+++ZÜRICH
Umstrittenes VR-Präsidium – Wieviel Extrawurst verträgt die Stadt Zürich?
Eine Ausnahmebewilligung für Ex-Stadtrat Martin Waser gab im Zürcher Gemeinderat zu reden. Sie kam schliesslich durch.
https://www.srf.ch/news/regional/zuerich-schaffhausen/umstrittenes-vr-praesidium-wieviel-extrawurst-vertraegt-die-stadt-zuerich
+++SCHWEIZ
Ausschaffung: Osman Erdals Odyssee
Wochenlang sassen der aus der Türkei geflüchtete ehemalige PKK-Kadermann Osman Erdal und der Journalist Mustafa Mamay mit weiteren kurdischen Flüchtlingen im Transitbereich des Flughafens Zürich fest (siehe WOZ Nr. 45/2018). Dann wurde Erdal am 16. November nach Südafrika abgeschoben. Das Staatssekretariat für Migration und das Bundesverwaltungsgericht hatten seinen Asylantrag abgelehnt und entschieden, ihn in das angeblich sichere Drittland Südafrika abzuschieben. Über Südafrika war Erdal per Flugzeug aus dem Irak in die Schweiz eingereist.
https://www.woz.ch/1847/ausschaffung/osman-erdals-odyssee
-> https://www.woz.ch/1845/gefluechtete-kurdinnen/die-angst-und-das-warten-im-transit
+++DEUTSCHLAND
Merz attackiert das Grundrecht auf Asyl
PRO ASYL warnt die Union davor, Parolen und Zerrbilder der extremen Rechten zu übernehmen
Im Konkurrenzkampf um den Parteivorsitz der CDU, stellte Friedrich Merz nun das Asylgrundrecht in Frage. Sein Hinweis auf das Grundgesetz wirkt so, als sei Deutschland der einzige Staat, der sich per Verfassung selbst verpflichtet habe, eine einzelfallbezogene Prüfung von Asylanträgen durchzuführen. Dem ist nicht so.
https://www.proasyl.de/pressemitteilung/merz-attackiert-das-grundrecht-auf-asyl/
-> https://www.neues-deutschland.de/artikel/1106313.asylpolitik-konkurrenz-um-cdu-vorsitz-auf-kosten-von-migranten.html
-> http://www.fr.de/politik/friedrich-merz-faktencheck-grundrecht-auf-asyl-a-1625742
+++FRANKREICH
Die Grenzen der EU-Migrationspolitik – Echo der Zeit
Seit den Terroranschlägen 2015 weist Frankreich Flüchtlinge ohne Visum konsequent nach Italien zurück, obwohl deren Asylgesuch geprüft werden müsste. Die Spannungen haben sich seit der rechtspopulistischen Regierung in Italien noch verschärft.
Auslandredaktorin Veronika Meier war beim Grenzübergang in Claviere in den italienisch-französischen Alpen.
https://www.srf.ch/play/radio/popupaudioplayer?id=7db32935-24cd-4a2e-a2f8-ff8297c22b9b
Migranten auf Booten im Ärmelkanal aufgegriffen
18 Migranten versuchten von Frankreich nach Grossbritannien zu flüchten. Die Behörden fingen sie aber auf.
https://www.nau.ch/news/europa/migranten-auf-booten-im-armelkanal-aufgegriffen-65457809
+++GRIECHENLAND
Flüchtlinge in Griechenland: In Moria droht die humanitäre Katastrophe
Human Rights Watch warnt vor den inhumanen Zuständen in griechischen Flüchtlingslagern. Vor dem Winter müssten die Lebensbedingungen der Asylsuchenden verbessert werden.
http://www.fr.de/politik/flucht-zuwanderung/fluechtlinge-in-griechenland-in-moria-droht-die-humanitaere-katastrophe-a-1624998
+++MITTELMEER
Drohnen bewachen die Festung Europa
Den Markt für militärische Langstreckendrohnen dominieren zwei Firmen aus Israel und eine aus den USA. Ihre Modelle fliegen jetzt Einsätze zur Überwachung des Mittelmeers
https://www.heise.de/tp/features/Drohnen-bewachen-die-Festung-Europa-4231087.html
Private Seenotretter von Sea Watch wieder im Mittelmeer unterwegs
Drei Monate lang wurde die Sea-Watch 3 am Auslaufen gehindert. Nun ist das Schiff wieder im Rettungsmodus.
