcast oder der Text Erinnerungen aus? Oder wissen Sie gar etwas, dass bei der Aufklärung dieser Fälle weiterhelfen würde? Richten Sie sich in solchen Fällen über dieses Kontaktformular direkt an die Kantonspolizei Zürich.
(https://nzzas.nzz.ch/hintergrund/die-vergessenen-toten-vom-sihlquai-ld.1507236)



NZZ am Sonntag 08.09.2019

Making-of «Sihlquai»: Wie der Podcast entstand

Über ein halbes Jahr arbeiteten Christine Brand und This Wachter an der fünfteiligen Podcast-Serie. In diesem Audio-Beitrag erzählen sie, wie sie entstanden ist.

Michael Furger, Christine Brand, This Wachter

«Sihlquai»: Das Making-of der Podcast-Serie: https://cdn.podigee.com/media/podcast_13787_true_crime_abo_binge_hearing_episode_6_making_of_sihlquai.mp3

(https://nzzas.nzz.ch/notizen/sihlquai-wie-der-podcast-entstand-making-of-ld.1507197)


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Im Hauptquartier der Klimajugend: Hier planen sie den nächsten Coup
Jede Woche treffen sich Klimastreikende überall in der Schweiz, um Projekte und Demos zu planen. Wir waren zu Besuch in der Berner «Klimaoase».
https://www.blick.ch/news/schweiz/bern/im-hauptquartier-der-klimajugend-hier-planen-sie-den-naechsten-coup-id15505082.html


Basler Linksextreme zerstören Deutschlandflagge
Bei einer Rojava-Kundgebung am Badischen Bahnhof kam es zu Ausschreitungen. Die Polizei kontrollierte fünf Personen, entliess sie jedoch wieder.
https://www.bazonline.ch/basel/stadt/basler-linksextreme-zerstoeren-deutschlandflagge/story/10460271
-> https://telebasel.ch/2019/09/08/deutsche-flagge-am-badischen-bahnhof-zerstoert/?channel=105100
-> http://www.onlinereports.ch/News.117+M5dafe683809.0.html
-> https://www.polizei.bs.ch/nm/2019-mehrere-personenkontrollen-nach-kundgebung-jsd.html


+++BIG BROTHER
DNA-Gesetz: Wenn der Staat dein Erbgut kennt
Bald schon soll die Polizei mit DNA-Spuren nach Haut- oder Haarfarben fahnden. Vor siebzehn Jahren klang die Debatte noch anders: Es sei verständlich, dem geplanten DNA-Gesetz mit «grosser Skepsis» zu begegnen, sagte die damalige Bundesrätin Ruth Metzler (CVP) in der Herbstsession 2002. Die Sorge sei jedoch unbegründet, so Metzler, da in der Strafverfolgung lediglich die nichtcodierten, stummen Sequenzen der DNA verwendet würden, die keine Rückschlüsse auf körperliche Eigenschaften zulassen.
https://www.woz.ch/1936/dna-gesetz/wenn-der-staat-dein-erbgut-kennt


+++POLICE CH
Polizeigewerkschafterin Bundi Ryser über Femizide und Frauen in ihrem Beruf : «Es wird zu wenig hingeschaut»
Johanna Bundi Ryser (56) ist die erste Frau 
an der Spitze der Polizistengewerkschaft. Im Interview spricht sie über Femizide, mangelhafte Frauenförderung in ihrem Beruf und wieso sie auch bei einem Bundesrat kein Blatt vor den Mund nimmt.
https://www.blick.ch/sonntagsblick/polizeigewerkschafterin-bundi-ryser-ueber-femizide-und-frauen-in-ihrem-beruf-es-wird-zu-wenig-hingeschaut-id15503504.html


+++RECHTSPOPULISMUS
Im digitalen Faschismus-Strudel
Warum funktionieren Nationalismus und Hass im Netz so gut? Eine neue Studie gibt ebenso verblüffende wie beängstigende Antworten.
https://www.tagesanzeiger.ch/ausland/europa/im-digitalen-faschismusstrudel/story/10905850


Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel