+++FRANKREICH
Räumung des Jungle von Calais in der kommenden Woche
Offenbar steht die Räumung des neu entstandenen Jungle in Calais
unmittelbar bevor. Unten dazu die provisorische Übersetzung einer
Erklärung der Auberge des Migrants, der wichtigsten
zivilgesellschaftlichen Organisation in Calais.
https://ffm-online.org/raeumung-des-jungle-von-calais-in-der-kommenden-woche/
+++GRIECHENLAND
Griechenland ruft EU zur Aufnahme von Flüchtlingskindern auf
Griechenland hat die anderen EU-Staaten aufgerufen, zumindest
minderjährige Flüchtlinge aus den Registrierlagern auf den Inseln der
Ägäis aufzunehmen. Dort sind zurzeit mehr als 24’000 Menschen
untergebracht.
https://www.tagblatt.ch/newsticker/international/griechenland-ruft-eu-zur-aufnahme-von-fluchtlingskindern-auf-ld.1149990
-> https://www.tagesschau.de/ausland/fluechtlinge-griechenland-197.html
-> https://www.zdf.de/nachrichten/heute/fluechtlinge-griechenland-appelliert-an-eu-100.html
—
neues-deutschland.de 08.09.2019
Halber Quadratmeter pro Mensch
Qualvolle Enge in griechischen Flüchtlingslagern unter den Augen der EU
Immer mehr Geflüchtete kommen auf Lesbos und den Nachbarinseln an.
Griechenland ist überfordert und die Europäische Union fordert schnelle
Abschiebungen in die Türkei.
Von Lea Schönborn
Vor ein paar Tagen hatte Zeyneb einen schweren epileptischen Anfall
mitten in der Nacht. »Es kam aber kein Doktor oder medizinisches
Personal, um uns zu helfen«, erzählt ihr Bruder. Zeyneb ist ein
12-jähriges afghanisches Mädchen, das mit ihrer Familie in dem
Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos lebt. Vor sechs
Monaten wurde ihr in der Türkei ein Gehirntumor diagnostiziert,
deswegen hat die siebenköpfige Familie, inklusive der 97-jährigen
Großmutter, den schwierigen Weg nach Griechenland auf sich genommen.
Jetzt teilt sich die Familie ein Zelt mit drei anderen Familien. Jede
Familie hat ungefähr vier Quadratmeter Platz. Das heißt, beim Schlafen
hat Zeyneb noch nicht einmal genug Platz, um ihre Beine auszustrecken.
Dass Zeyneb in der Nacht vor ein paar Tagen keine Hilfe bekam, ist kein
Einzelfall: Auf die 11 000 Menschen im Lager kommen zwei Ärzt*innen und
zwei Pflegekräfte. Über den Fall des afghanischen Mädchens berichtete
kürzlich die Organisation Ärzte ohne Grenzen, die den Namen der
Betroffenen änderte, um ihre Identität zu schützen.
Vergangene Woche Mittwoch hatten 300 minderjährige unbegleitete
Flüchtlinge wegen der unmöglichen Bedingungen für die Verlegung auf das
Festland demonstriert. Als sie anfingen, Mülleimer in Brand zu setzen,
machte die griechische Polizei Gebrauch von Tränengas. Das löste
Empörung aus. Die EU-Kommission hat Griechenland inzwischen Hilfe bei
der Verlegung von besonders Schutzbedürftigen von Lesbos angeboten. Doch
die Bedingungen in Nordgriechenland sind nicht besser. Neuankömmlinge
im Lager Nea Kavala bei Kilkis klagen über Engpässe bei Wasser, Strom
und Zelten.
Derzeit sitzen auf den griechischen Inseln Lesbos, Chios, Samos, Leros
und Kos mehr als 24 000 Schutzsuchende in fünf verschiedenen Lagern
fest. Die sind eigentlich für 6300 Menschen ausgelegt. Eines davon ist
Moria, welches vergangene Woche von den Bundestagsabgeordneten der
LINKEN, Michel Brandt und Cornelia Möhring, besucht wurde. Sie
berichteten von einer »absurden Lage« in Moria. Das Camp ist für 3000
Geflüchtete ausgelegt, dort leben aber momentan viermal so viele
Menschen. Fast die Hälfte der Schutzsuchenden sind Kinder. Möhring
appellierte an die Bundesregierung: Sie habe die humanitäre Pflicht, zu
helfen.
In den vergangenen Wochen stieg die Zahl der Schutzsuchenden schlagartig
an. Im August setzten nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR
8103 Menschen aus der Türkei zu den griechischen Inseln über. Auch am
Wochenende haben nach Angaben der griechischen Küstenwache weitere 332
Migranten zu den Inseln, Rhodos, Kalymnos, Samos, Farmakonisi und Lesbos
und damit auch in die EU übergesetzt. Im August 2018 waren insgesamt
nur 3200 gekommen. Als das Abkommen zwischen der EU und der Türkei im
März 2016 in Kraft getreten war, lebten in den Lagern nur etwa 5800
Menschen.
Die EU-Kommission drängt Griechenland seit langem, schneller und
effektiver abzuschieben. Die neue konservative griechische Regierung hat
schon angekündigt, die Asylverfahren zu beschleunigen. Unter dem
abgewählten linken Regierungschef Alexis Tsipras haben die Verfahren in
vielen Fällen mehr als zwei Jahre gedauert. Jetzt soll es kein Recht
mehr auf Berufung geben. Das heißt, wer kein Asyl bekommt, soll direkt
in die Türkei abgeschoben werden.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sprach am Donnerstag davon,
eine »Sicherheitszone« im Norden Syriens einzurichten. Er wolle
»mindestens eine Million« Geflüchtete dorthin abschieben. Die Türkei
hatte sich Anfang August mit den USA auf eine solche »Sicherheits- oder
Pufferzone« geeinigt. Die Türkei hat 3,6 Millionen Syrer*innen seit
Beginn des Krieges 2011 aufgenommen, damit mehr als jedes andere Land
der Welt. Im Rahmen des EU-Türkei-Deals wurden der Türkei von der EU
sechs Milliarden Euro Hilfe zugesichert. Erdogan möchte aber mehr Geld.
In dem Deal wurde vereinbart, dass die Türkei die Geflüchteten
zurücknimmt, die in Griechenland abgelehnt werden. Falls Erdogan seine
Drohung wahrmacht, Schutzsuchende in eine »Sicherheitszone«
abzuschieben, sind Abschiebungen in die Türkei auf keinen Fall
verantwortbar.
Außerdem hat Erdogan in seiner Rede am Donnerstag angedroht, die Grenzen
Richtung Europa zu öffnen. Es wird spekuliert, dass die hohe Zahl von
Ankömmlingen im August auf den griechischen Inseln mit sinkendem
Interesse der türkischen Küstenwache zusammenhängt.
Pro Asyl fordert derweil, dass Deutschland und andere EU-Staaten
Schutzsuchende aus Moria und den anderen Lagern aufnehmen und selbst die
Asylverfahren durchführen. »Es ist das Mindeste, dass die
Minderjährigen sofort aus dem Hotspot Moria geholt und auf dem
EU-Festland verteilt werden«, sagte LINKE-Abgeordneter Michel Brandt dem
»nd«. »Das ist menschenrechtliche Pflicht, dafür braucht es kein
Programm.«
(https://www.neues-deutschland.de/artikel/1125478.fluechtlinge-in-griechenland-halber-quadratmeter-pro-mensch.html)
+++ITALIEN
neues-deutschland.de 08.09.2019
Eine Zukunft für Riace
Wegen der solidarischen Aufnahme von Flüchtlingen wird das kalabrische Dorf vom Staat kriminalisiert
Italiens kürzlich abgelöster Innenminister Matteo Salvini ließ keine
Gelegenheit aus, Flüchtlinge und ihre Unterstützer*innen zu attackieren.
Ein Beispiel ist das Dorf Riace.
Von Elisabeth Voß
Riace ist ein kleines Bergdorf im süditalienischen Kalabrien, das seit
20 Jahren Geflüchtete solidarisch aufnahm und dafür weltweit bekannt
wurde. Der ehemalige Bürgermeister Domenico Lucano war seit Mitte
Oktober 2018 aus Riace verbannt und durfte sein Dorf nicht betreten. Das
war besonders schmerzlich, weil er seinen 93-jährigen Vater nicht
besuchen konnte, der schwer erkrankt ist. Erst in der vergangenen Woche
hob ein Gericht im kalabrischen Locri das Verbot auf. Lucano darf wieder
in sein Dorf zurück.
Der Politiker war polizeilich überwacht worden. Dies geschah unter der
zynischen Bezeichnung »Operation Xenia« – was auf Griechisch
Gastfreundschaft bedeutet. Eineinhalb Jahre lang – beginnend also schon
vor Salvinis Amtsübernahme – zeichnete die Finanzpolizei sämtliche
Telefonate des Bürgermeisters auf, als sei er schwerster Straftaten
verdächtig, nachdem die Verwendung der staatlichen Fördermittel für die
Flüchtlingsaufnahme überprüft worden war. Die Ergebnisse waren
widersprüchlich, wiesen zwar auf formale Fehler hin, jedoch ebenso
darauf, dass in Riace neue Möglichkeiten des Willkommens gefunden
wurden.
Das Dorf des Willkommens
Es gab Werkstätten für altes kalabrisches Handwerk wie Weberei,
Töpferei, Stickerei, Glas- und Holzverarbeitung. Die Produkte wurden in
kleinen Geschäften im Dorfzentrum verkauft, in der »Villa Globale« oben
im Bergdorf. Wie viele Orte an der kalabrischen Ostküste hat auch Riace
zwei Ortsteile, eine Marina unten am Meer und ein kleineres Bergdorf.
Die meisten der etwa 2300 Einwohner*innen leben am Meer, Riace Superiore
in den Bergen leidet seit Jahrzehnten unter Abwanderung. In den
Projekten arbeiteten Einheimische und Zugereiste gemeinsam, so entstand
kein Neid.
Es entwickelte sich ein bescheidener Wohlstand, Kindergarten und Schule
konnten wieder öffnen, denn viele Geflüchtete waren jung und hatten
Kinder. Die überwiegend älteren Einheimischen freuten sich, dass Leben
ins Dorf kam. Wandbilder und Objekte, beispielsweise kleine Holzschiffe,
erinnern an Flucht und Willkommen. Einige Bilder weisen auf Morde durch
die Mafia hin, und auf vielen sind offene Handflächen zu sehen, ein
Anti-Mafia-Symbol. Die selbstorganisierte lokale Ökonomie entrichtete
kein Schutzgeld. Lucanos Hunde wurden vergiftet, und bis heute sind zwei
Einschusslöcher in der Seitentür eines früheren Restaurants des
Willkommensprojekts zu sehen.
Die Fördergelder wurden nur für die Dauer des Asylverfahrens gezahlt.
Danach zogen die meisten Flüchtlinge weiter nach Norden, aber es kamen
immer wieder neue an. Die Regierung nutzte gerne die
Aufnahmebereitschaft von Riace, und der Bürgermeister lehnte nie eine
Anfrage ab. So lebten durchgängig etwa 300 bis 400, mitunter auch mehr
Geflüchtete in Riace.
