Medienspiegel 27. Januar 2019

+++SCHWYZ
NZZ am Sonntag 27.01.2019

Der Widerstand der Widerspenstigen gegen ein Asylzentrum in Schwyz

Der Bund plant ein Asylzentrum in Schwyz. Doch Gemeinde und Kanton lehnen das Projekt kategorisch ab. Jetzt muss die neue Bundesrätin Karin Keller-Sutter entscheiden.

von Lukas Häuptli

Xaver Schuler – 38, Kleinunternehmer und Gemeindepräsident – hat sie gewarnt. Sie, die in Bern. Schwyz ist «üsi Gmeind, üsi Heimat», hat Schuler auf die Internetseite der Gemeinde geschrieben. Wunderbar sei die Gegend, ländlich und doch mit einem kleinen Kern Urbanität. Da zu wohnen, sei ein Privileg. Und dann: «Das Wichtigste ist, dass hier ein unbeugsamer Menschenschlag zu Hause ist.»

Schwyz liegt zwischen dem Lauerzer- und dem Vierwaldstättersee. Auf der einen Seite ragen Grosser und Kleiner Mythen in den Himmel, auf der anderen Fronalpstock und Klingenstock. Die Leute im Ort mögen Brauchtum. Brauchtum, Fasnacht und das Militär: Es gibt einen lokalen Offiziersverein, einen lokalen Unteroffiziersverein und einen lokalen Militär-Sanitätsverein.

340 Männer, Frauen und Kinder

Einen Güdelmontags-Rott und eine Güdeldienstags-Gesellschaft. Es gibt Schwyzer Greifler, Schwyzer Nüssler und die Trachtengruppe «Tallüt vo Schwyz». Und alle vier Jahre kommen im Ort die Sennen und Älpler des Tals zur Sennenchilbi zusammen. Setzen sie zum Singen, Jodeln und Juchzen an, tönt es, als müsse alles Urtümliche der Urschweiz in die Welt hinaus.

Hier plant der Bund ein Asylzentrum. Draussen im Wintersried, wo die Armee Land hat und die Gemeinde ihre Sportanlagen, soll es zu stehen kommen. «Ausreisezentrum» nennt es das Staatssekretariat für Migration. Das deshalb, weil die 340 Männer, Frauen und Kinder, die darin untergebracht werden, abgewiesene Asylsuchende sind und die Schweiz früher oder später verlassen müssen. Es ist das letzte der knapp zwanzig Zentren, die der Bund im Rahmen seiner grossen Asylreform geplant hat. Alle anderen sind bereits in Betrieb, im Bau oder von den Standortgemeinden und Standortkantonen akzeptiert.

Mehrere Einsprachen

Nicht so in Schwyz. Anfang Dezember 2018 hatte das Staatssekretariat das sogenannte Plangenehmigungsverfahren für das Projekt eröffnet, Mitte Januar 2019 wurde es beendet. Jetzt steht fest, dass gegen das Asylzentrum mehrere Einsprachen eingegangen sind, wie eine gut informierte Person sagt. Die beiden – zumindest politisch – wichtigsten stammen von der Gemeinde und vom Kanton.

«Der Schwyzer Regierungsrat hat im Plangenehmigungsverfahren Einsprache erhoben», bestätigt Peter Reichmuth, Departementsekretär des kantonalen Volkswirtschaftsdepartements. Zum genauen Inhalt will er nichts sagen. Der Schwyzer Regierungsrat hatte aber schon zu einem früheren Zeitpunkt erklärt: «Ein Bundesasylzentrum am Standort Wintersried wird die wirtschaftliche Entwicklung beeinträchtigen. Es steht klar im Widerspruch zur Absicht, das Gebiet zu einem bedeutenden Wirtschaftsstandort auszubauen.»

Einsprache hat auch die Gemeinde Schwyz eingelegt. Der Bund müsse zuerst die Frage der Wegrechte im Gebiet Wintersried klären, sagt Gemeindepräsident Xaver Schuler. Aber seine Einwände sind grundsätzlich: «Wir haben in Schwyz sicher kein Bundesasylzentrum angestrebt.» Deshalb hat die Gemeinde dem Bund angeboten, dass sie auf dem fraglichen Areal eine Kaserne baut. Schuler: «Die Kaserne könnte selbstverständlich auch vom Bund genutzt werden.»

