Medienspiegel 19. Mai 2019

+++GENF
Centre fédéral de renvoi : les autorités tentent de justifier l’injustifiable
Ce mercredi, dans une opération de communication rondement menée, le SEM et le Conseil d’État genevois tentaient de présenter le « visage humain » du futur centre fédéral de renvoi du Grand-Saconnex. Malgré que la presse bourgeoise se soit fait un plaisir de relayer les mensonges de la version officielle, dur de faire passer la pilule…
https://renverse.co/Centre-federal-de-renvoi-les-autorites-tentent-de-justifier-l-injustifiable-2058

+++FLUCHT
IDAHOT: UNHCR startet Konsultationen über die Rechte von LGBTI-Flüchtlingen
Da über 70 Länder auf der ganzen Welt immer noch gleichgeschlechtliche Beziehungen kriminalisieren, erleben viele LGBTI-Personen in ihren Heimatländern nach wie vor schwere Menschenrechtsverletzungen und Verfolgung.
https://www.unhcr.org/dach/ch-de/31055-idahot-unhcr-startet-konsultationen-ueber-die-rechte-von-lgbti-fluechtlingen.html

+++MITTELMEER
Sicherer Hafen für 47 aus Seenot gerettete Menschen gesucht
Sea-Watch kritisiert: Italien nimmt nur 18 von 65 Menschen auf / An Bord verbliebene Geflüchtete sind nicht mehr sicher
Italien hat 18 aus Seenot gerettete Menschen aufgenommen, doch weitere 47 müssen an Bord der »Sea-Watch 3« verharren. Die deutsche Hilfsorganisation warnt, die Sicherheit der Geflüchteten nicht mehr gewährleisten zu können.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1119014.sea-watch-sicherer-hafen-fuer-aus-seenot-gerettete-menschen-gesucht.html

Hilfswerk UNHCR: Flüchtlinge sollen „auf keinen Fall“ zurück nach Libyen gebracht werden
Anrainerstaaten weisen aus dem Mittelmeer gerettete Migranten regelmäßig ab. Daran äußert nun das Hilfswerk UNHCR Kritik. Insbesondere nach Libyen dürften Flüchtlinge nicht zurückgebracht werden.
https://www.spiegel.de/politik/ausland/fluechtlinge-sollen-laut-unhcr-nicht-zurueck-nach-libyen-gebracht-werden-a-1268155.html
-> https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-05/fluechtlingshilfswerk-unhcr-libyen-konflikt-lager-eu

+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Medienmitteilung vom Sonntag, 19.5.2019, 14.00h

In der Nacht von Samstag auf Sonntag wurden im Raum Schützenmatte mehrere Barrikaden errichtet und entzündet, was einen Polizeieinsatz zur Folge hatte.

In der Reitschule fanden zu diesem Zeitpunkt Veranstaltungen im Dachstock, dem Frauenraum und der Grossen Halle statt. Auch das Restaurant Sous le Pont, die Rössli-Bar, der Vorplatz und die Schützenmatte waren gut besucht. Insgesamt befanden sich zwischen tausend und zweitausend Gäste auf dem Areal, deren primäre Ausweichmöglichkeit in die Reitschule führte.

Die Sicherheit unserer Gäste stand somit an erster Stelle. Wir sicherten Fluchtwege, bereiteten uns vor, allfällige erste Hilfe zu leisten und hielten den Betrieb in den Veranstaltungsräumen aufrecht. Als der Einsatz von Tränengas die Personen auf Vorplatz und Schützematte in die Reitschule drängte, leiteten wir sie in die Grosse Halle, welche wir als Ausweichmöglichkeit geöffnet hatten. An den Stellen wo sich brennende Gegenstände nahe am Haus befanden, führten wir Brandschutzvorkehrungen durch.

Um 01:54h hatten wir Kontakt mit der Kantonspolizei, welche wir über die aktuelle Lage, den aufrechterhaltenen Betrieb und die gewährleistete Sicherheit unserer Gäste informierten. Das Gespräch endete mit der Feststellung des Polizisten, dass wir unser Bestes tun und die Polizei ihr Bestes tut.

Die Reitschule lehnt alle Gewalttätigkeiten von der Nacht auf Sonntag entschieden ab. Zu den Gründen für die Auseinandersetzung können wir uns nicht äussern. Unter www.barrikade.info hat mittlerweile eine „Bezugsgruppe Rhabarber“ dazu Stellung genommen.

Mit freundlichen Grüssen
Mediengruppe Reitschule Bern
https://www.facebook.com/Reitschule/posts/10156882298765660
http://reitschule.ch/reitschule/

derbund.ch 19.05.2019

Empörung nach geplanten Randalen

Die Krawalle rund um die Berner Schützenmatte in der Nacht auf Sonntag waren offenbar vorausgeplant. Stadt und Kanton sind sich uneinig. Die Reitschüler betonen den Kontakt zur Polizei.

Calum MacKenzie

Es ist nichts Neues, wenn bei der Berner Reitschule Steine und Tränengasgranaten durch die Luft fliegen. Ausschreitungen und Polizeieinsätze kommen beim Kulturzentrum immer wieder vor. Die Krawalle, die in der Nacht auf Sonntag stattfanden, hatten jedoch eine andere Qualität: Die Aktionen der etwa 40 Vermummten, die rund um die Schützenmatte Barrikaden errichteten, Autos in Brand steckten und die Polizei angriffen, waren offenbar geplant.

Wie ein «Bund»-Reporter vor Ort beobachtete, waren die schwarz gekleideten Personen gut organisiert. Sie platzierten ihre rudimentären Strassensperren strategisch an Zufahrten zur Schützenmatte, bewegten sich in Gruppen und trugen teilweise Helme und Schutzmasken. Für die Auseinandersetzungen mit der Polizei schienen sie Taktiken ausgeheckt zu haben: Als die Sicherheitskräfte einmal vorrückten, stürmte eine Gruppe aus einem seitlichen Hinterhalt auf sie zu und konnte sie vertreiben. Im Laufe des Abends wurden acht Polizisten und zwei Polizistinnen verletzt.

In einem Bekennerschreiben auf dem Onlineportal Barrikade.info schreibt eine «Bezugsgruppe Rhabarber», sie sei an den «offensiven Aktionen gegen die Polizei» beteiligt gewesen. Diese sehe sie als Antwort auf eine «repressive Aufrüstung» der Berner Behörden, die sich etwa in vermehrten Razzien in der Reitschule oder der Räumung der Fabrikool-Besetzung auf dem Von-Roll-Gelände zeige. «So verzweifelt der Staat auch versucht, uns zu unterdrücken, manifestiert sich der Widerstand auf verschiedene Arten und Wege», schreibt die Gruppe weiter.

«Nause im Stich gelassen»

Die Reaktionen auf die Aktion und auf das Bekenntnis dazu liessen nicht auf sich warten. Aus den Reihen der bernischen Rechten kam zum wiederholten Mal die Forderung nach der Schliessung der Reitschule. Der Forderung schlossen sich aber auch moderatere Bürgerliche wie etwa der kantonale BDP-Präsident Jan Gnägi an.

Für Regierungsrat Philippe Müller (FDP) hingegen steht eine Schliessung des Kulturzentrums aktuell nicht zur Diskussion. Doch der Polizeidirektor richtet eine deutliche Warnung an die Betreiber der Reitschule: «Bei einem anderen Lokal hätte man ein Ultimatum gestellt und bei Nichteinhaltung den Laden dichtgemacht», sagt er. Wenn sich nichts ändere, werde die Forderung nach der Schliessung irgendwann mehrheitsfähig.

Die heftigste Kritik übt er am Berner Gemeinderat. Mit seiner politischen Unterstützung der Reitschule helfe er kriminellen Gewalttätern. «Wenn sich die Täter nicht sicher wären, dass sie diese Unterstützung haben, würden sie weniger machen.» Ausserdem tut der Gemeinderat laut Müller nichts, um Forderungen des Kantons und des städtischen Sicherheitsdirektors Reto Nause (CVP) umzusetzen – etwa Glascontainer abschliessen, damit die Flaschen nicht als Wurfgeschosse verwendet werden könnten. «Nause wird von seinen Gremiumskollegen im Stich gelassen», sagt Müller.