https://www.nau.ch/news/europa/private-seenotretter-von-sea-watch-wieder-im-mittelmeer-unterwegs-65457823
SAROBMED: The Search and Rescue Observatory for the Mediterranean
SAROBMED: The Search and Rescue Observatory for the Mediterranean is an international, multi-disciplinary consortium of researchers, civil society groups, and other organisations working in the field of cross-border maritime migration, either on the ground, or through advocacy, research and/or strategic litigation.
https://ffm-online.org/sarobmed-the-search-and-rescue-observatory-for-the-mediterranean/
-> https://sarobmed.org
+++ALGERIEN
Algier: Strassenblockade wegen ertrunkener Harragas
Die 10 algerischen Harragas, die vor der Küste Sardiniens ertrunken sind, stammen wie die drei Geretteten aus dem Viertel Raïs Hamidou in Algier. Angehörige und Anwohner*innen blockierten die Überlandstraße Nr. 11, um auf das Schicksal der Harragas und das fehlende Engagement des algerischen Staats bei der Aufklärung der Schiffskatastrophe aufmerksam zu machen. Der Bürgermeister versuchte, die Proteste vor Ort zu beschwichtigen.
https://ffm-online.org/algier-strassenblockade-wegen-ertrunkener-harragas/
West-Algerien: 1.900 Boat-people in 2018 abgefangen
Die algerische Küstenwache und Gendarmerie hat 2018 zu Wasser und an Land in 33 Operationen im westlichen Algerien – von der Hafenstadt Oran bis zur algerisch-marokkanischen Grenze – fast 1.900 Boat-people abgefangen. [Nach Schätzungen waren mehr als die Hälfte von ihnen Algerier*innen.]
https://ffm-online.org/west-algerien-1-900-boat-people-in-2018-abgefangen/
+++SYRIEN
Syrien im Wiederaufbau – Schweiz Aktuell
Was jahrelanger Krieg mit einem Land macht, wird uns in Syrien erschreckend vor Augen geführt. Der Wiederaufbau des Landes wird Hunderte Milliarden verschlingen. – Syrien und der Kampf der Menschen um ein bisschen Normalität.
https://www.srf.ch/play/tv/popupvideoplayer?id=b5fddaf6-ed12-473e-a4a9-125d223a1689
+++ERITREA
Frieden zwischen Eritrea und Äthiopien – Tagesschau
Die Asylzahlen in der Schweiz sind rückläufig. International sind die Hoffnungen gross, dass sich die politische Situation jetzt nachhaltig entspannt.
https://www.srf.ch/play/tv/popupvideoplayer?id=439b0863-dd79-4664-a076-6b907b20f1d9
Lang ersehntes Wiedersehen – Tagesschau
Äthiopien und Eritrea haben im Sommer Frieden geschlossen. Deshalb hat die UNO die Sanktionen gegen Eritrea aufgehoben. Das Volk freut sich über die Öffnung – die Reportage von Samuel Burri.
https://www.srf.ch/play/tv/popupvideoplayer?id=3311a8c3-a910-430c-b8c5-5f50dffcd2a8
+++JENISCHE/SINTI/ROMA
Transitplatz für Fahrende – Der Standplatz in Brügg funktioniert
Ausländische Fahrende können für gewisse Zeit in Brügg Halt machen. Die Bedingung: klare Regeln, Kontrollen und Gebühr.
https://www.srf.ch/news/regional/bern-freiburg-wallis/transitplatz-fuer-fahrende-der-standplatz-in-bruegg-funktioniert
+++FREIRÄUME
„Belebt die Schütz, aber nicht zu laut“ – Das Interview zur Berner Zwischennutzung
Am dreckigsten Ort Berns entsteht jetzt ein Raum für Kultur. Ein Gespräch mit den Machern über Herausforderungen und Perspektiven, über Aufwertung und Verdrängung.
https://noisey.vice.com/alps/article/59v9qa/bern-schutzenmatte-zwischennutzung-interview-platzkultur-aufwertung-laut?utm_source=vicetwitterch
+++GASSE
«Die Leute auf der Gasse vermissen Pfarrer Sieber sehr»
Der Pfuusbus ist in die erste Saison nach dem Tod des Gründers gestartet. Ein Augenschein im Albisgüetli.
https://www.tagesanzeiger.ch/panorama/der-pfuusbus-geht-in-die-erste-saison-ohne-pfarrer-sieber/story/28199367
+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Tierschützer waren Krawalltouristen: Kommen die Bell-Besetzer ungeschoren davon?
