Medienspiegel 29. Mai 2019

+++BERN
Tredes Gartenprojekt soll Flüchtlinge dem Schweizer Alltag näher bringen
Die Idee des Gartenprojekts in der Stadt Bern ist, dass Flüchtlinge während des Unkrautjätens Deutsch lernen und Kontakte knüpfen. Aline Trede mischte sich heute unter die Hobbygärtner.
https://www.telebaern.tv/telebaern-news/tredes-gartenprojekt-soll-fluechtlinge-dem-schweizer-alltag-naeher-bringen-134546590

+++SCHWYZ
Kanton Schwyz stellt Container-Schule für Flüchtlingskinder auf
Im Durchgangszentrum (DGZ) für Flüchtlinge Biberhof in Biberbrugg lanciert der Kanton Schwyz zusammen mit der Hochschule Luzern ein Pilotprojekt, um Lernräume für Kindern und Jugendlichen zu schaffen. Er setzt dabei auf Container.
https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/schwyz/kanton-schwyz-stellt-container-schule-fuer-fluechtlingskinder-auf-ld.1123433

+++SCHWEIZ
Sichere und legale Fluchtwege sind dringend notwendig
Die SFH begrüsst den Entscheid des Bundesrates, die kontinuierliche Teilnahme an den Resettlement-Programmen des UNHCR als festen Bestandteil der Schweizer Asylpolitik zu verankern. Die Schweiz setzt damit ein wichtiges Zeichen in einer Zeit, in der Millionen von Menschen auf der Flucht ihr Leben riskieren oder ohne Perspektive unter prekären Verhältnissen in Lagern festsitzen. Angesichts der rekordhohen globalen Flüchtlingszahlen und des breiten Rückhalts seitens Kantone Gemeinden und Zivilgesellschaft, sollte der Bundesrat aus Sicht der SFH indes mehr als die jährlich 800 Kontingentsplätze bereitstellen, die er nun für die Jahre 2020/21 beschlossen hat.
https://www.fluechtlingshilfe.ch/medien/medienmitteilungen/2019/sichere-und-legale-fluchtwege-sind-dringend-notwendig.html

Bundesrat genehmigt Umsetzung des Resettlement-Konzepts
Der Bundesrat hatte am 30. November 2018 im Grundsatz entschieden, sich weiterhin am Resettlement-Programm des UNO-Hochkommissariats für Flüchtlinge (UNHCR) zu beteiligen. In seiner Sitzung vom 29. Mai 2019 hat er die Umsetzung des Konzepts für die Aufnahme von anerkannten Flüchtlingsgruppen verabschiedet. Er hat unter anderem beschlossen, in den Jahren 2020 und 2021 jeweils maximal 800 besonders schutzbedürftige Flüchtlinge aufzunehmen, die sich in einer prekären Lage in Erstaufnahmeländern befinden.
https://www.ejpd.admin.ch/ejpd/de/home/aktuell/news/2019/2019-05-291.html
-> https://www.aargauerzeitung.ch/schweiz/schweiz-nimmt-weiterhin-fluechtlingsgruppen-aus-krisengebieten-auf-134545710
-> https://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/fluechtlinge-werden-weiter-aus-krisengebieten-eingeflogen/story/28118308

Bericht über die Aktivitäten der schweizerischen Migrationsaussenpolitik 2018
Das Jahr 2018 war von einem deutlichen Rückgang der irregulären Migration nach Europa geprägt. Die Zahl der Asylgesuche in der Schweiz war so tief wie seit 2008 nicht mehr. Aufgrund von bewaffneten Konflikten, Menschenrechtsverletzungen, Verfolgung oder fehlenden wirtschaftlichen Perspektiven in den wichtigsten Herkunftsregionen bleiben jedoch Herausforderungen bestehen. Ein wichtiges Instrument, um diese anzugehen, ist die strategische Verknüpfung der schweizerischen Interessen im Migrationsbereich mit der internationalen Zusammenarbeit. Die Schweiz setzt sich auf bilateraler, regionaler und multilateraler Ebene weiterhin für den Schutz von Flüchtlingen und besonders verletzlichen Migrantinnen und Migranten ein. Dies zeigt der Bundesrat in seinem Bericht über die schweizerische Migrationsaussenpolitik 2018 auf, den er an seiner Sitzung vom 29. Mai 2019 verabschiedet hat.
https://www.ejpd.admin.ch/ejpd/de/home/aktuell/news/2019/2019-05-290.html

Informationsreise der APK-N nach Griechenland
Eine Delegation der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrates (APK-N) weilte vom 19. bis 23. Mai 2019 in Griechenland. Im Rahmen dieses Aufenthalts befasste sich die Delegation schwerpunktmässig mit den Themen Migration und Wirtschaft. Anlässlich diverser Treffen und Besichtigungen beleuchtete sie namentlich die aktuelle Wirtschaftslage, die Chancen und Risiken der «One Belt, One Road» Initiative in Griechenland sowie die Herausforderungen und Perspektiven im Bereich Migration.
https://www.parlament.ch/press-releases/Pages/mm-apk-n-2019-05-29.aspx

+++ITALIEN
Mit Würde aufnehmen und aufgenommen werden
Palermo wird als die italienische Hauptstadt der Aufnahme bezeichnet. Diese Auszeichnung wurde ihr zuerkannt dank ihres Rufes als Stadt des Melting-Pots und dank des Bürgermeisters Orlando, der sich mehrmals nachdrücklich gegen das politische System der rechtsextremen Salvini-Regierung gestellt hat.
https://www.borderlinesicilia.org/de/mit-wuerde-aufnehmen-und-aufgenommen-werden/

+++MITTELMEER
Erneut Dutzende Geflüchtete in der Ägäis aufgegriffen
Lager auf den Inseln Lesbos und Samos sind seit Monaten überfüllt
Am Mittwochmorgen wurden nach Angaben der griechischen Küstenwache 60 Geflüchtete vor der Insel Samos aufgegriffen. Bereits am Montag und Dienstag hatten mehr als 150 Geflüchtete aus der Türkei nach Griechenland übergesetzt.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1119791.asylpolitik-erneut-dutzende-gefluechtete-in-der-aegaeis-aufgegriffen.html

