Widerständiger Rückblick auf eine Woche voller Rassismus.
Was ist neu?
Gezielte Diskriminierung von nicht-europäischen Menschen, die auf Sozialhilfe angewiesen sind
Der Ständerat hat den Bundesrat beauftragt zu prüfen, wie die Sozialhilfe für nicht-europäische Personen einschränkt werden kann. Der Bundesrat hat diese Woche in einem Bericht verschiedenste krasse Möglichkeiten aufgezählt. Da die Höhe der Sozialhilfe von den Kantonen und der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) geregelt wird, zielen die Vorschläge des Bundesrat mehr darauf ab, möglichst vielen Personengruppen das Recht auf Sozialhilfe abzusprechen oder dieses einzuschränken. Zum Beispiel indem:
- in den ersten drei Jahren in der Schweiz die Sozialhilfe eingeschränkt wird. Oder:
- Nicht-Europäer*innen unabhängig vom Zeitpunkt der Einreise während drei Jahren nur eine eingeschränkte Sozialhilfe zustehen würde.
- die Kriterien verschärft werden, um den Ausweis F von vorläufig aufgenommenen Personen (mit einer tieferen Sozialhilfe) in einen Ausweis B umzuwandeln, sodass dies für weniger Menschen möglich wird.
- Nicht-Europäer*innen den Ausweis B verlieren und ausgeschafft werden, sobald sie von der Sozialhilfe abhängig werden.
- Nicht-Europäer*innen zwingend Integrationsvereinbarungen unterzeichnen und einhalten müssen, um Sozialhilfe zu erhalten.
Die verschiedenen Vorschläge sollen nun im Rahmen einer Expert*innengruppe und durch das EJPD bis Ende November 2019 weiterdiskutiert werden. Danach bestimmt der Bundesrat das weitere Vorgehen in dieser Sache.
https://www.ejpd.admin.ch/ejpd/de/home/aktuell/news/2019/2019-06-070.html
Frontex erhält knapp eine halbe zusätzliche Milliarde
Die Europäische Kommission will 2020 420,6 Mio. Euro für die Grenz- und Küstenagentur Frontex der EU ausgeben. Dies entspricht einer Steigerung von 34,6 Prozent gegenüber 2019 und folgt dem Beschluss des europäischen Parlaments und Rats, bis 2027 über ein ständiges Heer von 10’000 Grenzschutzbeamt*innen zu verfügen.
http://europa.eu/rapid/press-release_IP-19-2809_en.htm?utm_source=ECRE+Newsletters&utm_campaign=3af04401eb-EMAIL_CAMPAIGN_2019_06_06_11_44&utm_medium=email&utm_term=0_3ec9497afd-3af04401eb-422328393
Neue Sicherheitsfirmen in Bundesasyllager
Bisher war vorwiegend die private Sicherheitsfirma Securitas AG für die Repression in den Bundesasylcamps zuständig. Sie kontrolliert das Leben der Geflüchteten innerhalb und teilweise auch ausserhalb des Camps und filzt sie am Eingang. Getreu neoliberaler Doktrin soll der Wettbewerb entscheiden, wer dies in Zukunft tun soll. Da die bestehenden Verträge Ende dieses Jahres auslaufen, schrieb das Staatssekretariat für Migration (SEM) das Mandat diese Woche neu aus. Die Eingabefrist läuft am 25. Juli 2019 ab. Wer Chancen haben will, muss vor allem auf den Preis auchten und die Möglichkeit haben, auf schwankende Arbeitsvolumen zu reagieren, indem z.B. wenig fixe und viele befristete Verträge mit den Angestellten geschlossen werden.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-75301.html
https://www.simap.ch/shabforms/COMMON/search/searchresultDetail.jsf
200 Polizeibeamt*innen räumen Besetzung 200 Migrant*innen
Das Squat „5 Étoiles“ (Fünf Sterne) im französischen Lille wurde am Dienstag in den frühen Morgenstunden gestürmt. Die Räumung zeigt, wie Migrant*innen und Geflüchteten ihr Recht auf Unterbringung seitens des französischen Staats konsequent verweigert wird. So war die erstmalige Besetzung der Lagerhalle im November 2017 Reaktion auf die Zwangsräumung eines migrantischen Zeltcamps im Monat davor und reiht sich ein in eine Vielzahl von Räumungen selbstorganisierter Camps in Lille.
https://ffm-online.org/frankreich-lille-rund-200-migrantinnen-und-gefluechtete-aus-squat-geraeumt/
Was ist aufgefallen?
Asylsuchender darf Kanton St Gallen nicht verlassen
Seit 22 Monaten wartet Zeki Ürün (26) auf einen Asylentscheid und darf seither das Kantonsgebiet von St. Gallen nicht verlassen. Weil er als Mitglied der kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) beim Syrienkrieg mitgewirkt habe, sei er eine „Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung“, wie das St. Galler Migrationsamt knapp begründete. Ein- und Ausgrenzungen als eine Form ausländerrechtlicher Zwangsmassnahmen können grundsätzlich während und nach dem Asylverfahren angeordnet werden. Der Kanton Zürich beispielsweise belegt abgewiesene Asylsuchende seit 2016 systematisch mit dieser Bestimmung. Eine so schwammige juristische Begründung wie im Fall von Ürün ist aber laut verschiedenen Rechtsvertreter*innen neu. Im Kern ist die Argumentation im Fall von Zeki Ürün durch alle Instanzen dieselbe. Die YPG seien als syrischer Ableger der türkischen PKK und als „bewaffnete Einheit“ zu betrachten. Zudem spiele es keine Rolle, „welcher Gruppierung einzelne Kriegsteilnehmer angehören oder ob eine bestimmte Gruppierung in der öffentlichen Wahrnehmung einen gerechten Krieg führt oder als Terrorgruppe eingestuft wird“. Das heisst in anderen Worten: YPG gleich IS. Die Argumentation ist völlig absurd, wie Fabian Rüegger vom Solidaritätsnetz Bern feststellt: „Nur die Türkei und Katar betrachten die YPG als Terrororganisation – und offenbar auch der Kanton St. Gallen.“ Es ist auch die Abstraktheit der Begründung, die Zeki beschäftigt. Denn er weiss nicht, was ihm konkret vorgeworfen wird. Bis zum Asylentscheid muss er weiter in St. Gallen leben. Der Kanton sei für ihn ein Gefängnis. „Es ist doch unsinnig“, sagt er, „offenbar bin ich nur eine Gefahr für Leute, die nicht in St. Gallen wohnen.“
https://www.woz.ch/1923/eingrenzung/praeventiv-bestraft
Zahnbehandlung von Geflüchteten in der Schweiz richtet sich nach deren Aufenthaltsstatus
Für schöne Zähne wird für Menschen mit Schweizer Pass viel gemacht. Über fünfzig Prozent aller Jugendlichen tragen eine Zahnspange. Dass ihnen Zähne gezogen werden, nur wegen einem kleinen Loch oder einer Entzündung, ist unvorstellbar. Für Geflüchtete, die von der Nothilfe leben müssen, ist dies aber Realität. Haben sie Zahnschmerzen, müssen sie zuerst ein Gesuch stellen, um überhaupt zum Zahnarzt zu dürfen. Bezahlt wird nur das Minimum. Das bedeutet, dass Zähne, die geflickt werden könnten, einfach gezogen werden. Ein Berner Zahnarzt publizierte die Behandlungsstandards, die Zahnärzt*innen im Kanton Bern bei der Behandlung von Geflüchteten zu beachten haben. Hier einige Auszüge:
· Für Asylsuchende und vom Sozialhilfestopp betroffene Personen (Personen, die von der Nothilfe leben müssen) ist die zahnmedizinische Behandlung auf das Minimum – dies bedeutet reine Schmerzbekämpfung – auszurichten. Die Schmerzbekämpfung hat mit einfachsten Mitteln zu erfolgen
- Bei rechtskräftig weggewiesenen Personen darf nur die Behandlungsmethoden wie Extraktion, Zementfüllung angewendet werden, bei vorläufig Aufgenommenen (F-Ausweis) kann eventuell eine Wurzelbehandlung eingeleitet werden;
- Kosmetische Behandlungen dürfen in keinem Fall vorgenommen werden;
- Dentalhygiene wird nur bei vorläufig aufgenommenen Personen übernommen (eine Sitzung pro Jahr);
- Bei multipler Milchzahnkaries erfolgt die Schmerzbekämpfung durch Extraktionen (…).
