Medienspiegel 16. April 2019

+++ST. GALLEN
Passant findet Schädel von Asylsuchendem
In einem Wald bei Sargans haben Polizisten die Überreste des Asylsuchenden E. A. aufgefunden. Der Kurde war vor acht Monaten als vermisst gemeldet worden.
https://www.20min.ch/schweiz/news/story/Raetsel-um-Schaedel-von-Asylsuchendem-31294397
-> http://www.tvo-online.ch/mediasicht/70714
-> https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/sarganserland-schaedel-von-vermisstem-asylbewerber-entdeckt-ld.1111670

+++THURGAU
Petition wird nicht erhöhrt: Die Tägerwiler Asylcontainer sind «absolut zumutbar»
Der Gemeinderat sieht keinen Handlungsbedarf bei der Unterbringung von Asylsuchenden. Eine Petition hatte den Standort der Wohncontainer direkt neben der Kompostieranlage kritisiert.
https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/kreuzlingen/petition-wird-nicht-erhoehrt-die-taegerwiler-asylcontainer-sind-absolut-zumutbar-ld.1111394
-> https://www.toponline.ch/news/thurgau/detail/news/asylcontainer-taegerwilen-ein-unwuerdiger-zustand-00109619/

+++SCHWEIZ
Drei Jahre danach – Gefragte Schweizer Flüchtlingshilfe
Hebammen, die schwangere, geflüchtete Frauen in einem Lieferwagen betreuen, eine Organisation, die sich in Serbien um geflüchtete Kinder kümmert und ein Projekt, das medizinisches Mobiliar für zerstörte Spitäler in Syrien sammelt: Schweizer Engagement ist noch immer hochwillkommen.
https://www.srf.ch/radio-srf-1/radio-srf-1/drei-jahre-danach-gefragte-schweizer-fluechtlingshilfe

+++DEUTSCHLAND
Erzwungene Geheimniskrämerei –wie das BMI weiter versucht, Zivilgesellschaft zu kriminalisieren
Der Entwurf des »Geordnete-Rückkehr-Gesetzes« bleibt auch für die Zivilgesellschaft bedrohlich. Statt einen neuen Straftatbestand zu schaffen, verweist er auf bestehende Strafvorschriften zum Geheimnisverrat. Die dort vorgesehene »Beihilfe«, derer sich zivilgesellschaftliche Akteure schuldig machen können, ermöglicht ebenso eine harte Strafe.
https://www.proasyl.de/news/erzwungene-geheimniskraemerei-wie-das-bmi-weiter-versucht-zivilgesellschaft-zu-kriminalisieren/

Herausekeln als Staatsräson
Bis zuletzt reißt die Kritik an Seehofers Asylverschärfungsplänen nicht ab
Über 20 Gesetzesänderungen gab es seit 2015, dem Jahr der »Flüchtlingskrise«. Die meisten beinhalteten Verschärfungen für die Betroffenen. An diesem Mittwoch ist es wieder einmal soweit.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1116965.asylrecht-herausekeln-als-staatsraeson.html

Abschiebungen aus Deutschland Albtraum für alle
Mehr als 23.000 Menschen wurden 2018 aus Deutschland abgeschoben – reibungslos verläuft dies selten. Unser Korrespondent hat Bundespolizisten im Abschiebebereich des Frankfurter Flughafens begleitet.
https://www.tagesschau.de/inland/abschiebungen-frankfurt-101.html

+++MITTELMEER
EU-Mission „Sophia“: Mogherini fordert Rückkehr der Einsatzschiffe ins Mittelmeer
Die EU-Außenbeauftragte Mogherini hat an die Mitgliedsstaaten appelliert, die Schiffe zur Bekämpfung von Schleusern wieder ins Mittelmeer zu verlegen.
https://www.deutschlandfunk.de/eu-mission-sophia-mogherini-fordert-rueckkehr-der.1939.de.html?drn:news_id=997814