Rund 130 Aktivisten aus Frankreich und Belgien haben den Bell-Schlachthof in Oensingen SO einen ganzen Tag lang lahmgelegt. Die Polizei hat bei der Staatsanwaltschaft Strafanzeige gegen die Krawallmacher eingereicht. Diese dürften jedoch bereits über alle Berge sein.
https://www.blick.ch/news/schweiz/mittelland/tierschuetzer-waren-krawalltouristen-kommen-die-bell-besetzer-ungeschoren-davon-id15032120.html
Nach Blockade des Schlachthofs: Geht nun Bell gegen die Aktivisten vor?
Aktivisten von der Organistation 269 Libération Animale blockierten am Mittwoch den Anlieferungsbereich der Bell AG in Oensingen. Wie geht der Schlachtverarbeiter nach dieser Aktion vor?
https://www.solothurnerzeitung.ch/solothurn/thal-gaeu/nach-blockade-des-schlachthofs-geht-nun-bell-gegen-die-aktivisten-vor-133751194
Mehrere Verletzte nach Tierschutz-Demo
Der Schlachthof von Bell in Oensingen war gestern komplett lahmgelegt. Schuld daran sind radikale Tierschützer. Bei der polizeilichen Räumung des Areals kam es dann sogar zu Verletzungen.
https://www.telem1.ch/aktuell/mehrere-verletzte-nach-tierschutz-demo-133752919
+++KNAST
«Einstein» hinter Gittern
Wie geht und was bringt Gefängnis? Bei «Einstein» kommen Männer und Frauen aus dem geschlossenen Vollzug unverdeckt zu Wort und erklären, was der Freiheitsentzug wirklich bedeutet. Wie erleben Insassinnen und ihre Kinder den Freiheitsentzug wirklich? Hat die Schweiz einen Luxusvollzug?
https://www.srf.ch/sendungen/einstein/einstein-hinter-gittern
Der Alltag eines Gefängnisfotografs – Schweiz Aktuell
Peter Schulthess ist Gefängnisfotograf. Für ihn sind die Zellen ein faszinierendes Sujet. Er hatte die Gelegenheit, fast alle Gefängnisse der Schweiz als Fotograf zu besuchen.
https://www.srf.ch/play/tv/popupvideoplayer?id=7486e5a0-827c-4017-a154-d11b34b58ba2
+++BIG BROTHER
iPhone-Update: Hörhilfe oder Spionagefunktion?
Mit der neuen iOS-Version kann per Bluetooth-Kopfhörer bequem ein Raum aus bis zu 20 Metern Entfernung abgehört werden.
https://www.telezueri.ch/zuerinews/iphone-update-hoerhilfe-oder-spionagefunktion-133753601
+++ANTITERRORSTAAT
Frankreich: Anti-Terror-Massnahmen führen zu Zwangsmassnahmen ohne Anklage oder Verfahren
Vor einem Jahr wurde in Frankreich der Ausnahmezustand aufgehoben. Dennoch bleiben die unter dem Ausnahmezustand getroffenen Massnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus bestehen. Die Behörden gehen unrechtmässig gegen Personen vor, die ihnen verdächtig erscheinen. Zahlreiche Menschen befinden sich deshalb in einem Rechtsvakuum, kritisiert Amnesty International in einem Bericht.