- Kieferorthopädische Behandlungen (…) werden weder vom Krankenversicherer noch vom MIP übernommen und sind deshalb vom behandelnden Zahnarzt nicht vorzunehmen.
Gesundheitsweisung für Personen des Asylbereichs im Kanton Bern, ab S. 54 spezifisch für Zahnbehandlung: https://www.asyl.sites.be.ch/asyl_sites/de/index/navi/index/gesundheit.assetref/dam/documents/POM/MIP/de/MIDI/Weisungen_Anh%C3%A4nge/ANG_d.pdf
https://rabe.ch/2019/06/04/agrarhandel-unmenschliches-zaehneziehen-lisa-catena/
Kriminalisierung von Solidarität in CH und EU
Die Repressionsschraube wird momentan immer enger gedreht, um solidarische Handlungen gegenüber Geflücheten zu verhindern. Seit Monaten wird in der Schweiz gerichtlich gegen Pfärrer*innen vorgegangen, die aufgrund ihres religiösen Verständnisses geflüchteten Personen helfen. Auch Anni Lanz kriegte eine Strafe aufgebrummt.
Europaweit werden momentan die Strafen erhöht. In Ungarn stimmte das Parlament in Budapest 2018 mit einer Mehrheit von 160 zu 18 Stimmen für ein Gesetz, das bis zu einem Jahr Haft für diejenigen vorsieht, die Geflüchteten helfen, Asylanträge einzureichen, oder die illegal eingereisten Migrant*innen helfen, in Ungarn zu bleiben. Darunter kann selbst das Spenden von Essen oder Kleidung fallen.
Gleichzeitig werden die Crews von privaten Rettungsschiffen im Mittelmeer wie der Iuventa mit Anklagen eingedekt, ihnen drohen 20 Jahre Haft.
Die Kriminalisierung von Fluchthilfe ist nicht auf rechtspopulistisch regierte Staaten beschränkt. Die meisten Fälle gab es in Italien, Griechenland, Frankreich, Großbritannien, Deutschland, Dänemark und Spanien. Gesetze, die gegen Terror und die Mafia gerichtet sind, werden auf Organisationen und Einzelpersonen angewendet werden, die Geflüchteten und Migrant*innen helfen. In einigen Fällen wurden ihre Telefone abgehört und ihre Bankkonten gesperrt.
https://www.luzernerzeitung.ch/schweiz/er-handelte-gemaess-dem-evangelium-pfarrer-versteckte-sieben-jahre-eine-auslaenderin-ld.1123902
https://jungle.world/artikel/2019/22/leben-retten-verboten
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1119870.iuventa-uns-drohen-jahre-knast.html
Mittelmeer
- Nachdem die europäischen Behörden letzte Woche einem Boot im Mittelmeer einen Tag lang beim Sinken zugeschaut haben, wurden die ca. 100 Geflüchteten am Wochenende schliesslich von einem italienischen Kriegsschiff nach Genua gebracht. In den zwei Tagen auf See seien aber mehrere Person gestorben.
- Auch am Sonntag hat die europäische Abschottungspolitik wieder zwei Tote im Mittelmeer gefordert: Ein Boot mit ca. hundert Menschen verliess die libysche Küste Richtung Europa, wobei ihnen auf See der Motor geklaut wurde. Daraufhin begann das Boot zu sinken. Zwei Personen starben, die restlichen wurden von der libyschen Küstenwache aufgegriffen und zurück in die libyschen Lager geschleppt.