Lucano, der von allen »Mimmo« genannt wird, hatte schon vor seiner Wahl
zum Bürgermeister 2004 den Verein »Città Futura« (Stadt der Zukunft)
gegründet. Weitere Vereine und Genossenschaften kamen hinzu, und
vielleicht lagen einigen die eigenen finanziellen Vorteile dabei mehr am
Herzen als das Wohl der Flüchtlinge, aber durch die breite Beteiligung
der Einwohner*innen und Weggezogenen, die ihre verlassenen Häuser an die
Aufnahmeprojekte vermieteten, entstand eine würdige Alternative zu den
überfüllten, menschenunwürdigen Massenlagern, an denen oft die Mafia gut
verdient.
In Riace gab es keine Gemeinschaftsverpflegung, sondern die Gäste, wie
die Zugereisten dort freundlich genannt werden, konnten selbst einkaufen
und kochen, was ihnen schmeckt. Allerdings kamen die Fördermittel aus
Rom oft erst mit monatelanger Verspätung an, so dass Domenico Lucano mit
Genehmigung der Behörden eine Regionalwährung einführte. Die Gutscheine
mit dem Aufdruck »No Razzismo« und Bildern von Martin Luther King, Rosa
Parks, Mahatma Gandhi, Che Guevara und anderen konnten zum Einkaufen
verwendet, und von den Geschäften in Euro getauscht werden, sobald die
Fördermittel da waren.
Bürokratie gegen Menschlichkeit
Mit der Inspektion wurde diese regionale Währung plötzlich kritisiert.
Es wurde bemängelt, dass Geflüchtete länger geblieben waren, als sie
finanziert wurden, und dass mit dem Geld eine größere Anzahl Flüchtlinge
unterstützt worden war, als vorgesehen. Obwohl diese Übererfüllung der
Aufgaben auf eine sparsame Verwendung der Fördergelder hinwies, stellte
das Innenministerium 2017 die Auszahlung ein. Die Staatsanwaltschaft
ermittelte.
Am 2. Oktober 2018 wurde Lucano verhaftet, erst unter Hausarrest
gestellt, dann verbannt. Er und etwa 30 Einwohner*innen von Riace wurden
angeklagt, die Willkommensprojekte geschlossen – auf Anweisung des
Innenministeriums, nun unter Salvini, der Lucano schon zuvor als »Null«
beschimpft hatte. In einem ersten Ermittlungsverfahren, das bis zum
Obersten Kassationsgericht in Rom ging, wurden alle Vorwürfe, bis auf
die Unterstützung illegaler Einreise durch Scheinehen, als unbegründet
abgewiesen. Ein Missbrauch von Fördermitteln war gerichtlich nicht
feststellbar. Lucano streitet nicht ab, eine nigerianische
Zwangsprostituierte bei der Eheschließung unterstützt zu haben. Er habe
einem ausgebeuteten Menschen helfen wollen, weil der Staat sich nicht um
die Opfer von Menschenhandel kümmere, erklärte er in seiner
70-minütigen Rede am ersten Prozesstag des Strafprozesses am 11. Juni
2019 im kalabrischen Regionalgericht in Locri.
Der Prozess fand unter Sicherheitsbedingungen statt, wie sie nicht
einmal bei Mafiaprozessen üblich sind. Mit Straßensperrungen,
Polizeieinheiten mit Hunden und Hubschraubern wurden die solidarisch
Demonstrierenden vom Gerichtsgebäude ferngehalten und eingeschüchtert.
Lucano erklärte vor Gericht: »Wenn man mir vorwirft, dass ich den
Verzweifelten und Geringsten der Welt eine Heimat gegeben habe – ich
würde ich es wieder tun.«
Wie unabhängig ist das Gericht in Locri? Es beharrte auch nach der
Entscheidung des Obersten Kassationsgerichts vom 3. April 2019 zunächst
auf der Fortdauer von Lucanos Verbannung. Damit wurde verhindert, dass
er im Wahlkampf zur EU-Wahl am 26. Mai 2019, wo gleichzeitig die
Bürgermeisterwahlen stattfanden, in Riace sein konnte. Nach drei
Wahlperioden durfte er nicht erneut kandidieren, stand aber auf Platz
zwei der Liste »Der Himmel über Riace«.
Jedoch kam Lucano nicht einmal in den Gemeinderat. Der Lega-nahe Antonio
Trifoli wurde zum Bürgermeister gewählt. Das hat sicher viele Ursachen.
Die gesamtgesellschaftliche Entwicklung erschwert Solidarität und
fördert Rassismus. Der Stopp der Fördermittel hatte ein großes Loch in
der Gemeindekasse verursacht, Geschäfte blieben auf dem Regiogeld
sitzen, viele Leute sind auch privat verschuldet. Vielleicht ließ
Trifolis Nähe zur Regierungspartei hoffen, er würde wieder Geld für
Riace besorgen. Gegen ihn läuft nun aber ein Amtsenthebungsverfahren,
weil er aus formalen Gründen gar nicht wählbar war. Eine
Gerichtsentscheidung wird am 1. Oktober erwartet.
