Was ist neu?
Neuer Ausschaffungsdeal der Schweiz mit Bangladesch
Bangladesch ist der 62. Staat mit dem die schweizer Behörden einen Ausschaffungsdeal abgeschlossen haben. Die Herrschenden in Bangladesch verpflichten sich gemäss Abkommen, die Schweiz bei Identitätsabklärungen zu unterstützen und Menschen, die gewaltsam gegen ihren Willen abgeschoben werden, zurückzunehmen. In der Medienmitteilung zum Deal feiert das Staatssekretariat für Migration zudem seine herausragende Brutalität in Sachen Abschiebungen: „Die Schweiz ist mit einer Rückweisungsquote von knapp 60 Prozent eines der effizientesten Länder Europas im Bereich des Wegweisungsvollzuges. Entsprechend konnten die Vollzugspendenzen seit Herbst 2013 von 7’293 auf 3’949 Fälle per Ende 2018 reduziert werden“
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-74615.html
Der Bundesrat macht Druck auf Eritrea
2017 entschied das Bundesverwaltungsgericht, dass eine Rückkehr von eritreischen Staatsbürger*innen in ihr Ursprungsland zumutbar sei. Seither fährt das SEM gegenüber Eritreer*innen einen härteren Kurs. 2015 wurden 4.4% der Asylgesuche von Eritreer*innen abgelehnt, letztes Jahr (2018) waren es 19.5%. Vorallem seit Eritrea und Äthiopien letzten Sommer nach 20 Jahren offiziell Frieden geschlossen haben, fordern schweizer Politiker*innen vom Bund, sich härter für Zwangsausschaffungen nach Eritrea einzusetzen, da kein Krieg mehr herrsche. Dies, obwohl sich die Situation kaum geändert hat, Eritrea ist nach wie vor eine Militärdiktatur.
Nun lädt der schweizer Aussenminister Cassis den eritreischen Aussenminister in die Schweiz ein, um mit ihm Zwangsausschaffungen nach Eritrea zu besprechen. Im Moment besteht noch kein Ausschaffungs-Abkommen mit Eritrea. Das bedeutet, abgewiesene Eritreer*innen werden ins Elend abgedrängt und viele sehen sich gezwungen, unterzutauchen. 2018 kehrten 68 Leute freiwillig nach Eritrea zurück, 576 dagegen sind untergetaucht. Justizministerin Keller-Suter begründet dieses feige Vorgehen der schweizerischen Behörden damit, dass den Menschen klargemacht werden müsse, dass sie in der Schweiz nicht bleiben können und der Druck auf diese Leute aufrecht erhalten werden müsse.
https://www.srf.ch/news/schweiz/verschaerfte-asylpraxis-der-bundesrat-macht-druck-auf-eritrea
https://www.20min.ch/schweiz/news/story/Cassis-laedt-eritreischen-Minister-in-die-Schweiz-ein-20672163
Rettungsschiff „Alan Kurdi“ seit 9 Tagen ohne Anlegehafen
Der Gesundheitszustand der 64 geretteten Migrant*innen auf der „Alan Kurdi“ verschlechtert sich rapide. Seit dem 3. April ersucht das Rettungsboot um einen Anlegehafen. Zwei Personen mussten bereits notfallmässig evakuiert werden, eine davon ist schwanger und erlitt einen epileptischen Anfall. Bislang zeigt sich kein Land bereit, die Flüchtenden aufzunehmen. Wieder einmal mehr werden die Folgen der unkoordinierten und menschenfeindlichen Europapolitik deutlich. NGO-Schiffen wird jegliche Hilfe verwährt, während die libysche Regierung Millionen erhält, um die Migration nach Europa zu stoppen. Eine Regierung, die kaum mehr Gebiete im eigenen Land kontrolliert und gerade mit der militärischen Verteidigung ihrer Hauptstadt beschäftigt ist. Dass einer solchen Regierung nicht diese Verantwortung übertragen werden darf, zeigte sich gestern wieder, als 8 Personen vor der libyschen Küste ertranken, nach dem stundenlang jegliche Notrufe ignoriert wurden.
https://www.dw.com/cda/de/k%C3%A4mpfe-in-libyen-verschlimmern-die-lage/a-48273940
https://www.theguardian.com/world/2019/apr/10/stranded-ship-runs-low-on-vital-supplies-for-migrants-and-refugees
https://sea-eye.org/lage-an-bord-der-alan-kurdi-spitzt-sich-zu/
https://ffm-online.org/seit-6-uhr-sos-vor-libyen-eu-laesst-in-oeffentlichkeit-ertrinken/
Was ist aufgefallen?
1,7 Millionen Franken zur Förderung einer Kolonialsprache.
‚Frankophonie‘ ist eine internationale Organisation zur Förderung der Verwendung der französischen Sprache. In der ‚Francophonie‘ vertreten sind auch zahlreiche Staaten, die von Frankreich kolonialisiert wurden. In diesen Staaten erstickt die französische Sprache lokale Sprachen und Dialekte. In diversen afrikanischen Staaten ist es in Schulen verboten, die Muttersprache zu sprechen. Ab dem ersten Schultag lernen die Kinder mit dieser zu brechen und sind gezwungen eine Fremdsprache zu sprechen. Auch dominiert Französisch in diesen Ländern die mediale Berichterstattung. Auf der Suche nach Informationen zu lokalen Themen sind Millionen von Afrikaner*innen gezwungen, auf französische Medienberichte zurückzugreifen.
Somit fördert die ‚Francophonie‘ nicht nur das Französisch, sondern auch das Fortbestehen der kolonial-rassistischen Wirkung dieser Sprache.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-74638.html
NZZ rät Bolsonaro zu Austeritätspolitik
Am 11. September 1973 putschte sich in Chile Pinochet an die Staatsmacht. Es folgten x-tausend Morde, Verschleppungen und Folter von missliebigen Personen. Dazu errichtete Pinochet ein neoliberales Laissez-faire Wirtschaftsregime, das grosse Teile der chilenischen Bevölkerung verarmen liess und die chilenischen Staatsbetriebe an ausländische Grosskonzerne verscherbelte. Das fanden damals die westlichen bürgerlichen Medien ganz ganz toll.
Wenn Alexander Busch diese Woche in der NZZ über Bolsonaros erste 100 Tage als Präsident Brasiliens schreibt, sind die Parallelen nicht zu übersehen. Da heisst es zwar schon Bolsonaro sei „umstritten“ aber am wichtigsten von allem seien nun Privatisierungen: „Nur mit einer Rentenreform, Privatisierungen und starken Einschnitten kann die Regierung das Anwachsen des Haushaltsdefizits stoppen“. Wichtig für die Beurteilung von Präsident*innen ist also für die NZZ nicht, ob diese vorhaben, Oppositionelle, Schwule und Strassenkinder töten zu lassen, sondern ob sie wohl brav den neoliberalen Staatsabbau vorantreiben, obwohl es kein einziges Beispiel gibt, wo den Menschen, die nicht eh suppereich sind, ein solches Vorgehen was gebracht hat.
https://www.nzz.ch/wirtschaft/brasilien-praesident-jair-bolsonaro-seit-100-tagen-im-amt-ld.1473126?kid=nl105_2019-4-11&reduced=true&mktcid=nled&mktcval=105_2019-04-11
Keine aussagekräftigen Rassismusstatistiken in der Schweiz
‚Humanrightswatch.ch‘ hat im Auftrag des Bundes Beratungs- und Integrationsstellen abgeklappert um herauszufinden, wie viele rassistische Vorfälle es im 2018 gegeben hat. Allerdings sind die Resultate überhaupt nicht aussagekräftig. Die Stellen, die in der Schweiz solche Vorfälle statistisch erfassen, betreffen nur ein paar Stellenprozente, viel zu wenig um ein gutes Bild zu bekommen. Für einige Kantone gibt es überhaupt keine Zahlen. Kommt hinzu, dass nur ein kleiner Bruchteil der Vorfälle überhaupt diesen Stellen zu Ohren kommen, denn wer geht schon aufs Integrationsamt, wenn er*sie rassistisch angepöbelt wurde, um dort eine Meldung zu machen. Es verwundert nicht, dass es in der Schweiz keine aussagekräftigen Statistiken zu rassistischen Übergriffen gibt, denn von staatlicher Seite zeigt bisher keine halbgekochte Kartoffel ein Interesse darfür, gegen den Rassismus in der Schweiz vorzugehen.
https://www.humanrights.ch/de/menschenrechte-schweiz/inneres/rassismus/studien/beratungsnetz-rassismusopfer-auswertungsbericht-2018
https://www.srf.ch/news/schweiz/278-faelle-im-jahr-2018-wo-sich-rassismus-am-haeufigsten-zeigt
Stadt Frauenfeld reduziert für Menschen im Asylbereich die Sozialhilfe
Die Stadtbehörden von Frauenfeld halten es für eine gute Idee, Asylsuchenden die Sozialhilfe-Tagespauschale zu senken, um „den Haushalt auszugleichen“. Betroffen sind Personen in einem laufenden Asylverfahren und vorläufig aufgenommene Personen in den ersten sieben Jahren. In Frauenfeld sind das 15 Dossiers mit 52 Personen. Die Senkung des Grundbedarfs – also alles ausser Miete und Krankenkasse – bedeutet für eine vierköpfige Familie eine Senkung von 1’688 auf 1’477.- im Monat. Eine Einzelperson bekommt 428 statt 489 Franken im Monat. Schon vorher war die Stadt Frauenfeld 20% unter der SKOS-Richtlinie. Der Gipfel: „Im Rahmen von «Balance» sei es darum gegangen, mögliches Sparpotenzial in der Verwaltung auszuloten“. Also statt z.B. Gehälter der am besten Verdienenden im Departement zu senken, wird bei der Sozialhilfe der Allerschwächsten abgezwackt. Einfach nur mies.
https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/frauenfeld/noch-weniger-von-wenig-ld.1108522
Wo gab es Widerstand?
‚March of Hope‘ von Griechenland nach Mitteleuropa
Über 2000 Menschen haben sich diese Woche zusammengeschlossen, um sich gemeinsam von Griechenland auf den Weg nach Mitteleuropa zu machen. Anscheinend gab es Gerüchte, dass die Grenze zu Nordmazedonien geöffnet sei. Dort wurde 2015 ein stark überwachter Grenzzaun errichtet. Damit wurde die Balkanroute nach Mitteleuropa weitgehend geschlossen.
Der Marsch wurde gewaltsam durch die griechische Polizei blockiert. Diese setzte Tränengas und Blendgranaten ein, um die Menschen auseinanderzutreiben und zurückzudrängen.
Der gemeinsame Marsch war ein Versuch, den katastrophalen Bedingungen in den Lagern auf den griechischen Inseln zu entkommen. Die Situation dort sei kaum mehr auszuhalten. Die Wartezeit für ein Asyl-Interview betrage teilweise mehr als fünf Jahre, die Menschen haben keine Zukunftsperspektive, Kinder können nicht zur Schule und die Wohnverhältnisse sind katastrophal.
Und auch in Athen gab es Widerstand von Menschen auf der Flucht. Ca. 300 Personen, die auf dem Weg nach Norden sind, besetzten den Bahnhof von Athen und legten diesen für mehrere Stunden lahm. Derzeit sitzen über 70’000 Geflüchtete unter teils widrigsten Bedingungen in Griechenland fest.
http://infomobile.w2eu.net/2019/04/06/it-is-about-hope/
http://www.spiegel.de/politik/ausland/griechenland-zusammenstoesse-von-migranten-und-polizisten-an-grenze-zu-nordmazedonien-a-1261648.html
Widerstand gegen die Bestrafung von „Fluchthelfer*innen“
Am Donnerstag wurde der neuenburger Pfarrer Norbert Valley zu einer Busse von 1’000 Franken verurteilt, weil er einem abgewiesenen Asylbewerber eine Unterkunft in seiner Kirche angeboten hat. Nach der Urteilsverkündung kam es zu einer Solidaritätskundgebung von diversen kirchlichen sowie Menschenrechtsorganisationen.
Die Bussen für sogenannte „Fluchthelfer“ liegen zwischen 200 und 10’000 Franken. Derzeit sammelt Amnesty International Unterschriften für eine Petition, die die Unterstützung von illegalisierten Migrant*innen straffrei machen würde, wenn diese aus „achtbaren“ Gründen geschieht. Gleichzeitig wurde eine parlamentarische Initiative der Grünen mit der gleichen Forderung eingereicht. Ob diese Bemühungen erfolgreich sein werden, ist zu bezweifeln. Europaweit geht der Trend jedenfalls in eine andere Richtung. In der Seenotrettung werden Helfer*innen derzeit regelmässig vor die Gerichte gezerrt. Vom Gesetz her wären Strafen von bis zu 20 Jahren Haft möglich.
https://www.nau.ch/news/schweiz/menschenrechtsaktivisten-solidarisieren-sich-mit-neuenburger-pastor-65507225
https://www.tagblatt.ch/schweiz/der-pfarrer-der-zu-viel-geholfen-hat-ld.1110462
https://www.woz.ch/1915/fluechtlingspolitik/die-grosse-kriminalisierung
Was steht an?
Demo: Schwyz ist bunt – zusammen gegen Rassismus
Am Samstag, 13. April um 14 Uhr treffen wir uns am Bahnhof Schwyz, um 14.30 laufen wir los.
https://barrikade.info/Schwyz-ist-bunt-zusammen-gegen-Rassismus-2114
Die Bundesasyllager sind da. Wie weiter mit dem anarchistischen Widerstand?
Samstag 13. April 2019 | 10:30-17:00 (mit z’Mittag) | Infothek Furia | Fabrikool | Fabrikstrasse 16 | Bern
Mit Kompliz*innen aus Basel, Zürich und Bern
In den letzten Jahren haben viele von uns gegen die Bundesasyllager Widerstand geleistet. Trotzdem sind sie nun da. Gemeinsam wollen wir auf vergangene Aktionen und Strategien in den verschiedenen Landesregionen zurückblicken, uns mit der Umsetzung der Lagerpolitik auseinandersetzen und nach vorne schauen, um Widerstandsstrategien zu diskutieren.
Offenes Treffen zu kritischem Weisssein in Bern
Böxli Lorraine | Sonntag 14. April 2019 | 18:00 bis 20:30
„Wir treffen uns in Bern jeweils am 2. Sonntag im Monat, um uns mit den Privilegien unseres Weissseins zu beschäftigen. Wir wollen gemeinsam Handlungsperspektiven für unseren Alltag und für unser politisches Agieren entwickeln.“
Lesens -/Hörens -/Sehenswert
Augenauf-Bulletin: Standards zur Beurteilung von Foltervorwürfen
Die Einführung internationaler Standards zur Beurteilung von Foltervorwürfen interessiert die Schweiz weiterhin nicht. Der Fokus liegt auf der Ablehnung möglichst aller Asylgesuche
https://www.augenauf.ch/images/BulletinProv/BulletinNr100Maerz2019.pdf S. 24f
Polyphon: Zwei Grenzgänger im Mittelmeer
https://polyphon-rabe.ch/wp/zwei-grenzgaenger-im-mittelmeer/
Die Broschüre der Kampagne Zukunft für Alle – Schule ohne Abschiebung ist da!
Lest die Hintergründe der Kampagne, wie ihr Kinder und Jugendliche ohne sicheren Aufenthalt unterstützen könnt und an wen ihr euch wenden könnt. Die Broschüre richtet sich an Schulen, Lehrkräfte und Schüler*innen, kann aber auch von allen anderen genutzt werden, die mit jungen Menschen ohne sicheren Aufenthalt arbeiten oder befreundet sind.
https://www.schule-ohne-abschiebung.org/?fbclid=IwAR1FUqYQQyG_G1TOe9IIDFD59YjYVpVKwV4SFb3e8Qtc9XTZREQOoi6QhT4
Schweizer News in acht Sprachen
Tigrinisch, Spanisch, Arabisch: Diaspora TV produziert in einem Könizer Keller Nachrichtensendungen für Migrant*innen. Deren Interessen seien in den Schweizer Medien untervertreten, sagen die Fernsehmachenden.
https://www.bernerzeitung.ch/region/bern/schweizer-news-in-acht-sprachen/story/23612924
Mitmachen
Hast du Lust bei uns mitzumachen? antira.org lebt von antirassistischer Solidarität und gegenseitiger Hilfe. Wir suchen Menschen, die Lust an Webseitenbetreuung, Texte schreiben oder übersetzten haben, oder auch sonstiges antirassistisches Zeugs machen wollen. Hinweise, Kommentare und vor allem Beiträge zu Anti-/Rassismus können zur Veröffentlichung (verschlüsselt) an antira@immerda.ch geschickt werden.
Willst du unseren Newsletter erhalten? Dann kannst du dich hier (https://antira.us19.list-manage.com/track/click?u=6b2d5286912b038038393347c&id=2ddf379ca3&e=985ecbf4ac)anmelden.
Oder willst du unseren Telegram-Kanal abonnieren? Das kannst du hier (https://antira.us19.list-manage.com/track/click?u=6b2d5286912b038038393347c&id=af6e7ba13d&e=985ecbf4ac) machen.