- Am Donnerstag haben Alarmphone und die NGO-Flugzeuge Colibri und Moonbird über 700 Personen auf mehreren Schlauchbooten im Mittelmeer erkannt und ihr SOS an die Seenotrettungsleitstellen weitergegeben. Nach dem Schweigen, das einen Tag andauerte, gab die maltesische Seenotrettung schliesslich bekannt, dass sie insgesamt 370 Personen gerettet hat. Die sogenannte libysche Küstenwache, die sich zu Übungen ganz woanders aufhielt, will 80 Personen aufgegriffen und in die libyschen Lager zurückgebracht haben. Somit fehlt von über 250 Personen im zentralen Mittelmeer jede Spur. Nach eineinhalb Tagen zahlreicher SOS-Rufe und unbeantworteter Telefone an die verschiedenen Küstenwachen wird davon ausgegangen, dass sie ertrunken sind.
- Die beschlagnahmte Sea-Watch 3 ist wieder freigegeben worden. Das Schiff hatte Mitte Mai vor der Küste Libyens 65 Personen aus Seenot geholt und wurde anschliessend von den italienischen Behörden beschlagnahmt.
Obwohl das Schiff nun wieder freigegeben ist, laufen immer noch Ermittlungen wegen „Begünstigung illegaler Einwanderung“ gegen den Kapitän der Sea-Watch 3.
https://www.dw.com/de/sea-watch-3-ist-wieder-frei/a-49001491
https://www.sbs.com.au/news/woman-and-baby-drown-migrants-missing-in-libya-boat-capsize
https://ffm-online.org/italien-170-boat-people-am-wochenende-angelandet/
https://ffm-online.org/malta-libyen-heute-ueber-250-boat-people-unter-eu-beobachtung-ertrunken/
Racial Profiling: neue Studie
In einer neuen Studie wurden systematisch Berichte von Betroffenen von Racial Profiling in der Schweiz aufgearbeitet. Betroffene berichten, sich während der Polizeikontrollen «ausgestellt», wie «im Zirkus», als «Mensch zweiter Klasse», als Menschen mit «limited rights» gefühlt zu haben. Hervorgehoben wird dabei die demütigende/beschämende Erfahrung, durch die Öffentlichkeit/die Passant*innen als «Kriminielle/r» und als Bedrohung der Sicherheit gesehen zu werden. Auch nach der Kontrolle seien jeweils abschätzige Blicke auf sie gerichtet. Von spontaner Unterstützung durch Passant*innen hat bisher keine der interviewten Personen berichtet. Von Betroffenen wird der Vorschlag gemacht, Quittungen einzuführen, auf denen der Grund und das Ergebnis der Kontrollen vermerkt sind. Ausserdem sollten nach Aussagen einzelner Interviewter im Polizeikorps mehr Angehörige von Minoritätengruppen und mehr Sprachkenntnisse vertreten sein.
https://www.blick.ch/news/schweiz/ein-opfer-rassistischer-polizeikontrollen-erzaehlt-ich-habe-mich-extrem-geschaemt-id15353524.html
http://www.stop-racial-profiling.ch/de/berichte-studien/
Dänemark baut Abschiebelager auf verseuchter Insel
Betreten darf man die Insel Lindholm nicht. Der Boden ist verseucht wegen Experimenten mit Viren und der Verbrennung von Tierkadavern. Immer noch könnte man sich mit Viren infizieren oder die Schweinepest an Land tragen. Ab 2021, wenn die Insel dekontaminiert ist, sollen hier abgelehnte Asylsuchende, die nicht ausgeschafft werden können und „kriminelle Flüchtlinge“ die ihre Strafe abgesessen haben, in Lager gesteckt werden. So hat es die dänische Regierung beschlossen. Vorangetrieben werden solche drastischen Projekte zwar von den (rechts)bürgerlichen, aber auch die dänischen Sozialdemokrat*innen mischen mit und haben eine Obergrenze für „nicht-westliche Ausländer“ gefordert. Zur Lindholm-Frage haben sich die Sozialdemokrat*innen im Parlament unlängst sogar enthalten, statt dagegen zu stimmen. Auch auf Nachfrage sprach sich die Parteichefin nicht klar gegen das Insel-Lager Lindholm aus.
https://www.spiegel.de/politik/ausland/daenemark-im-wahlkampf-die-gefangenen-von-lindholm-a-1270619.html
Was war gut?