Eine Welle der Solidarität
Seit Beginn der Repressionen gibt es regelmäßig Proteste und
Solidaritätsaktionen. Am 31. Januar 2019 wurden beim Nobelpreiskomitee
in Oslo 90 000 Unterschriften für die Verleihung des
Friedensnobelpreises an Riace eingereicht. Im Februar 2019 unternahmen
Aktivist*innen eine Friedens-Radtour von Rom über Neapel nach Riace. Der
lateinamerikanische Künstler Carlos Atoche hat an der Mauer der nun
wieder geschlossenen Schule ein Murales (Wandbild) gestaltet. Es stellt
das Gesicht von Domenico Lucano im Stil der berühmten Bronzestatuen dar,
die 1973 im Meer vor Riace gefunden wurden. Allein in diesem Sommer gab
es zwei Kulturfestivals und eine Anti-Rassismus-Weltmeisterschaft in
Riace, für den Herbst ist ein Filmfest geplant. Die Initiative
»Solidarity City Freiburg« will einen Verein zur Unterstützung von Riace
gründen.
Es gibt noch Hoffnung
Auf dem Kulturfestival am 11. Mai 2019 wurde die Gründung der Stiftung
»È stato il vento« (Es war der Wind) bekannt gegeben. Der Name ist ein
Satz, den Domenico Lucano oft sagt, wenn er über die Ankunft von
Geflüchteten spricht. Denn es ist Zufall, wohin es die Menschen
verschlägt, von Geburt an, immer angetrieben von ihrer Hoffnung, aber
auch vom Zufall ihrer Begegnungen auf der Flucht, vom Zufall des Windes
auf ihrem Weg übers Meer. Nur was sie nach ihrer Flucht erwartet, das
ist nicht dem Zufall überlassen.
Die Stiftung wurde vom Netzwerk solidarischer Städte ReCoSol (Rete dei
Comuni Solidali) und von langjährigen Weggefährt*innen Lucanos ins Leben
gerufen, darunter Juristen der Organisationen ASGI (Associazione per
gli Studi Giuridici sull’Immigrazione) und Magistratura Democratica,
sowie Mitglieder der Europäischen Kooperative Longo Mai, die über mehr
als 40 Jahre Erfahrung in lokaler solidarischer Ökonomie in Frankreich
und anderen Ländern verfügt. Ehrenvorsitzender ist der ehemalige
Bürgermeister von Rosarno, Peppino Lavorato.
Die Stiftung möchte die Aufnahme von Geflüchteten in Riace wieder
ermöglichen und damit »eine lokale Wirtschaft schaffen und sichern, die
auf den Kriterien der Solidarität, der Emanzipation und des Respekts für
die Umwelt basiert«. Sie unterstützt die verbliebenen etwa 50
Flüchtlinge in Riace, hat Räume für den Verein Città Futura erworben und
möchte eine Ölmühle zur Herstellung von Olivenöl in Gang setzen. Sie
richtet Wohnungen für einen neuen Solidaritätstourismus her und bereitet
die Wiedereröffnung der Werkstätten vor. Es scheint, dass Riace eine
Zukunft hat, aber angesichts des massiven Gegenwinds wird es einen
langen Atem brauchen.
(https://www.neues-deutschland.de/artikel/1125481.fluechtlinge-in-italien-eine-zukunft-fuer-riace.html)
+++MITTELMEER
Petition bei maltesischem Gericht: „Alan Kurdi“ meldet erneuten Selbstmordversuch eines Minderjährigen
„Warum diese Gefahr, dieses unnötige Leiden“: Das deutsche
Seenotrettungsschiff „Alan Kurdi“ darf weiterhin keinen sicheren Hafen
ansteuern – die Stimmung an Bord wird immer verzweifelter.
https://www.spiegel.de/politik/ausland/alan-kurdi-meldet-erneuten-selbstmordversuch-eines-minderjaehrigen-a-1285806.html
-> https://www.nau.ch/news/europa/alan-kurdi-meldet-neuen-selbstmordversuch-eines-minderjahrigen-65581193
Noch acht aus Seenot Gerettete an Bord: Malta lehnt „Alan Kurdi“ weiter ab
Über eine Woche sucht das Seenotrettungsschiff „Alan Kurdi“ nach einem
sicheren Hafen. Malta lehnt das Schiff weiterhin ab – trotz eines
Suizidversuchs.
https://taz.de/Noch-acht-aus-Seenot-Gerettete-an-Bord/!5624040/
55. Kapitänstag: Carola Rackete in Bremen – Ikone und Feindbild
Carola Rackete hat der Krise im Mittelmeer ein Gesicht gegeben. Nun ist
die Seenotretterin zu Gast in Bremen gewesen, beim 55. Kapitänstag. Ein
Abend mit einer, die beides ist: Kapitänin und Aktivistin.
https://www.weser-kurier.de/bremen/bremen-stadt_artikel,-ikone-und-feindbild-_arid,1858367.html
-> https://taz.de/Carola-Rackete-beim-Kapitaenstag/!5624028
+++EUROPA
Griechenland weist Drohungen Erdogans zurück
Wenn Erdogan das Abkommen mit der EU neu aushandeln möchte, dann könne man darüber sprechen, sagte Mitsotakis.
https://kurier.at/politik/ausland/griechenland-weist-drohungen-erdogans-zurueck/400599521
+++SEXWORK
Tabu männliche Sexarbeit – Rabe-Bi aller Liebi 08.09.2019
Bi aller Liebi…über Sexarbeit wird doch überall diskutiert! Nicht aber über die männliche Sexarbeit.
https://rabe.ch/2019/09/08/tabu-maennliche-sexarbeit/
—
NZZ am Sonntag 08.09.2019
Mordserie in Zürich: Wie am Sihlquai Frauen spurlos verschwanden – eine Recherche zum Hören und Lesen
Zuerst ist es nur eine Vermisstenanzeige vom Drogenstrich. Dann nimmt der Fall ungeahnte Dimensionen an.