Krawalltouristen?

Stadtpräsident Alec von Graffenried (GFL) versichert, das Sicherheitskonzept der Reitschule werde umgesetzt (siehe unten). Nause wiederum sagt: «Die Betreiber der Reitschule befinden sich in Geiselhaft von gewaltbereiten Extremisten.» Aber auch der Verdacht wird geäussert, Besucher und Betreiber unterstützten linksautonome Unruhestifter stillschweigend. Müller nennt die Betreiber denn auch «Heuchler».

Doch der Auftritt der Reitschüler lässt nicht unbedingt auf eine Billigung der Gewaltakte von Samstagnacht schliessen. Während der Ausschreitungen baten sie auf Twitter ihre Gäste, sich in der Grossen Halle in Sicherheit zu bringen. Die Beteiligten forderte man zur Deeskalation auf. In der Medienmitteilung wird deutlich, dass die brennenden Barrikaden und randalierenden Vermummten den Betreibern Kopfzerbrechen bereiteten. Die in solchen Fällen übliche Verurteilung angeblicher Polizeigewalt fehlt; stattdessen wird auf den guten Austausch mit den Behörden via Kontakttelefon verwiesen: «Das Gespräch endete mit der Feststellung des Polizisten, dass wir unser Bestes tun und die Polizei ihr Bestes tut», schreiben die Betreiber.

Unter Besuchern der Reitschule geht das Gerücht um, es habe sich bei den Aufrührern um «Krawalltouristen» aus anderen Teilen der Schweiz gehandelt. Die Polizei reagiert auf eine entsprechende Anfrage nicht. Es komme vor, dass Randalierer etwa aus Zürich anreisten, sagt Philippe Müller. Die Herkunft der elf angehaltenen Personen kenne er aber nicht. «Es ist letztlich unwichtig. Diese feige Gewalt gegen Polizisten ist inakzeptabel.»

Der Vorfall kommt für die Reitschule zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Derzeit wird über die Verlängerung des Leistungsvertrags zwischen dem Kulturzentrum und der Stadt verhandelt. Geplant ist eine unveränderte Subvention von jährlich 380000 Franken. Ob das nach den Ereignissen vom Wochenende so bleibt, wird sich zeigen.
(https://www.derbund.ch/bern/empoerung-nach-geplanten-randalen/story/18211508)

«Das war eine kriminelle Aktion»
Stadtpräsident Alec von Graffenried schliesst repressive Massnahmen nach den Krawallen vom Wochenende nicht aus.
https://www.derbund.ch/bern/das-war-eine-kriminelle-aktion/story/16763767

Krawalle bei der Reitschule: «Rein kriminelle Aktion»
In der Nacht auf Sonntag zündeten Randalierer bei der Berner Reitschule Strassenbarrikaden und Autos an. Zehn Polizisten wurden verletzt. Der Stadtpräsident hat «null Verständnis».
https://www.bernerzeitung.ch/region/bern/krawalle-bei-der-reitschule-rein-kriminelle-aktion/story/29088569

Sonntagsroutine? Nein, danke!
Ausschreitungen vor der Reitschule und Steinewerfen vor dem Cupfinal: Die Stadt Bern sollte solche Grenzüberschreitungen nicht tolerieren.
https://www.bernerzeitung.ch/region/bern/sonntagsroutine/story/24925564

10 Polizisten bei Krawallen vor Reitschule verletzt
In der Nacht auf Sonntag wurden mehrere Barrikaden von Vermummten aufgestellt und teilweise in Brand gesteckt. Die Beamten mussten sogar zu Tränengas greifen.
https://www.telebaern.tv/telebaern-news/10-polizisten-bei-krawallen-vor-reitschule-verletzt-134499666
-> https://www.telezueri.ch/zuerinews/wueste-ausschreitungen-rund-um-die-reitschule-in-bern-134500190

Die Räumung von Fabrikool ist nur ein Vorwand
Gerne würden die Chaoten weitere Kreise radikalisieren, das ist ihnen in der Nacht auf Sonntag nicht gelungen.
https://www.derbund.ch/news/standard/die-raeumung-von-fabrikool-ist-nur-ein-vorwand/story/23701747

Krawalle bei Reitschule: Philippe Müller kritisiert Stadt Bern scharf
Der bernische Polizeidireiktor Philippe Müller (FDP) sagt, der Berner Gemeinderat unterstütze Gewalttäter. Eine Schliessung der Reitschule stehe aber nicht zur Diskussion.
https://www.derbund.ch/bern/krawalle-bei-reitschule-philippe-mueller-kritisiert-stadt-bern-scharf/story/16863336

Berner Reitschule: Haus-Besetzer bekennen sich zu Krawallen
Chaos mitten in der Nacht in Bern: Eine Gruppe von Haus-Besetzern zündeten rund um die Reitschule Gegenstände an. Zehn Polizisten wurden dabei verletzt.
https://www.nau.ch/news/schweiz/berner-reitschule-unbekannte-setzen-barrikaden-in-brand-65525165

«Fühlen uns motiviert»: Reitschul-Chaoten künden weitere Krawalle an
Rund um das alternative Kulturzentrum Reitschule in Bern sind in der Nacht auf Sonntag mehrere Strassenbarrikaden und Autos in Brand gesteckt worden. Die Polizei musste Tränengas einsetzen. Es gab Verletzte.
https://www.blick.ch/news/schweiz/bern/ausschreitungen-bei-der-berner-reitschule-brandanschlaege-und-angriffe-auf-polizei-id15330651.html

«Reitschule ist in Geiselhaft von gewaltbereiten Extremisten»
Der Berner Sicherheitsdirektor verurteilt die Angriffe auf Polizisten bei der Schützenmatte scharf. Wie es nun weitergeht, müsse der Stadtpräsident entscheiden.
https://www.derbund.ch/bern/reitschule-ist-in-geiselhaft-von-gewaltbereiten-extremisten/story/30262546
-> https://twitter.com/cvpbe/status/1130062661620817920
-> https://twitter.com/cvpbe/status/1130022179150675968

Zehn verletzte Polizisten nach Randale rund um Berner Reitschule
In der Nacht auf Sonntag brannten bei der Reitschule mehrere Barrikaden und Autos. Hintergrund ist offenbar die Räumung eines besetzten Hauses.
https://www.derbund.ch/bern/stadt/zehn-verletzte-polizisten-nach-randale-rund-um-berner-reitschule/story/27007250

Nächtliche Krawalle bei der Reitschule: Zehn Polizisten verletzt
In der Nacht kam es in Bern zu Ausschreitungen bei der Reitschule. Randalierer zündeten Strassenbarrikaden und Autos an. Zehn Polizistinnen und Polizisten wurden verletzt. Elf Personen wurden angehalten, darunter ein 60-Jähriger.
https://www.bernerzeitung.ch/region/bern/naechtliche-krawalle-bei-der-reitschule-zehn-polizisten-verletzt/story/29088569

Nause verurteilt «Gewaltorgie» vor Reitschule
Der Berner Sicherheitsdirektor Reto Nause äusserte sich zur Strassenschlacht vor der Reitschule.
https://www.bernerzeitung.ch/region/bern/nause-verurteilt-gewaltorgie-vor-reitschule/story/31344696

10 Polizisten bei Berner Strassenschlacht verletzt
Rund um die Berner Schützenmatte haben in der Nacht auf Sonntag Unbekannte gewütet. Die Polizei hat Tränengas eingesetzt. Der Einsatz läuft noch.
https://www.20min.ch/schweiz/bern/story/Randalierer-setzen-Strassen-rund-um-Reitschule-in-Brand-22989831