Platz zu Ehren einer Schwarzen ehemaligen Nationalrätin, statt eines Rassisten
Nach dem Rassentheoretiker Louis Agassiz sind in der Schweiz und weltweit fast 80 Orte – Plätze, Strassen, Schulen und ein Berg – benannt. Der rassistische Denker geniessst sogar die Ehrenbürgerschaft des Schweizerischen Alpenclubs. Sein Rassismus stand lange im Schatten seiner naturwissenschaftlichen Forschung. Doch seit der Historiker und Antirassist Hans Fässler Aufklärungsarbeit betreibt, ändert sich dies. Leider sehr sehr langsam. Seit 15 Jahren kämpft er gegen die Verehrung dieses Rassisten an. Nun ist endlich ein Erfolg zu vermerken: In Neuenburg wird der «Espace Louis Agassiz» in „Espace Tilo Frey“ umbenannt. Tilo Frey war die erste dunkelhäutige Nationalrätin der Schweiz. Kurz nach der Einführung des Frauenwahlrechts schaffte sie es 1971 auf der FDP-Liste ins Parlament. Wann folgen die anderen Umbenennung? Wer stellt im SAC einen weiteren Antrag, um diesem Rassisten die Ehrenmitgliedschaft abzuerkennen?
https://www.swissinfo.ch/fre/figures-controvers%C3%A9es_pourquoi-neuch%C3%A2tel-ne-veut-plus-de-louis-agassiz/45014584
https://www.tagblatt.ch/leben/agassiz-platz-in-neuenburg-wird-umbenannt-ld.1125064
Was nun?
Die Antifolterkommission kritisiert das Ausschaffungsgefängnis von Granges im Wallis, Behörden stellen auf stur
Die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter (NKVF) kommt in ihrem Bericht zum Schluss, dass der Kanton Wallis in Sachen Ausschaffungshaft gegen nationale und internationale Standards verstösst. Die administrativ inhaftierten Geflüchteten werden im Wallis durchschnittlich zwischen 19 und 20 Stunden pro Tag in der Zelle gehalten. Die NKVF forderte, die Zelleneinschlusszeiten auf die Nacht zu beschränken. Die Behörden verweigerten dies. Sie weigern sich auch, die zu strengen Besuchsregelungen zu lockern und einen gewissen Zugang zu Handys zu ermöglichen.
Das Ausschaffungsgefängnis von Granges wurde seit 2010 fünf Mal kontrolliert. Im Mai 2018 informierte die NKVF die walliser Behörden über die dringlichen Massnahmen zur Verbesserung der Haftbedingungen. Im Januar 2019 führte die Kommission einen unangekündigten Nachfolgebesuch durch und stellte die oben erwähnten Missstände fest. Wo Unrecht zur Recht wird, ist Widerstand Pflicht.
https://www.nkvf.admin.ch/nkvf/de/home/publikationen/newsarchiv/2019/2019-06-06.html
Wo gabs Widerstand?