+++JENISCHE/SINTI/ROMA
Nidau will keine Fahrende – Die Gemeinde lehnt ein Gesuch für Juni ab
Die Fahrenden hätten auf das Expopark-Areal gehen wollen. Die Gemeinde rechnet damit, dass sie es trotz Verbot tun.
https://www.srf.ch/news/regional/bern-freiburg-wallis/nidau-will-keine-fahrende-die-gemeinde-lehnt-ein-gesuch-fuer-juni-ab

Weil sich Thaler Gemeinderat nicht einig ist: Kein Platz für Schweizer Fahrende
Das Aus für den provisorischen Platz für Schweizer Fahrende in Thal kam überraschend, auch für Gemeindepräsident Röbi Raths. Die Opposition im Rat regte sich erst in letzter Sekunde. Der zuständige St.Galler Regierungsrat Marc Mächler hat eine klare Meinung dazu.
https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/stgallen/thal-kein-durchgangsplatz-fuer-schweizer-fahrende-ld.1123179

+++FREIRÄUME
Mehr Freiheit im Berner Beizen-Sommer
Trotz Lärmklagen darf die Brasserie Lorraine heuer vier Aussenkonzerte durchführen. Die Berner Gewerbepolizei spricht von einem Pilotversuch.
https://www.derbund.ch/bern/mehr-freiheit-im-berner-beizen-sommer/story/11886083

+++GASSE
bernerzeitung.ch 29.05.2019

Vermüllte Wohnungen in Berner Altstadt

Mehrere Wohnungen an der Gerechtigkeitsgasse in Bern sind voller Abfall und in einem desolaten Zustand. Der Sozialdienst hat eine Inspektion in Auftrag gegeben.

Rahel Guggisberg

Die Gerechtigkeitsgasse ist eine noble Adresse. Die alte, dicke, dunkelbraune Holztür im unteren Teil der Gasse fällt nicht besonders auf. Doch aktuelle Fotos, die dieser Zeitung zugespielt wurden, zeigen: Hinter dieser Tür herrscht das reinste Chaos.

Man wähnt sich in einem Entwicklungsland, nicht aber in Bern. In einer Wohnung ist der Boden voller Abfall. Ungeöffnete Briefe, Alkoholflaschen, Zigarettenstummel und Essensreste sind zu sehen. Ein Raum ist gefüllt mit Dutzenden Abfallsäcken. «Der Gestank ist fürchterlich», berichten Anwohner. Das Licht im Treppenhaus ist defekt.

Ein Kommen und Gehen

Wer in die oberen Stockwerke gelangen will, muss mit der Taschenlampe Licht ins Dunkel bringen. Das Geländer ist teilweise defekt. Hinter dem Geländer der Wendeltreppe liegen kaputte Stühle und Müll. Auch die Terrasse ganz zuoberst ist voller Abfall. «Dieses Haus killt mich!», hat jemand auf Englisch an die Wand geschrieben.

Die Haupttür ist nicht verschlossen. Gegen Abend gehen hier Prostituierte, Dealer und Zuhälter ein und aus. Alexander Ott, Leiter Polizeiinspektorat und Fremdenpolizei der Stadt Bern, kennt die Zustände in dieser Liegenschaft und sagt: «Wir haben Kontrollen durchgeführt und Personen angehalten, die gegen das Ausländergesetz verstiessen.»

Die Fremdenpolizei stellte immer wieder fest, dass sich Personen in den Wohnräumen befanden, die schriftenpolizeilich nicht angemeldet waren.

Bericht des Sozialamtes

Das Sozialamt ist bereits vor einiger Zeit aktiv geworden: «Es ist dem Sozialamt bekannt, dass in den beiden Häusern an der Gerechtigkeitsgasse schwierige Verhältnisse herrschen.»

Deshalb habe ein Mitarbeiter des Sozialamts die Situation vor Ort abgeklärt und einen Bericht über die vorgefundenen Mängel erstellt. Dieser wurde dem städtischen Bauinspektorat zugestellt mit der Aufforderung, die Situation zu überprüfen und wenn nötig baupolizeiliche Massnahmen zu ergreifen.

«In den beiden Liegenschaften wohnen auch Personen, welche vom Sozialamt unterstützt werden», sagt Felix Wolffers, Leiter des Sozialamts der Stadt Bern. Das Sozialamt helfe diesen Mietern bei der Durchsetzung ihrer Rechte.

Der Vermieter hält laut Wolffers die mietrechtlichen Bestimmungen nicht immer ein und versucht laut dem Sozialamt, die Notlage von bedürftigen Personen auszunutzen.

Wohnung weitervermietet

Brisant ist: In einer dieser Liegenschaften lebt ein Sozialhilfebezüger, der die Wohnung weitervermietet hat. Wolffers bestätigt: «Das Sozialamt hat davon Kenntnis erhalten, dass eine unterstützte Person möglicherweise nicht mehr in ihrer Wohnung an der Gerechtigkeitsgasse lebt.»

Deshalb habe das Sozialamt Anfang April 2019 den Verein Sozialinspektion beauftragt, die Situation abzuklären und dem Sozialamt Bericht zu erstatten. Die Erkenntnisse der Sozialdetektive liegen dem Sozialamt noch nicht vor. Wolffers weist darauf hin, dass auch hier bis zu einer Verurteilung die Unschuldsvermutung gilt.

Über die Untermieter sagt Fremdenpolizeichef Alexander Ott: «Ausländische Personen mit Untermietverträgen gehen in den Liegenschaften der Prostitution nach.»

Es handelt sich dabei um Personen aus Nigeria und Kamerun mit italienischen Aufenthaltstiteln. Das bedeutet: Der italienische Staat hat ihnen eine Aufenthaltsbewilligung erteilt. Wegen der bilateralen Verträge können sie sich auch in der Schweiz frei bewegen.