In der Nacht auf Sonntag – Zehn verletzte Polizisten bei Krawallen vor Berner Reitschule
In Brand gesetzte Barrikaden: Die Polizei rückte mit einem Grossaufgebot aus. Die Beamten setzten Tränengas ein.
https://www.srf.ch/news/regional/bern-freiburg-wallis/in-der-nacht-auf-sonntag-zehn-verletzte-polizisten-bei-krawallen-vor-berner-reitschule
-> https://www.neo1.ch/news/news/newsansicht/datum/2019/05/19/randale-rund-um-die-berner-reithalle-autos-brannten.html
-> https://www.tagesanzeiger.ch/bern/nachrichten/Randalierer-setzen-Strassen-rund-um-Reitschule-in-Brand/story/27007250
-> https://www.watson.ch/!129433860
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/berner-reitschule-unbekannte-setzen-barrikaden-in-brand-65525165
-> https://www.blick.ch/news/schweiz/bern/ausschreitungen-bei-der-berner-reitschule-brandanschlaege-und-angriffe-auf-polizei-id15330651.html
-> https://www.telebaern.tv/news/mehrere-polizisten-nach-strassenschlacht-in-bern-verletzt-134497637
-> https://www.nzz.ch/panorama/bern-krawallen-vor-reitschule-und-polizisten-verletzt-ld.1482918
-> https://www.toponline.ch/news/schweiz/detail/news/zehn-polizisten-bei-krawallen-vor-berner-reitschule-verletzt-00111831/

„Räumung=Krawalle“
Was fällt euch ein, in unser Haus einzufallen? Mit Sondereinheiten einen Quartierstreffpunkt zu räumen? Wo eben noch Leben war, steht jetzt ein Käfig. Kochequipment, Veloflickzeug, Kinderspielsachen, Druckutensilien, Sofas – alles „sicher“ verstaut hinter einem vier Meter hohen Zaun, rund um die Uhr bewacht von Hilfssheriffs der Firma Vüch. Verstaut bis zum Verstauben. Verstaut, bis es „entsorgt, verschenkt oder verkauft“ wird. Es ist, als wurde ein*e Freund*in von uns hinter Gitter gesperrt. Ihr habt dem Fabrikool die Augen genommen, die Fenster, die wir eigenhändig eingebaut haben. Drinnen ist jetzt kein Licht mehr, keine Wärme und kein Geräusch.
https://barrikade.info/article/2288

Einige Worte zu den Ereignissen des 18. Mai
In der Nacht vom Samstag auf Sonntag haben wir uns an den offensiven Aktionen gegen die Polizei im Raum der Reitschule beteiligt. Der heutige Schritt sehen wir als notwendige Antwort auf die jüngsten Repressionen im Raum Bern. Heute war unsere Wut so gross, dass sich die Polizei mehrmals zurückziehen musste. Dies sehen wir als Zeichen des Erfolgs und als eine aufkommende Motivation, sich weiterhin Staat und Polizei in den Weg zu stellen.
https://barrikade.info/article/2289

Bern: Anhaltungen nach gezielten Angriffen auf Einsatzkräfte
Im Raum Schützenmatte in Bern ist es in der Nacht auf Sonntag zu gezielten Angriffen gegen Einsatzkräfte der Kantonspolizei Bern gekommen. Die Polizisten wurden unter anderem mit Steinen und Flaschen beworfen sowie mit Lasern angegriffen. Es kam zu Sachbeschädigungen. Zehn Polizistinnen und Polizisten wurden verletzt. Elf Personen wurden angehalten.
https://www.police.be.ch/police/de/index/medien/medien.meldungNeu.html/police/de/meldungen/police/news/2019/05/20190519_0943_bern_anhaltungennachgezieltenangriffenaufeinsatzkraefte
(https://twitter.com/PoliceBern/status/1130017466355265537)

(09.48) „Bern: Anhaltungen nach gezielten Angriffen auf Einsatzkräfte https://www.police.be.ch/police/de/index/medien/medien.meldungNeu.html/police/de/meldungen/police/news/2019/05/20190519_0943_bern_anhaltungennachgezieltenangriffenaufeinsatzkraefte …“

(07.44) „Seit kurz nach Mitternacht stehen wir im Bereich Schützenmatte in #Bern im Einsatz. Aktuell sind die Zufahrtsstrassen für den motorisierten Verkehr teilweise noch gesperrt. Mehr Informationen zu den Ereignissen folgen später.“
(https://twitter.com/PoliceBern/status/1129986211219759104)

(03.29) „Gemäss der Einschätzung der Reitschule hat sich die Lage beruhigt. Bei den Barrikaden sind noch einzelne Schaulustige. Wir bitten alle Beteiligten, sich weiterhin deeskalativ zu verhalten.“
(https://twitter.com/ReitschuleBern/status/1129921968973713414)

(02.45) „Auf der Schützenmatte wird Tränengas eingesetzt. Die Konzerte und Veranstaltungen in Frauenraum, Grosser Halle, Rössli und Dachstock gehen weiter. Wir kümmern uns um die Sicherheit unserer Gäste.“
(https://twitter.com/ReitschuleBern/status/1129910952298766338)

(02.05) „Der Sicherheitsdienst der Reitschule hat die Gäste des Vorplatzes angewiesen, sich in die Grosse Halle zu begeben.“
(https://twitter.com/ReitschuleBern/status/1129900925970259970)

(01.54) „In der Reitschule befinden sich momentan gegen 1000 Personen. Die Reitschule ist aktuell damit beschäftigt, die Sicherheit und den Schutz der Gäste zu gewährleisten.“
(https://twitter.com/ReitschuleBern/status/1129897960928681987)

(01.51) „Die Schützenmatte wird mit Tränengas eingedeckt. Die Barrikaden brennen nach wie vor. Wir rufen alle Beteiligten auf, sich ruhig zu verhalten und die Konfrontation zu beenden!“
(https://twitter.com/ReitschuleBern/status/1129897209481314305)

(01.36) „Offenbar kreist die Polizei nun das Areal Schützenmatte ein. Gebt auf euch Acht und passt auf einander auf!“
(https://twitter.com/ReitschuleBern/status/1129893656696168448)

(01.35) „Die Polizei setzt nun Tränengas ein auf der Höhe Neubrückstrasse, Richtung Henkerbrünnli.“
(https://twitter.com/ReitschuleBern/status/1129893290411778048)

(00.54) „Liebe Reitschüler*innen, liebe Gäste, es wurden Barrikaden rund um die Reitschule errichtet. Die Kantonspolizei Bern wird wohl demnächst mit einem Grossaufgebot präsent sein. Passt auf euch auf!“
(https://twitter.com/ReitschuleBern/status/1129883047732686849)

Polizei löst illegale Party mit Gummischrot auf
Unter der Kornhausbrücke hat am Samstagabend eine illegale Party stattgefunden. Bei der Räumung ging die Polizei aggressiv vor, sagt ein Leser. Bei der Stapo sieht man das anders.
https://www.20min.ch/schweiz/zuerich/story/Polizei-raeumt-Party-unter-der-Kornhausbruecke-26990927

+++SPORTREPRESSION
Bern/Ostermundigen: Einzelne Zwischenfälle rund um Cupfinal
Der An- und der Abmarsch der Fans beim Cupfinal zwischen dem FC Basel und dem FC Thun in Bern sind am Sonntag mehrheitlich ruhig verlaufen, allerdings ist es zu einzelnen Zwischenfällen gekommen. Es wurden unter anderem Steine gegen ein fahrendes Einsatzfahrzeug geworfen und Knall-, Rauch- sowie Leuchtkörper gezündet. Zwei Personen wurden angehalten.
https://www.police.be.ch/police/de/index/medien/medien.meldungNeu.html/police/de/meldungen/police/news/2019/05/20190519_1830_bern_ostermundigeneinzelnezwischenfaellerundumcupfinal
-> https://www.bernerzeitung.ch/region/bern/fussballfest-mit-nur-wenig-nebengeraeuschen/story/29366947
-> https://www.bernerzeitung.ch/region/bern/thun-fans-schmissen-steine-auf-polizeiauto/story/27340309

Cupfinal: Fussbalfans werfen Steine auf Fahrzeug
Am Abstimmungssonntag findet in Bern der Cupfinal zwischen FC Thun und dem FC Basel statt. Thuner haben laut Polizei Steine auf ein Einsatzfahrzeug geworfen.
https://www.derbund.ch/bern/cupfinal-fussbalfans-werfen-steine-auf-fahrzeug/story/16135142
-> https://www.bernerzeitung.ch/region/bern/fanmaersche-verliefen-groesstenteils-friedlich/story/27340309
-> https://www.jungfrauzeitung.ch/artikel/173798/
-> https://twitter.com/PoliceBern/status/1130064138359779329
-> https://twitter.com/PoliceBern/status/1130053852944883712

+++FREE NEKANE
Eine von uns! Solidarität mit Nekane. Alle nach Bern am 22.5.2019
https://youtu.be/OOYtDjZRn3M

Der spanischen Staat macht weiter mit der politischen Verfolgung gegen Nekane. Eine von uns! Das Sondergericht Audiencia Nacional hat ein neues Rechtshilfegesuch gestellt. Die Schweizer Behörden zeigen sich kollaborationsbereit mit dem spanischen Folterapparat. Nekane muss am Mittwoch in Bern erscheinen, um von den spanischen Behörden befragt zu werden. Sexualisierte Folter ist ein Asylgrund! Keine von uns ist alleine!