5 000 Plätze zu viel

Die Asylreform, die eine Beschleunigung der Verfahren zum Ziel hat, zahlreiche Aufgaben von den Kantonen zum Bund verlagert und am 1. März 2019 in Kraft tritt, ist ein Grossprojekt von Bundesrätin Simonetta Sommaruga (sp.). Ob der Bund am Bundesasylzentrum Schwyz festhält, entscheidet allerdings nicht sie, sondern ihre Nachfolgerin Karin Keller-Sutter (fdp.). Sie steht seit Anfang Jahr dem Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement vor, dessen Generalsekretariat in erster Instanz über die Einsprachen im Plangenehmigungsverfahren entscheidet.

Der Umstand, dass die Zahl der Asylsuchenden seit drei Jahren markant zurückgeht, macht den Entscheid für Keller-Sutter nicht einfacher. 2015 hatten in der Schweiz fast 40 000 Personen ein Asylgesuch gestellt, letztes Jahr waren es nicht einmal 20 000. Mit anderen Worten: Zumindest kurzfristig braucht der Bund die 5000 Plätze, die im Rahmen der Reform in der ganzen Schweiz geplant sind, möglicherweise gar nicht – und damit womöglich auch das Asylzentrum in Schwyz nicht.

«Die Überfremdung»

Xaver Schuler hat sie gewarnt. Sie, die in Bern. Den Bund. Die Bevölkerung. «Die Schweiz steht an der Schwelle der endgültigen Überfremdung», hat er auf seine persönliche Internetseite geschrieben. «Dies macht mir Sorgen.» Er gehöre nicht zu denen, die alles Fremde ablehnten. Das nicht, aber: «Was die Einwanderung in unser Land betrifft, ist ein Stopp unabdinglich.»

SVP-Gemeindepräsident Schuler kann sich gewiss sein: Ein grosser Teil der Bevölkerung teilt seine Meinung – und seine Widerspenstigkeit gegen das Asylzentrum des Bundes. In Schwyz erreichte die SVP bei den letzten National- und Ständeratswahlen einen Wähleranteil von fast 36 Prozent.
(https://nzzas.nzz.ch/schweiz/schwyz-lehnt-asylzentrum-kategorisch-ab-ld.1454946)

+++SOLOTHURN
Die Familie Al-Mohamad hat Angst: «Zurück könne wir auf keinen Fall»
Noch wohnt die siebenköpfige syrische Familie Al-Mohamad in Erlinsbach SO. Sie müssen aber jederzeit damit rechnen, zurückgeschickt zu werden.
https://www.solothurnerzeitung.ch/solothurn/niederamt/die-familie-al-mohamad-hat-angst-zurueck-koenne-wir-auf-keinen-fall-134007400

+++SCHWYZ
https://nzzas.nzz.ch/schweiz/schwyz-lehnt-asylzentrum-kategorisch-ab-ld.1454946?reduced=true

+++SCHWEIZ
158’000 Franken für Propaganda-Filme: Bund wirbt für Rückkehr in den Kosovo
Die meisten Kosovaren sind in der Schweiz längst bestens integriert. Doch jetzt finanziert der Bund eine Filmreihe im kosovarischen Fernsehen. Die Botschaft: Schafft euch auf dem Balkan eine neue Existenz.
https://www.blick.ch/news/politik/158-000-franken-fuer-propaganda-filme-bund-wirbt-fuer-rueckkehr-in-den-kosovo-id15138622.html
-> https://www.blick.ch/meinung/editorial-sind-kosovo-schweizer-nur-buerger-zweiter-klasse-id15138717.html
-> https://www.blick.ch/news/ausland/sonntagsblick-besucht-rueckkehrer-in-pristina-im-kosovo-steht-korruption-an-erster-stelle-id15138687.html

+++MITTELMEER
»Open Arms« von Madrid festgehalten
Spanien lässt Seenotretter nicht auslaufen
Das Geschehen um die Rettungsschiffe »Open Arms« und »Aita Mari« zeigt, dass die sozialdemokratische Regierung in Spanien keine humanitäre Flüchtlingspolitik betreibt. Hilfsorganisationen sind entsetzt, dass die Schiffe nicht auslaufen dürfen.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1110933.open-arms-open-arms-von-madrid-festgehalten.html

Viele Tote durch spanische Blockade der Flüchtlingsrettungsboote
Erwartet wurde, dass die sozialdemokratische Regierung Spaniens eine humanitäre Flüchtlingspolitik betreiben würde, aber auch die Open Arms und Aita Mari beweisen das genaue Gegenteil
https://www.heise.de/tp/features/Viele-Tote-durch-spanische-Blockade-der-Fluechtlingsrettungsboote-4288656.html

Video zeigt Flüchtlingstragödie: “Es ist Mord”
27.01.2019, 09:49 Uhr – Menschen ertrinken neben dem libyschen Küstenwachschiff, Helfer werden bedroht: Ein “New York Times”-Video rekonstruiert hautnah eine Hilfsaktion auf dem Mittelmeer, bei der mindestens 20 Menschen ihr Leben verloren. ACHTUNG – einige der hier gezeigten Szenen könnten verstörend wirken.
http://www.spiegel.de/video/fluechtlinge-new-york-times-ueber-rettungsaktion-video-99024503.html

Sea-Watch: Bürgermeister und Parlamentarier nach Besuchsverbot mit Schnellboot auf SW!
Nachdem Innenminister Matteo Salvini gestern italienischen Parlamentiern und Anderen den Besuch der „Sea Watch 3“ untersagt hatte, die seit 9 Tagen 47 Gerettete an Bord hat und vor Syrakus liegt, haben heute morgen der Bürgermeister von Syrakus (Francesco Italia), drei Parlamentarier*innen (Nicola Fratoianni / segretario nazionale di Sinistra italiana e deputato eletto con Leu;  Stefania Prestigiacomo / Forza Italia; Riccardo Magi / +Europa e segretario dei Radicali italiani), Anwält*innen (Nicoletta Piazzese), Ärzt*innen (Gaetano Sgarlata) und Aktivist*innen (Alessandra Sciurba u.a.) die Wach- und Kontrollschiffe vor der „Sea Watch 3“ mit einem Schnellboot umfahren und sind jetzt an Bord der „Sea Watch 3“. Sie fordern sofortiges Anlegen im Hafen von Syrakus, dem internationalen Recht entsprechend, und nehmen Aussagen zu erlittenen Qualen in den libyschen Internierungslagern auf. Der Innenminister Salvini schäumt, die großen italienischen Tageszeitungen setzen diese Breaking News auf die Titelseite.
https://ffm-online.org/sea-watch-buergermeister-und-parlamentarier-nach-besuchsverbot-mit-schnellboot-auf-sw/

Parlamentarier und Bürgermeister von Syrakus an Bord der Sea Watch, Salvini droht mit polizeilicher Durchsuchung
Drei italienische Parlamentarier haben mit einem Schlauchboot die Kontrollen der Hafenbehörden umgangen und sind nun an Bord de Sea Watch, um sich ein Bild über die Situation der 47 Boat-people, darunter 13 Minderjährige, zu verschaffen, die seit neun Tagen auf dem Meer sind. An Bord befinden sich ebenfalls der Bürgermeister von Syrakus und einige Aktivisten. Inzwischen droht Salvini mit der polizeilichen Durchsuchung des Boots wegen Beihilfe zur illegalen Einwanderung.
Der Bürgermeister von Neapel de Magistris bereitet derweil ein Flotte zur Rettung der Migranten vor. Auf einer Versammlung derer, die nach einem Aufruf der Stadt ihre Hilfe angeboten hatten, wurden die Möglichkeiten der Organisation eines entsprechenden Netzwerks geprüft.
https://ffm-online.org/parlamentarier-und-buergermeister-von-sirakus-an-bord-der-sea-watch-salvini-droht-mit-polizeilicher-durchsuchungg/

+++TÜRKEI
Türkei: Warum syrische Flüchtlinge immer öfter heimkehren
Hohe Inflation und eine lahmende Wirtschaft – die ökonomischen Probleme der Türkei erzeugen auch gesellschaftliche Spannungen.
https://www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/europamagazin/sendung/tuerkei-syrische-fluechtlinge-100.html

+++JENISCHE/SINTI/ROMA
Digitales Archiv zu Sinti und Roma: Reichtum der Kultur sichtbar machen
Das digitale Archiv „RomArchive“ ist das größte jemals für Sinti und Roma aufgelegte Kulturprojekt. Der Fokus liegt auf Selbstrepräsentation.
http://www.taz.de/Digitales-Archiv-zu-Sinti-und-Roma/!5565127/

+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Wir sind alle Mittäter*innen
Heute, Freitag 25. Januar 2019, wurden 15 der 18 Angeschuldigten im „Basel18“-Verfahren in Mittäterschaft wegen qualifizierter Sachbeschädigung, einfacher Körperverletzung, Landfriedensbruches, mehrfacher Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte und Verletzung der Verkehrsregeln schuldig gesprochen. Die absurden Strafmasse reichten von 20 Monaten bedingt auf 2 Jahre, bis zu 27 Monaten unbedingt. Damit folgten die drei Richter*innen des Strafgerichts Basel-Stadt in weiten Strecken den Strafforderungen der Staatsanwaltschaft. Dazu kamen bei einigen Personen noch 200.- Franken Busse wegen Verstosses gegen des Vermummungsverbot und einzelne Geldstrafen – zwischen 5 und 10 Tagessätzen – wegen Beschimpfung, Verstosses gegen das Waffengesetz, Hausfriedensbruchs oder Hinderung einer Amtshandlung.
https://barrikade.info/Wir-sind-alle-Mittater-innen-1825

+++STRAFVOLLZUG
Über 400 Straftäter entgehen dem Gefängnis
Seit 2018 müssen alle Kantone Fussfesseln statt Freiheitsstrafen anbieten – einige von ihnen warnen vor der «vermeintlichen Wunderwaffe».
https://www.derbund.ch/sonntagszeitung/ueber-400-straftaeter-entgehen-dem-gefaengnis/story/14110215

+++POLICE BE
La nouvelle loi bernoise sur la police fait débat
Le 10 février, les citoyens bernois se prononceront sur la nouvelle loi cantonale sur la police. Pour ses partisans, il s’agit de donner les moyens aux forces de l’ordre de lutter efficacement contre la criminalité, et notamment la cybercriminalité. Ses opposants craignent pour la sphère privée, avec un Etat « fouineur ». La possibilité d’évacuer des campements de gens du voyage, notamment, ou de facturer les coûts d’intervention de la police en cas de violence, lors de manifestations par exemple, font également débat.
http://www.canalalpha.ch/actu/la-nouvelle-loi-bernoise-sur-la-police-fait-debat/

+++POLIZEI DE
Die Polizei, dein Freund und Feind
Rechte Einstellungen in der Polizei nehmen zu. Wie lässt sich das Problem beheben?
Es geht um ein rechtes Netzwerk, verfassungsfeindliche Symbole und Morddrohungen, die mit NSU 2.0 unterzeichnet sind. Der Frankfurter Polizei-Skandal schlägt Wellen. Aber auch im Alltag kann Rassismus in der Polizei für Geflüchtete oder Wohnungslose lebensbedrohlich sein. Der Philosoph Daniel Loick über rechte Polizisten und warum wir weniger statt mehr Polizei brauchen. Der Dissens Podcast mit Lukas Ondreka.
https://blogs.taz.de/dissenspodcast/die-polizei-dein-freund-und-feind/

Neue Polizeigesetze gegen bürgerliche Grundrechte
Bayern machte den Auftakt im Mai 2018: das neue Polizeigesetz schränkt die Freiheitsrechte erheblich ein. Massive Proteste, darunter eine Demo in München mit über 30.000 TeilnehmerInnen dagegen halfen nicht, es ist nun ein dreimonatiger Gewahrsam möglich, ohne eine Straftat begangen zu haben. Und eine Verlängerung dieser Präventivhaft um weitere drei Monate aufgrund eines Richterbeschlusses. „Drohende Gefahren“ legitimieren weitere Eingriffe in Grundrechte.
https://www.graswurzel.net/gwr/2018/12/neue-polizeigesetze-gegen-buergerliche-grundrechte/

+++POLICE FRA
Schwerverletzte Demonstranten: Polizei geht mit Schweizer Waffen gegen Gelbwesten vor
Es sind teilweise brutale Bilder, die von den Gelbwesten über Social Media geteilt werden. Mehrere Demonstranten verloren Hände, zahlreiche weitere erblindeten einseitig.
https://www.blick.ch/news/ausland/schwerverletzte-demonstranten-polizei-geht-mit-schweizer-waffen-gegen-gelbwesten-vor-id15139344.html
-> https://www.srf.ch/news/international/polizei-gegen-gilets-jaunes-kontroverse-um-einsatz-von-gummigeschossen
-> https://www.liberation.fr/apps/2019/01/la-carte-des-gilets-jaunes-gravement-blesses/
-> https://desarmons.net/index.php/2019/01/04/recensement-provisoire-des-blesses-graves-des-manifestations-du-mois-de-decembre-2018/

NZZ am Sonntag 27.01.2019

Bei Protesten der «Gilets jaunes» schiessen Flics mit tödlicher Munition

Bei den Gelbwestenprotesten sind viele ernsthaft verletzt worden. Einigen französischen Polizisten fehlt das Mass.

von Rudolf Balmer, Paris

Die Videos des schwerverletzten Demonstranten Olivier Beziade in Bordeaux schockieren. Regungslos liegt der Mann am Boden, aus einer Kopfwunde blutend. Im Hintergrund hört man die Stimme eines Polizeieinsatzleiters, der seinen Leuten befiehlt, die Hülsen einzusammeln, die als Beweise für eine Verantwortung der Ordnungskräfte dienen könnten. Seit dem 12.Januar liegt Beziade wegen einer Hirnblutung in einem künstlichen Koma. Seine Ehefrau hat eine Strafklage eingereicht.

Die seit Wochen andauernde Auseinandersetzung zwischen den «Gilets jaunes» und Frankreichs Staatsmacht auf der Strasse ist mitunter sehr brutal. Ihre Fortsetzung findet sie in den sozialen Netzwerken. Jeder Zusammenstoss mit der Polizei wird von der Protestbewegung gefilmt und sofort publiziert. Die Absicht ist nicht nur, mit Fakten zu informieren, sondern oft auch, mit Gewaltbildern zu schockieren – wie im Fall von Beziade, einem dreifachen Familienvater.

Zurzeit sind rund 200 solche Klagen hängig. In 80 Fällen läuft eine interne Untersuchung durch die Polizeiinspektion. Entsprechend ist die offizielle Opferbilanz umstritten. Die Zahlen, die den Medien von den Behörden mitgeteilt werden, liegen so tief, dass der Verdacht naheliegt, hier solle etwas vertuscht werden. Die französischen Medien sind daran nicht unschuldig. Sie hatten lange vor allem die Gewalt der Krawallmacher dargestellt. Heute korrigieren sie das Bild.

Hand oder Auge verloren

Die Zeitung «Libération» spricht in einem Dossier zum Thema Polizeigewalt von mindestens 100 ernsthaften und zum Teil nicht heilbaren Verletzungen. Nach detaillierten, aber unüberprüfbaren Angaben der Website «Désarmons-les!» sollen bisher vier Personen bei der Explosion von Tränengasgranaten eine Hand verloren haben, 18 ein Auge, als sie von Hartgummigeschossen getroffen wurden.

Die grosse Zahl und die Art der schweren Verletzungen wirft die Frage nach der Bewaffnung und den Einsatzbefehlen der Sicherheitskräfte auf. Besonders umstritten sind die Granaten vom Typ GLI-F4, die in keinem anderen EU-Land ausser Frankreich gegen Demonstranten eingesetzt werden. Diese Granaten enthalten zur Erzeugung eines abschreckenden Knalleffekts und zur Freigabe des Tränengases 25 Gramm Sprengstoff.

Kritisiert werden auch die gegen einzelne Personen oder bedrohliche Ansammlungen verwendeten Hartgummigeschosse mit dem relativ grossen Durchmesser von 4 Zentimetern. Ein wesentlicher Teil der schweren Verletzungen geht auf diese Munition zurück. Sie wird mit dem Granatwerfer GL-06 abgefeuert, den Brügger & Thomet in Thun herstellt.

«Vermindert tödlich»

Im Firmenkatalog ist die dafür vorgesehene Munition mit der Bezeichnung «less lethal» aufgeführt, also «vermindert tödlich». Laut dem Waffenmagazin «All4shooters» ist auch andere Munition für diesen Granatwerfer erhältlich: «Spreng-Splitter-Geschosse», die für den Kriegseinsatz vorgesehen sind.

«Vermindert tödlich» bedeutet, dass das Risiko tödlicher Verletzungen in Kauf genommen wird. Brügger & Thomet lehnt im vorliegenden Fall jede Verantwortung ab, weil die französische Polizei nicht die Originalmunition verwende: «Bei Nutzung von Munition von Drittherstellern kann die Präzision beeinträchtigt werden, und das Verletzungsrisiko steigt signifikant», erklärt die Firma auf Anfrage.

Laut Vorschrift dürfen in Frankreich die GL-06-Granatwerfer nur auf eine Distanz von mindestens 15 Metern eingesetzt werden, niemals mit gezielten Schüssen auf den Kopf oder den Genitalbereich. Diese wird aber in der Hitze des Gefechts nicht immer respektiert.

Man kann sich vorstellen, dass nach zehn Wochen endloser Ordnungseinsätze, Stress und Provokationen etlichen Beamten die Nerven durchgehen können. Der Ombudsmann für Bürgerrechte, der frühere Minister Jacques Toubon, empfahl dem Parlament aufgrund der ihm bekannten Vorfälle, vorsichtshalber den Einsatz der Hartgummigeschosse zu verbieten.

Kameras für Polizisten

Künftig werden Polizisten, die bei Zusammenstössen mit Demonstranten in vorderster Linie stehen, mit einer Videokamera ausgestattet, die sie selber ein- und ausschalten können.

Mit dieser Ankündigung hat Innenminister Christophe Castaner auf die Vorwürfe reagiert, seine Ordnungskräfte seien in den letzten Wochen bei den Kundgebungen der Gelbwesten mit unverhältnismässiger Gewalt vorgegangen. Die Videoaufnahmen sollen es den Polizeibeamten erlauben, sich gegen solche Anschuldigungen zu verteidigen.
(https://nzzas.nzz.ch/international/gilets-jaunes-polizei-schiesst-mit-toedlicher-munition-ld.1454888)

+++ANTIRA
Homo-Verbände rüsten sich für Abstimmung: «Sie wollen weiterhin gegen uns hetzen»
Homosexuelle sollen besser vor Diskriminierung geschützt werden: Gegen dieses Gesetz haben EDU und die Junge SVP das Referendum ergriffen. Homosexuellenverbände haben bereits reagiert – nicht nur mit zimperlichen Worten.
https://www.aargauerzeitung.ch/schweiz/homo-verbaende-ruesten-sich-fuer-abstimmung-sie-wollen-weiterhin-gegen-uns-hetzen-134011367
-> https://www.luzernerzeitung.ch/schweiz/reaktionaere-affen-lesbenverband-attackiert-gegner-des-neuen-antidiskriminierungsgesetzes-ld.1088614

antira-Wochenschau: Rechte Kaderschmiede in Kloster, 170 Tote im Mittelmeer, Bolsonaro am WEF
https://antira.org/2019/01/27/antira-wochenschau-rechte-kaderschmiede-in-kloster-170-tote-im-mittelmeer-bolsonaro-am-wef/