Sozialhilfe zahlt Miete

Mietet ein Sozialhilfebezüger eine Wohnung, übernimmt das Sozialamt die Miete im Rahmen der städtischen Mietzinsrichtlinien.

Diese sehen vor, dass die maximale Miete für eine Einzelperson bei 900 Franken pro Monat liegt und bei Zweipersonenhaushalten bei 1200 Franken.

Der Eigentümer der zwei Liegenschaften an der Gerechtigkeitsgasse sagt auf Anfrage, er schätze den Zustand seiner Häuser nicht als desolat ein.

«Im Gegenteil», meint er, «ich habe kürzlich sämtliche Elektroinstallationen für viel Geld erneuern lassen.» Er habe aber festgestellt, dass sich in den Liegenschaften Prostituierte und Dealer aufhalten. Er schicke diese jeweils weg.

Bauinspektorat ist gefordert

Das Bauinspektorat ist in der Stadt Bern für die Einhaltung der Bauvorschriften zuständig. «Bei beiden Gebäuden sind wir seit längerer Zeit mit dem Eigentümer respektive mit seiner Rechtsvertretung in Kontakt», sagt Stadtbauinspektor Martin Baumann.

An beiden Gebäuden wurden bereits die dringendsten Sanierungsmassnahmen umgesetzt, namentlich neue Elektroinstallationen. Gegenüber dem Bauinspektorat hat der Eigentümer weitere Sanierungen in Aussicht gestellt. «Auch wurden in beiden Gebäuden Entrümpelungen durchgeführt.

Es sind zudem baupolizeiliche Verfahren hängig. Aufgrund der laufenden Verfahren kann ich keine weiteren Auskünfte geben», erklärt Baumann. Für die Anwohner und Geschäfte an der Gerechtigkeitsgasse ist die Situation belastend. «Am Morgen hat es oft Personen, die nach Drogen suchen», sagt einer.

Schlimm sei, dass die Zustände hier schon seit 15 Jahren desolat seien. «Am Abend sehe ich oft Prostituierte, manche schreien laut durch die Gasse. Die Zuhälter sind brutal mit ihnen», sagt er. Es seien sogar schon Anwohner angegriffen und bedroht worden. «Es finden zwar immer wieder Razzien der Polizei statt», sagt er. Geändert habe sich aber nie was.
(https://www.bernerzeitung.ch/region/bern/vermuellte-wohnungen-in-berner-altstadt/story/10983118)

bernerzeitung.ch 29.05.2019

Bei vermüllten Altstadt-Wohnungen stellen sich heikle Fragen

In der Berner Gerechtigkeitsgasse hat es zwei Häuser, die sich in einem desolaten Zustand befinden. Um die Missstände zu beheben, sind das Sozialamt und das Bauinspektorat gefordert.

Stefan Schnyder

Es ist ein Ekel erregender Anblick, wie man ihn nur in einem Entwicklungsland erwarten würde: In der Gerechtigkeitsgasse in der Unteren Altstadt gibt es zwei Häuser, in deren unhaltbare Zustände herrschen.

Ein Teil der insgesamt ein Dutzend Wohnungen ist völlig vermüllt. In einer Wohnung stapeln sich viele 100-Liter-Abfallsäcke. Ein übler Gestank hängt in der Luft. Die Decke ist gezeichnet von Wasserschäden, und ein Geländer im Treppenhaus ist defekt.

Die beiden Häuser gehören einer Privatperson. Diese verneint jedoch, dass die Zustände desolat seien. In solchen Fällen stellt sich die Frage: Welche Handhabe hat eigentlich der Staat, um einzugreifen?

Die Rolle des Sozialdienstes

Handeln könnte das Sozialamt der Stadt Bern. Denn ein Teil der Mieter sind Sozialhilfebezüger, deren die Stadt beispielsweise 900 Franken pro Einzelperson an die Miete zahlt. Wie viele es sind, will Felix Wolffers, der Leiter des Stadtberner Sozialamtes, aus Gründen des Datenschutzes nicht sagen.

Um die Frage zu beantworten, wieso Sozialhilfebezüger in derart prekären Liegenschaften wohnen, holt Wolffers etwas weiter aus: «Der Wohnungsmarkt in der Stadt Bern ist für Personen mit kleinem Budget sehr schwierig. Noch schwieriger ist er für bedürftige Personen mit einer Suchtproblematik und für andere sozial auffällige Menschen.

Diese finden in der Stadt Bern kaum eine Wohnung und leben deshalb oft in Verhältnissen, welche objektiv als kritisch anzusehen sind.» Aus der Sicht der Betroffenen dagegen sehe die Sache anders aus: «Sie sind froh, überhaupt eine Wohngelegenheit zu haben.»

In der Schweiz ist es in aller Regel so, dass Personen in der Sozialhilfe im Rahmen der festgelegten Mietzinsobergrenzen selbst entscheiden, wo und wie sie wohnen wollen. «So mietet das Stadtberner Sozialamt keine Wohnungen für sie und kontrolliert die Wohnungen grundsätzlich auch nicht», erklärt Wolffers.

«Vermeidung von Obdachlosigkeit»

Doch die Wohnsituation ist regelmässig ein Thema in den Gesprächen zwischen den Angestellten des Sozialdienstes und den Sozialhilfebezügern. «Wenn diese den Wunsch äussern, in eine andere Wohnung umzuziehen oder wenn die Sozialarbeitenden eine Wohnsituation als unzumutbar betrachten, hilft der Sozialdienst bei Bedarf bei der Wohnungssuche», erklärt Wolffers. Und wenn eine Person nicht in der Lage sei, selbst eine Bleibe zu finden, dann vermittle der Sozialdienst eine Wohnung.

Wolffers betont zudem, dass der Sozialdienst nicht einfach das Mietgeld streiche, wenn die Wohnsituation eines Betroffenen als unzumutbar eingestuft werde. «Die Folge wäre eine Kündigung der Wohnung. Unser erstes Ziel ist immer die Vermeidung von Obdachlosigkeit.»