«In Libyen droht eine humanitäre Katastrophe» – Echo der Zeit
Ahmed Miitig, der stellvertretende Chef der libyschen Regierung war in Rom, um über die Lage in seinem Land zu informieren. Er warnte die italienische Regierung vor einer neuen Flüchtlingswellen, falls die momentanen Kämpfe eskalierten.
https://www.srf.ch/play/radio/popupaudioplayer?id=6e8c65dd-db9a-4124-97aa-bc251eacd672
-> https://www.srf.ch/news/international/machtkampf-im-maghreb-staat-libyens-vizeregierungschef-warnt-vor-neuer-fluechtlingswelle
-> https://www.tagesschau.de/ausland/libyen-tripolis-101.html

Italien befürchtet neue Flüchtlingswelle
Wegen der Bürgerkriegswirren in Libyen befürchtet Italien eine neue Flüchtlingswelle. Salvini will die Häfen geschlossen halten
https://derstandard.at/2000101529618/Italien-befuerchtet-neue-Fluechtlingswelle?ref=rss

Momentaufnahme aus MaltaMittelmeer-Drama: Auf dem Friedhof begreife ich, dass wir nie aufhören dürfen, zu kämpfen
Malta wollte keinen einzigen von ihnen: Zwar durften die im Mittelmeer von einem deutschen Schiff geretteten Migranten im kleinsten EU-Staat an Land gehen, von dort müssen sie aber weiter, unter anderem nach Deutschland. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Helge Lindh hat sich am Wochenende ein Bild von der Lage in Malta gemacht. Ausgerechnet ein Besuch auf einem Friedhof zeigt ihm: Es gibt Hoffnung.
https://www.focus.de/politik/ausland/momentaufnahme-aus-malta-mittelmeer-drama-auf-friedhof-begreife-ich-dass-wir-nie-aufhoeren-duerfen-zu-kaempfen_id_10593175.html

+++FREIRÄUME
«Wir sind überlastet – es kann so nicht weitergehen»
Die stellvertretende Leiterin des Frauenhauses Nicole Rubli sagt im Interview mit dieser Zeitung, warum die einzige solche Einrichtung im Berner Oberland häufig überbeansprucht ist und was es braucht, um die Situation zu entschärfen.
https://www.jungfrauzeitung.ch/artikel/172885/

+++GASSE
Trotz mildem Winter viele Übernachtungen im Zürcher «Pfuusbus»
Trotz vergleichsweise warmen Temperaturen haben auch in diesem Winter viele Obdachlose Unterschlupf im Zürcher «Pfuusbus» gesucht. Die Sozialwerke Pfarrer Sieber zählten 4801 Übernachtungen von 230 verschiedenen Menschen.
https://www.limmattalerzeitung.ch/limmattal/trotz-mildem-winter-viele-uebernachtungen-im-zuercher-pfuusbus-134352609

+++SPORTREPRESSION
«Stellt die Chaoten aufs Abstellgleis»
Nach dem Spiel zwischen dem FCB und den Grasshoppers randalierten die GC-Fans in Pratteln. Nationalrat Thomas de Courten fordert jetzt nach Massnahmen.
https://telebasel.ch/2019/04/16/stellt-die-chaoten-aufs-abstellgleis

+++BIG BROTHER
Racial Profiling mit künstlicher Intelligenz: So werden Uiguren in China überwacht
Peking hatte 2017 seinen Plan verkündet, bei der KI-Industrie weltweit die Führung zu übernehmen. Seit einiger Zeit wächst international die Sorge, dass die Technologie für eine umfassende Überwachung durch die Polizei missbraucht werden könnte.
https://www.watson.ch/international/digital/155508774-uiguren-china-setzt-gesichtserkennung-bei-fahnung-ein

DNA-Fahndung ausweiten?
Hätte man so einen Fall Rupperswil früher aufklären können? Justizministerin Keller-Sutter will, dass die Polizei bei Verbrechen künftig DNA-Spuren genauer auswerten darf – z.B. nach Haar-, Augen- und Hautfarbe. Doch bei welchen Verbrechen soll diese Methode eingesetzt werden? Und wie sieht es mit dem Datenschutz aus? Kommt es nicht zu Vorverurteilungen?
https://www.telem1.ch/talktaeglich/dna-fahndung-ausweiten-134308779

+++POLICE GE
Polizeiaffäre erschüttert Genf
https://www.srf.ch/play/tv/popupvideoplayer?id=bef2d416-a779-4272-9ff6-f506fcc2789e&startTime=49.584