Christine Brand, This Wachter, Simon Meyer
Zahlreiche Frauen verschwinden vom 1986 bis 2007 vom Zürcher Sihlquai,
einige werden tot gefunden, andere bleiben vermisst. Vom Täter fehlt
jede Spur. In einem Podcast rollen wir die Fälle neu auf. Und in einem
Hintergrundartikel recherchieren wir, wieso in der Schweiz ungelöste
Fälle wie die Morde von Zürich schnell in Vergessenheit geraten.
Podcast, Kapitel 1: Die Liste: https://cdn.podigee.com/media/podcast_13783_sihlquai_episode_1_kapitel_1_die_liste.mp3
(https://nzzas.nzz.ch/notizen/sihlquai-wir-rollen-eine-ungeloeste-zuercher-mordserie-neu-auf-ld.1503337)
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NZZ am Sonntag 08.09.2019
Die vergessenen Toten vom Zürcher Sihlquai
Über Jahre sind in Zürich unzählige Frauen verschwunden. Vom Täter fehlt
jede Spur. Ungelöste Fälle wie diese drohen in der Schweiz vergessen zu
gehen.
Christine Brand
Die Scheinwerfer der vorbeifahrenden Autos zerschneiden das Schwarz der
Nacht. Heidi K. steht am Strassenrand des Zürcher Sihlquais. Sie ist auf
Entzug, sie braucht Geld für Drogen, doch keiner hält an. Die
36-Jährige wartet auf ihren letzten Freier – und auf sie wartet der Tod.
Eine Kollegin erinnert sich später, dass sie ungeduldig war, sich
beklagte über das schlechte Geschäft. Doch dann findet sie doch noch
einen Kunden. Es ist zirka 1 Uhr 30 in der Nacht auf den 9. Juni 2004,
als Heidi K. das letzte Mal gesehen wird. Die Kollegin sagt aus, sie sei
in ein Auto gestiegen, eine andere meint, ein Lastwagen habe sie
mitgenommen. Danach verliert sich ihre Spur. Noch heute, 15 Jahre
später, ist Heidi K.s Vermisstenanzeige auf der Website der
Kantonspolizei Zürich aufgeschaltet.
In der neuen Audioreportage «Sihlquai» begibt sich die «NZZ am Sonntag»
auf Spurensuche in dem ungelösten Verbrechen. Zuerst geht es nur um
diese eine Vermisstmeldung – doch dann nimmt der Fall ungeahnte
Dimensionen an. Während der Recherchen zeigte sich: Heidi K. ist nicht
die einzige Drogenprostituierte, deren Schicksal ungeklärt ist.
Es geht nicht um einen Einzelfall, sondern um eine Mordserie. Die Liste
der Opfer ist lang: Zwischen 1986 und 2007 verschwanden zehn Frauen, die
für Drogen auf dem Zürcher Sihlquai anschafften – ohne dass die
Öffentlichkeit Notiz davon nahm. Denn die Opfer haben keine Lobby: Es
sind Drogenabhängige, Prostituierte, Frauen der untersten
gesellschaftlichen Stufe. Sieben Frauen werden später tot aufgefunden,
drei bleiben vermisst. Die meisten Fälle konnten nie gelöst werden. Der
oder die Täter sind bis heute auf freiem Fuss.
«Es ist beides möglich: Dass es mehrere Täter sind oder dass ein Täter
mehrere Frauen umgebracht hat», erklärt Hans-Peter Meister. Der
Kriminalanalyst betreut die Datenbank VICLAS, mit deren Hilfe
Seriendelikte erkannt werden sollen. Meister schliesst nicht aus, dass
es schweizweit sogar noch weitere ungelöste Tötungsdelikte an
Prostituierten geben könnte, die in das Muster der Todesserie am
Sihlquai passen – wenn man in anderen Kantonen danach recherchieren
würde.
Wird ein Mord nicht geklärt, leiden manche Angehörige ein Leben lang.
Wie zum Beispiel Marco Hauenstein. Er war drei Jahre alt, als seine
Mutter verschwand. Mit 19 machte er sich mit der Hilfe eines Detektivs
auf die Suche nach ihr – eine Suche, die er in der «Sihlquai-Reportage»
als «Sucht» beschreibt. Auch manchen Ermittler lassen ungelöste Delikte
nicht mehr los. «Fälle, die man nicht klären kann, bleiben präsent»,
sagt Alain Loretan, stellvertretender Chef des Dienstes Leib/Leben der
Kantonspolizei Zürich. «Sie bleiben im Kopf hängen, weil man immer mal
wieder daran zurückdenkt.»
Die Fälle der verschwundenen und getöteten Frauen vom Sihlquai sind nur
einige von zahlreichen ungeklärten, schweren Verbrechen in der Schweiz.
Zwar ist die Aufklärungsquote bei Tötungsdelikten mit über 90 Prozent so
hoch wie in kaum einem anderen Bereich, da sich Täter und Opfer in den
meisten Fällen zuvor gekannt haben. So konnten letztes Jahr 47 von
insgesamt 50 vollendeten Tötungsdelikten geklärt werden.
Trotzdem kommen jedes Jahr mehrere Fälle hinzu, die nicht gelöst werden
können. Man nennt sie Cold Cases – kalte Fälle, in denen die Ermittler
auch ein Jahr, zwei Jahre oder zwanzig Jahre nach dem Verbrechen keinen
Täter finden.
Manche ungeklärte Morde haben sich in das kollektive Gedächtnis der
Schweiz eingebrannt – die verschwundenen Kinder in den achtziger Jahren
zum Beispiel, von denen etliche Fälle nie gelöst wurden, oder der Fall
Seewen, bei dem 1976 in einem kleinen Wochenendhäuschen im Kanton
Solothurn fünf Menschen erschossen wurden. Auch der Kristallhöhlen-Mord,
bei dem 1982 zwei Mädchen während einer Velotour in der Ostschweiz
verschwanden und später bei den Höhlen tot aufgefunden wurden,
beschäftigt noch heute.
