Medienspiegel 21. Februar 2019

+++BERN
Die Begegnungen gehen weiter
Wimmis – Alle Beteiligten haben am runden Tisch beschlossen, das Angebot für Flüchtlinge und Zugezogene in der Pfrundschüür in Wimmis fortzuführen und weiter zu öffnen.
https://www.bernerzeitung.ch/region/oberland/die-begegnungen-gehen-weiter/story/22059584

+++AARGAU
«Ein Drecksloch sondergleichen»: Im Asylheim krabbeln die Kakerlaken – das sagt die Gemeinde
Der hygienische Zustand in der Asylunterkunft Wegenstetten steht in der Kritik – die Gemeinde verweist auf Dienstleister ORS Service AG, an die man die Betreuung der Asylsuchenden umfassend delegiert habe.
https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/fricktal/ein-drecksloch-sondergleichen-im-asylheim-krabbeln-die-kakerlaken-das-sagt-die-gemeinde-134113533

+++SCHWEIZ
Private sollen Flüchtlinge sponsern
Die Schweiz soll mehr besonders verletzliche Flüchtlinge aufnehmen – dank privater Hilfe. Diese Idee der Denkfabrik Foraus ist umstritten.
https://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/private-sollen-fluechtlinge-sponsern/story/23404622

Kritik an der Glaubhafitgkeitsprüfung im Asylwesen – RaBe-Info 21.02.2019 (ab 05:54)
Wer seine Flucht nicht glaubhaft bezeugt, hat keine Chance auf Asyl – so der Grundsatz der Schweizer Migrationsbehörden. Die Mehrheit der Asylgesuche wird denn auch wegen mangelnder Glaubwürdigkeit abgelehnt.
Dies kritisiert die Beobachtungsstelle für Asyl- und Ausländerrecht SBAA in ihrem neuen Fachbericht: Die Anforderungen der Behörden an die Glaubwürdigkeit im Asylverfahren seien viel zu hoch, weil dadurch vor allem besonders verletzliche Personen, wie traumatisierte Personen und Jugendliche, benachteiligt würden.
Die SBAA verlangt deshalb, dass die Traumatisierung von Personen im Asylverfahren nicht als Ausnahme, sondern als Grundsatz anerkannt wird, und alle Beteiligte – Befragende, Dolmetscher und Rechtsvertreterinnen – stärker psychologisch geschult werden, damit sie Traumata frühzeitig erkennen, und die Asylsuchenden an medizinische Fachpersonen verweisen können.
https://rabe.ch/2019/02/21/fragwuerdige-glaubhaftigkeitsanalyse/

Bundesrat gibt Auskunft zu Asyldossiers im Fokus der Sicherheitsbehörden
Im Jahr 2017 hat der Nachrichtendienst des Bundes 38 Asylgesuche wegen Sicherheitsbedenken zur Ablehnung empfohlen. Laut dem Bundesrat befinden sich von den betroffenen Personen aktuell noch 34 Personen in der Schweiz.
https://www.tagblatt.ch/schweiz/bundesrat-gibt-auskunft-zu-asyldossiers-im-fokus-der-sicherheitsbehoerden-ld.1096156
-> Interpellation: https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20184306

Karin Keller-Sutter in Vaduz an einem Innenministertreffen
Bundesrätin Keller-Sutter hat am 21. Februar in Vaduz an einem Arbeitstreffen der Innenministerinnen und Innenminister Deutschlands, Liechtensteins, Österreichs und der Schweiz teilgenommen. Die Gespräche konzentrierten sich auf das Asylwesen und die Terrorismusbekämpfung. Die Vorsteherin des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) warnte ferner vor den potenziellen Folgen des BREXIT für den Sicherheitsbereich.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-74072.html

«Ich war sehr erschüttert»: Eine Adoptivmutter spricht über den Betrug in Sri Lanka
Hunderte Schweizer Paare haben in den achtziger und neunziger Jahren ein Baby aus Sri Lanka adoptiert. Woher die Kinder kamen, wollte kaum jemand so genau wissen. Nun holt die Vergangenheit alle Beteiligten ein: die Kinder, die Behörden – und die Adoptiveltern.
https://www.nzz.ch/schweiz/adoptionsbetrug-in-sri-lanka-eine-adoptivmutter-spricht-ueber-ihre-gefuehle-ld.1460779