Zeigen wir unsere Solidarität mit Nekane am Einvernahmezentrum. Mittwoch 22.5.2019 / genau 10 Uhr / Brückenstrasse 50 Eine von uns! Alle nach Bern!

Mehr über die Geschichte von Nekane könnt ihr hier in einem Interview hören, dass sie 2017 kurz nach ihrer Freilassung nach 17 Monaten im Gefängnis in Zürich gegeben hat: https://soundcloud.com/radio_lora/innenansichten-eines-schweizer-gefangnisses-gesprach-mit-nekane-txapartegi

Mehr Infos http://www.freenekane.ch

Um auf dem Laufenden zu bleiben, kannst du den Telegram-Kanal des Free-Neekane-Komitees abonnieren https://www.t.me/freenekane oder folge dem Komitee auf Facebook https://www.facebook.com/FreiheitfuerNekane

+++ANTIFA
LGBTI-Rechte: Die Schweiz fällt ins Bodenlose
Ein Ranking misst, wie Staaten Rechte von Homosexuellen und Transmenschen gewährleisten. Die Schweiz schneidet schlecht ab.
https://www.infosperber.ch/Artikel/Sexismus/LGBTI-Rechte-Die-Schweiz-fallt-ins-Bodenlose

+++ANTIRA
antira-Wochenschau: NPD-Werbung auf ARD, rassistische Teenagerin auf Youtube, ORS AG auf Vormarsch
https://antira.org/2019/05/19/antira-wochenschau-npd-werbung-auf-ard-rassistische-teenagerin-auf-youtube-ors-ag-auf-vormarsch/

LGBTI-Rechte: Die Schweiz fällt ins Bodenlose
Ein Ranking misst, wie Staaten Rechte von Homosexuellen und Transmenschen gewährleisten. Die Schweiz schneidet schlecht ab.
https://www.infosperber.ch/Artikel/Sexismus/LGBTI-Rechte-Die-Schweiz-fallt-ins-Bodenlose

+++RECHTSPOPULISMUS

ÖSTERREICH
-> https://www.fr.de/meinung/oesterreich-sebastian-kurz-buergerliche-version-rechtspopulismus-12298879.html
-> https://www.profil.at/oesterreich/ibiza-video-strache-verein-10795741
-> https://www.profil.at/oesterreich/strache-video-zentrum-politische-schoenheit-10795739
-> https://www.saiten.ch/strache-oder-die-privatisierung-der-politik/
-> https://www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/europamagazin/sendung/oesterreich-fpoe-skandal-strache-100.html
-> https://www.derbund.ch/ausland/europa/es-war-nicht-nur-der-eine-abend/story/22056568
-> http://www.taz.de/Nach-Ruecktritt-des-Vizekanzlers-Strache/!5596355/
-> https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-05/ibiza-affaere-sebastian-kurz-heinz-christian-strache-strafrechtliche-konsequenzen-norbert-hofer
-> https://www.sueddeutsche.de/politik/oesterreich-video-strache-fpoe-russland-1.4453880
-> https://kurier.at/politik/inland/nationalistisch-korrupt-und-bloed-internationale-pressestimmen/400499167
-> http://taz.de/Neuwahlen-in-Oesterreich/!5596393/
-> https://kurier.at/politik/inland/herbert-kickl-steht-vor-vorzeitiger-abloese-als-innenminister/400499266
-> https://kurier.at/politik/inland/kickl-sagt-der-oevp-den-kampf-an/400499131
-> https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-05/oesterreich-heinz-christian-strache-europawahl-rechtspopulisten-viktor-orban
-> https://www.spiegel.de/politik/ausland/fpoe-nach-der-strache-affaere-unsere-zukunft-ist-rechts-a-1268205.html

-> https://www.stern.de/politik/ausland/oesterreich–wem-ist-strache-in-die-falle-getappt–das-sind-die-drei-aktuellen-theorien-8717356.html
-> https://www.spiegel.de/politik/ausland/heinz-christian-strache-neue-mitschnitte-bringen-fpoe-in-bedraengnis-a-1268209.html
-> https://derstandard.at/2000103424380/Die-Drahtzieher-hinter-dem-Strache-Video?ref=rss
-> https://www.spiegel.de/politik/ausland/strache-video-wer-ist-der-spindoktor-tal-silberstein-a-1268182.html
-> https://www.stern.de/politik/ausland/oesterreich–das-strache-video-und-seine-konsequenzen-sind-eine-ohrfeige-fuer-die-rechtspopulisten-8717244.html
-> https://kurier.at/politik/inland/wiener-fpoe-verwirrung-um-moeglichen-strache-verbleib/400499056
-> https://www.heise.de/tp/features/Finca-Falle-Wer-hat-was-gegen-wen-in-den-Schubladen-4425369.html?wt_mc=rss.tp.beitrag.atom&utm_source=dlvr.it&utm_medium=twitter
-> https://kurier.at/politik/inland/spekulationen-um-zentrum-fuer-politische-schoenheit-was-steckt-hinter-der-theorie/400499047
-> http://taz.de/Demo-in-Wien-nach-Strache-Video/!5596366/
-> https://www.derbund.ch/ausland/europa/der-tag-an-dem-oesterreich-bebte/story/26505745
-> https://www.tagesschau.de/inland/reaktionen-strache-101.html
-> https://www.tagesschau.de/ausland/faq-oesterreich-regierungkrise-101.html
-> https://www.tagesschau.de/ausland/oesterreich-325.html
-> https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-05/heinz-christian-strache-fpoe-oesterreich-ruecktritt/komplettansicht
-> https://www.blick.ch/news/ausland/regierungskrise-in-oesterreich-nach-ibiza-skandalvideo-eine-kurze-amtszeit-id15330432.html

NZZ am Sonntag 19.05.2019

Europas Rechte rückt zusammen

Lega-Chef Matteo Salvini empfängt Gesinnungsfreunde in Mailand.

von Patricia Arnold, Mailand

Wenige Tage vor der Europawahl haben rechtsnationalistische Politiker aus zehn europäischen Ländern am Samstag auf Einladung des italienischen Innenministers und Lega-Sekretärs Matteo Salvini in Mailand ihren Schulterschluss gefeiert. «Hier treffen sich keine Extremisten, Rassisten und Faschisten», sagte der gebürtige Mailänder Salvini an der Kundgebung.

Extremisten seien diejenigen, die Europa in den letzten 20 Jahren regiert hätten. «Die Merkels, Macrons und Junckers haben ein Europa der Finanzen und der unkontrollierten Einwanderung geschaffen», sagte er. Sie hätten die Visionen von de Gaulle und de Gasperi, den Gründungsvätern der Europäischen Union, verraten.

Salvini warb für ein «Europa des gesunden Menschenverstands». Er will nach der Europawahl nächste Woche die «Europäische Allianz der Völker und Nationen» schaffen. Aus diesem Verbund von elf rechtsnationalistischen Parteien soll eine neue rechte Fraktion im Europaparlament entstehen.