EU wegen Migrationspolitik in Den Haag angeklagt
Zwei Menschenrechtsanwälte haben die Europäische Union wegen ihrer Migrationspolitik und wegen der Kooperation mit der libyschen Küstenwache beim Internationalen Strafgerichtshof angezeigt. Die beiden Anwälte machen die EU mitverantwortlich für die Vergehen der libyschen Küstenwache. Diese habe mehr als 40’000 Menschen im Mittelmeer abgefangen und in Haftlager und Folterkammern in Libyen gebracht. Dies passiere mit dem Wissen von EU-Vertreter*innen und werde mit EU-Geldern finanziert. Die Anwälte berufen sich dabei auf EU-Dokumente und Stellungsnahmen von verschiedenen EU-Regierungschefs. Die erste Straftat war die Entscheidung, die Seerettungsoperation Mare Nostrum 2014 einzustellen. Innerhalb eines Jahres waren durch die Operation mehr als 150’000 Migrant*innen im Mittelmeer gerettet worden. Danach patrouillierten keine Schiffe mehr nahe der libyschen Küste, wo die meisten der Boote mit Geflüchteten ablegten. Zwischen 2014 und 2016 nahm die Zahl der im Mittelmeer ertrunkenen Migrant*innen zu. Daraufhin begannen die EU-Länder die libysche Küstenwache aufzurüsten, zu schulen und zu finanzieren. Dies, obwohl die EU-Politiker*innen wussten, dass die libysche Küstenwache mit den gewalttätigen Milizen verbunden ist und Schutzsuchende, nachdem sie im Mittelmeer aufgegriffen werden, in libyschen Lagern verschwinden, wo unmenschliche Bedingungen herrschen. Die UNO schätzt, dass sich insgesamt rund 670’000 Geflüchtete in Libyen aufhalten. Das Leben vieler dieser Menschen ist auch durch den Krieg in Libyen gefährdet. Neben den ausländischen Schutzsuchenden sind zunehmend Libyer*innen auf der Flucht. Trotz der katastrophalen Situation in Libyen, will die EU ihre Unterstützung für die libysche Küstenwache nicht einstellen.
https://www.zeit.de/politik/2019-06/fluechtlingspolitik-eu-menschenrechtsverstoesse-anzeige
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1120084.fluechtlingspolitik-rechtsanwaelte-verklagen-eu-in-den-haag.html
Aktion gegen den Anwesenheitszwang in den Asylcamps im Kanton Bern
Während der grosse Rat am Montag seine Juni-Session in Angriff nahm, wo unter anderem über die neuen Gesetzte im Asylbereich diskutiert wird, demonstrierten Aktivist*innen vom Migrant-Solidarity-Network vor dem Berner Rathaus. Die Asylcamps bekämen immer mehr einen Gefängnischarakter. Demonstriert wurde gegen die zunehmende Isolation von Geflüchteten, gegen die Anwesenheitpflicht in den camps und gegen den Vorschlag, die Sozialhilfe neu vom „Integrationsstandard“ einer Person abhängig zu machen.
https://migrant-solidarity-network.ch/2019/06/03/aktion-sagt-stopp-dem-leben-in-gefangenschaft/
https://twitter.com/DJS_JDS
Was steht an?
Freikauf-Aktion: Spende 30 Franken und verkürze die Haft von A. um einen Tag
A. vom Migrant Solidarity Network braucht Unterstützung. Er sitzt aktuell im Gefängnis. Die Behörden haben ihn wegen illegalem Aufenthalt zu eine CHF 3‘600.00 Busse verurteilt. A. ist vor knapp 10 Jahren in die Schweiz eingereist. Sein Asylgesuch wurde abgelehnt. Als abgewiesene Person erhält er nur Nothilfe und darf nicht arbeiten. Deshalb konnte er auch die Busse nicht bezahlen und muss die Busse stattdessen im Gefängnis absitzen. Das Gericht erachtet im Fall von A., dass ein Tag ohne Freiheit CHF 30 Wert sei (Tagessatz). Wenn wir nichts unternehmen, bleibt A. für 115 Tage in Burgdorf im Gefängnis eingesperrt. Jeder Spende von 30 CHF verkürzt die Haftstrafe um einen Tag. Haftstrafen wegen „illegalem Aufenthalt“ sind absurd und unrecht, denn kein Mensch ist illegal!
https://migrant-solidarity-network.ch/2019/06/08/de-freikauf-aktion-spende-30-franken-und-verkuerze-die-haft-von-a-um-einen-tag/
3 Rosen gegen Grenzen | 29. – 30. Juni | Basel
Im Juni nehmen wir uns selbstbestimmt und offen einen umkämpften Ort in Basel und organisieren Veranstaltungen, Workshops und Diskussionen. Es wird ein Raum geschaffen für grundsätzliche Kritik an Abschottung und Ausschluss, Haft und Ausschaffungen, Kategorisierung von Menschen sowie rassistischen Strukturen. Durch Information, Begegnung und Austausch sollen widerständige Praktiken entstehen.