Zudem verweist Wolffers auf die Verantwortung des städtische Bauinspektorats, wenn beispielsweise Räume feucht oder vom Schimmel befallen sind. In einem solchen müssen Fall müsse das Bauinspektorat aktiv werden. Doch Wolffers will selbst auch aktiv werden.

Er verspricht: «Wir werden im Fall der Wohnliegenschaften an der Gerechtigkeitsgasse nochmals das Gespräch mit den anderen Amtsstellen suchen.» Es sei eine aber eine Tatsache, dass in der Schweiz nur wenig «Schutz der Mieter vor ungerechtfertigt hohen Mietzinsen gebe.»

Die Frage des Brandschutzes

Eine Handhabe hat auch hat das städtische Bauinspektorat. Ihm obliegt unter anderem die Kontrolle des Brandschutzes. Bei Wohnhäusern – ausser bei Hochhäusern – sind im Kanton Bern die Gemeinden für die Einhaltung der Brandschutzgesetze verantwortlich. Die Gebäudeversicherung überwacht die Brandsicherheit lediglich bei grossen Objekten wie Fabrikhallen, Schulen, Spitälern und Hochhäusern.

Gerade in Sachen Brandschutz bestünde Handlungsbedarf: Der Müll, der in den Wohnungen rumliegt, ist ein Gefahrenherd für das Entstehen eines Brandes. So stapeln sich in einem Raum gleich Dutzende Abfallsäcke. Das Bauinspektorat hat in den beiden Häusern bereits Entrümpelungen durchgeführt, wie dessen Leiter Martin Baumann auf Anfrage erklärt hat.

Er betont, dass sein Amt schon seit längerem mit dem Eigentümer in Kontakt stehe und dass ein baupolizeiliches Verfahren gegen ihn laufe. Bei einem solchen Verfahren erhält ein Eigentümer in der Regel eine Frist, um den ordentlichen Zustand wiederherzustellen. Weitere Auskünfte will Baumann mit Verweis auf das laufende Verfahren nicht erteilen.

Für die Behörden stellen solche Aktionen immer Gratwanderungen dar. Denn in der Bundesverfassung ist das Recht auf Eigentum garantiert. Sie müssen daher ihr Eingreifen immer sauber juristisch abstützen. Grundsätzlich gilt: Je uneinsichtiger der Eigentümer ist, desto schwieriger ist es für die Behörden, zum Ziel zu kommen.
(https://www.bernerzeitung.ch/region/bern/bei-vermuellten-altstadt-wohnungen-stellen-sich-heikle-fragen/story/31105221)

+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Im Nachgang der Auschreitungen vom 18.05.2019 wurden im Raum Bollwerk/Henkerbrünnli alle Personen einer Personenkontrolle unterzogen, welche den Perimeter verliessen. Dabei wurden erkennungsdienstliche Massnahmen (Aufnahme der Personalien und fotografieren der Gesichter) durch die Kantonspolizei Bern durchgeführt.
Die Reitschule verurteilt die Fichierung ihrer Gäste und prüft weitere Schritte.
Personen, welche von den Kontrollen betroffen waren, können sich bei der Mediengruppe der Reitschule unter medien@reitschule.ch melden.
(https://www.facebook.com/Reitschule/posts/10156906770345660)

Andreas Glarner erstattet nach Petarden-Eklat Anzeige
Vertreterinnen des Frauenstreiks zündeten vermummt Knall-Petarden, um ein Referat von SVP-Asylchef Andreas Glarner zu stören. Nun erstattet dieser Anzeige.
https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/andreas-glarner-erstattet-nach-petarden-eklat-anzeige-65531166

Wird Frauenstreik Kollektiv von linksextremer Aktion gespalten?
Die Revolutionäre Jugend Zürich versuchte, für den Frauenstreik SVP-Glarner zu boykottieren. Das Urteil der Organisatorinnen fällt sehr unterschiedlich aus.
https://www.nau.ch/news/schweiz/wird-frauenstreik-kollektiv-von-linksextremer-aktion-gespalten-65531080

Linksextreme bekennen sich zu Aktion gegen SVP-Referat
«Glarner verpiss dich» – fordert die Revolutionäre Jugend Zürich mit einem Transparent. Wer wollte für den Frauenstreik den Glarner-Boykott versuchen?
https://www.nau.ch/news/schweiz/linksextreme-bekennen-sich-zu-aktion-gegen-svp-referat-65530786

+++JUSTIZ
In der Dunkelkammer der Justiz
Sie tagen unter Ausschluss der Öffentlichkeit, sie entscheiden fast immer im Sinne der Staatsanwaltschaft, und ihre Urteile bleiben in der Regel unter Verschluss. Wie funktionieren eigentlich Zwangsmassnahmengerichte?
https://www.republik.ch/2019/05/29/in-der-dunkelkammer-der-justiz

+++KNAST
Aufseher Bachmann verbringt den Tag mit Räubern, Schlägern und Mördern. Doch er sagt: «Es ist wichtig, dass man die Insassen spürt»
Die Untersuchungshaft im Kanton Zürich galt jahrelang als die härteste der Schweiz. Das Gefängnis Limmattal dient nun als Versuchslabor für ein sanfteres Regime. Nicht allen gefällt das. Unterwegs mit Aufseher Bachmann.
https://www.nzz.ch/zuerich/gefaengnis-limmattal-haerteste-haft-der-schweiz-wird-entschaerft-ld.1485270?mktcid=smsh&mktcval=Twitter

Wenn Bussen egal werden: Haftstrafen gehen unter, weil Personal und Gefängnisplätze fehlen
In den Jahren 2015 und 2016 haben sich je um die 15’000 Ersatzfreiheitsstrafen aus Bussen angesammelt. Im 2017 der Einbruch: Nicht einmal 4700 Ersatzfreiheitsstrafen wurden verhängt, dreimal weniger als im Vorjahr.
https://www.basellandschaftlichezeitung.ch/basel/basel-stadt/wenn-bussen-egal-werden-haftstrafen-gehen-unter-weil-personal-und-gefaengnisplaetze-fehlen-134541677