Le Pen: «Völker vor dem Erwachen»

Salvinis Ziel ist, stärkste Fraktion zu werden, doch die Zersplitterung der EU-skeptischen Parteien macht dies sehr schwierig. Mit ihr will er eine engere Zusammenarbeit in der EU verhindern, die Nationalstaaten stärken und eine «Festung Europa» schaffen. Laut Umfragen kann die neue Gruppierung mit etwa zehn Prozent der Mandate rechnen. Sie hofft, dass sich weitere Parteien anschliessen.

Vor dem Mailänder Dom bezeichnete Marine Le Pen, die Vorsitzende des französischen Rassemblement national, das Treffen als eine «demokratische Revolution». «Unsere Völker stehen vor dem Erwachen», sagte sie.

«Schluss mit dem «Diktat des Superstaats EU, Schluss mit der Einwanderung und Schluss mit dem Islam», forderte der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders. «Wir müssen unsere Nationalstaaten verteidigen und mehr Souveränität fordern», erklärte er. An der Kundgebung nahmen auch Politiker rechtspopulistischer Parteien aus Tschechien, Dänemark, Finnland, Estland, Bulgarien, Österreich und Deutschland teil.

Zu der Veranstaltung, die von scharfen Sicherheitsvorkehrungen begleitet war, waren zudem aus ganz Italien Tausende Unterstützer der Lega angereist. Salvini hatte 100 000 Teilnehmer erwartet. Allerdings kamen weit weniger, wie die Polizei mitteilte, ohne genaue Zahlen zu nennen. Salvinis Regierungspartner Luigi Di Maio von den linkspopulistischen Cinque Stelle kommentierte das Treffen mit den Worten: «In Italien brauchen wir keine Ultrarechte.»

Protestsprüche an Balkonen

Bei Tausenden von Mailändern stiess der rechtspopulistische Schulterschluss dagegen auf starken Protest. Unter dem Motto «Nein zu einem Europa der Mauern» hatten verschiedene Bürgerinitiativen sowie linke Organisationen eine Gegenveranstaltung organisiert. Bereits einige Tage zuvor hatten viele Mailänder sogenannte «Balconiadi» begonnen.

In allen Stadtteilen hingen die Stadtbewohner Leintücher mit Protestsprüchen an ihre Balkone, um so ihren Unmut über die Politik des Lega-Chefs zu äussern. «Salvini hasst, Mailand liebt» oder «Unsere Balkone sind höher als eure Mauern» lauteten Parolen auf den Betttüchern.

Auf einem der Spruchbänder stand im Mailänder Dialekt «Salvini va a lavurà» – «Salvini, geh arbeiten». Der Spruch war eine Anspielung auf eine Recherche der Tageszeitung «La Repubblica». Diese hat herausgefunden, dass der Innenminister und Vizeregierungschef in den ersten vier Monaten dieses Jahres höchstens 17 ganze Tage in seinem Ministerium in Rom verbrachte. Laut dem Zeitungsbericht bestritt Salvini demgegenüber im laufenden Jahr bereits 211 öffentliche Veranstaltungen.
(https://nzzas.nzz.ch/international/europas-rechte-rueckt-zusammen-ld.1482906)
-> https://de.euronews.com/2019/05/19/europaweites-rechtsbundnis-trifft-sich-in-mailand
-> https://www.derbund.ch/ausland/europa/europaweites-rechtsbuendnis-feiert-neue-aera-in-mailand/story/15605532
-> http://taz.de/EU-Wahlkampf-der-Rechten-in-Mailand/!5596359/

+++AMINISTRATIV VERSORGT
NZZ am Sonntag 19.05.2019

Weggesperrt und sterilisiert: Wie Schweizer Behörden das Leben von 60 000 Unschuldigen zerstörten

Ein düsteres Kapitel der Geschichte: Zehntausende Menschen wurden im 20. Jahrhundert ohne Gerichtsurteil in Anstalten gesperrt, sterilisiert und ihre Familien zerstört. Erstmals gibt es Zahlen. Vier Geschichten von Menschen, die in die Mühle gerieten.

von Anja Burri

Über 100 Jahre lang sperrten die Schweizer Behörden Menschen weg, wenn sie ihnen nicht passten. Vielleicht, weil sie arm waren, unehelich ein Kind bekamen, zu viel tranken, zu einer Rocker-Gang gehörten, sich prostituierten oder sonst aus dem Rahmen fielen.

Um die Menschen in Anstalten zu versenken, brauchte es weder eine Straftat noch ein Gerichtsverfahren. Der Entscheid einer Gemeinde- oder Kantonsbehörde genügte. Die staatliche Willkür hiess administrative Versorgung und konnte alle treffen, die nicht den Moralvorstellungen entsprachen, Mütter, Väter, Jugendliche: Die Behörden sahen sie als Bedrohung und glaubten, sie müssten die Gesellschaft vor deren Einfluss schützen.

Was heute nach Mittelalter klingt, ist noch gar nicht lange her. Bis 1981 sperrte man «Arbeitsscheue», «Gemeindebelästiger» oder «Trunksüchtige» ein – manchmal jahrelang. Erst seit kurzem findet eine vertiefte Aufarbeitung dieses Kapitels der Schweizer Geschichte statt. Vor viereinhalb Jahren hat der Bundesrat eine unabhängige Expertenkommission (UEK) eingesetzt.

Nun präsentieren die Historiker erstmals Zahlen zum Ausmass der administrativen Versorgung in der ganzen Schweiz: Im 20. Jahrhundert wurden zwischen 50 000 und 60 000 Menschen weggesperrt, schätzen die Forscher auf der Basis von Anstaltsberichten und Kantonsunterlagen.

Das sind viel mehr als bisher angenommen. Die Schweiz glich einer Anstaltslandschaft: Insgesamt fanden die Historiker 648 Einrichtungen, darunter Arbeitsanstalten, Psychiatrien oder Strafanstalten, in die Menschen zwischen 1930 und 1980 eingewiesen wurden. Die administrative Versorgung wurde vor allem beendet, weil die Schweiz international unter Druck geriet: Die Praxis widersprach der Europäischen Menschenrechtskonvention.

Markus Notter, UEK-Präsident und ehemaliger Zürcher Justizdirektor, sagt: «Die Zahlen zeigen, dass die administrative Versorgung in unserem Land ein Phänomen grosser Tragweite war.» Problematisch sei nicht nur die grosse Zahl Betroffener, sondern auch die lange Dauer: Die Praxis war ab Mitte 19. Jahrhundert bis 1981 gesellschaftlich akzeptiert.

«Es gab zwar immer auch Opposition gegen dieses System, sie fand aber nicht genügend Unterstützung, weder von linker noch von liberaler Seite», sagt Notter. «Wenn sich eine Gesellschaft bedroht fühlt, ist sie zu vielem fähig – auch zu Dingen, über die man sich im Nachhinein wundert.» Eine allgemeine Lehre aus dieser Geschichte müsse sein, dass ein Staat die Würde der Menschen, die er als Bedrohung empfinde, trotz allem nie verletze.

Die folgenden vier Geschichten zeigen, wie die staatliche Willkür Leben zerstören konnte. Die «NZZ am Sonntag» hat die Fälle teils selber recherchiert, teils mithilfe der UEK rekonstruiert. Die Namen der Betroffenen wurden in Absprache mit den Forschern geändert.

Anna S.

Anna S. prostituierte sich, dann nahm man ihr den Sohn weg und versuchte, ihre Beziehung zu zerstören

Zwei Tage vor Weihnachten 1941 schickt Anna S. das weisse Stofftaschentuch ab, in das sie die Initialen von Emil, ihrer grossen Liebe, gestickt hat. Dazu schreibt die 23-Jährige in Schnürchenschrift einen Brief: «Wie geht es dir? (…) Liebling, ich habe deine letzte Karte erhalten, (…) ich danke dir von Herzen. Ich bewahre deine Karten unter meinem Bett auf, genau wie das Foto von dir, das ich jeden Abend und jeden Morgen liebkose. (…) Liebling, ich schicke dir dieses kleine Taschentuch, das dir hoffentlich Freude macht. Ich konnte keine andere Farbe sticken, weil ich keine andere hatte. Aber sie (die schwarze Farbe) passt sehr gut zu deinem Anzug. Das ist nur ein kleines Geschenk, aber der Rest kommt später. (…) Deine Anna. Weit entfernt von deinen Augen, aber nahe bei deinem Herzen. Frohe Weihnachten.».