Um gemeinsam etwas tun zu können, ist es wichtig, sich zu begegnen. Komm vorbei, informiere dich und bring dich ein!
https://3-rosen-gegen-grenzen.ch/
Demonstration „Basel bleibt nazifrei“ | 22. Juni | 14.00 | De-Wette Park, Basel
Die Demonstration baselnazifrei vom 24. November 2018 liegt nun schon ein halbes Jahr zurück. Sie wird als ein starkes Zeichen gegen Faschismus und rechte Hetze im Gedächtnis bleiben. Dank dem entschlossenen Widerstand von fast 2’000 Menschen konnte verhindert werden, dass der öffentliche Raum als Bühne für Nazi-Propaganda genutzt wurde.
Monate später dringen Polizist*innen im Auftrag der Staatsanwaltschaft Basel frühmorgens in zahlreiche Wohnungen ein. Das Ziel: Verschiedene Einzelpersonen, denen vorgeworfen wird, an diesem Tag gegen die PNOS auf der Strasse gewesen zu sein. Innerhalb weniger Wochen kommt es in Basel und anderen Kantonen zu über zwanzig solcher Hausdurchsuchungen und zu Festnahmen.
Lasst uns deshalb am 22. Juni gemeinsam auf die Strasse gehen, um den antifaschistischen Widerstand zu stärken und uns gegen die Kriminalisierung von baselnazifrei zu stellen. Basel bleibt dabei: Kein Platz für Nazis!
https://www.srf.ch/news/regional/basel-baselland/fruehmorgens-um-05-30-uhr-festnahmen-und-hausdurchsuchungen-im-nachgang-der-pnos-demo
Tag der Solidarität mit Migrant*innen im Bereich der Nothilfe
26. Juni 2019 | Rue de Romont | Fribourg
https://web.facebook.com/events/655742414851897/?notif_t=plan_user_invited¬if_id=1559285749764440
Velotour d‘Horizon | 14.8 – 31.8. 2019
Schauen wir hin und setzen gemeinsam ein Zeichen gegen die Politik der Ausgrenzung und der Isolation! Ein halbes Jahr nach dem Inkrafttreten der Asylgesetzrevision besuchen wir mit dem Fahrrad verschiedene Asylregionen der Schweiz und thematisieren vor Ort die prekäre Situation der Bundeslager und Notunterkünfte. Die Tour bietet die Möglichkeit, gemeinsam aus dem Alltag auszubrechen. Wir knüpfen neue Kontakte, stärken bestehende Initiativen und dokumentieren die andauernde Missachtung der Grundrechte von geflüchteten Menschen – eine Chance zur Horizonterweiterung für alle engagierten, betroffenen und interessierten Personen. Schauen wir hin und setzen gemeinsam ein Zeichen gegen die Politik der Ausgrenzung und der Isolation!
https://antira.org/velotour/
Lesens -/Hörens -/Sehenswert
„Killing Nazis“
Die Film-Doku „Killing Nazis“ erzählt die reale Geschichte eines wahren „Inglourious Basterd“, des heute 91-jährigen Alfred Müller aus Wien-Ottakring. Als Jugendlicher vor den Nazis nach Palästina geflüchtet, wurde er im Exil zu Chaim Miller und in einer Spezialeinheit der britischen Armee für den Einsatz als Agent in Nazi-Uniform ausgebildet. 1945 kehrte er als Soldat der „Jüdischen Brigaden“ zurück nach Österreich, wo seine Eltern im Holocaust ermordet wurden. Alfred Müller übte mit seiner Einheit in Selbstjustiz Rache, indem er Dutzende SS- und Gestapoangehörige aufspürte, entführte, verhörte und hinrichtete.