+++POLIZEI BS
(Titel ist irreführend)
«Ich habe geschrien und die Polizisten beleidigt»
Vor dutzenden Zeugen ist am Freitagnachmittag in der Freien Strasse in Basel eine Polizeikontrolle eskaliert. Jefferson Mosquera (19) erhebt schwere Vorwürfe gegen die Polizei.
https://www.20min.ch/schweiz/basel/story/-Ich-habe-geschrien–ich-haben-sie-beleidigt–11636309

+++ANTIFA
Deutscher Neonazi arbeitet jetzt im Oberwallis
Zwei Journalisten wurden vor einem Jahr von zwei Neonazis in Deutschland spitalreif geprügelt. Momentan warten sie auf ihren Prozess. Einer der Täter lebt und arbeitet derzeit in Visp VS.
https://www.20min.ch/schweiz/bern/story/Deutscher-Nazi-in-Visp-14306171
-> https://www.woz.ch/1922/rechtsextremismus/ein-deutscher-nazi-in-ausbildung
-> https://www.infosperber.ch/Artikel/Politik/Schweiz-Neue-Heimat-fur-angeklagten-deutschen-Neonazi
-> https://twitter.com/antifa_bern/status/1133278306483298304

Rechtsextremismus: Ein deutscher Nazi in Ausbildung
Vor einem Jahr attackierten zwei deutsche Neonazis zwei Journalisten und verletzten sie schwer. Die mutmasslichen Täter sind identifiziert, laufen aber bis heute frei herum. Einer davon in Visp. Die Spurensuche führt in ein internationales Neonazinetz.
https://www.woz.ch/1922/rechtsextremismus/ein-deutscher-nazi-in-ausbildung

+++ANTIRA
«Innerhalb der Polizei wird das Problem kleingeredet»
Seit wenigen Jahren wird auch in der Schweiz breiter über rassistisch motivierte Polizeikontrollen diskutiert. Nun erscheint ein Buch zum Thema Racial Profiling, das den Fokus auf die hiesige Situation legt. Im Interview sprechen die Mitherausgeberinnen Serena Dankwa und Sarah Schilliger über die Problematik und den schwierigen Kampf dagegen.
https://www.journal-b.ch/de/082013/politik/3328/
-> RaBe-Info 29.5.2019: https://rabe.ch/2019/05/29/ukraine-racial-profiling/
-> https://rabe.ch/wp-content/uploads/2019/05/29.racial_profiling.mp3

«Racial Profiling: Struktureller Rassismus und antirassistischer Widerstand» – RaBe-Info 29.05.2019
Rassistische Polizeikontrollen gehören in vielen Ländern zum Alltag. Sie machen auf drastische Weise sichtbar, wer als Mitbürger*in gilt, oder wer eben nicht. Ein Grossteil der Gesellschaft stellt diese Polizeikontrollen nicht in Frage, Betroffene hingegen sind nicht mehr gewillt, diese einfach so hinzunehmen.
https://rabe.ch/2019/05/29/ukraine-racial-profiling/

+++PATRIARCHAT
Frauenverachtendes Plakat – «Sexismus im Stadion gibt es leider viel zu oft»
Drei der fehlbaren Anhänger des FC Schaffhausen wurden heute mit einem Stadionverbot belegt. Ein wichtiger Schritt, meint SP-Kantonsrätin und Fussballerin Sarah Akanji.
https://www.srf.ch/news/schweiz/frauenverachtendes-plakat-sexismus-im-stadion-gibt-es-leider-viel-zu-oft

Frauenhass-Transparent von Schaffhauser Fans: Liga spricht Stadionverbote gegen drei Urheber aus
Mit einem frauenfeindlichen und gewaltverherrlichenden Plakat sorgten Fans des FC Schaffhausen schweizweit für Empörung. Der Vorfall hat nun Konsequenzen: Die Swiss Football League hat gegen den FC Schaffhausen ein Verfahren eröffnet. Zudem wurden drei Urheber mit einem schweizweiten Stadionverbot belegt.
https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/frauenhass-transparent-von-schaffhauser-fans-liga-spricht-stadionverbote-gegen-drei-urheber-aus-ld.1123320
-> http://www.sfl.ch/news/news/artikel/stadionverbote-gegen-urheber-des-sexismus-transparents/
-> https://www.blick.ch/news/schweiz/nach-aktion-von-fc-schaffhausen-fans-drei-frauenhass-plakatschreiber-bekommen-stadionverbot-id15348619.html
-> https://www.limmattalerzeitung.ch/sport/fussball/frauenhass-transparent-von-schaffhauser-fan-liga-spricht-stadionverbote-gegen-drei-urheber-aus-134545131
-> https://www.toponline.ch/news/schaffhausen/detail/news/stadionverbot-fuer-fc-schaffhausen-fans-wegen-sexismus-plakat-00112597/¬¬¬¬¬¬¬
-> https://www.tagesanzeiger.ch/sport/fussball/stadionverbote-wegen-skandalplakat/story/17299239
-> https://www.srf.ch/news/regional/zuerich-schaffhausen/wegen-skandal-transparent-stadionverbot-fuer-drei-fans-des-fc-schaffhausen
-> https://www.20min.ch/schweiz/zuerich/story/Stadionverbote-wegen-Skandal-Plakat-31465382
-> https://www.watson.ch/sport/challenge%20league/855065869-stadionverbote-gegen-schaffhausen-fans-wegen-dieses-sexismus-plakats
-> https://www.nau.ch/sport/fussball/schaffhauser-skandal-plakat-zieht-stadionverbote-nach-sich-65530955
-> https://www.zsz.ch/stadionverbote-fuer-drei-fc-schaffhausenfans-wegen-sexistischen-banners/story/10065248
-> https://www.landbote.ch/winterthur/stadionverbote-fuer-drei-fc-schaffhausenfans-wegen-sexistischen-banners/story/10065248
-> https://www.nzz.ch/zuerich/fc-schaffhausen-und-frauenverachtendes-banner-urheber-ermittelt-ld.1485551
-> https://telebasel.ch/2019/05/29/stadionverbot-fuer-fc-schaffhausen-fans-wegen-sexismus-plakat/?channel=3563
-> https://www.shn.ch/sport/fussball/2019-05-29/sexistisches-banner-urheber-fuer-alle-schweizer-stadien-gesperrt
-> Tagesschau: https://www.srf.ch/play/tv/popupvideoplayer?id=9660857c-3877-4ca5-882f-e2f4bc7d1c2c&startTime=954