https://www.amnesty.ch/de/laender/europa-zentralasien/frankreich/dok/2018/anti-terror-massnahmen-fuehren-zu-strafverfolgung-ohne-anklage-oder-verfahren
+++PRIVATE SICHERHEITSFIRMEN
Ex-Reitschüler wollen Berner Clubs Sicherheitskultur verkaufen
Zurückhaltend agierende Sicherheitsleute ohne Uniform: Ein Konzept, das in der Berner Reitschule erprobt wurde, soll nun auch Berner Clubs sicherer machen
https://www.derbund.ch/bern/stadt/tuersteher-mit-samthandschuh/story/23565448
-> https://www.kampajobs.ch/job/mitarbeiterinnen-sicherheitsdienst-20-30?fbclid=IwAR2-p_3BQL0w8IOTMrAZoISeBTltwYJrUxnSii5XmP8Tx1FLIFxHf5Rlc68
-> https://taktvoll-bern.ch/
+++POLIZEI DE
Polizei ohne Statistik: Nirgends rechtsextreme Polizisten?
Polizisten fallen immer wieder mit rechten Ausfällen auf. Die Behörden wissen dazu wenig: Die Vorfälle werden kaum erfasst.
http://taz.de/Polizei-ohne-Statistik/!5551904/
+++ANTIFA
Alice Weidel hat genug von Biel
Alternative für Deutschland Fraktionschefin Alice Weidel zieht mit ihrer Familie nach Berlin. Bei den Einwohnern von Biel hatte die Familie schon länger einen schweren Stand.
https://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/alice-weidel-hat-genug-von-biel/story/26153728
-> https://www.sueddeutsche.de/politik/weidel-migration-einwanderung-1.4222343
Sachbeschädigungen an jüdischen Einrichtungen: 37-Jähriger «mit Problemen» festgenommen
In Basel ist ein 37-jähriger Mann festgenommen worden. Er verdächtigt, in den vergangenen Wochen an verschiedenen jüdischen Einrichtungen Sachbeschädigungen begangen haben. Dabei entstand jedoch nur geringer Sachschaden.
https://www.basellandschaftlichezeitung.ch/basel/basel-stadt/sachbeschaedigungen-an-juedischen-einrichtungen-37-jaehriger-mit-problemen-festgenommen-133751646
-> http://www.stawa.bs.ch/nm/2018-festnahme-nach-sachbeschaedigungen-stawa-2.html
-> https://www.20min.ch/schweiz/basel/story/Festnahme-nach-Angriffen-auf-juedische-Metzgerei-25384986
-> https://bazonline.ch/basel/stadt/verhaftung-nach-vandalenakte-an-juedischen-einrichtungen/story/25604673
-> https://telebasel.ch/2018/11/22/polizei-nimmt-verdaechtigen-metzgerei-vandalen-fest/?channel=105100
-> http://www.onlinereports.ch/News.117+M51adcde473c.0.html
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/festnahme-nach-sachbeschadigungen-65457774
-> https://www.srf.ch/news/regional/basel-baselland/kein-rassistisches-motiv-festnahme-nach-beschaedigung-mehrerer-juedischer-einrichtungen
Tamara Funiciello wehrt sich gegen Pnos Demo in Basel
Am 24. November findet in Basel eine Pnos-Kundgebung statt. Auf einem Plakat wird ein Streitgespräch mit Tamara Funiciello von den Juso angekündet.
https://www.nau.ch/news/schweiz/tamara-funiciello-wehrt-sich-gegen-pnos-demo-in-basel-65457519
Landesstreik: Ein diabolischer Plan zur Terrorisierung der Schweiz?
Ein Antibolschewist verbreitet Fake News: Wie der Journalist Serge Persky mit seiner Verschwörungspropaganda die öffentliche Meinung zum Landesstreik manipulierte – und so die historische Erinnerung über Jahrzehnte prägte.
https://www.woz.ch/1847/landesstreik/ein-diabolischer-plan-zur-terrorisierung-der-schweiz
+++HISTORY
tagesanzeiger.ch 22.11.2018
«Es gab Leute, die sind regelrecht daran zerbrochen»
Vor 25 Jahren wurde das besetzte Wohlgroth-Areal von einem massiven Polizeiaufgebot zwangsgeräumt. Brigitta Fischer und Mischa Brutschin lassen die Ereignisse Revue passieren.