https://www.youtube.com/watch?v=tphNxuUo4Lk&feature=share&fbclid=IwAR2AqvrKehVu4vvfdErTjHDQnMoGX2CZEhsMLwVUmcGu5GI5LffJM0YOBE4
https://mobile.francetvinfo.fr/france/debarquement-du-6-juin-1944/l-histoire-meconnue-de-la-troupe-x-le-commando-de-juifs-allemands-qui-a-debarque-le-6-juin-1944_3464091.html#xtref=acc_dir
Völkerschauen im Zirkus Knie bis 1965: Null Problembewusstsein
Der Zirkus Knie führte bis 1964 Völkerschauen durch. Für Rolf Knie sind diese nicht verwerflich. Auf die Frage, ob er dieses dunkle Kapitel thematisieren werde, stellt Knie die Gegenfrage: «Wie kommen Sie darauf, dies ein dunkles Kapitel zu nennen?» So einvernehmlich wie von Knie geschildert, gingen die Völkerschauen aber nicht vor sich. Europaweit wurden Menschen aus «exotischen» Ländern seit dem 19. Jahrhundert zur Befriedigung der Schaulust der hiesigen Bevölkerung ausgestellt. Zoos und Zirkusmanegen zeigten sie als «barbarische Wilde».
Zur Schau gehörten etwa Imitationen von Tiergeräuschen oder Oben-ohne-Auftritte der Tänzerinnen – trotz der damals herrschenden Prüderie. Ihr knapp bemessenes Lager war während den Öffnungszeiten der «Ausstellung» für freie Erkundigungen zugänglich. Zudem mussten sich Ausgestellte manchmal wissenschaftlichen Vermessungen und entwürdigenden medizinischen Untersuchungen unterziehen.
Bis heute hat der Zirkus Knie diese Vergangenheit nicht aufgearbeitet. Rea Brändle hat sich in ihrem Buch «Wildfremd, hautnah» (2013) unter anderem mit dem Zirkus Knie beschäftigt. Laut der Autorin ist dieser Zirkus die Institution, die in der gesamten Schweiz am meisten Völkerschauen vorführte. 1964 stellte der Zirkus Knie letztmals zwölf Marokkaner*innen beim «traditionellen Handwerk» zur Schau. Der Zirkus strich somit als letzter in der Schweiz die Menschenausstellungen aus dem Programm. Nicht etwa aus Gewissensbissen verzichtete er auf diese Vorführungen: Er fand keine Truppen mehr. Link zum Buch von Brändle: https://rotpunktverlag.ch/buecher/wildfremd-hautnah
https://www.bernerzeitung.ch/kultur/theater/voelkerschauen-sind-kein-dunkles-kapitel/story/15255784)
Alarm-Phone Report
Das Alarm-Phone publiziert seine Analyse der Migration im westlichen Mittelmeer zwischem März und Mai 2019. Sie dokumentieren eine konstante Verschlimmerung der Situation von Reisenden auf der westlichen Mittelmeerroute, fortwährende Repression und Inhaftierungen in Marokko und ein zunehmender Druck auf die spanische Seenotrettungsstelle, ihre Arbeit an die spanischen Behörden abzugeben.
https://alarmphone.org/en/2019/06/03/borders-of-violence/
Bericht zur Situation von Menschen auf der Flucht in Bulgarien
https://www.rosalux.de/publikation/id/40498/
Mediawatch: Normalisierung der Rechten in der NZZ
Die NZZ publizierte in den vergangenen Wochen und Monaten vermehrt noch rechtere Artikel und fiel mit rassistischen, antifeministischen und diffamierenden Positionen auf, die abstruse Argumente von Rechten und Neonazis untermauern und legitimieren.
Emil Spotter hat die als qualitativ höchststehend bewertete deutschsprachige Tageszeitung der Schweiz einer Analyse unterzogen.
https://antira.org/2019/06/05/mediawatch-normalisierung-der-rechten-in-der-nzz/#more-4690