+++RECHTSPOPULISMUS
Kuppel auf Haus der Religionen – Riesenkrach um «Mini-Minarett»
Um eine geplante Kuppel mit Spitze auf dem Haus der Religionen in Bern ist ein Minarett-Streit entbrannt.
https://www.srf.ch/news/schweiz/kuppel-auf-haus-der-religionen-riesenkrach-um-mini-minarett
-> https://www.bernerzeitung.ch/region/bern/kuppel-auf-dem-haus-der-religionen-sorgt-fuer-aerger/story/26089904
-> https://www.nau.ch/ort/bern/kuppel-auf-dem-berner-haus-der-religionen-sorgt-fur-arger-65530855
-> https://www.nau.ch/ort/bern/kuppel-auf-dem-berner-haus-der-religionen-sorgt-fur-arger-65530874

Christian Fuchs: Die Neue Rechte hat sich in Europa etabliert
Es war kein Erdrutschsieg. Aber mit rund einem Viertel der Sitze sie sind so stark wie nie zuvor; die rechtsnationalen, europa-kritischen oder populistischen Kräfte in Europa. Christian Fuchs ist Reporter der «Zeit» und Gast im Tagesgespräch. Seit Jahren recherchiert er zur Neuen Rechten.
https://www.srf.ch/sendungen/tagesgespraech/christian-fuchs-die-neue-rechte-hat-sich-in-europa-etabliert

Europas Rechtspopulisten – eine Bedrohung für die Demokratie? – SRF Club
Die Beteiligung der rechtspopulistischen FPÖ an der österreichischen Regierung endete nach dem «Ibizagate» in einem Scherbenhaufen. Welche Folgen hat der Skandal für die Nationalisten in Europa? Was machte sie gross? Wie funktioniert ihr Handwerk? Und was ist nach den EU-Wahlen zu erwarten?
https://www.srf.ch/play/tv/club/video/europas-rechtspopulisten—eine-bedrohung-fuer-die-demokratie?id=e350ddea-7ad3-44a1-9b01-41883d4ec7da
-> https://www.derbund.ch/schweiz/standard/umgang-mit-rechtspopulisten-vorteil-schweiz/story/17041898

+++BIG BIG BROTHER
tagesanzeiger.ch 29.05.2019/Annabelle

Der Super-Recognizer erkennt dich besser als jede Kamera

Gewisse Menschen erinnern sich an jedes Gesicht – und nutzen ihre spezielle Fähigkeit für die Verbrecherjagd.

Stephanie Hess

Kathrin Wicki vergisst fast kein Gesicht. Nicht jenes der Postbeamtin aus dem Quartier, wo sie aufgewachsen ist. Nicht das des Taxifahrers, der sie vor Jahren an den Flughafen fuhr. Nicht das der Forscherin, über die sie mal einen Artikel in der Zeitung las. Und auch nicht das Gesicht des Kassierers, bei dem sie als Kind ein Weggli kaufte.

Es ist nicht so, dass Kathrin Wicki sich diese Gesichter bewusst einprägen würde, sich den Schwung der Augenbrauen, die Lippenform oder die Augenfarbe merkt. Es ist der Gesamteindruck eines Gesichts, der sich bei ihr einbrennt. Auf Anhieb. Und der sich zu all den Tausenden anderen gesellt, die sich über die inzwischen 37 Jahre ihres Lebens im Hirn dauerhaft eingenistet haben. Damit gehört Kathrin Wicki zu jenen wenigen Menschen auf der Welt, die die Wissenschaft Super-Recognizer nennt, Super-Erkennerin.

Dass es überhaupt Frauen und Männer mit dieser speziellen Begabung gibt, ist eine noch junge Erkenntnis der Neurowissenschaft. 2009 publizierte der US-amerikanische Wahrnehmungspsychologe Richard Russell gemeinsam mit zwei anderen Forschern erstmals darüber. Festgestellt hatte er das Talent im Rahmen einer Forschungsarbeit, die sich mit dem Gegenteil beschäftigte, nämlich mit der Gesichtsblindheit, der Prosopagnosie. Dabei zeigte sich, dass es eben nicht nur Menschen mit einer weit unterdurchschnittlichen Fähigkeit zur Gesichtserkennung gibt, sondern auch eine kleine Gruppe, die dies weit überdurchschnittlich gut kann.

Meike Ramon, wache Augen, dunkle Locken, sitzt im Café Turnhalle in Bern bei Buttergipfeli und Cappuccino. Sie ist kognitive Neurowissenschafterin und selber keine Super-Recognizerin, wie sie gleich zu Beginn des Gesprächs festhält. Aber sie kennt dieses Supertalent inzwischen so gut wie nur ganz wenige andere Wissenschafterinnen auf der Welt. Sie nimmt einen Schluck Cappuccino und sagt: «Die meisten Menschen glauben ja, dass sie ziemlich gut darin sind, Gesichter zu erkennen. Viele sagen: Ich kann mir keine Namen merken, aber Gesichter vergesse ich nicht.» Doch das stimme nicht ganz, meint Meike Ramon, die seit 2015 an der Universität Freiburg die neurologischen Grundlagen der Gesichtserkennung erforscht. Weil viele nur Gesichter von Menschen wiedererkennen, mit denen sie interagiert haben. Sind die Begegnungen jedoch flüchtig, ist das Erinnerungsvermögen bei den allermeisten Menschen unzureichend und oft auch sehr trügerisch – mit teils fatalen Folgen.