Thomas Wyss
Die 62-jährige Brigitta Fischer ist als Künstlerin und Therapeutin (Kinesiologie und Paartherapie) tätig und lebt mit ihrem Partner in der Genossenschaft Kalkbreite. Der 53-jährige Mischa Brutschin arbeitet mit einem Teilzeitpensum als Chauffeur, er hat mit der «Liebe seines Lebens» drei erwachsene Kinder und wohnt in Zürich. Fischer und Brutschin kannten sich bereits lange vor der Wohlgroth-Besetzung im Jahr 1991. Sie war damals eine von vier Gassenarbeiterinnen der Zürcher Arbeitsgemeinschaft für Jugendprobleme (ZAGJP), die unter anderem die Gassenküche initiierte, Einrichtungen für weibliche (wie das Atelier Purpur im Seefeld) und männliche Drogenabhängige, Prostituierte und Obdachlose schuf oder mit ihren Leuten auf dem Platzspitzareal präsent war.
Mischa Brutschin engagierte sich seit Mitte der 80er-Jahre in der sogenannten Häuserbewegung, notabene im Gassen-nahen Flügel – und entwickelte anhand seiner Erfahrungen zusammen mit Kollegen einen «kreativen Input» für eine undogmatische Besetzung der Wohlgroth. Dazu gehörte der Vorschlag, von Beginn an eine Notschlafstelle für Frauen und – wegen der prekären Lage am Platzspitz – ein Fixerstübeli einzurichten. Durch sein 2010 veröffentlichtes achtstündiges Dokfilm-Epos «Allein machen sie dich ein» wurde der Aktivist später auch zum Chronisten von Zürichs Hausbesetzungen zwischen 1979 und 1994.
Waren Sie mit dabei, als die Polizei heute vor 25 Jahren die Wohlgroth räumte?
Brigitta Fischer: Nein, ich war an diesem Tag nicht da. Weil sich das Frauenhaus, für das ich mich am Anfang stark engagierte, mehr und mehr in eine andere Richtung entwickelte, verbrachte ich in den letzten Wohlgroth-Monaten des Jahres 1993 weniger Zeit auf dem Areal.
Mischa Brutschin: Auch mir war nicht danach, an die Räumung zu gehen.
Wie war Ihre Gefühlslage?
Fischer: Wer damals in Zürich lebte, bekam immer wieder Räumungen mit, sodass ich wusste: Früher oder später wird es auch in der Wohlgroth so weit sein. Da ist das Herz dann irgendwann nicht mehr so aufgewühlt, wenn es wieder passiert.
Brutschin: Das für mich schmerzvollste Erlebnis war eine Woche vor der Räumung, als sich der heutige Stadtrat Filippo Leutenegger als Moderator der von ihm im gleichen Jahr gegründeten Politsendung «Arena» auf Kosten der Wohlgroth-Besetzer zu profilieren versuchte.
Inwiefern?
Brutschin: Leutenegger lud eine Wohlgroth-Delegation für den Freitagabend in die «Arena» ein. Dabei wusste er, was wir nicht wussten – nämlich dass Hans Widmer, Direktor von Oerlikon-Bührle, der Wohlgroth-Gelände-Inhaberin, uns Besetzern am Vormittag des Sendetags an einer Pressekonferenz das Angebot machen würde, eine leer stehende Fabrik in Seebach zu beziehen, was für uns nie infrage kam. Die Wohlgroth war auch wegen ihres zentralen, für alle Welt sichtbaren Standorts einzigartig. So etwas konnte man nicht reproduzieren, schon gar nicht draussen in der Pampa.
Man hatte die Besetzer also quasi hintergangen?
Brutschin: So war es. Ursula Koch, Vorsteherin des Hochbaudepartements, hatte Leutenegger die Info wegen dieser Pressekonferenz gesteckt. Wir wollten dann diese uns gestellte Falle und die neue Situation in Ruhe besprechen und riegelten alles ab. Als Leutenegger merkte, dass wir unter diesen Umständen kaum zur Diskussion im Studio erscheinen würden, hühnerte er in seinem Wildledermantel wie ein aufgescheuchtes Huhn in der Wohlgroth herum. Das war uns zu viel, wir schickten ihn vom Areal zu den anderen herumlungernden Journis.
Was wurde bei dieser Besprechung entschieden?
Brutschin: Dass rund 50 Leute von uns gleichwohl in die «Arena» gehen, alle bunt verkleidet und maskiert, dort sagen, dass wir nichts zu sagen haben, und wieder abzotteln. Das haben wir getan, es war grossartig, eine geniale Reaktion. Leuteneggers Sprachlosigkeit vor laufender Kamera ist unvergesslich. Der zweite Coup war, dass wir an einer weiteren Pressekonferenz den Schlüssel für diese Fabrik in Seebach vermeintlich doch entgegennahmen, ihn aber sofort an andere Leute mit Projekten weitergaben, welche diese Räume wirklich hätten brauchen können – was jedoch von Oerlikon-Bührle verweigert wurde. Wir hatten damit demaskiert, dass es denen gar nie darum ging, kreative Freiräume zu ermöglichen, sie hatten uns einfach ins industrielle Nirgendwo abschieben wollen.
Wäre es aussichtslos gewesen, um die Wohlgroth zu kämpfen?
Brutschin: Was fast niemand weiss: Vor der Räumung am 23. November stand die Wohlgroth zwei Tage lang vollkommen leer, alle hatten sich in andere besetzte Häuser zurückgezogen. An einer der letzten grossen Demos – sie hatte das Motto «Was söll de Scheiss!» und fand rund zwei Wochen vor diesem Termin statt – gab es das Ziel, genügend Leute für eine realistische Verteidigung aufzutreiben. Das gelang jedoch nicht, und so war klar: Es ist vorbei. Etwa 25 Leute kehrten am Tag der Räumung zurück aufs verbarrikadierte Areal, aber kämpfen mochte niemand mehr.
25 Leute?
Brutschin: Das war ja der Witz: 25 Leute, und dafür haben sie die Anti-Terror-Einheit aufgeboten, mit Pump-Action-Knarren, Wasserwerfern, Luftunterstützung vom Helikopter. Diese gewaltige und gewalttätige Übung hatte exakt einen Zweck: Man wollte alle potenziellen künftigen Besetzer auf brutalste Weise einschüchtern. Für mich hatten wir bereits mit den Auftritten im TV-Studio und bei der öffentlichen Schlüsselübergabe einen würdigen Schlussstrich gezogen. Und dann gab es noch diese grosse Abrechnung fürs Gemüt, die ich wegen einer anstehenden grossen Reise leider verpasste.
Welche Abrechnung?
Brutschin: Als Wohlgroth-Aktivisten das Abrissgelände nochmals besetzten, mit dem Bauzaun ein riesiges Feuer machten und eine letzte Nacht lang eine grosse Party feierten. Das haben viele sehr genossen.
Und dann war es vorbei – das Ende einer zweieinhalb Jahre gelebten Utopie.
Brutschin: Das Ende eines gelebten Freiraums trifft es für mich besser. Das Experiment Wohlgroth hat uns viel gegeben, an Idealen und Werten, an Kultur, an Kontakten. Auch an lebendigen, spontanen Strukturen: Wer beispielsweise etwas Wichtiges besprechen wollte, rannte durch die Wohlgroth und rief «VV», also Vollversammlung, zumindest im ersten Jahr war das so.
Fischer: Auch für mich überwiegt bis heute das Positive. Dieser immense und gut sicht- und hörbare künstlerische Output war einzigartig, auch vom Niveau her, gerade wenn man es mit anderen Besetzungen vergleicht. Und die Solidarität und Loyalität der weiblichen und männlichen Besetzer mit den Frauen, die auf der Gass lebten, obdachlos waren, fixten, auf den Strich gingen, die war eindrücklich. Was eigentlich die Stadt hätte leisten müssen, nämlich diesen Frauen eine Unterkunft und einen Ort der Ruhe zur Verfügung zu stellen, das taten die Menschen in der Wohlgroth. Wirklich gestorben wäre die Wohlgroth dann, wenn sie zur Institution geworden wäre – mit behördlichen Auflagen und Subventionen.
Was sind die wichtigsten Vermächtnisse der Wohlgroth?
Fischer: Für mich ist das einerseits die Toleranz, die diesen weltoffenen Kosmos prägte. Dass da Menschen aus verschiedenen Szenen und Schichten den Mut zur Reibung aufbrachten, dass unterschiedlichste Haltungen ausgelebt und verrückte Ideen realisiert werden konnten, das war für mich vorbildlich … manchmal denke ich, dass wir heute gesellschaftlich betrachtet gerade in dieser Beziehung weniger weit sind, als wir damals waren. Der zweite Aspekt betrifft den sozialen Bereich, nämlich dass das, was wir da experimentell ausprobierten – also die Frauen-Notschlafstelle und den Fixerraum –, nun alltäglich ist.
Brutschin: Gerade die jungen Wohlgroth-Besetzer haben Schwung und Erfahrungen, die sie sich da geholt und gemacht haben, weitergetragen, in andere Besetzungen und Projekte einfliessen lassen, bis heute. Klar, da war eine Art mehrjährige Leerstelle in der sichtbaren Besetzerbewegung. Doch 2001 kam die Ego-City vis-à-vis dem Bezirksgericht, später die Sihlpapier, dann die Binz, der Autonome Beauty Salon und die Labitzke, jetzt das Koch-Areal. Im Gegensatz zur Wohlgroth fehlt bei diesen Projekten aber die Durchlässigkeit – wenn sich nicht gerade Stadtrat Leutenegger veranlasst sieht, da mal wegen Nachtruhestörungen persönlich und medienwirksam vorbeizuschauen, weiss man eigentlich nicht, was da drin abgeht und entsteht.
Und im Bereich der Frauenbewegung und des Feminismus?
Fischer: In der Wohlgroth haben Frauen und Männer auf Augenhöhe diskutiert, es gab starke Frauen, die von Männern unterstützt wurden, und das war draussen in der Stadt und im Land damals sicher nicht alltäglich. Wobei sich das gesellschaftlich dominierende Patriarchat im Kleinen dann halt schon auch spiegelte – zum Beispiel gingen die Frauen nicht so gern an die «VVs», weil sie fanden, die Männer würden immer elend lang reden. Und dass die Männer ähnlich oft die WC geputzt haben wie die Frauen, würde ich bezweifeln. Aber man merkt es heute jedem Mann an, der mal mit Feministinnen zusammengelebt hat. Für ihn sind gewisse konkrete Anliegen und Wünsche der Frauen keine Demütigungen, sondern ein Selbstverständnis … dazu gehört sogar, dass er sich beim Urinieren hinsetzt. (lacht)
Brutschin: Diese Gleichstellung musste allerdings gemeinsam mit den Frauen erarbeitet werden. Gewisse anfängliche Normen – beispielsweise dass viele Männer bei Notdurft einfach in irgendeine Ecke auf dem Areal pissten – waren für die Frauen schon sehr unappetitlich. Der zu Beginn einzige saubere Raum in der Wohlgroth war das Frauenhaus, also die Frauen-Notschlifi, da wurden Duschen und WC stets geputzt, sonst war es teilweise übel. Aber wir haben uns dafür eingesetzt, dass es besser wurde und sich auch die Frauen wohlfühlten.
Gab es aus heutiger Sicht auch Versäumnisse?
Brutschin: Wir haben uns zu fest nach innen gerichtet. Wir hätten diesen Hintergrund, den uns dieser zentrale Standort bot, zusammen mit der grösstenteils offenen Quartierbevölkerung oder der IG Kreis 5 besser für die Stadtentwicklungsthematik nützen können und sollen. Ein anderer Punkt: Am Anfang freuten wir uns, dass viele der Alt-80er-Bewegten, die auf uns eher erdrückend wirkten, empört gegangen sind, weil wir in ihren Augen so blöd waren, einen Junkie-Raum einzurichten. Später aber merkten wir, dass uns genau die Erfahrung dieser Leute gefehlt hat; es hätte auch die altersmässige Mischung optimiert, so waren es viele ganz Junge und unsere Gruppe der Mittzwanziger.
Aber letzten Endes doch «Alles ward gut», um es in Anlehnung an den berühmten Wohlgroth-Schriftzug zu sagen?
Brutschin: Man darf nicht blauäugig sein. Für gewisse Leute war der Verlust dieses Lebensraums traumatisch, sie sind regelrecht daran zerbrochen – einige haben sich nie mehr davon erholt. Zudem wirkt Zürich heute manchmal wie vor dem grossen Knall in den 80er-Jahren – wenn meine Kinder mir sagen, um 23 Uhr müsse das Konzertlokal wegen Nachtruhe schliessen, stehen mir die Haare zu Berge.
«Allein machen sie dich ein». Die Zürcher Häuserbewegung 1979–1994, filmische Dokumentation in acht Teilen von Mischa Brutschin, 50 Fr. http://www.zureich.ch
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Hausbesetzung mit Rekorddimension
1989 machte die Wohlgroth AG, Fabrikantin von Gaszählern und Gasversorgungsanlagen, ihr Werk beim Zürcher Hauptbahnhof dicht. Eine Tochterfabrik der Maschinenfabrik Oerlikon Bührle übernahm das Areal – mit dem Ziel, einen grossen Büro- und Wohnkomplex zu errichten.
Allerdings liess sich dieser nicht so rasch realisieren wie von den Bauherren erhofft. Nicht nur die Anwohner wollten von der Überbauung nichts wissen. Auch bei der Stadt hatte man wegen des Wohnerhaltungsgesetzes Bedenken, weshalb die Abbruchbewilligung auf sich warten liess. Die Folge: Am Pfingstsamstag 1991 rief ein Flugblatt dazu auf, das Areal zu besetzen. Der Satz auf dem Flyer wurde berühmt: «Vage die Sau sich lümmelt.»
Etwa fünfzig Personen zogen in die Wohlgroth-Fabrik ein und machten sie bewohnbar. Schon am ersten Abend nahm die sogenannte Volxsküche, wo es künftig Abend für Abend für fünf Franken etwas zu essen gab, ihren Betrieb auf. Wegen der laufenden Rekurse liessen die Behörden die Besetzer gewähren – und diese breiteten sich aus. Bis Oktober 1992 waren zwei Wohlgroth-Häuser besetzt, etwa dreissig Personen wohnten darin. Dann kam ein nächstes Haus an der Josefstrasse hinzu, das die Besetzer über eine Brücke mit den anderen Gebäuden verbanden. Weitere Häuser folgten. Schliesslich wohnten über 100 Personen auf dem Areal.
Mehrere 100 Konzerte
Das Wohlgroth-Areal wurde zum Magneten für ein breites Publikum, insbesondere wegen des kulturellen Angebots. Hier fanden die ersten Techno-Raves statt – lange bevor daraus Massenevents wurden. Hinzu kamen Jazz- und Rockkonzerte, insgesamt mehrere 100, sowie Ausstellungen. Manche Anlässe wurden brav im Veranstaltungskalender der NZZ annonciert. Landesweit berühmt machte die Wohlgroth-Besetzung aber erstens ihre Grösse: Sie war die landesweit grösste Häuserbesetzung. Zweitens die beiden Graffiti: der «Alles wird gut»-Slogan auf einer Dachmauer sowie der «ZUREICH»-Schriftzug im Design einer SBB-Ortstafel. Jeder, der mit dem Zug in Zürich ein- oder herausfuhr, sah diese Bilder.
Selbst der damalige Oerlikon-Bührle-Direktor Hans Widmer, ein Onkel von SP-Stadtpräsidentin Corine Mauch, zeigte sich beeindruckt vom kulturellen Leben im Wohlgroth. Er bot den Besetzern eine leer stehende Fabrikhalle in Seebach als Alternative an – doch diese lehnten ab.
Im Sommer 1993 war das Rechtsmittelverfahren abgeschlossen. Am 20. November demonstrierten rund 2000 Personen für den Wohlgroth-Fortbestand. Es nützte nichts: Am 23. November wurde das Areal von der Polizei mit Helikopterunterstützung geräumt. Sofort fuhren die Baumaschinen auf. (han)
(https://www.tagesanzeiger.ch/zuerich/stadt/es-gab-leute-die-sind-regelrecht-daran-zerbrochen/story/17208604)