Anna S. schreibt diese Zeilen im Gefängnis Bellechasse in Freiburg, wo sie auch Weihnachten verbringt. Seit neun Monaten ist sie eingesperrt. Ihr moralisches Vergehen: Sie hat als Prostituierte gearbeitet, um für sich und ihr uneheliches Kind den Lebensunterhalt zu verdienen. Für die Behörden ihres Heimatkantons Waadt ist sie «ein gefährliches Element für die Gesellschaft» – obwohl Prostitution auch damals kein Straftatbestand war. Zu dieser Zeit gibt es aber ein Gesetz, das es den Behörden ermöglicht, solche «Elemente» ohne Gerichtsurteil wegzusperren. Weil es für Frauen oft keine separaten Anstalten gab, wurden sie in Gefängnissen untergebracht. Im Verlaufe ihrer Haft wird Anna S. ihr kleiner Sohn weggenommen und zur Adoption freigegeben. Gegen ihren Willen.

Auch von ihren Angehörigen bekommt sie kaum Unterstützung. Anna S. schildert ihre Enttäuschung darüber in einem anderen Brief an Emil. «Seit ich hier bin, habe ich nichts von meinem Bruder gehört. Seit fünf Monaten bist du der Einzige, der mir geschrieben hat. Dafür bin ich dir sehr dankbar.»

Der Direktor behält Liebesbriefe

Die Briefe sind ihr Mittel gegen die Einsamkeit, sie helfen Anna S., in ihrer Zelle nicht verrückt zu werden. Anna S. weiss jedoch nicht, dass Emil diese Zeilen gar nie lesen wird. Der Gefängnisdirektor führt ein strenges Zensurregime. Er behält nicht bloss Briefe von Insassen zurück, die das Gefängnis oder die administrative Versorgung kritisieren und somit gegen die Regeln verstossen. Sondern er nutzt seine Macht auch gezielt, um Liebesbeziehungen zu zerstören. So sind viele Briefe von Anna S. in den Gefängnisarchiven anstatt bei ihrem Freund gelandet. Sie ist kein Einzelfall.

Die Freiburger Historikerin Anne-Françoise Praz hat für die Expertenkommission solche Briefe zusammengetragen und untersucht. «Die Behörden wollten nicht nur den Alltag, sondern auch die sozialen Beziehungen und das Liebesleben der Internierten kontrollieren», sagt sie. Liebevolle Briefe, die eine Beziehung stärkten, behielt der Direktor eher zurück, dafür liess er Schreiben voller Zweifel oder Anklagen passieren. «Das ist ein eklatantes Beispiel für die Willkür, der die administrativ Versorgten ausgesetzt waren», sagt Praz.

Ob die Liebesbeziehung von Anna S. die Manipulationen des Gefängnisdirektors überlebt hat, bleibt ein Geheimnis. Das Letzte, das die Gefängnisakten über sie verraten, ist ihre Freilassung. Wegen guter Führung durfte sie nach 18 Monaten wieder gehen – ein halbes Jahr früher als geplant.

Tamara M.

Tamara M. wurde missbraucht, dann musste sie ihre Kinder hergeben und sich sterilisieren lassen

Sie ist 19 Jahre alt und im sechsten Monat schwanger, als sie im Berner Frauengefängnis Hindelbank eingesperrt wird – ohne je eine Straftat begangen zu haben. Es ist das Jahr 1971, Tamara M. wird administrativ versorgt, weil sie zum zweiten Mal unverheiratet ein Kind erwartet und Psychiater den Eindruck haben, sie erfülle die moralischen und sozialen Standards nicht.

Kurz vor der Einweisung ins Gefängnis erhält sie eine vernichtende Diagnose, die sich später als falsch herausstellen wird: Die Ärzte halten die junge Frau unter anderem für eine «triebhafte Psychopathin». Sie gehen davon aus, dass Tamara M. unter einer angeborenen Charakterschwäche leidet, vererbt vom Vater, der sich das Leben nahm, als sie noch ein Baby war. Sie glauben, die junge Frau würde ihre «Defizite» weitervererben. Sie empfehlen, sie zu unterbinden, allerdings gibt es ein Problem, wie die Ärzte in der Akte vermerken: «Von einer operativen Sterilisation will sie vorderhand nichts wissen.»

Tamara M. lebt in Hindelbank unter einem Dach mit Straftäterinnen, nur die Farbe ihrer Gefängniskleidung ist anders, sie trägt Braun, die Verurteilten Blau. Mittlerweile hochschwanger, muss sie trotzdem in der Gefängniswäscherei schuften. Im achten Monat bringt sie ihre Tochter Claudia zur Welt. Eine Frühgeburt. «Wenn’t eso umetschutet wirsch wie-n-en Hund, isch das kei Wunder», wird sie sich neun Jahre später in einem Interview mit dem «Sonntagsblick» daran erinnern. Ihre dort gemachten Aussagen sind die einzigen Zeugnisse, die es von ihr selber gibt.

Nach der Geburt im Spital kommen die Mutter und das Neugeborene zurück ins Gefängnis. In einer Aktennotiz steht, dass Tamara M. gut zum Kind schaue. Sie hätte alles getan, um nach dem bereits zur Adoption freigegebenen Sohn nicht auch noch ihre Tochter zu verlieren: «Me het mir gseit, i chönni doch nöd zuenem luege.» In der Nacht bevor man ihr das Baby wegnimmt, gibt sie ihrer Tochter zum letzten Mal den Schoppen. Dann knüpft sie Leintücher zusammen und flieht aus dem Gefängnis. Sie will nicht mitansehen, wie Fremde ihre Tochter abholen. Die Freiheit dauert nur kurz. Bald liefert die Vormundschaftsbehörde die Flüchtige wieder nach Hindelbank ein.

Zur Strafe kommt sie ins «Cachot», ein dunkles Kellerverlies mit einem kleinen Guckloch. Statt einer Pritsche liegt ein Holzbrett auf dem Boden, und in einer Ecke steht ein Kübel für die Notdurft. Kleider darf Tamara M. dort nicht tragen, nicht einmal Socken, nur ein Nachthemd. Als sie wieder in eine normale Zelle verlegt wird, versucht sie, sich das Leben zu nehmen. Nun wird es der Gefängnisleitung zu riskant. Nach acht Monaten Hindelbank wird sie in die psychiatrische Klinik St. Urban im Kanton Luzern verlegt.

Dort versuchen die Ärzte, die junge Frau doch noch von einer Sterilisation zu überzeugen. Als sie nachgibt, weiss sie nicht, dass sie ihre beiden Kinder nie wird zu sich holen können. Auch das Versprechen der Ärzte, dass Tamara M. aus der Klinik entlassen werde, sobald sie unterbunden sei, stellt sich als Lüge heraus. Sie muss nach der Operation noch zwei weitere Jahre bleiben. Es ist ein Muster, das sich wiederholt in dieser Geschichte: Egal, was Tamara M. tut, am Ende wird es gegen sie verwendet.

Ihre Geschichte zeigt nicht nur, wie die Behörden mit Menschen umgingen, die nicht der Norm entsprachen. Sie zeigt auch, dass Menschen aus schwierigen sozialen Verhältnissen besonders stark von der administrativen Versorgung betroffen waren. Tamara M. hatte im Grunde nie eine echte Chance. Nach dem Selbstmord des Vaters heiratete ihre Mutter erneut. Der Stiefvater missbrauchte das Mädchen.

Als dies in der Schule auskam, gab die Mutter Tamara in ein Heim. Von da an entschieden Vormundschaftsbehörden, Psychiater und Heimaufseher über ihr Leben. Als Tamara sich im Teenageralter für Männer zu interessieren begann, interpretierte man ihr Verhalten als triebgestört. Dabei suchte sie bloss Zuneigung und Liebe. Je mehr sie sich gegen Bevormundung wehrte, desto stärker bestätigte sie die Behörden in deren Glauben, dass sie ein hoffnungsloser Fall sei.

Heirat als Ausweg

Nach ihrer Zwangssterilisation unternahm Tamara M. mehrere Fluchtversuche, die immer wieder in der Psychiatrie und noch einmal im Gefängnis endeten. In dieser Zeit lernte sie ihren künftigen Mann kennen. Mit der Heirat wurde sie aus der Vormundschaft entlassen.

Der Psychiater und damalige Vizedirektor der Klinik St. Urban, Ernst Schneeberger, zeigte sich aber nach wie vor in seinem Urteil bestätigt: Die Klinikaufenthalte hätten die «erstmalige Sozialisation» von Tamara M. ermöglicht, sagte er im Interview mit dem «Sonntagsblick». Auch vertrat er noch 1980 die Ansicht, dass es durchaus gute Gründe gebe für Zwangssterilisationen: «Bewiesen ist es jedenfalls nicht, dass sich charakterliche Schwierigkeiten wie zum Beispiel Triebhaftigkeit, Labilität oder Haltarmut nicht vererben sollen. Als Psychiater fühlt man sich eben auch für die Psychohygiene der kommenden Generationen verantwortlich.»

Die Zwangssterilisation wurde bis 1981 angewandt und war lange gesellschaftlich akzeptiert. Die Zürcher Journalistin Lisa Hörler brachte 1978 eine öffentliche Debatte in Gang. Zusammen mit Fritz Muri veröffentlichte sie in der «Schweizer Illustrierten» eine grosse Recherche über Zwangssterilisationen in der Psychiatrischen Klinik St. Urban. 1980 schrieb Hörler für den «Sonntagsblick» eine dreiteilige Serie über Tamara M.s Leben. Die Journalistin führte stundenlange Interviews, hatte Einblick in M.s Tagebuch und in Akten. Die Frau, die von Psychiatern als «triebhaft» oder «psychopathisch» beurteilt wurde, liess sich für die Artikel noch einmal psychiatrisch begutachten. Das Resultat: Sie wurde als völlig normal eingestuft.

Die Mehrheit der Zwangssterilisationen und Kastrationen in der Schweiz betraf Frauen. Die Operationen wurden ausser in der Waadt gesetzlos durchgeführt, doch informelle Absprachen und Richtlinien zwischen Medizinern, Juristen und Behörden garantierten den Verantwortlichen Straflosigkeit.

Ab 1981 war dies nicht mehr möglich. Unter dem Druck der Öffentlichkeit, den die Presseartikel ausgelöst hatten, änderte die Schweizerische Akademie der medizinischen Wissenschaften ihre Richtlinien. Tamara M. brachte dies nichts mehr: Sie werde es wohl nie überwinden können, dass sie keine Kinder mehr haben könne: «I hüüle mengmol ganzi Nächt, wenn i dra denke.» Wie es ihr heute geht, ob und wo sie lebt, ist nicht bekannt.

Arthur A.

Arthur A. war arm und hatte ein Alkoholproblem, dann sperrte man ihn in die Zwangsarbeitsanstalt

Gemäss den Akten des Staatsarchivs Luzern ist Arthur A. aus Reiden (LU) nie ein Musterknabe gewesen. «Er ist ein guter Arbeiter, aber dem Alkoholteufel ergeben; in betrunkenem Zustande misshandelt er Frau und Kinder und musste am 30.  Juni aus diesem Grunde in Polizeigewahrsam gesetzt werden.» Das schreibt der Gemeinderat von Reiden am 5. Juli 1913 in seinem Gesuch an die Zwangsarbeitsanstalt Sedel in Luzern. Zudem müsse A. jedes Jahr von der Gemeinde finanziell unterstützt werden.

Die Luzerner Behörden schicken zu dieser Zeit Frauen und Männer, die als «arbeitsscheu» oder «liederlich» gelten, zur Disziplinierung in den Sedel – zuerst für ein Jahr, im Wiederholungsfall für zwei Jahre. Doch wer sich einmal in dieser Behördenmühle befindet, kommt schwer wieder raus. Das zeigt sich auch bei Arthur A. Im Juli 1913 kommt er noch einmal davon. Weil seine Frau sich für ihn einsetzt und er als Handlanger Arbeit auf dem Bau findet, darf er daheim bleiben. Gut zwei Jahre später fällt die Familie den Behörden wegen «Streit und Hader» auf; dieses Mal muss A. für ein Jahr Zwangsarbeit in den Sedel. Danach verliert sich seine Spur für ein paar Jahre.

Als seine Frau stirbt, gerät er erneut in den Fokus der Gemeinde. Obwohl er arbeitet, reicht sein Geld nicht, um die Kinder zu versorgen, die Gemeinde muss einspringen. Diese versorgt Arthur A. nun wegen «Familienvernachlässigung» und «Gemeindebelästigung» für zwei Jahre in die Zwangsarbeitsanstalt. Auch nach seiner Entlassung aus dem Sedel ist er kein freier Mann, man verfrachtet ihn in ein Armenhaus. Geld verdient er, wenn es genug Arbeit für Taglöhner wie ihn gibt. Die Kinder verliert er aus den Augen, der Alkohol bleibt sein Begleiter. Irgendwann hat er genug, die Behörden halten seine Flucht schriftlich fest: «Am 4.  März 1928 war A. wieder stark betrunken und hat mit einer Anstaltsgenossin geschlechtlich verkehrt und ist am folgenden Tage früh unter Mitnahme einer tags zuvor gekauften Flasche Schnaps aus der Anstalt entwichen.» Er wird nun von der Polizei gesucht und schliesslich zum dritten Mal in die Zwangsarbeitsanstalt Sedel gesperrt.

Arthur A.s Leben und seine sozialen Probleme sind typisch für Arme seiner Zeit. Vorwürfe der Behörden wie «arbeitsscheu» oder «liederlich» übertrugen sich von den Eltern auf die Kinder, man glaubte, dass negative Charaktereigenschaften vererblich seien. Der Zürcher Historiker Thomas Huonker hat zusammen mit Laura Schneider für die Expertenkommission die Geschichten von Menschen recherchiert, die in den Sedel eingewiesen wurden. «Mit der administrativen Versorgung versuchten die Gemeinde- und Kantonsbehörden, solche Familien zu trennen, die Leute zu kontrollieren, sie zur Arbeit zu zwingen oder deren Fortpflanzung zu verhindern», sagt er.

Während Alkoholiker aus der Oberschicht in Entzugskliniken geschickt worden seien, habe man arme Süchtige zur Zwangsarbeit verdonnert. «Dort wurden die Leute nicht besser», sagt er. Die Menschen seien ob den Bedingungen verroht, das Essen sei mangelhaft und teilweise schimmlig gewesen. Am meisten Menschen sperrten die Behörden in wirtschaftlichen Krisenzeiten weg. Während der Weltwirtschaftskrise in den dreissiger Jahren und in den vierziger Jahren erreichten die Zahlen Höchstwerte, die Anstalten waren voll. «Die Leute lagen Bett an Bett in den Sälen», sagt Huonker. Ab den fünfziger Jahren spielte Armut eine kleinere Rolle, dafür nannten die Behörden nun immer häufiger sittlich-moralische Gründe für die Einweisung in eine Strafanstalt, in ein Nacherziehungsheim oder in eine Psychiatrie.

Elisabeth R.

Elisabeth R. litt an Epilepsie, dann musste sie jahrzehntelang in Heimen leben und schuften wie eine Sklavin

Weil ihre Familie nach dem Tod des Vaters völlig verarmt ist, steigt Elisabeth R. mit der Mutter und ihren Brüdern am 1.  Oktober 1923 in den Zug von Preussen zurück in die Schweiz. Die Auslandschweizer kehren heim. Elisabeth R., damals 22 Jahre alt, ist wohl erschöpft von der langen Reise, vielleicht hat sie grossen Durst, jedenfalls fällt sie kurz nach Frankfurt am Main in eine Art Koma. Am Hauptbahnhof Zürich kommt die Sanitätspolizei und liefert die junge Frau in die psychiatrische Klinik Burghölzli ein.

Ab dem zweiten Tag schrubbt die Patientin von früh bis abends Böden und putzt die Zimmer der Klinik. Nur nach Hause darf sie nicht. Gut sieben Wochen später stellt der Klinikdirektor die Doppeldiagnose «Schizophrenie im Dämmerzustand» und «Epilepsie».

Es ist eine Diagnose, die mehr über diese Zeit aussagt als über die Patientin. Damals beurteilen die Ärzte im Burghölzli rund 80 Prozent der Patienten als schizophren. Elisabeth R. kriegt Bromsalz verabreicht, es soll gegen die Epilepsie helfen. Doch das vermeintliche Medikament macht damals viele Patienten kränker, als sie sind, es löst Verwirrung, Halluzinationen, Schlaflosigkeit oder Bewegungsstörungen aus. Sie selber hat schreckliche Erinnerungen an diese Zeit, die sie später niederschreibt: «Sobald ich die Periode habe, bekomme ich jetzt so heftige Anfälle, und wenn ich wieder bei mir bin, gibt man mir Bromsalz, und dann weiss ich gar nicht mehr, wo ich bin. Wollte Gott, ich könnte bald sterben.»

Nach einem Jahr darf sie zurück zu ihrer Familie. Doch ihre Diagnose wird ab jetzt an ihr kleben wie ein Fluch. 1928 heiratet Elisabeth R. einen Bekannten ihres Bruders. Der Mann, ein Alkoholiker, macht ihr Leben nicht leichter, Elisabeth R. plagen existenzielle Sorgen. «Am Morgen ging ich weinend zur Arbeit. Dort brach ich dann zusammen.» 1929 wird sie erneut ins Burghölzli eingeliefert, der Aufnahmerapport hält fest: «Liegt an Händen und Füssen gefesselt auf der Bahre, mit geschlossenen Augen, reagiert auf Anrede nicht usw. Nach Angabe des Einweisungszeugnisses ist sie schwanger.»

Elisabeth R. erleidet darauf in der Frauenklinik eine Fehlgeburt. Bevor man sie dort entlässt, machen die Ärzte sie mit einer Operation unfruchtbar – ohne ihr Wissen. In der Akte heisst es dazu lediglich: «Mann mit Sterilisation einverstanden.» Die Ärzte rechtfertigen zu dieser Zeit solche Zwangssterilisationen mit ihrem Glauben daran, dass Schizophrenie und Epilepsie vererbbar seien. Dabei muss aus heutiger Sicht mindestens die Diagnose der Geisteskrankheit stark angezweifelt werden. Die Operation, bei der die Eileiter durchtrennt werden, hinterlässt eine grosse Narbe. Elisabeth R. verliert in ihren Aufzeichnungen kein Wort darüber. Bis heute können nur wenige Frauen darüber sprechen. Es ist eine der beschämendsten Zwangsmassnahmen.

Mäusedreck im Hirsebrei

Nach dem Tod der Mutter 1934 und ihrer Scheidung wird Elisabeth R. entmündigt. Von nun an wird sie von einer Klinik in die nächste geschoben, vom Burghölzli in die Anstalt Rheinau in Zürich, dann in die psychiatrische Klinik in Herisau (AR). Überall schuftet die angebliche Patientin wie ein Tier – unbezahlt. Über die Arbeit im Burghölzli schreibt sie: «Morgens um 6.30 Uhr kam die Nachtschwester und weckte mich. ‹Stehen Sie auf und helfen Sie mir, die Zellen zu leeren.› Manchmal waren die Schlafsäcke ganz verschmiert und nass, denn viele machten nur alles auf den Boden und verschmierten damit noch die Wände. Wenn die zehn Zellen geleert waren, gab es einen Blechtopf mit Kaffee und ein Stück trockenes Brot.»

Über ihre Arbeit in Herisau berichtet sie: «Wir mussten die Winde putzen, wo die Hirse liegt. Welch ein Dreck und Staub! Die Mäuse liefen einem über die Füsse, grosse alte Säcke, verfressen von den Mäusen. Nun wusste ich, warum sich die Schwestern immer ekelten, wenn sie uns am Mittag den Hirsebrei schöpften. Er war schwarz vor Mäusedreck.»

1949, Elisabeth R. ist jetzt 48, erwirkt ihr Vormund die Anstaltsentlassung. Sie muss jetzt in Hotels, Altersheimen und Privathaushalten arbeiten. Erst 1954 spricht man ihr die Mündigkeit wieder zu. 1978 schreibt sie ihre Erlebnisse auf 90 Seiten nieder, manchmal in kindlicher Naivität zwar, doch ihre Sprache und ihre Schrift sind klar, wäre sie tatsächlich geisteskrank, wäre sie dazu kaum imstande.

1991 stirbt Elisabeth R. Ihre Nichte übergibt die gesammelten Akten und das Tagebuch dem Historiker Thomas Huonker, der ihre Geschichte rekonstruiert. Er sagt: «Der Fall zeigt, dass Menschen, die zur Zeit der administrativen Versorgung einmal als ‹geisteskrank› eingeteilt wurden, kaum eine Chance hatten, diesem Stigma zu entkommen.» Elisabeth R. versuchte, fleissig und angepasst zu sein. Es brachte ihr nichts, sie war einfach eine kostenlose Arbeitskraft, die man nach Belieben ausnutzte.

Historische Aufarbeitung: Das Ringen um verschlossene Akten

Nach drei Jahren Forschungsarbeit veröffentlicht die unabhängige Expertenkommission (UEK) in diesem Jahr insgesamt zehn Bände, in denen Historikerinnen und Historiker die administrative Versorgung der Schweiz aufarbeiten. Diese gehört, wie das Verding- und Heimkindersystem, zu den fürsorgerischen Zwangsmassnahmen. Die Bücher über die administrative Versorgung erscheinen gestaffelt, ein Teil der Bände ist ab Montag in den Buchhandlungen erhältlich. Die Forscher stiegen in Archive, sie recherchierten anhand von Anstaltsakten, Behördenunterlagen wie Regierungsratsprotokollen und Polizeirapporten, Selbstzeugnissen von Betroffenen wie Tagebuchaufzeichnungen oder Briefen, und sie führten Interviews mit Betroffenen und Zeitzeugen.

Ein grosser Teil dieses Quellenmaterials ist allerdings auch heute nicht frei zugänglich. Aus Gründen des Datenschutzes sind die Akten mit kantonal unterschiedlichen, bis zu 120-jährigen Sperrfristen belegt. Die Historiker erhielten für ihre Forschung dennoch Zugang zu diesen Quellen, aber nur unter Einhaltung von Bedingungen, insbesondere strikten Anonymisierungsregeln.

Historiker Thomas Huonker erklärt: «In vielen Kantonen machten sich auch die Ärzte und Gesundheitsdirektionen für einen noch strengeren Datenschutz stark. Ich persönlich halte diese überlangen Sperrfristen für unangemessen.» Der Einsatz der Ärzte sei nicht nur uneigennützig erfolgt: «Der strenge Datenschutz ist auch ein Täterschutz.» Nicht nur Opfer, auch Behördenmitglieder oder Mediziner wie Psychiater, die damals Entscheide trafen, hätten ein Recht auf Persönlichkeitsschutz.

UEK-Präsident Markus Notter sagt: «Wer ein Interesse hat an der öffentlichen Aufarbeitung ausserhalb historischer Forschung, wird durch die langen Sperrfristen ein Stück weit enttäuscht.» Die medizinischen Daten seien ein Sonderfall. Lange sei gar nicht klar gewesen, ob die medizinischen Akten – etwa über die Zwangssterilisationen – überhaupt jemals freigegeben würden. Diese ausgehandelten langen Sperrfristen seien ein Kompromiss. (ria.)
(https://nzzas.nzz.ch/hintergrund/weggesperrt-und-sterilisiert-wie-schweizer-behoerden-das-leben-von-60-000-unschuldigen-zerstoerten-ld.1482890)

 


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