Forschungsergebnisse zeigen, dass zum Beispiel Augenzeugen beim Wiedererkennen von Tatverdächtigen teilweise erschreckende Fehler unterlaufen. «Selbst Opfer, die sich sicher sind, das Gesicht ihres Übeltäters niemals zu vergessen, können sich bei der Identifizierung irren.» Das hat eine Analyse von 240 Fällen von Justizirrtum in den USA gezeigt: Bei 75 Prozent waren fehlerhafte Zeugenaussagen der Hauptgrund für die Fehlurteile. «Es ist eine Illusion, dass wir Dinge korrekt und gleichbleibend wahrnehmen. Wenn Menschen aufgewühlt sind, können Wahrnehmung und Gedächtnis noch lückenhafter werden, als sie es ohnehin schon sind», erklärt Meike Ramon. Und das Hirn tut sein Bestes, diese Lücken zu füllen – im schlechtesten Fall mit Gesichtern, die es gar nicht gesehen hat.

Anders bei Super-Recognizern. Gerät ein Gesicht in ihr Blickfeld, prägen sie es sich sofort ein. Und zwar so, dass sie es selbst um viele Jahre gealtert wieder unter Hunderten von anderen wiedererkennen können. Forschungen deuten darauf hin, dass Super-Recognizer im Vergleich zu Kontrollpersonen Informationen von Gesichtern anders verarbeiten. Wie eine 2017 publizierte Studie zeigt, fokussierten Super-Recognizer im Durchschnitt vergleichsweise intensiver die Mitte der Gesichter, während die Kontrollgruppe eher die Augen und Gesichtsblinde eher die Mundregion fixierten.

Menschen sind Maschinen überlegen

Dank ihrer Superkraft sind Super-Recognizer natürlich nicht nur für die Forschung interessant, sondern auch für Justiz- und Polizeibehörden. Als Erste baute die Metropolitan Police London, früher Scotland Yard, eine entsprechende Spezialeinheit auf. Die Gruppe wurde 2013 aus Polizisten zusammengestellt, die dadurch auffielen, dass sie anhand von Videomaterial eine erstaunlich hohe Anzahl von Tätern bei Krawallen identifiziert hatten. Detective Chief Inspector Mick Neville, in dessen Videoüberwachungsteam die Spezialeinheit eingebettet wurde, sagte damals dem «Spiegel», er vertraue bei der Gesichtserkennung lieber Menschen als Maschinen.

In den vergangenen Jahren hat die Computertechnologie in Sachen Gesichtserkennung jedoch noch mal einen beachtlichen Sprung nach vorn gemacht. Smartphones und Tablets lassen sich mit dem Gesicht entsperren, und Tech-Giganten wie Google, Amazon oder Microsoft entwickeln immer ausgeklügeltere Algorithmen beispielsweise für die Bildersuche, die teils aus ethischen Gründen noch nicht freigegeben wurden. Doch auch für Meike Ramon steht weiterhin fest: «Der Mensch bleibt der Maschine vorerst überlegen.» Denn Super-Recognizer können eine Person auch dann noch identifizieren, wenn sie gealtert, auf einem Foto in schlechter Qualität oder lediglich im Profil abgebildet ist. Daran scheitert die übliche automatische Gesichtserkennungs-Software bislang. Programme, die mit menschenähnlicher Genauigkeit operieren, müssen zudem mit Hunderten bis zu Tausenden unterschiedlichen Bildern einer Person gefüttert werden, damit sie diese wiedererkennen. «Aber wirklich gute Super-Recognizer», sagt Meike Ramon, «brauchen teilweise nur ein einziges Bild. Das kann reichen, damit sie eine um 25 Jahre ältere Person später wieder identifizieren.»

Die Überlegenheit des menschlichen Hirns in der Gesichtserkennung hat die Praxis mehrfach bestätigt. So konnten Super-Recognizer bereits in einigen Kriminalfällen entscheidende Hinweise geben, die ein Computer so nicht hätte liefern können. Beispielsweise bei der 2014 in London ermordeten Alice Gross. Das 14-jährige Mädchen verliess an einem Sommertag das Haus und kam nicht wieder. Bei der Durchsicht der Aufnahmen der örtlichen Überwachungskameras entdeckten Polizisten der Super-Recognizer-Spezialeinheit das Mädchen zusammen mit einem Mann, der auf dem Videomaterial kaum zu erkennen war. Beide verschwanden in einem Waldgebiet. Auf anderen Aufnahmen jedoch erkannten die Beamten denselben Mann wieder, als er gerade in einem Laden Bier kaufte, worauf er schliesslich identifiziert werden konnte.

Auch bei den Ermittlungen rund um die Silvesternacht in Köln 2015/2016, wo es zu zahlreichen sexuellen Übergriffen kam, waren es Super-Recognizer, die einige Tatverdächtige identifizieren konnten. Die von London beigezogenen Experten prägten sich erst die Gesichter der Frauen ein, die Anzeige erstattet hatten. Anschliessend durchsuchten sie die Überwachungsvideos vom Kölner Hauptbahnhof nach ihnen. Erkannten sie die Frauen wieder, verfolgten sie deren Weg, bis sich ihnen eine verdächtige Person näherte. Diese Bilder nahmen sie schliesslich als Ausgangspunkt, um sie mit Fahndungsfotos abzugleichen.

Vieles ist wissenschaftlich noch nicht erforscht

«Natürlich ist das ein Erfolg», sagt Meike Ramon. Dennoch betrachtet die Forscherin den Hype um die Super-Recognizer auch mit einer gewissen Skepsis. «Vieles an diesem Supertalent ist wissenschaftlich noch nicht erforscht.» Beispielsweise wurden viele dieser Super-Recognizer, die heute in Wissenschaftsartikeln erscheinen, mit dem Test geprüft, den der amerikanische Wahrnehmungspsychologe Richard Russell in den Nullerjahren entwickelt hatte – und zwar ursprünglich für Gesichtsblinde. «Sie lassen die mögliche Hochbegabung ihrer Tochter ja auch nicht mit einer Prüfung testen, die eigentlich für Kinder mit einer Lernschwäche gedacht ist», betont Meike Ramon.