Akte zu, Fall ungelöst
Nebst den prominenten Fällen finden sich in der Kriminalgeschichte
unseres Landes zahlreiche weitere Tötungsdelikte, in denen die
Täterschaft ungeschoren davongekommen ist. Zum Beispiel die Tötung des
Metzgermeisters aus Freienbach, dessen Leiche auf dem Areal einer
Bauunternehmung gefunden wurde; sie wies Schussverletzungen auf und
wurde verbrannt.
Oder das unerklärliche Verbrechen vom Zürcher Bucheggplatz, als an einem
Novemberabend ein Mann in seinem Auto über die Kreuzung fuhr und von
einer Kugel tödlich getroffen wurde. Der Mord an Yasemin Y., einer
28-jährigen, zweifachen Mutter; sie wurde in Zürich in einem
Tankstellen-Laden erstochen. Das Rentnerpaar Georges S. und Gerda K.:
getötet in ihrem Haus im bernischen Laupen. Gertrud K., 81: in ihrer
Wohnung in Luzern mit einem Japanmesser tödlich verletzt. Michi, 17: vor
einem Zürcher Klub niedergestochen. Hardy J.: in Burgdorf zu Tode
geprügelt.
Motiv und Täter sind in allen Fällen bis heute unbekannt. Die Liste von
ungesühnten Tötungsdelikten liesse sich beliebig fortführen.
Was passiert mit einem Fall, wenn jede Spur erkaltet und nirgendwo mehr
hinzuführen scheint? Wenn die Ermittler einfach nicht mehr weiterkommen?
Wann geben sie auf? «Nach Abschluss der erfolglosen Ermittlungen wird
der ungelöste Fall in der Regel noch einmal von einem unabhängigen
Sachbearbeiter der Kriminalanalyse untersucht», sagt Fahnder Alain
Loretan. In Fällen, bei denen es zwar Hinweise, Verdachtsmomente oder
Mutmassungen gab, aber keine Beweise erbracht werden konnten, erhalte
ein neues Ermittlerteam den Auftrag, den Fall noch einmal zu beurteilen.
«Es gibt aber auch Fälle, die spurenarm sind, das heisst, dass es weder
faktische Sachspuren noch Hinweise im Opferumfeld gibt», sagt Loretan.
«Diese Fälle ruhen dann, bis neue Hinweise bei uns eingehen.»
Wenn nicht der vielzitierte Kommissar Zufall den Ermittlern irgendwann
einen neuen Ansatz zuspielt, bleiben die Akten von sogenannten Cold
Cases in der Schweiz meistens jahrelang oder für immer geschlossen.
Nicht zuletzt aus Kapazitätsgründen: Für die kalten Fälle sind die
gleichen Abteilungen zuständig wie für die aktuellen Gewaltverbrechen,
die stets Vorrang haben. Daneben fehlt es an Zeit und Geld für die
aufwendigen Ermittlungen in Cold Cases, deren Erfolgsaussichten oft
gering sind. Spezialeinheiten, die sich ausschliesslich um die alten,
ungelösten Fälle kümmern, existieren in der Schweiz nicht.
Anders sieht es in Deutschland aus. In letzter Zeit mehren sich dort die
Meldungen, dass schwere Delikte nach zwölf, zwanzig, sogar vierzig
Jahren doch noch geklärt werden konnten. Denn in etlichen Bundesländern
wurden spezielle Cold-Case-Einheiten gegründet, die erste 2016 in
Hamburg. «Sie beschäftigt sich ausschliesslich mit ausgewählten, bisher
ungelösten versuchten und vollendeten Tötungsdelikten wie auch mit
Vermisstenfällen, bei denen wir von einem Gewaltverbrechen ausgehen»,
sagt Ulf Wundrack, von der Polizeipressestelle Hamburg.
Die Einheit stehe ausserhalb der Mordkommission, damit die Beamten frei
seien vom Druck der aktuellen Verfahren. In Düsseldorf baut das
Landeskriminalamt eine Datenbank mit 900 alten Fällen auf, jenes in
Wiesbaden entwickelt Empfehlungen dafür, wie Cold Cases neu aufgerollt
werden können.
Ein Kalender für Häftlinge
Auch in Österreich gibt es ein Cold-Case-Management. «Das Ermittlerteam
ist dem Bundeskriminalamt angegliedert und für Kapitalverbrechen in ganz
Österreich zuständig, die nicht geklärt werden konnten», sagt Vinzenz
Kriegs-Au, Pressesprecher des Bundeskriminalamts. Eine Vorreiterrolle in
Europa haben die Niederlande eingenommen mit zehn Cold-Case-Einheiten
mit bis zu 20 Experten.
Aart Garssen, der diesen Einheiten vorsteht, greift mitunter zu
besonderen Methoden. Nach amerikanischem Vorbild hat er in den
niederländischen Gefängnissen Cold-Case-Kalender an die Insassen
verteilt: Jede Woche ein anderer Fall, mit Details zur Tat und Bildern
der Opfer – und mit der freundlichen Bitte um Mithilfe. «Vielleicht
halten Sie schon lange Informationen verborgen und wollen dies nicht
länger tun», steht auf dem Kalender, in Holländisch, Englisch, Russisch,
Arabisch und Spanisch. Die Auflage zählt 48 000 Stück.