+++ANTIFA
Themenabend zur rechten Szene auf Arte: Alt-Right mal zwei
Arte macht einen Themenabend zu rechtsextremistischen Netzwerken in den USA. Doch ein Film ist so stark gekürzt, dass er nicht funktioniert.
http://taz.de/Themenabend-zur-rechten-Szene-auf-Arte/!5585143/

+++ANTIRA
L’AMAR: Antirassistisches Zentrum in Neuchâtel
„Alles begann vor drei Jahren. Die Zahl der Asylgesuche nimmt zu, die Asylsuchenden werden in Zivilschutzbunker überall in der Schweiz parkiert und weil von den staatlichen Stellen keine Mittel zur Verfügung gestellt werden, mobilisiert sich eine Gruppe von Besetzer*innen und beschliesst, ein Gebäude der Stadt zu besetzen.“
https://antira.org/2019/04/16/lamar-antirassistisches-zentrum-in-neuchatel/

Ausweitung des Anti-Rassismus-Gesetzes
«Es muss legal sein, ein Arschloch zu sein» – Der Präsident der Jungen SVP findet deutliche Worte gegen die Reform des Anti-Rassismus-Gesetzes. Zusammen mit der EDU hat die Junge SVP das Referendum gegen die Erweiterung der Strafnorm auf Aufrufe zu Hass und Diskriminierung gegen Homosexuelle und Bisexuelle ergriffen. Völlig unverständlich finden das die Schwulen- und Lesbenorganisationen. Schutz vor Gewalt oder Beschneidung der Meinungsfreiheit? Im «TalkTäglich» kommt es zum Schlagabtausch.
https://www.telezueri.ch/talktaeglich/ausweitung-des-anti-rassismus-gesetzes-134308851

+++JUSTIZ
derbund.ch 16.04.2019

Rechte Vorherrschaft an Berner Gerichten

Ein internes Papier zeigt: Die SVP ist am Obergericht übervertreten. Die Bürgerlichen würden die linken Kandidaten verhindern, heisst es bei der SP.

Calum MacKenzie

Die Justitia-Figur am Berner Gerechtigkeitsbrunnen trägt eine Augenbinde als Symbol für die Unparteilichkeit der Justiz. Wörtlich genommen trifft der Begriff aber auf die wenigsten bernischen Richter zu: Die Mehrheit der Mitglieder der kantonalen Gerichtsbehörden sind auch Mitglied einer Partei, während nur ein Bruchteil der Schweizer Bevölkerung ein Parteibuch besitzt.

Das ist kein Zufall: Kantonale Richter werden durch den Grossen Rat gewählt. Nach den Qualifikationen fürs Amt achten die Parlamentarier darauf, dass die Parteien in den Gerichten ihrem Sitzanteil im Rat entsprechend vertreten sind.

Dabei stützen sie sich auf ein ungeschriebenes, seit Jahrzehnten etabliertes Konkordanzsystem. Die Parteimitgliedschaften der bernischen Richter werden auf einer bisher unter Verschluss gehaltenen Liste festgehalten. Der «Bund» hat die Liste aufgrund des Öffentlichkeitsgesetzes nun von den Behörden erhalten (die Liste finden Sie an dieser Stelle als PDF: http://richter.derbund.ch).

Übergewicht im Obergericht

Das Dokument der Justizkommission des Grossen Rates zeigt, dass die bernische Justiz derzeit bürgerlich dominiert ist. Dies nicht nur, weil es der Grosse Rat ebenso ist: Am Obergericht sind SVP, BDP und FDP insgesamt um fast 19 Prozentpunkte besser vertreten als im Kantonsparlament. Vor allem bei der SVP ist der Unterschied markant.

SP, Grüne und GLP hingegen sind weniger gut repräsentiert, als sie es im Grossen Rat sind. Dieselbe Tendenz zeichnet sich über die Gesamtheit aller kantonalen Gerichtsbehörden ab, wobei die Verteilung etwas ausgewogener ist als im Obergericht. In den Regionalgerichten (ohne Laienrichter) ist die SVP, anders als die anderen grossen bürgerlichen Fraktionen, leicht untervertreten.

Wechselnde Allianzen

Kleinparteien haben oft Mühe, für die Erfüllung ihrer Richteransprüche Personal zu finden. Die grösseren linken Parteien sehen andere Gründe: SP-Fraktionschefin Elisabeth Striffeler verweist auf die bürgerliche Mehrheit im Grossen Rat. «Diese hat die Macht, unsere Kandidaten nicht zu wählen.» In der Vergangenheit hätten Bürgerliche dafür gesorgt, dass die Gerichte mit rechten Richtern versorgt blieben.

Das bestätigt Antonio Bauen, grüner Grossrat und Mitglied der Justizkommission: «Es hat schon Kampfwahlen gegeben, wo das Kräfteverhältnis im Parlament gespielt hat und die Proporzansprüche nicht berücksichtigt wurden.»

Patrick Freudiger bestreitet dies. «Wir haben immer auf die berechtigten Ansprüche der linken Parteien geachtet», sagt der SVP-Grossrat und Vizepräsident der Justizkommission.

Das jetzige Ungleichgewicht sei nur eine Momentaufnahme. Eine Zeit lang sei auch die SVP im Obergericht untervertreten gewesen. «Das sah ich damals nicht als rechtsstaatliches Problem; jetzt ist die Übervertretung auch keins.»

Erst vor kurzem verschob sich die Zusammensetzung des Obergerichts zugunsten der Bürgerlichen: Im September wurden ein SVP- und ein FDP-Kandidat ins Obergericht gewählt, nachdem ein grüner und ein SP-Richter zurückgetreten waren.

Im März hingegen spannten SP und SVP zusammen, um mit ihren Kandidaten für die Ersatzmitgliedschaft des Obergerichts einen FDP-Richter auszustechen. «Die FDP steht durchs Band signifikant über der ihnen zustehenden Vertretung», sagt SP-Grossrätin Striffeler.

Weil man Richter nach Wahlverlusten nicht auf die Strasse setze, könne es vorkommen, dass Parteien in den Gerichten vorübergehend besser repräsentiert seien als im Grossen Rat. So erklärt FDP-Fraktionschef Adrian Haas das Übergewicht seiner Partei. Und weil die FDP im Kanton Bern wieder zulegen werde, sei die Vielzahl an freisinnigen Richtern gerechtfertigt, so Haas.

Personalproblem der SVP

Während es bei der Zusammensetzung des Obergerichts zu Schwankungen kommt, sind einige juristische Gremien in fester Hand eines politischen Lagers. So sind etwa die Bodenverbesserungskommission und die Enteigungsschätzungskommission stark bürgerlich geprägt.

Das Jugendgericht hingegen ist ausschliesslich von Parteilosen und von Mitte-links besetzt. «Da haben wir Aufholbedarf», sagt Freudiger. Der SVP falle es schwer, als jugendstrafrechtliche Fachrichter qualifizierte Mitglieder zu finden. «Da kommen oft Heimleiter oder Sozialarbeiter infrage, und die sind selten in unserer Partei.»

Der Parteiproporz wird angestrebt, weil die Gerichte möglichst die Gesinnungen und Haltungen der Gesellschaft abbilden sollen. Was zähle, sei aber die Qualität der Rechtsprechung, sagt Freudiger. «Im Kanton Bern waren wir schon immer im grünen Bereich.»

Auch der grüne Grossrat Antonio Bauen findet, die Richterinnen und Richter leisteten gute Arbeit. «Sie können gut zwischen Gesinnung und Job unterscheiden.» Deswegen frage er sich, ob die Gerichte überhaupt nach Parteibuch besetzt werden müssten. «Aber wenn schon parteipolitisch gewählt wird, dann sollten die Gerichte den Willen des Wählers reflektieren.»

Das kann das Vertrauen in die Justiz beeinträchtigen»

Herr Trenkel, Sie waren parteiloser Oberrichter. Die meisten Richter sind aber Parteimitglied. Fühlt man sich da etwas einsam?

Nein, einsam nicht. Eher als privilegierter Exot.

Sollten nicht alle Richter unabhängig sein?

Ja, alle Richterinnen und Richter sollen, ja müssen unabhängig sein und unparteiisch sowie unbefangen nach Massgabe des Rechts urteilen. In der Arbeit der Gerichte geht es aber darum, einen oft umstrittenen Sachverhalt zu klären und abstrakt formulierte Rechtsnormen darauf anzuwenden. Dabei gibt es fast immer gewisse Ermessensspielräume. Die Persönlichkeiten der Richter fliessen so zwangsläufig bis zu einem gewissen Grad in die Urteilsfindung ein. Sie müssen sich permanent um Unabhängigkeit und Unvoreingenommenheit bemühen.

Was halten Sie vom System, dass die Richterposten nach Parteibuch vergeben werden?

Das System hat Stärken und Schwächen. Richter gewinnen an demokratischer Legitimation, und es ist sinnvoll, wenn ihr politischer Hintergrund transparent ist. Man muss sich jedoch auch fragen, ob es richtig ist, dass selbst bestens qualifizierte Parteilose kaum Wahlchancen haben. Oder dass eine starke Partei Ansprüche auf Richterstellen geltend machen kann, ungeachtet der von ihr vertretenen Werte. Der Proporz darf bei der Richterwahl nicht das einzige Kriterium sein. Die Fachkenntnisse der Kandidaten müssen erste Priorität haben. In meiner Zeit im Obergericht war dies auch so.

Parteilose haben auch politische Ansichten, bloss kennt man diese nicht. Haben Sie Ihre Haltung in Ihre Entscheide einfliessen lassen?

Ich habe mich als Richter darum bemüht, meine Unabhängigkeit zu wahren und meine Aufgaben nach Massgabe des Rechts zu erfüllen. Eine verdeckte politische Agenda habe ich nie verfolgt. Aber natürlich haben Parteilose wie parteipolitisch gebundene Richter persönliche Meinungen zu politischen Fragen. Aufgrund meiner Erfahrungen bin ich allerdings der Überzeugung, dass der tatsächliche Einfluss einer parteipolitischen Bindung eines Richters auf die Urteilsfindung überschätzt wird.

Woraus schliessen Sie das?

Andere Persönlichkeitsaspekte sind wichtiger. Bei guter Beratungskultur im Gremium lassen sich aus den einzelnen Voten eigentlich nie Rückschlüsse auf eine parteipolitische Zugehörigkeit ziehen. Auch sind Richter mit gleichem politischem Hintergrund bei der Arbeit keineswegs immer gleicher Auffassung. Dementsprechend habe ich es nie erlebt, dass ein Urteil aufgrund von parteipolitischen Vorlieben so oder anders ausgefallen wäre.

Warum spielt die Parteizugehörigkeit der Richter bei Wahlen im Grossen Rat denn so eine grosse Rolle?

Das kann ich nicht abschliessend beurteilen. Aber das Parteiproporz-System führt dazu, dass ein faktischer Zwang zur Mitgliedschaft in einer politischen Partei besteht. Für die Unterstützung bei Wahl und Wiederwahl erheben die Parteien bei «ihren» Richtern Abgaben, sogenannte Mandatssteuern. Diese sind ein nicht unwesentliches Mittel zur Parteienfinanzierung. Auch wenn der Finanzbedarf der Parteien ausgewiesen ist: Das kann das Vertrauen in die Unabhängigkeit der Justiz beeinträchtigen. Wenn Richter, die für ihre Wahl oder Wiederwahl auf Unterstützung ihrer Partei angewiesen sind, dieser jährlich Zahlungen in beträchtlicher Höhe leisten, kann der Eindruck entstehen, dass zwischen Parteien und Richtern ein Abhängigkeitsverhältnis besteht.

Was ist, wenn ein parteipolitisches Lager ein Gremium dominiert?

Vorübergehende Verzerrungen im Proporz des gesamten Richterbestandes aufgrund von veränderten Sitzanteilen der Parteien müssen in Kauf genommen werden. Sie sind bei der nächsten Vakanz anlässlich der Ergänzungswahl zu korrigieren. Sicher wäre es zudem wünschenswert, wenn auch die Spruchkörper der Kollegialgerichte in jedem einzelnen Verfahren parteipolitisch ausgewogen zusammengesetzt werden könnten. Aufgrund der begrenzten Anzahl von verfügbaren Richtern geht das nicht immer, da auch andere Vorgaben zur Zusammensetzung des Gerichts, etwa zu Amtssprachen und Geschlecht, zu berücksichtigen sind.
(https://www.derbund.ch/bern/rechte-vorherrschaft-an-berner-gerichten/story/21446599)