Zudem würden auch Personen ohne formale Testung als Super-Recognizer bezeichnet – und munter in verschiedensten Bereichen eingesetzt. So zum Beispiel vom einstigen Spezialeinheit-Gründer Mick Neville, der unter anderem wegen homophober Äusserungen aus der Metropolitan Police ausscheiden musste und eine Firma gründete, die diverse Dienste für Polizeiabteilungen anbietet und Super-Recognizer ohne wissenschaftliche Testung auch an Private vermittelt – um Fussballstadien sicherer zu machen oder nach vermissten Personen zu suchen.

Dabei befindet sich die entsprechende Wissenschaft erst noch im Stadium des Datensammelns. Meike Ramon tut dies seit drei Jahren auf eigene Faust, aber auch in Zusammenarbeit mit diversen Ermittlungsbehörden. Als Erstes hatte die Freiburger Kantonspolizei angeklopft, um in laufenden Verfahren die Täterermittlung durch externe Super-Recognizer zu unterstützen. Im Gegenzug konnte Meike Ramon die Treffsicherheit der von ihr vermittelten Leute erstmals ausserhalb der Laborsituation abgleichen, indem sie von der Polizei bereits gelöste Fälle erhielt, die sie ihren Leuten vorlegen konnte. Kathrin Wicki hat inzwischen mehrmals Videomaterial der Polizei Freiburg mit Fahndungsfotos abgeglichen und ihre wissenschaftliche Einschätzung abgegeben. «Die Arbeit ist spannend. Es interessiert mich, was hinter diesem Talent steht und wie man es einsetzen kann.»

Ein praktisches Beispiel hierfür liefert die Polizei im Bundesland Bayern. Diese verfügt seit diesem Jahr über eine eigene Super-Recognizer-Einheit. Wie es auf Anfrage heisst, besteht sie aus dreissig Personen. «Die Super-Recognizer sind aktuell auf ihren unterschiedlichen Dienststellen im Polizeipräsidium München tätig und verrichten dort ihren regulären Dienst», schreibt ein Polizeisprecher. Bei geeigneten Sachverhalten würden sie anlassbezogen hinzugezogen. Einen ersten Test-Einsatz leisteten die Gesichterprofis in den feiernden Massen auf dem Oktoberfest. «Aus Sicht des Polizeipräsidiums München verlief dieser Test positiv.»

Gesichtserkennung gewinnt an Bedeutung

Auch das Landeskriminalamt Berlin (LKA) interessiert sich für die Supertalente. Meike Ramon entwickelt derzeit ein Assessment-Tool, das unter den 24’000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Super-Recognizer herausfiltern soll. «Die Gesichtserkennung gewinnt als dritte Säule des kriminalpolizeilichen Sachbeweises – neben den Fingerabdruck- und DNA-Spuren – immer mehr an Bedeutung», heisst es beim LKA Berlin. «Personen, die eine solche Fähigkeit besitzen, können vielfältig eingesetzt werden, unter anderem bei Ermittlungen zu Terroranschlägen, bei denen umfassendes Bild- und Videomaterial ausgewertet werden muss.»

Die Organisationsform, in der diese Kolleginnen und Kollegen eingesetzt werden, würde noch konzipiert. Gut möglich also, dass in Berlin ab 2020 eine bunte LKA-Truppe bestehend aus Pförtnerinnen, Kantinenmitarbeitern oder Abteilungsleiterinnen das Videomaterial nach potenziellen Selbstmordattentätern scannt. Die Fähigkeit der überdurchschnittlichen Gesichtserkennung ist gemäss aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen nämlich intrinsisch – also höchstens verbesser-, aber nicht erlernbar.

Auch in der Schweiz geht das Sammeln von entsprechenden wissenschaftlichen Daten und die Suche nach Supertalenten weiter. Seit März leitet Meike Ramon ihr eigenes Team, das Applied Face Cognition Lab. Dieses wird mit einem eigenen mobilen Labor in der Schweiz und auch im Ausland unterwegs sein. Für das Forschungsprojekt hat sie einen Beitrag vom Schweizer Nationalfonds erhalten, im Rahmen von Prima – Promoting Women in Academia. Meike Ramon trifft mögliche Super-Recognizer künftig bei ihnen zuhause, um mit diversen Tests ihre Fähigkeiten zu eruieren. Sie tut es beispielsweise, in dem sie sie auffordert, erwachsene Personen auf Kinderfotos wiederzuerkennen. So hat sie bereits Kathrin Wicki und an die dreissig andere Menschen getestet. Meike Ramon sagt: «Ich mag diese Feldarbeit. Ich finde sowieso, man sollte als Forscherin greifbar sein für die Menschen.»

Viele Super-Recognizer sind dankbar für die Erkenntnisse, die ihnen Meike Ramon offenbart. Denn die aussergewöhnliche Fähigkeit kann auch irritieren. Kathrin Wicki dachte lange Zeit nicht im Entferntesten daran, dass sie mit dieser Gabe eine von ganz wenigen sein könnte. Stattdessen redete sie sich ein, dass die anderen Menschen wohl einfach nur zu zerstreut seien, um sie auf der Strasse ebenfalls zu erkennen. Inzwischen jedoch spricht sie kaum mehr Menschen aus ihrer Primarschulzeit an oder jemanden, den sie als die Tochter der Arbeitskollegin ihres Mannes ausmacht. Denn: «Vielen ist es unangenehm, wenn sie erkannt werden, sich selbst aber nicht mehr daran erinnern, wer ich bin.» Ihre besondere Fähigkeit hat im Alltag aber durchaus auch angenehme Nebeneffekte – vor allem in Kombination mit ihrer ausgeprägten Weitsichtigkeit. Sie erkennt Menschen oft, bevor die anderen sie überhaupt ausgemacht haben: «Mag ich gerade nicht smalltalken, kann ich unbemerkt ausweichen.»
(https://www.tagesanzeiger.ch/wissen/medizin-und-psychologie/der-superrecognizer-erkennt-dich-besser-als-jede-kamera/story/30646394)

 


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