Für nützliche Informationen gibt es eine Belohnung von bis zu 20 000
Euro. Im ersten Jahr gingen daraufhin 78 Hinweise ein, 32 davon seien
«sehr brauchbar» gewesen. In 9 Fällen wurden die Ermittlungen wieder
aufgenommen. Die Idee dahinter ist simpel: Gefangene wissen viel – weil
sie viel Zeit haben und sich austauschen.
So was ist in der Schweiz kein Thema. Hierzulande drohen alte Fälle
vergessen zu gehen. Für den Strafrechtsprofessor Marcel Niggli geht es
um einen Grundsatzentscheid: «Wenn wir beschliessen: Wir wollen kalte
Fälle nicht kalt werden lassen – dann braucht es Spezialeinheiten, die
sich ausschliesslich darum kümmern.»
Dass sie geschaffen werden, glaubt Niggli indes nicht. «Weil sie nicht
gratis zu haben sind; Gerechtigkeit und Strafverfolgung kosten etwas.»
Zwar würde jeder sagen, man sollte alte Fälle klären – doch keiner wolle
dafür bezahlen.
Nach 30 Jahren ist ein Mord verjährt
Es gibt noch einen anderen Punkt, in dem sich die Schweiz von fast allen
europäischen Staaten unterscheidet: Mord verjährt. Während in den
meisten umliegenden Ländern Tötungsdelikte bis zum Tode des Täters
verfolgt werden können, kann in der Schweiz ein Mörder nicht für seine
Tat bestraft werden, wenn sie mehr als 30 Jahre zurückliegt. Bei
vorsätzlicher Tötung beläuft sich die Frist sogar nur auf 15 Jahre.
Gleichzeitig läuft auch die Aufbewahrungsfrist der Unterlagen ab: Die
Akten eines Tötungsdeliktes, geklärt oder ungeklärt, werden nach 30
Jahren gelöscht. Nur bei besonderen Fällen gehen sie ins Staatsarchiv.
Die Aufhebung der Verjährung von Tötungsdelikten wird alle paar Jahre
wieder von einem Politiker auf die Agenda gesetzt, stets ohne Erfolg.
Der Bundesrat beruft sich «auf das Recht auf Vergebung und Vergessen und
auf die heilende Wirkung des Zeitablaufs». Das Interesse des Staates an
der Rechtsverfolgung erlösche mit dem Laufe der Zeit, das
Vergeltungsbedürfnis nehme ab.
«Man muss sich sehr gut überlegen, ob man eine Unverjährbarkeit will»,
sagt auch Marcel Niggli. «Der Mensch, der als 20-Jähriger tötet, ist
nicht mehr der gleiche Mensch, wenn er 30 Jahre später der Tat überführt
wird.» Niggli meint, dass die Verjährung der schweizerischen Kultur
entspricht – dass etwas, das sehr lange zurückliegt, auch einmal vorbei
und vergessen sein darf. «Mit der Unverjährbarkeit würden wir zudem ein
Versprechen abgeben, das wir nicht halten können», sagt Niggli. «Denn
die Wahrscheinlichkeit, nach 20 oder 25 Jahren ein Delikt strafrechtlich
nachweisen zu können, ist wahnsinnig klein.»
Doch nicht immer arbeitet die Zeit gegen die Ermittler. Manchmal kann
sie auch helfen; wenn Zeugen, die geschwiegen haben, plötzlich reden
wollen oder können, weil sich vielleicht in ihrer Beziehung etwas
geändert hat oder ihnen nicht klar war, dass sie etwas Wichtiges wissen.
So hat letzte Woche ein Beitrag über einen ungeklärten Mordfall aus dem
Kanton Schwyz in der TV-Sendung «Aktenzeichen XY» zu mehr als zwei
Dutzend Meldungen geführt – 15 Jahre nach der Tat.
Auch die Entwicklung der Kriminalistik eröffnet den Fahndern manchmal
plötzlich neue Wege. In Zürich wurden 2007 alte Fälle neu auf DNA-Spuren
untersucht, von denen man in den achtziger Jahren noch nicht einmal
ahnte, dass es sie gibt. Auch der jüngste Entscheid von Bundesrätin
Karin Keller-Sutter, dass künftig bei schweren Verbrechen die DNA
breiter analysiert werden darf, dürfte in Bezug auf einige alte Fälle
interessant sein. Demnach könnten aus einer DNA-Spur nicht nur das
Geschlecht, sondern auch äussere Merkmale wie Haar- und Augenfarbe, die
regionale Herkunft und das Alter herausgelesen werden.
In der Mordserie um die verschwundenen Drogenprostituierten, die in der
Audioreportage «Sihlquai» neu aufgerollt wird, sind zwei der
Tötungsdelikte bereits verjährt. Ein Fall ist geklärt. In sieben Fällen
könnte der Täter noch immer überführt werden. «Es wäre schön, wenn wir
aufgrund der Reportage den einen oder den anderen Fall mit Hilfe von
neuen Hinweisen aus der Bevölkerung vielleicht doch noch klären
könnten», sagt der Fahnder Alain Loretan.
Falls sich jemand meldet, der etwas weiss, und falls sich neue Ansätze
ergeben, dann würden die Akten der Fälle wieder geöffnet. Denn jeder
ungeklärte Mord ist ein Verbrechen, das niemals endet.
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Ein Kriminalfall zum Hören
Von Michael Furger
Die Wahl fiel auf den Fall von Heidi K., die 2004 am ehemaligen
Drogenstrich am Zürcher Sihlquai verschwand. Während der Recherche stieg
der Fahnder Alain Loretan ins Archiv, und es zeigte sich: Hier handelte
es sich nicht um einen Einzelfall, sondern um eine Serie von zehn
Tötungsdelikten an Prostituierten.