+++MITTELMEER
NATO-Mission »Sea Guardian«: offizielle Ziele verfehlt
Nach Angaben der Regierung hat die Bundeswehr im Rahmen des Einsatzes bislang weder Terroristen gefangen noch Geflüchtete gerettet
Die deutsche Armee soll sich nach dem Willen der Bundesregierung weiter am Afghanistan- wie auch am Mittelmeer-Einsatz der NATO beteiligen. Bei Letzterem hat sie keinerlei Resultate vorzuweisen.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1112840.bundeswehr-im-mittelmeer-nato-mission-sea-guardian-offizielle-ziele-verfehlt.html
-> https://www.neues-deutschland.de/artikel/1112876.nato-operation-sea-guardian-deutsche-grenzer-im-mittelmeer.html

Sea-Eye-Schiff ‚Alan Kurdi‘ erreicht die libysche Rettungszone
Regensburg, Palma de Mallorca – Am Donnerstag erreichte das letzte verbliebene Schiff einer Hilfsorganisation die libysche Rettungszone. Es ist der zweite Einsatz des neuen Sea-Eye-Schiffes unter deutscher Flagge, doch der erste Einsatz mit dem neuen Namen Alan Kurdi. Das Schiff verließ am Wochenende den Hafen von Palma de Mallorca. Die lange Anfahrt war alternativlos, weil Malta dem Schiff im Dezember die Einfahrt in den Hafen verweigerte.
https://sea-eye.org/sea-eye-schiff-alan-kurdi-erreicht-die-libysche-rettungszone/

Dementi von marokkanischer Regierung: Es gibt kein Push-Back-Abkommen mit Spanien
Der Pressesprecher der marokkanischen Regierung Mustafa Jalfi hat auf einer heutigen regierungsoffiziellen Pressekonferenz dementiert, dass es ein marokkanisch-spanisches Übereinkommen zur Anlandung geretteter Boat-people durch die spanische Seenotrettung „Salvamento Marítimo“ in marokkanischen Häfen gibt. Das hatte die spanische Tageszeitung „El País“ heute berichtet. Die Nachricht war auch in internationalen Medien mit Erstaunen und Skepsis aufgenommen, da ein solches Abkommen einen regierungsoffiziellen Bruch des Völkerrechts darstellen würde. EU-Staaten haben in den vergangenen Jahren die nordafrikanischen Regierungen mehrmals zu Dementis in der Flüchtlingspolitik genötigt. Mehrfach mussten sie beispielsweise betonen, dass sie keinesfalls EU-Internierungslager auf nordafrikanischem Boden dulden würden.
https://ffm-online.org/dementi-von-marokkanischer-regierung-es-gibt-kein-push-back-abkommen-mit-spanien

Spanien verabredet mit Marokko dauerhaften Massen-Push-Back
Wie die Tageszeitung El País meldet, ist die spanische Regierung mit der marokkanischen Regierung überein gekommen, dass die spanische Seenotrettung „Salavamento Marítimo“ alle geretteten Boat-people in den nächstgelegenen Hafen, d.h. sehr häufig in einen marokkanischen Hafen bringen wird. Spanien und Marokko haben eine gemeinsame Meeresrettungszone. Mit dem angekündigten Massen-Push-Back will die spanische Regierung wie bereits gemeldet die Zahl der anlandenden Boat-people in 2019 im Vergleich zum Vorjahr halbieren. Verantwortlich für diese neue Regel zeichnet die Stelle „Mando Único Operativo“ im spanischen Innenministerium, im August 2018 eingerichtet, an der auch Frontex beteiligt ist. Mitarbeiter von „Salavamento Marítimo“ schätzen, dass mit dieser Push-Back-Regel die Zahl der Toten in der Meerenge von Gibraltar und im Meer zwischen Almería / Alicante und Ostmarokko / Westalgerien sprunghaft ansteigen wird. Boat-people würden sich gegen den Push-Back wehren oder ins Wasser springen, sobald sie gewahr werden, dass die Spanier sie zurück nach Marokko bringen. Zudem sehen sie internationale Probleme für den Fall voraus, wenn Boat-people direkt bei der Rettung Asyl beantragen. – Spanien garantiert im Gegenzug zu dem Massen-Push-Back, dass Marokko dafür Geld von der EU erhalten wird, und wird selbst zwei Patrouillenboote an Marokko liefern. Die spanische Regierung argumentiert, dass die Zahlen der von Spanien Geretteten viel höher seien als die von Marokko Geretteten. Doch die marokkanischen statistischen Angaben liefern ein ausgewogenes Bild.
https://ffm-online.org/spanien-verabredet-mit-marokko-dauerhaften-massen-push-back/
-> https://www.neues-deutschland.de/artikel/1112831.seenotrettung-im-mittelmeer-die-todesfaelle-werden-in-die-hoehe-schiessen.html
-> https://www.zeit.de/politik/deutschland/2019-02/mittelmeer-fluechtlinge-migration-spanien-marokko-ruecknahme
-> Echo der Zeit: https://www.srf.ch/play/radio/popupaudioplayer?id=36cf4bfd-0822-4b9f-95d9-77bfe30bb76c
-> Dementi: https://ffm-online.org/dementi-von-marokkanischer-regierung-es-gibt-kein-push-back-abkommen-mit-spanien
-> https://www.tagblatt.ch/international/spanien-bremst-die-migration-ld.1096074
-> https://www.srf.ch/news/international/abkommen-mit-marokko-spanien-kann-neu-direkt-zurueckschaffen

Spanien und Marokko suchen nach Lösung – Echo der Zeit
Zwischen Spanien und Marokko ist ein neues Migrationsabkommen zustande gekommen. Die beiden Länder haben vereinbart, dass Spanien Flüchtlinge und Migranten, die auf dem Meer aufgegriffen werden, nach Marokko zurückbringen kann. Spanien hofft, den Zuwanderungsdruck so reduzieren zu können.
Beitrag und Fragen an den Maghreb-Spezialisten Beat Stauffer.
https://www.srf.ch/play/radio/popupaudioplayer?id=36cf4bfd-0822-4b9f-95d9-77bfe30bb76c

Bundesregierung bestätigt: Libysche Behörden für Seenotrettung gar nicht erreichbar
„Jede weitere Ausbildung der sogenannten ‚Küstenwache‘ in Libyen geht am Problem vorbei und dient lediglich dazu, die Truppe als Türsteher der Europäischen Union aufzubauen. Laut dem Auswärtigen Amt sei den Besatzungen das Menschen- und Völkerrecht, die Seenotrettung und die Nutzung maritimer Kommunikationskanäle erklärt worden. Angewandt werden die Kenntnisse aber nicht, die Einsätze der Libyer verlaufen weiterhin unprofessionell, brutal und häufig tödlich. Die Zusammenarbeit mit dieser Truppe muss deshalb beendet werden“, fordert der europapolitische Sprecher der Linksfraktion im Bundestag, Andrej Hunko.
https://andrej-hunko.de/presse/pressemitteilungen/4426-bundesregierung-bestaetigt-libysche-behoerden-fuer-seenotrettung-gar-nicht-erreichbar

+++FLUCHT
Weniger als 5 Prozent der benötigten Resettlement-Plätze 2018 zur Verfügung
Weltweit sind mehr Menschen denn je auf der Flucht, 2018 wurden aber nur 4,7 Prozent der benötigten Resettlement-Plätze zur Verfügung gestellt.
https://www.unhcr.org/dach/ch-de/29235-weniger-als-5-prozent-der-benoetigten-resettlement-plaetze-2018-zur-verfuegung.html

+++DROGENPOLITIK
Kokainfabrik mitten in Amsterdam – Echo der Zeit
Das lukrative Geschäft mit dem Drogenhandel hat in einer Stadt wie Rotterdam eine stark anziehende Wirkung – auch auf Jugendliche. Im grössten Hafen Europas werden tonnenweise illegale Drogen geschmuggelt. Mit einer Ausstellung versucht das Rotterdamer Schifffahrtmuseum, die Jugend aufzuklären.
https://www.srf.ch/play/radio/popupaudioplayer?id=66925a0d-8075-442a-96a9-27e77442fd67

+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Bell klagt gegen militante Vegetarier
Die Fleischverarbeitungsfirma Bell will die Besetzung ihres Betriebs in Oensingen nicht auf sich sitzen lassen. Die Aktivisten werden nun angeklagt.
https://www.20min.ch/schweiz/bern/story/Bell-klagt-gegen-militante-Vegetarier-17725703
-> https://www.solothurnerzeitung.ch/solothurn/thal-gaeu/anzeigen-gegen-schlachthof-besetzer-laufen-bell-macht-ansprueche-geltend-134112900

+++MENSCHENRECHTE
NGOs unter Druck: Repressive Gesetze bedrohen Menschenrechtsarbeit weltweit
Nichtregierungsorganisationen (NGOs) sind weltweit massiven Angriffen ausgesetzt. Laut einem Bericht von Amnesty International erlassen Regierungen immer häufiger Gesetze, welche die Überwachung der Organisationen und ihrer Mitarbeitenden ermöglichen und kaum zu überwindende bürokratische Hürden schaffen. Vielen NGOs droht die Schliessung, ihren Angestellten Strafverfolgung und Gefängnis.
https://www.amnesty.ch/de/themen/menschenrechtsverteidiger/dok/2019/ngo-unter-druck-gesetze-bedrohen-menschenrechtsarbeit-weltweit

+++BIG BROTHER
«Die Langstrasse ist komplett überwacht»
An der Zürcher Langstrasse filmen unzählige Kameras den öffentlichen Raum. Statt dagegen vorzugehen, nehmen Ermittlungs¬behörden das illegale Film¬material bei Vorfällen zu Hilfe. Eine Motion von Gemeinde¬räten soll das nun ändern.
https://www.republik.ch/2019/02/21/die-langstrasse-ist-komplett-ueberwacht?
-> https://www.tagesanzeiger.ch/zuerich/stadt/49-kameras-auf-400-metern-strasse/story/31909575
-> Schweiz Aktuell: https://www.srf.ch/play/tv/popupvideoplayer?id=8e8858d4-f3ef-4695-ab03-172af521b3d0
-> Motion: http://www.gemeinderat-zuerich.ch/geschaefte/detailansicht-geschaeft?gId=88a9893d-8b2b-4816-8546-6dc7a72a7e2e

+++POLICE BE
«Wenn jemand in Haft stirbt, wurden Fehler gemacht»
Der Tod eines Mannes in Berner Haft zeigt das Dilemma zwischen Schutz und Privatsphäre.
https://www.derbund.ch/bern/kanton/wenn-jemand-in-haft-stirbt-wurden-fehler-gemacht/story/15219851

derbund.ch 21.02.2019

Der einsame Tod des Kilian S.

Musste ein 20-jähriger Berner sterben, weil er ins Gefängnis statt ins Spital gebracht wurde? Die Staatsanwaltschaft ermittelt nun gegen den Arzt, der die Haft gutgeheissen hat.

Simon Preisig

Die Goa-Party im Quartierzentrum Tscharnergut in Bern-Bethlehem geht am Morgen dieses 25. Dezember dem Ende entgegen. Die Gäste begeben sich auf den Heimweg. Nur Kilian S. geht nirgendwo hin. Der 20-Jährige ist kaum mehr ansprechbar. Er hat Betäubungsmittel konsumiert. Eine Barmitarbeiterin begleitet ihn nach draussen, sie muss ihn stützen. Schliesslich ruft jemand die Polizei. Weniger als 24 Stunden später ist Kilian tot, gestorben in einer Zelle der Polizeiwache am Berner Waisenhausplatz. Wie konnte das passieren?

Kilians Tod hätte vielleicht verhindert werden können. Dies vermutet zumindest die bernische Staatsanwaltschaft für besondere Aufgaben, wo ein auf Medizinalstrafrecht spezialisierter Staatsanwalt den Todesfall untersucht. Er ermittelt gegen den Arzt, der entschieden hat, dass Kilian trotz seines Zustandes in eine Zelle eingesperrt werden darf. Weitere Details zum laufenden Verfahren gibt er nicht preis, wie es auf Anfrage heisst.

Sicher ist: Kilian stand an diesem Abend unter Drogeneinfluss. Dies schreibt die Polizei in ihrer am 26. Dezember verschickten Mitteilung, und dies bestätigen auch Personen aus seinem Umfeld. Klar ist auch, dass die angerückte Polizeistreife Kilian mit auf die Wache nahm. Danach widersprechen sich allerdings die Aussagen. Warum hat die Polizei Kilian auf die Wache mitgenommen? Laut Polizeimitteilung hatte Kilian Diebesgut bei sich. Ein Partygast stellt das jedoch infrage. Ebenso, warum die Polizei überhaupt vor Ort war: Nicht jemand aus der Bevölkerung sei es gewesen, der die Polizei gerufen habe, sondern der Partyorganisator. Laut der Polizeimitteilung hat sich Kilian dann gegen die Verhaftung gewehrt. Auch davon hat der Partygast nichts mitbekommen. Waren Kilians Vorstrafen mit ein Grund, dass er im Gefängnis statt im Spital landete? Auch diese Frage bleibt vorerst offen.

Aber ob Kilian aus gerechtfertigten Gründen festgenommen wurde, ist im nun laufenden Strafverfahren zweitrangig. Die Ermittlungen drehen sich um die Frage, ob Kilian in der Haft medizinisch ausreichend betreut wurde.

Arzt befürwortet Gefängnis

Auf der Wache lässt die Polizei am Morgen dieses 25. Dezember von einem Arzt beurteilen, ob Kilian eingesperrt werden darf. Der Arzt prüft die sogenannte Hafterstehungsfähigkeit. Für gesundheitlich angeschlagene Häftlinge stünde im Berner Inselspital ein Trakt zur Verfügung, wo sie medizinisch versorgt werden können. Der Arzt kommt aber zum Schluss, dass man Kilian in eine normale Zelle sperren darf – unter der Bedingung, dass die Beamten alle zwei Stunden nach ihm schauen.

Diese regelmässigen Kontrollen hätten stattgefunden, schreibt die Polizei in ihrer Mitteilung. Dennoch stirbt Kilian am frühen Morgen des 26. Dezember allein in seiner Zelle. Die Polizisten, die ihn finden, rufen zwar noch den Notarzt. Doch der kann nur noch den Tod des 20-Jährigen feststellen.

Hat der Arzt die toxische Wirkung der Substanzen unterschätzt? Und hätte eine Spitaleinweisung Kilians Tod verhindern können? Diesen Fragen gehen die Ermittler nach. Denn obwohl Kilians Gesicht Verletzungen aufwies, hat die Obduktion des Leichnams gemäss Staatsanwaltschaft einen Selbstmord oder Gewalteinwirkung Dritter als Todesursache ausgeschlossen. Ärzte bestätigen, dass es äusserst heikel sein kann, Menschen, die zu viele Partydrogen konsumiert haben, unbeaufsichtigt zu lassen.

Zum konkreten Fall äussern sich die Experten nicht. Doch bereits die Amphetamine, die Kilian laut der Polizei bei sich hatte, können schwere Nebenwirkungen verursachen. Laut Colette Degrandi, Oberärztin bei Tox Info Suisse, sind lebensgefährliche Amphetaminüberdosen zwar relativ selten. Doch wenn eine unter Amphetamin stehende Person nicht mehr ansprechbar ist, muss laut Degrandi sofort die Ambulanz gerufen werden. «Laien fehlt das Wissen, um eine solche Person zu beaufsichtigen», sagt die Ärztin.

Bei Zweifel besser ins Spital

Deutliche Worte wählt auch Aristomenis Exadaktylos, Chefarzt des Notfallzentrums am Berner Inselspital. Er warnt nicht nur vor Partydrogen, sondern erst recht davor, diese zu kombinieren: «Das ist nicht nur ein Spiel mit dem Feuer, sondern ein Spiel mit einer entsicherten Handgranate.» Dass sich Partygänger mit bewusstseinserweiternden Substanzen selber gefährden, ist in Bern keine Seltenheit: Das Insel-Notfallzentrum behandelt zusammen mit Spezialisten rund 100 derartige schwere Vergiftungen pro Jahr – fast alle Patienten können dabei gerettet werden.

Kommt es nach einem solchen Mischkonsum, wie er wohl auch im Fall von Kilian vorliegt, zu Komplikationen, plädiert Exadaktylos – wie auch Oberärztin Degrandi – für eine sofortige Spitaleinweisung. «Die Nebenwirkungen sind extrem schwer abschätzbar», sagt er und spricht von einer «Zeitbombe». Dies, weil solche Stoffe die Wirkung über das Gehirn entfalteten und darum jede Person anders auf die Stimulation reagiere. Zudem seien viele dieser Substanzen schwer nachweisbar. Man müsse wissen, nach welchem Stoff man suche. Und auch dann sei es schwierig, weil der Körper solche Betäubungsmittel extrem umbaut und die Hersteller ständig ihre Rezepte verändern. Dies könnte auch der Grund sein, warum nach wie vor unklar ist, welche Substanzen Kilian konsumiert hat und woran er genau gestorben ist. Gewebetests von Haaren und Blut sind noch hängig.

Jeder Arzt darf prüfen

Für die Prüfung der sogenannten Hafterstehungsfähigkeit bietet die Kantonspolizei jeweils über Medphone einen Notfallarzt auf. Bei Medphone handelt es sich um eine Telefon-Hotline, die in der Region Bern die Einsätze der Notfallärzte koordiniert. Bis 2015 war der städtische Rettungsdienst, also die Sanitätspolizei, dafür zuständig. Der Kreis der prüfenden Ärzte war damals kleiner. Warum hat sich dies geändert?

Den Wechsel von der Sanitätspolizei zu Medphone erklärt die Kantonspolizei wie folgt: Jeder Arzt, der Notfalldienst leiste, besitze eine sogenannte Berufsausübungsbewilligung. Und wer eine solche Bewilligung hat, darf auch Haftbeurteilungen durchführen. Da bei der Sanitätspolizei nicht rund um die Uhr ein Arzt mit einer solchen Bewilligung Dienst leiste, habe man zusammen mit weiteren Fachpersonen entschieden, nicht mehr die Sanitätspolizei zu alarmieren.

Mutter fordert Aufklärung

Während der Arzt, für den die Unschuldsvermutung gilt, nun im Fokus der Ermittlungen steht, sind andere Aspekte der verhängnisvollen Nacht noch gänzlich ungeklärt. Etwa, ob die Polizisten bereits nach einer früheren Zellenkontrolle hätten Alarm schlagen müssen. Oder wie es zur Verletzung in Kilians Gesicht gekommen ist.

Diese und andere Fragen lassen der Mutter von Kilian keine Ruhe. Sie hat sich einen Anwalt genommen und tritt im Verfahren als Privatklägerin auf. «Mir ist wichtig, dass die Umstände von Kilians Tod lückenlos aufgeklärt werden», sagt sie. Zur laufenden Untersuchung will sie sich nicht äussern. Der Mutter ist jedoch wichtig, dass ihr Sohn nicht auf seine Vergangenheit reduziert wird. «Dies würde ihm nicht gerecht», sagt sie. Ja, es sei nicht immer einfach gewesen mit ihm. «Aber in den letzten Jahren hat Kilian sein Leben in die Hand genommen.» Er habe sich selber Hilfe geholt und in eine psychiatrische Klinik eingewiesen. Auch habe er wieder gearbeitet. In der begleiteten Wohngruppe in Wichtrach, wo er im Dezember lebte, habe er die nötige Unterstützung erhalten.

«Jeder ist frei zu konsumieren, was ihm gefällt», sagt Killians Mutter. Und wenn die Polizei trotzdem jemanden festhalte, dann trage sie auch die Verantwortung. Sowieso gelte die Pflicht für alle, Erste Hilfe zu leisten. Dies sei bei ihrem Sohn nicht der Fall gewesen. «Niemand kann mir Kilian zurückgeben», sagt sie. Doch sie setzt sich nun dafür ein, dass der gleiche Fehler nicht ein zweites Mal passiert. «Mein Ziel ist es, dass die Beamten besser für den Umgang mit Jugendlichen sensibilisiert werden», sagt sie. Egal ob sie sprayen, Partys organisieren oder ob sie sich mit gefährlichen Substanzen aufputschen. «Jugendlicher Leichtsinn ist kein Schwerverbrechen.»

Anklage erst in Monaten

Kilians Tod ist in Bern derweil zum Politikum geworden. Um das Mahnmal, das Verwandte und Bekannte Kilians auf dem Berner Waisenhausplatz eingerichtet haben, wird auf politischer Ebene gestritten. Ein SVP-Stadtrat möchte es wegräumen lassen, angeblich haben sich bei ihm Polizisten darüber beschwert. Nun muss der Berner Gemeinderat entscheiden, ob es bleiben darf. Auch an Berns Betonwänden ist Kilian allgegenwärtig, die Sprayerszene zollt ihm Tribut. «Kilu R.I.P., 26.12.2018» ist an die Eisenbahnbrücke auf der Schützenmatte gesprayt. Bern kommt nicht so schnell los von Kilian, das ist sicher. Denn bis entschieden ist, ob es zu einer Gerichtsverhandlung kommt, dürfte es noch Monate, wenn nicht Jahre dauern.

Plötzliche Todesfälle in Zellen sind oft Suizide

In Berns Gefängnissen kam es in den letzten Monaten zu mehreren Todesfällen. Im Januar, zwei Woche nach Kilians Tod, starb ein Häftling auf der Bewachungsstation des Inselspitals. Bereits im August verstarb ein Insasse des Regionalgefängnisses Bern. In beiden Fällen gehen die Behörden davon aus, dass sich die Männer selber getötet haben. Zuständig für den Betrieb der Bewachungsstation ist das Amt für Justizvollzug des Kantons. Gegenüber «20 Minuten» sagte der Amtsleiter im Januar, dass Selbstverletzungsmotivation und der Prozess bis hin zu vollendetem Suizid derart komplexe Geschehnisse seien, dass sie selbst in einem therapeutischen Setting nicht immer verhindert werden könnten. (spr)
(https://www.derbund.ch/bern/stadt/der-einsame-tod-des-kilian-s/story/19847465)

-> https://www.bernerzeitung.ch/region/bern/toter-haeftling-staatsanwaltschaft-ermittelt-gegen-arzt/story/14040084
-> https://www.20min.ch/schweiz/bern/story/Jetzt-hat-der-Arzt-ein-Strafverfahren-am-Hals-31210384
-> https://www.blick.ch/news/schweiz/bern/ermittlungen-gegen-arzt-haette-kilians-tod-in-der-zelle-verhindert-werden-koennen-id15180324.html
-> https://www.nau.ch/gemeinde/schweiz/toter-haftling-staatsanwaltschaft-ermittelt-gegen-arzt-65486744
-> (ab 02:36:) https://www.telebaern.tv/news/grenchner-stadtpolizei-benutzt-taser-wenn-sie-denn-verfuegbar-sind-134117258

+++POLIZEI BS
Gute Noten für die Basler Polizei
Die Einwohner sind grossmehrheitlich zufrieden mit den Polizeikräften. Junge wollen weniger Präsenz, Riehen und Bettingen hingegen mehr.
https://bazonline.ch/basel/stadt/gute-noten-fuer-die-basler-polizei/story/26089928
-> https://www.polizei.bs.ch/nm/2019-kundenbefragung-2018-gute-noten-fuer-die-hoehere-polizeipraesenz-auf-basels-strassen-jsd.html

+++POLIZEI SO
(Laut Telebärn wird die Kantonspolizei Bern ab Mitte Jahr Taser im ganzen Polizeikorps einführen…)
Nach Investition von 10’000 Franken: Taser zur Hälfte der Zeit nicht im Einsatz
Mit der Anschaffung von Elektro-Tasern sollten die Einsätze der Stadtpolizei Grenchen sicherer werden. Nun zeigen aber Recherchen von «TeleM1»: Die für 10’000 Franken angeschafften Elektro-Schocker können gar nicht auf allen Patrouillen mitgenommen werden. Dies aufgrund einer Auflage der Kantonspolizei Solothurn.
https://www.solothurnerzeitung.ch/solothurn/kanton-solothurn/nach-investition-von-10000-franken-taser-zur-haelfte-der-zeit-nicht-im-einsatz-134118203
-> https://www.telebaern.tv/news/grenchner-stadtpolizei-benutzt-taser-wenn-sie-denn-verfuegbar-sind-134117258
-> https://www.telem1.ch/aktuell/taser-der-stadtpolizei-grenchen-machte-schlagzeilen-134117538

+++POLIZEI UR
Kritik an Urner Polizei: Kommandant wehrt sich
Das Urner Landgericht ist zum Schluss gekommen, dass die Polizei bei den Ermittlungen zu den Sprayer-Prozessen zu weit gegangen ist. Nun stellt sich Polizeikommandant Reto Pfister den Fragen unserer Zeitung.
https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/uri/kritik-an-polizei-kommandant-wehrt-sich-ld.1095738

+++POLICE DE
Neuer Verdacht gegen Beamten Drohbriefe eines Berliner Polizisten: Hatte er Helfer?
2017 bedrohte ein Berliner Polizist mit anonymen Briefen Mitglieder der linken Szene in Berlin – offenbar aus Rache. Der Beamte ist geständig; er habe allein gehandelt, beteuerte er bei seiner Vernehmung. An dieser Aussage gibt es nun Zweifel.
https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2019/02/drohbriefe-berlin-polizist-linke-szene-helfer.html

+++POLICE EUR
Polizeigewalt: Welche Alternativen gibt es?
Die Frage der Gewalt an Polizisten wird auf dem europäischen Polizeikongress in Berlin thematisiert. Nicht jedoch das Thema der „Polizeigewalt“. Trotzdem wurde das Thema Gegenstand einer Resolution des Europäischen Parlaments zum „Recht auf friedliche Demonstration und angemessenem Gewalteinsatz.“ Ein Text, der sich vor allem an Frankreich richtet. Ricardo Valadas, Präsident des Europäischen Rates der Polizeigewerkschaften, kommt auf den Einsatz von Flashballs zu sprechen.
https://www.arte.tv/de/videos/087181-212-A/polizeigewalt-welche-alternativen-gibt-es/

Militante unter sich
Polizeikongress in Berlin: Hardliner werben für Aufrüstung. Kritiker bleiben außen vor
https://www.jungewelt.de/artikel/349644.aufr%C3%BCstung-militante-unter-sich.html

Europäischer Polizeikongress; Wie die Polizei mit Algorithmen experimentiert
Der Hype um künstliche Intelligenz ist auch bei der Polizei groß: Die Sicherheitsbehörden testen Automatisierung und Prognosewerkzeuge. Doch viele Fragen sind ungeklärt.
http://www.spiegel.de/netzwelt/web/europaeischer-polizeikongress-kuenstliche-intelligenz-in-der-polizeiarbeit-a-1254195.html

Innenministerium will Darknet verbieten: Alles soll durchleuchtbar sein
Innen-Staatssekretär Günter Krings verteufelt beim Europäischen Polizeikongress Anonymisierungstools fürs Netz. Das ist falsch – immer noch.
http://taz.de/Innenministerium-will-Darknet-verbieten/!5575157/

+++ANTIFA
Parteienfinanzierung: AfD legt Bundestag offenbar falsche Spenderliste vor
In der Affäre um dubiose Wahlkampfspenden aus der Schweiz gibt es neuen Ärger für die AfD. Nach Informationen des SPIEGEL und von “Report Mainz” bestreiten angebliche Gönner, der Partei Geld gespendet zu haben.
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/spendenaffaere-afd-hat-bundestag-offenbar-falsche-spenderliste-vorgelegt-a-1254389.html
-> https://www.swr.de/report/presse/afd-hat-bundestag-offenbar-falsche-spenderliste-vorgelegt/-/id=1197424/did=23484468/nid=1197424/1oacu5b/index.html
-> https://www.blick.ch/news/ausland/falschangaben-auf-spenderliste-afd-bietet-goennern-geld-fuer-ihren-namen-id15180954.html
-> https://www.neues-deutschland.de/artikel/1112830.spendenaffaere-afd-betruegt-offenbar-mit-falscher-spenderliste.html

Rechtsextremismus in Frankreich: Emmanuel Macron will Neonazi-Netzwerke auflösen
Frankreichs Präsident will gegen rechtsextreme Gruppen vorgehen, um dem wachsenden Antisemitismus zu begegnen. Im Internet soll Hasskriminalität stärker bekämpft werden.
https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-02/rechtsextremismus-frankreich-emmanuel-macron-verbot

+++ANTIRA
Zusammenleben in der Schweiz – Rendez-vous
In der Schweiz leben Menschen aus fast allen Ländern der Welt. Die Integration der verschiedenen Minderheiten funktioniert recht gut, findet eine Mehrheit. Aber, es gebe noch Verbesserungsmöglichkeiten.
https://www.srf.ch/play/radio/popupaudioplayer?id=674cca5e-bed2-4ce9-aa97-88995cdfb89b
-> https://www.luzernerzeitung.ch/newsticker/schweiz/schweizer-fuhlen-sich-weniger-durch-fremde-gestort-ld.1095927

+++PATRIARCHAT
SRF beugt sich dem Druck der Evangelikalen
Eine Diskussionssendung zur «Ehe für alle» hätte ohne Beteiligung von Gegnern der Reform über die Bühne gehen sollen – zur Empörung konservativer Kreise. Doch nun hat die Redaktion auf die Kritik reagiert.
https://www.nzz.ch/schweiz/ehe-fuer-alle-srf-beugt-sich-dem-druck-der-evangelikalen-ld.1461328
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/srf-sternstunde-religion-ladt-keine-abtreibungsgegner-ein-65451540