Das Besondere an «Sihlquai» ist, dass sich die Kantonspolizei Zürich
bereit erklärt hat mitzuwirken. Sie hat die Hoffnung, dass sich neue
Hinweise ergeben, die helfen, den Fall zu lösen. Für die Audio-Aufnahmen
fuhren die Podcast-Reporter mit Alain Loretan an den Ort, an dem die
Frauen verschwanden. Sie begleiteten den heute pensionierten
Staatsanwalt Jaroslav Jokl zu jener Scheune, bei der ein Opfer tot
aufgefunden wurde. Sie besuchten den Kriminalanalyst Hans-Peter Meister
und liessen sich von der Sozialarbeiterin Ursula Kocher zeigen, wo die
Sexarbeiterinnen heute anschaffen.
Schwieriger war es, Angehörige der Opfer zu finden, die bereit waren,
über das Erlebte zu erzählen. Die heute erwachsenen Kinder des Opfers
Irene H. wollten nicht mehr über das Geschehene reden, auch ein
Interview mit einem Bruder von Heidi K. kam nicht zustande. Umso
eindrücklicher waren schliesslich die Aufnahmen mit Marco Hauenstein,
der über seine Suche nach seiner Mutter berichtet, die verschwand, als
er drei Jahre alt war.
16 Stunden Gesprächsaufnahmen kamen zusammen, die Transkripte füllten
143 Seiten. Daraus produzierte das Team fünf Folgen à 15 bis 20 Minuten,
die mit Kommentaren und komponierten Musiksequenzen gestaltet wurden.
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Hinweise gesucht
Lösen der Podcast oder der Text Erinnerungen aus? Oder wissen Sie gar
etwas, dass bei der Aufklärung dieser Fälle weiterhelfen würde? Richten
Sie sich in solchen Fällen über dieses Kontaktformular direkt an die
Kantonspolizei Zürich.
(https://nzzas.nzz.ch/hintergrund/die-vergessenen-toten-vom-sihlquai-ld.1507236)
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NZZ am Sonntag 08.09.2019
Making-of «Sihlquai»: Wie der Podcast entstand
Über ein halbes Jahr arbeiteten Christine Brand und This Wachter an der
fünfteiligen Podcast-Serie. In diesem Audio-Beitrag erzählen sie, wie
sie entstanden ist.
Michael Furger, Christine Brand, This Wachter
«Sihlquai»: Das Making-of der Podcast-Serie: https://cdn.podigee.com/media/podcast_13787_true_crime_abo_binge_hearing_episode_6_making_of_sihlquai.mp3
(https://nzzas.nzz.ch/notizen/sihlquai-wie-der-podcast-entstand-making-of-ld.1507197)
+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Im Hauptquartier der Klimajugend: Hier planen sie den nächsten Coup
Jede Woche treffen sich Klimastreikende überall in der Schweiz, um
Projekte und Demos zu planen. Wir waren zu Besuch in der Berner
«Klimaoase».
https://www.blick.ch/news/schweiz/bern/im-hauptquartier-der-klimajugend-hier-planen-sie-den-naechsten-coup-id15505082.html
Basler Linksextreme zerstören Deutschlandflagge
Bei einer Rojava-Kundgebung am Badischen Bahnhof kam es zu
Ausschreitungen. Die Polizei kontrollierte fünf Personen, entliess sie
jedoch wieder.
https://www.bazonline.ch/basel/stadt/basler-linksextreme-zerstoeren-deutschlandflagge/story/10460271
-> https://telebasel.ch/2019/09/08/deutsche-flagge-am-badischen-bahnhof-zerstoert/?channel=105100
-> http://www.onlinereports.ch/News.117+M5dafe683809.0.html
-> https://www.polizei.bs.ch/nm/2019-mehrere-personenkontrollen-nach-kundgebung-jsd.html
+++BIG BROTHER
DNA-Gesetz: Wenn der Staat dein Erbgut kennt
Bald schon soll die Polizei mit DNA-Spuren nach Haut- oder Haarfarben
fahnden. Vor siebzehn Jahren klang die Debatte noch anders: Es sei
verständlich, dem geplanten DNA-Gesetz mit «grosser Skepsis» zu
begegnen, sagte die damalige Bundesrätin Ruth Metzler (CVP) in der
Herbstsession 2002. Die Sorge sei jedoch unbegründet, so Metzler, da in
der Strafverfolgung lediglich die nichtcodierten, stummen Sequenzen der
DNA verwendet würden, die keine Rückschlüsse auf körperliche
Eigenschaften zulassen.
https://www.woz.ch/1936/dna-gesetz/wenn-der-staat-dein-erbgut-kennt
+++POLICE CH
Polizeigewerkschafterin Bundi Ryser über Femizide und Frauen in ihrem Beruf : «Es wird zu wenig hingeschaut»
Johanna Bundi Ryser (56) ist die erste Frau
an der Spitze der
Polizistengewerkschaft. Im Interview spricht sie über Femizide,
mangelhafte Frauenförderung in ihrem Beruf und wieso sie auch bei einem
Bundesrat kein Blatt vor den Mund nimmt.
https://www.blick.ch/sonntagsblick/polizeigewerkschafterin-bundi-ryser-ueber-femizide-und-frauen-in-ihrem-beruf-es-wird-zu-wenig-hingeschaut-id15503504.html
+++RECHTSPOPULISMUS
Im digitalen Faschismus-Strudel
Warum funktionieren Nationalismus und Hass im Netz so gut? Eine neue
Studie gibt ebenso verblüffende wie beängstigende Antworten.
https://www.tagesanzeiger.ch/ausland/europa/im-digitalen-faschismusstrudel/story/10905850
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Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel